Wir Besatzungskinder - Ute Baur-Timmerbrink - E-Book

Wir Besatzungskinder E-Book

Ute Baur-Timmerbrink

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Beschreibung

Zwischen 1945 und 1955 wurden in Deutschland und Österreich Hunderttausende Menschen geboren, deren Väter Soldaten der alliierten Besatzungstruppen waren. Viele dieser sogenannten Besatzungskinder haben ihren Vater aus den USA, Großbritannien, Frankreich oder der früheren Sowjetunion nