Winteraugen (North & Rae 1) - Rebecca Wild - E-Book
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Winteraugen (North & Rae 1) E-Book

Rebecca Wild

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Beschreibung

**Zum Dahinschmelzen, selbst an eisigen Wintertagen** Blumen aus Eis, Wasser, das in der Luft gefriert, und blattlose Bäume – viele Geschichten ranken sich um das ferne Winter, doch die 16-jährige Rae hat es noch nie zu Gesicht bekommen. Wo sie herkommt, sind die Wiesen immer grün, die Ernten immer reich und das Leben sorgenfrei. Erst als Juni, die Sommerprinzessin, spurlos verschwindet und der Verdacht auf ihren Zwillingsbruder Luca fällt, scheint die Kälte sich auch in ihr Leben zu schleichen. Um ihm zu helfen, begibt sich Rae auf die lange Reise in das Königreich von Frost und Kälte und trifft unterwegs auf North, den Jungen mit Augen so kalt wie der Winter selbst. North versteht zwischen den Jahreszeiten zu wandeln wie kein anderer, aber sein Vertrauen zu gewinnen, ist alles andere als einfach… //Textauszug: Ihre straffen Schultern entspannten sich ein wenig und sie lehnte ihren Rücken gegen seine Brust. Seine Körperwärme und das Adrenalin hatten die Kälte aus ihren Gliedern vertrieben. Sie zählte nicht länger seine Herzschläge, aber ihre Finger lagen noch immer um Norths Handgelenk. Fasziniert strich sie seine Handinnenseite hinauf. »Du bist ganz warm«, sagte Rae verwundert. »Was hast du erwartet?« Sie konnte sein Lächeln nicht sehen, aber sie spürte es hinter seinen Worten. »Wintermänner sind nicht aus Eis.«// //Alle Bände der märchenhaften Reihe: -- Winteraugen (North & Rae 1) -- Sommerkälte (North & Rae 2) -- Sammelband der »North & Rae«-Reihe// Die »North & Rae«-Reihe ist abgeschlossen.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Rebecca Wild, 2015 Redaktion: Konstanze Bergner Lektorat: Nicole Boske Umschlagbild: shutterstock.com / © Lars Hallstrom / © andreiuc88 Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

Für meine Schwester, Amelie. Ich krieg' dich schon noch dazu, Fantasy zu lesen ;-)

1. WINTERAUGEN

Winteraugen wurden in Sommer nicht gern gesehen, deshalb zog North die Kapuze tiefer ins Gesicht und hielt den Kopf gesenkt. Es war bereits spät und die Häuserwände warfen lange Schatten, in denen er sich verstecken konnte.

In seinem Umhang befanden sich zwar Papiere, die seinen Aufenthalt im Königreich Sommer genehmigten, dennoch wollte es North nicht darauf ankommen lassen, der Schlosswache über den Weg zu laufen. In Sommer galt jeder Winterling als potentieller Verbrecher.

Vor ihm trat eine junge Frau mit einem Kind am Rockzipfel und einem Korb voller Äpfel aus einem Hauseingang. North zog sich in eine Nische zurück und wartete, um sie vorbeizulassen.

Als sie auf einer Höhe waren, stolperte die Frau plötzlich über einen losen Pflasterstein, der Korb schwankte gefährlich hin und her, ein Apfel rollte über den Rand und fiel schließlich zu Boden. Das Kind – ein kleiner Junge – wollte ihn aufheben, aber die Frau zerrte ungeduldig an seiner Hand und hetzte weiter die Straße entlang, bis sie aus Norths Blickfeld verschwunden waren. Der Apfel hingegen kullerte ihm direkt vor die Füße. Ein kleiner Schatz, wenn man ihn nach Winter brächte. Hier ein überflüssiges Gut, das man einfach auf der Straße verrotten lassen konnte.

Behutsam hob North den Apfel auf und ließ ihn in seiner Manteltasche verschwinden. Danach setzte er seinen Weg fort.

Am Ende der Straße sah er endlich den Brunnen mit den bunten Fischfiguren, den ihm der Knabe am Stadttor beschrieben hatte.

Zwischen zwei Häuserwänden schlängelte sich eine schmale Gasse hindurch. Auf der linken Seite waren Stufen in die Mauer geschlagen worden, und dahinter erkannte North die Umrisse einer Tür. Kein Schild hing über dem Eingang, kein verschroben-fröhlicher Name, der verkündete, dass sich hier eine der vielen Sommer-Tavernen verbarg. Einzig die schwarze Farbe, mit der man die Tür umrandet hatte, verriet ihm, dass er hier richtig war.

North blieb einen Moment in der Gassenmündung stehen und sah wachsam unter seiner Kapuze hervor. Wie von selbst glitt seine Hand in den kleinen Samtbeutel an seinem Gürtel, den er immer randvoll mit Salz gefüllt hielt. Als er merkte, was er da tat, zog er seine Hand ruckartig wieder zurück und verschnürte den Beutel fester als notwendig.

Schnell warf er einen kurzen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand ihn sah, dann betrat er die Gasse und ging zielsicher auf die Tür in der Mauer zu. Er hob seinen Wanderstab und schlug mit dem klobigen oberen Ende gegen das Holz. Zweimal Klopfen. Pause. Dreimal Klopfen. So wie man es ihm gesagt hatte.

Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und ein älterer Mann mit krausem weißen Haar, das ihm wie eine Schneehaube auf dem Kopf saß, lugte argwöhnisch hervor.

»Ich lasse niemanden rein, dessen Gesicht ich nicht sehen kann«, knurrte er und bedeutete North, die Kapuze abzunehmen.

Dieser behielt die Kapuze an, aber er trat so weit zurück, dass der Alte in sein Gesicht blicken konnte. Als der Mann seine Augen sah, verzog er den Mund, als hätte er etwas Ranziges gerochen.

»Wintervolk«, brummte er und spuckte auf den Boden. »Von eurer Sorte sieht man nicht mehr viele in der Stadt. Nicht seit König Augusts Regentschaft.« Er schob etwas mit der Zunge in seinem Mund hin und her, während er North misstrauisch musterte. »Was willst du hier?«

»Ich bin mit jemandem verabredet«, erwiderte North knapp und hielt seinem Blick stand.

»Keine Zauberei, hörst du? Wir wollen keinen Ärger mit der Schlosswache hier. Einer von deinen Wintertricks und du fliegst raus.«

North neigte den Kopf. »Selbstverständlich.«

Nicht jeder, der aus Winter kam, verstand sich automatisch auf Magie. Das Land war arm und nur die wenigsten konnten sich ein Studium bei der Magiergilde leisten. In Sommer genügte dagegen schon ein Paar eisblauer Augen, um der Hexerei bezichtigt zu werden und im Schlosskerker zu landen.

»Sieh zu, dass du endlich reinkommst!«, unterbrach der Alte jäh seine Gedanken. »Die Leute werden noch misstrauisch werden, wenn du weiter da draußen Wurzeln schlägst, und ich kann keine Soldaten im Laden gebrauchen.« Der Mann winkte ungeduldig und zog die Tür weit genug auf, dass North hindurchschlüpfen konnte.

Der Raum, der sich nun eröffnete, bestand aus einem einzigen Tisch mit einer halb heruntergebrannten Kerze und einem vergilbten Gedichtband darauf. Dahinter führte eine gebogene Treppe in die Tiefe. Der Schankraum musste sich dort unten befinden. Wahrscheinlich hatte der »Keller« daher seinen ominösen Namen.

Gedämpftes Gelächter drang zwischen den Stufenhohlräumen zu ihnen hinauf und Norths Griff um den Wanderstab verstärkte sich. Große Menschenmengen machten ihn nervös, beengte Kellerräume noch viel mehr und für gewöhnlich mied er aus genau diesem Grund die Städte. Abgelegene Gasthäuser an Weggabelungen und kleine Dörfer waren sonst sein Zuhause, aber er war aus einem speziellen Grund hergekommen. Er hatte es Januar versprochen. Er konnte jetzt keinen Rückzieher machen.

Auf seinem Weg nach unten schob er die Kapuze zurück. Die rauchenden Öllampen, die an Wandhaken und Tischen verteilt waren, spendeten nicht genug Licht, um seine Augenfarbe zu verraten, und an solch einem Ort würde eine Kapuze zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Der Schankraum am Ende der Treppe war sporadisch eingerichtet, ohne Fenster und Gemälde oder sonstige Zierde. North erspähte nur einen langen Tresen mit lederbezogenen Hockern und drei Tische, von denen zu so früher Stunde nur einer besetzt war.

Er ignorierte die zwei Männer, die dort ihr Bier tranken und ihn interessiert musterten, während er zur Bar vordrang und sich auf einen Hocker setzte. Er lehnte seinen Stab gegen den Tresen und begrüßte die Frau dahinter mit einem knappen Nicken. Sofort schenkte sie ihm ein breites Lächeln. Sie stützte ihre Hände auf die Bar, wodurch ihr freizügiges Dekolleté noch mehr zur Geltung kam. Sommermode. North würde sie nie ganz verstehen.

»Na, Fremder?«, gurrte sie und musterte ihn neugierig. Sie war älter als er und zu hübsch für dieses dunkle Loch, in dem es nach Bier und Pfeifentabak stank.

North drehte den Kopf zur Seite, um ihrem neugierigen Blick auszuweichen und lehnte die Ellbogen auf den Tresen.

»Ein Wasser, bitte.«

Enttäuscht nickte sie und wandte sich ab, um ihm aus einem Krug einzuschenken.

North wollte sich gerade entspannen, als er eine Hand auf der Schulter fühlte. Die zwei Männer vom Nebentisch waren aufgestanden und hatten sich hinter ihm aufgebaut. Sie standen zu nah. North hatte das Gefühl, weniger Luft zu bekommen, und berührte seinen Stab, wie um Schutz zu suchen. Noch wirkten die Männer nicht angriffslustig, sondern eher interessiert, aber das konnte sich schnell ändern, wenn sie erfuhren, mit wem sie es zu tun hatten.

»Ich kenn dich nicht«, sagte der eine und zog seine Hand von Norths Schulter. Er war ein hässlicher Geselle mit tiefen Pockennarben und einer unförmigen Nase. Im Kontrast dazu stach das hübsche Gesicht seines Kameraden noch stärker hervor. North hätte fast behauptet, dass der Junge Feenblut in sich tragen musste, aber so etwas wie männliche Feen gab es nicht.

»Und du kennst jeden, der hier ein und ausgeht?«, fragte er möglichst unschuldig.

»Nicht jeden. Aber die meisten.« Der Mann lächelte schief. Trotz seiner unvorteilhaften Gesichtszüge, versprühte er ein gewisses Charisma. Wäre North ein Menschenfreund gewesen, hätte er vielleicht gern ein Bier mit ihm getrunken.

»Ich bin Kit. Der Laden gehört mir. Und der nutzlose Schönling da ist mein Freund Luca. Um die Zeit ist noch nicht viel los hier. Leiste uns doch bei einem Würfelspiel Gesellschaft.«

North blickte zur Treppe. »Ich bin mit jemandem verabredet.«

»Noch bist du aber allein, oder? Komm und setz dich zu uns.«

Die Aufforderung war zu direkt, um höflich abgelehnt zu werden. Als North dennoch zögerte, hievten die zwei Männer einfach ihre Stühle zur Bar und kreisten ihn ein. Ein Becher und fünf Würfel wurden auf den Tresen gelegt und damit war die Sache entschieden.

North sah noch einmal zur Treppe, aber im Grunde sprach nichts dagegen, sich etwas die Zeit zu vertreiben, bis Juni hier auftauchte.

Kit drückte ihm den Würfelbecher in die Hand und North schüttelte ihn gegen seine Handfläche.

Sie spielten »Drossel«, ein Spiel, das North schon oft in Sommer-Wirtshäusern am Rande des Herbstwaldes beobachtet hatte, aber heute zum ersten Mal selbst spielte. Es ging um ein paar Kupferlinge, nichts, das North wehgetan hätte, aber der goldgelockte Schönling, den Kit als Luca vorgestellt hatte, zog eine immer säuerlichere Miene, als North drei Runden hintereinander gewann.

Kit schien es auch zu bemerken. Als Luca schon wieder verlor und North sich zwei neue Kupferlinge in den Umhang schob, lachte Kit auf und klopfte seinem Kameraden auf die Schulter. »Unser neuer Freund hat Glück, kein Grund so ein Gesicht zu machen.«

»Das war mein ganzer Tageslohn«, murrte Luca.

»Lohn? Wann hast du heute gearbeitet?« Kit grinste nur, als Luca ihn finster anstierte.

»Ich spiele sonst nicht«, sagte North.

»Nein?«, fragte Kit. »Was treibst du dann?«

»Solchen Fragen ausweichen.«

Kit lachte. »Ich mag dich. Sag, wie heißt du Bursche?«

»North«, antwortete er, ohne nachzudenken und nahm einen Schluck aus seinem Krug. Irgendwann in der letzten Stunde hatte sich sein Wasser in Bier verwandelt. Und da sag noch mal einer, Sommervolk verstünde nichts von Magie. Die angespannten Gesichter seiner Mitspieler bemerkte er erst, als er den Krug wieder abstellte.

»North?«, fragte Kit mit plötzlichem Misstrauen in der Stimme. »Das ist kein Sommername.«

Auch Luca ließ seinen Blick nun aufmerksam über seine Gestalt wandern. »Für Sommer ist seine Haut auch zu hell.«

»Es war nie meine Behauptung, aus Sommer zu sein«, antwortete North ruhig und legte seine Hand auf den Stab.

Luca kniff die Augen zusammen. »Er hat uns reingelegt. Die Würfel waren verhext!«

»Sei kein Narr! Nicht jeder Winterling ist gleich ein Magier. Du hörst zu viele Geschichten«, beschwichtigte ihn Kit, aber sein Lächeln wirkte plötzlich gezwungen.

North neigte den Kopf zur Seite. »Dein Freund hat Recht«, sagte er an Luca gewandt. »Die meisten Winterleute erkennen Magie nicht einmal, wenn der Wald ihnen ins Gesicht blickt. Aber nehmen wir an, ich wäre ein Magier …« North hob einen Mundwinkel und ließ eine Hand über die Würfel gleiten, während er Luca genau im Blick behielt. »… dann hätte ich es sicher nicht nötig, beim Würfelspiel zu zaubern.« Als er die Hand zurückzog, waren die Würfel verschwunden. An ihrer Stelle lagen fünf Goldstücke mit Würfelaugen anstatt der typischen Insignien als Prägung.

Luca machte einen überraschten Laut und kippte samt Stuhl nach hinten. Als er wieder auf die Füße kam, hatte er eine Hand zur Faust geballt, zog den Ellbogen zurück und –

Eine zarte Frauenhand legte sich auf Lucas Ellbogen. Sie hielt ihn nicht fest, aber die Berührung reichte aus, dass er innehielt. Er blickte über die Schulter nach hinten, seine Augen weiteten sich und sein Mund klappte auf. Seiner Kehle entwich ein kratziger Laut.

»Gibt es ein Problem?«, fragte die Frau und lächelte freundlich. Sie trug einen taubengrauen Umhang; die Kapuze war verrutscht und enthüllte mandelförmige Augen und ein filigranes Gesicht.

Augenblicklich ließ Luca die Faust sinken und lächelte verzückt zurück. »Was …? Nein. Natürlich nicht.«

Sie strich ihm flüchtig über den Arm, dann schob sie sich an Luca vorbei und wandte sich North zu. »Du bist sicher North. North von –«

»Nur North«, unterbrach er sie schroff und zog seinen Stab an sich. Schönheit ließ ihn stets eine Abwehrhaltung einnehmen. Juni war zwar keine Fee, aber sie war so schön wie eine und in Norths Fingern kribbelte das Verlangen, Salz aus seinem Beutel zwischen den Handflächen zu verreiben und eine Schutzformel aufzusagen.

Wenn Juni sich an seinem Verhalten störte, ließ sie es sich nicht anmerken. Noch immer dieses erhabene Lächeln auf den Lippen nickte sie und marschierte an ihm vorbei zu einem der Tische. Sie wählte den, der am weitesten von der Bar entfernt stand. Ganz selbstverständlich schien sie anzunehmen, dass er ihr folgen würde. Nicht anders zu erwarten von einer Sommerprinzessin.

Den Stab fest mit einer Hand umklammert tat er es ihr gleich. Je weiter er sich von der Bar entfernte, desto lauter wurde das angeregte Flüstern hinter ihm.

»Hast du sie gesehen? Das war Prinzessin Juni! Darauf verwette ich meine Seele.«

»Aber was will sie hier? Und von einem Winterling?«

North setzte sich gegenüber von Juni an den Tisch. »Ich dachte, Ihr hättet diesen Ort gewählt, um keine Aufmerksamkeit zu erregen?«

»Und ich dachte, Januars Vertrautem wäre es möglich, keine Prügelei während unseres Treffens anzuzetteln. Aber bitte: Nächstes Mal lasse ich Euch dann einfach niederschlagen.«

North zuckte die Schultern. Er kam sich selbst dumm vor, in solch eine Situation geraten zu sein. Der Trick mit den Würfeln war überflüssig gewesen.

»Das Bier ist schuld. Es lässt mich die dümmsten Sachen tun, weshalb ich es für gewöhnlich meide«, sagte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Und obwohl mich Eure Sorge ehrt, Prinzessin, braucht Ihr Euch nicht meinetwegen zu fürchten. Seine Faust hätte mich auch ohne Eure heldenhafte Einmischung nicht berührt.«

Juni hob eine elegant geschwungene Augenbraue. »Januar hat mir davon erzählt.«

»Was erzählt?«

»Dass Ihr ziemlich von Euch überzeugt seid.«

North lächelte dünn. »Ich versuche bloß allen Erwartungen gerecht zu werden und die meisten Menschen wollen Winter fürchten.«

»Und: Seid Ihr furchteinflößend?«

Mit dem Daumennagel fuhr North eine Holzrille im Stab nach. »Nein«, antwortete er langsam. »Aber ich weiß, was Furcht bedeutet.«

»Dann kann ich nur hoffen, dass Januar Recht behält.«

Insgeheim bewunderte North diese Art der Gesprächsführung. Immer nur so viel erzählen, dass der andere neugierig wurde und nachhakte. Aber diesmal ließ er sich nicht ködern. Abwartend sah er Juni an.

Langsam gewann das Lächeln auf ihren Lippen einen Zug Ehrlichkeit. »Ich glaube, wir werden uns verstehen. Ich setze großes Vertrauen in Euch. Ich hoffe, dessen seid Ihr Euch bewusst.« Juni zog einen Umschlag unter ihrem Umhang hervor und schob ihn über den Tisch.

Ihr Duft wehte zu ihm herüber. Rosenwasser und Orangenblüten. Am liebsten wäre er getürmt.

»Hier steht alles drin, was Ihr wissen müsst. Verbrennt den Brief, wenn Ihr ihn gelesen habt.« Das gesagt, erhob Juni sich von ihrem Stuhl und zog ihre Kapuze nach vorn.

North blieb sitzen. »Das hätte mir auch ein Bote übermitteln können. Das wäre weniger riskant gewesen.«

»Und damit die Gelegenheit verpassen, Euch persönlich kennenzulernen?« Juni machte einen Knicks. »Es war mir eine Freude, North von Nirgendwo.«

***

Rae stand unschlüssig in der Gasse, in welcher sich der Eingang zum »Keller« befand und starrte auf die Tür. Wie war das nochmal? Einmal klopfen, Pause, zweimal klopfen? Oder zweimal klopfen und dann Pause? Der gehässige Alte änderte das Zeichen jede Woche, nur um sie zu ärgern.

Rae gab es auf und hämmerte in kurzen Abständen mehrmals mit der Faust gegen das Holz. Dabei rief sie lautstark: »Oak? Ich bin's, Rae von Rose. Hast du gehört? Von Rooooose!« Sie wusste aus Erfahrung, dass sie nur lang genug Radau zu machen brauchte, damit Oak die Tür öffnete.

Und richtig: Wenig später krachte ihr die Tür bereits entgegen und Rae musste zurückspringen, um nicht von ihr erschlagen zu werden. Oak fiel vor lauter Anstrengung fast die Stufen hinunter, doch als er sie erkannte, verengten sich seine Augen erbost. »Der Giftzwerg!«, zischte er. »Was willst du schon wieder hier?«

Rae winkte zur Begrüßung. »Ich suche mal wieder meinen Bruder. Luca. Ist er hier?« Ungeduldig wippte sie auf den Fußballen nach vorn und warf einen verstohlenen Blick auf die Treppe, die hinab in den Schankraum führte.

»Und wenn schon. Du weißt ganz genau, dass –« Oak stieß empört die Luft aus, als Rae sich einfach an ihm vorbeidrängte. »Hier geblieben! Du bist viel zu jung, um –«

»Werd nicht lächerlich«, sagte Rae und tätschelte die Schulter des Alten. »Luca ist keinen Tag älter als ich und der lässt sich hier schließlich täglich die Birne volllaufen. Außerdem brauche ich nur ganz kurz. Du wirst gar nicht merken, dass ich hier war.«

»Ich merke es immer, wenn du hier bist«, meckerte Oak. »Das letzte Mal hast du die Bar abgeräumt, weil du unbedingt deine Fechtkünste mit Maurins Krücke unter Beweis stellen musstest. Hast die Hälfte der Gäste verjagt. Ne, so leicht lass ich dich nich' nochmal aus'n Augen. Ich komm mit dir runter.«

Sie hätte Maurin niemals die Krücke abgenommen, wenn nicht jemand ihren Apfelsaft aufgeputscht hätte, aber das verkniff sich Rae an dieser Stelle. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprang sie die Treppe in den Keller hinunter. Oak folgte ihr grummelnd, wobei seine Hüfte lauter knackte als das morsche Holz unter ihren Füßen.

»Verdammt, Oak«, stöhnte Kit, als sie im Schankraum auftauchten. »Wieso hast du das Mädel schon wieder reingelassen?«

»Was soll ich tun? Sie niederschlagen? Ich bin nicht mehr der Jüngste.«

»Du könntest einfach die Tür nicht aufmachen, wenn sie anklopft. Wie wär's damit?«

»Tag, Kit. Schön, dich zu sehen«, flötete Rae und duckte sich, als der Barbesitzer ihr im Vorbeigehen durch die Haare wuscheln wollte. Für wie alt hielt er sie? Zehn? Sie war bereits sechzehn!

Luca hob nicht einmal den Kopf, als sie zielstrebig auf ihn zusteuerte. Dabei hatte er sicher mitbekommen, dass sie hier war, aber seine Aufmerksamkeit galt ganz der Frau an seiner Seite, auf die er gedämpft einredete. Rae konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber wenn Luca sich so angeregt mit ihr unterhielt, musste sie eine Schönheit sein. Zudem trug sie einen fein gearbeiteten Umhang, der mit einer schweren, silbernen Brosche zusammengehalten wurde. Nicht das übliche Gewand, das sich die Kundschaft im »Keller« leisten konnte.

»Hey, Luca! Faulpelz!«, rief Rae und hob einen herumliegenden Korken vom Boden auf. Als ihr Bruder sie immer noch nicht beachtete, warf sie den Korken an seinen Hinterkopf. »Vater sagt, dass er dich am Markt gegen einen Ochsen eintauschen will, wenn du nicht bald nach Hause kommst. Ich hab schon wieder für dich in der Schmiede einspringen müssen!«

Luca machte einen halben Schritt zurück, wodurch die Frau genug Platz gewann, dass sie sich zwischen den Stühlen an ihm vorbeischlängeln konnte. Überrascht griff Luca nach ihrem Ärmel, um sie zurückzuhalten, aber er musste schon etwas getrunken haben, denn er erwischte nur warme Luft. Die Frau zog ihren Umhang eng um sich und rauschte mit gesenktem Kopf an Rae vorbei und die Treppe nach oben.

»Nicht! Warten Sie!«, rief Luca ihr nach und rannte in einen Stuhl hinein.

»Das arme Mädchen. Total verstört«, bemerkte Rae und schlug mit der Zunge gegen ihren Gaumen. »Mama sagt doch immer, dass du die Mädchen nur anlächeln und nicht mit ihnen reden sollst. Du verschreckst sie, sobald du den Mund aufmachst.«

»Was soll das, Rae? Wegen dir ist mir gerade die Liebe meines Lebens durch die Lappen gegangen!« Luca stellte den Stuhl wieder gerade hin und starrte sie böse an.

»Echt?« Rae wandte den Blick über ihre Schulter. »Dabei sah die gar nicht aus wie Ivi. Oder verfolgst du diese Woche wieder Juliet?«

»Keine von beiden!«

»Wurde Margaret nicht mit dem Metzgersohn verheiratet?«

»Rae!« Lucas Gesicht war inzwischen purpurrot angelaufen. Er sah dabei immer noch unverschämt gut aus. Der Schuft. Kein Wunder, dass ihr niemand glaubte, dass sie Zwillinge waren.

»Du hast doch keine Ahnung! Das war die Prinzessin!«

Rae beäugte die leeren Bierkrüge, die auf dem Tisch herumstanden. »Aber sicher.« Prinzessin Juni hatte auch nichts Besseres zu tun, als sich mit ihrem Bruder in so zwielichtigen Spelunken wie dem »Keller« herumzutreiben. »Ich hoffe, du hast ihr gleich einen Antrag gemacht. Mama übergeht mich vielleicht in der Hochzeitsplanung, wenn du eine Prinzessin an Land ziehst.«

Luca zog einen Schmollmund. »Du musstest ja dazwischenfunken.«

»Ehrlich, Kit. Mit was hast du ihn nur wieder abgefüllt?«, fragte Rae und wandte sich zum Kneipenbesitzer um. Sie verzog den Mund, als dieser ihr von hinten den Arm um die Schulter legte und ihre Wange küsste.

»Ach Rae-Herzchen, sei nicht so hart zu ihm. Ich glaub, das vorhin könnte tatsächlich ihre sommerliche Hoheit gewesen sein. Die Feen wissen, was sie hergetrieben hat, aber sie hat mit dem Typen da geredet.« Kit reckte sein Kinn nach vorn, stoppte und runzelte die Stirn. »Das sieh sich einer an! Weg. Einfach verschwunden.«

***

North hatte sich weder in Luft aufgelöst noch war er unsichtbar geworden. Es war nur ein simpler Zauber, der unerwünschte Blicke ablenkte, so dass das ungeübte Auge ihn nicht wahrnehmen konnte, während er sich seinen Weg zur Treppe bahnte. Simpel, ja, aber nicht leicht auszuführen. Der Bann hielt nur so lang, wie North die Luft anhielt und mit dem Daumen Symbole auf seinem Holzstab nachzog.

Als er den Treppenaufgang erreichte, brannten seine Lungen. Er hatte nicht mehr viel Zeit, trotzdem hielt er inne und wandte den Kopf.

Das Mädchen lachte, während Kit ihr den mysteriösen Fremden beschrieb, der auf so wundersame verschwunden war und Lucas Würfel verzaubert hatte. Sie glaubte ihm kein Wort, das sah North in ihren Augen. Die Goldmünzen mit den geprägten Würfelaugen betrachtete sie wie sonderbare Schmuckstücke. Bestimmt war sie noch nie mit Wintermagie konfrontiert worden. War noch nie in der Nähe des Waldes gewesen, der ihre Königreiche voneinander trennte.

Sie hatte das sorgenfreie Lachen eines Kindes, Sommersprossen und sonnengebräunte Arme. Strohblondes Haar umrahmte ein herzförmiges Gesicht. Sie war ganz Sommer und North wünschte ihr, dass sie niemals mit Winter in Berührung kam.

2. FÜNF BÄLGER UND ZEHN HÜHNER

Wenn Rae sich beeilte, schaffte sie es von ihrem Dorf bis in Sonnfeldens Stadtmitte in weniger als einer Stunde. Für den Rückweg brauchte sie dank ihres Bruders nun jedoch doppelt so lang. Luca ließ sich wie ein schwerer Karren ohne Räder von ihr mitschleifen. Mehrmals blieb er stehen, um irgendwelchen Frauen nachzublicken und ihnen anzügliche Worte hinterherzurufen. Einmal lief er Rae sogar davon, als er dachte, Juliets feuerrote Mähne am Markt erspäht zu haben.

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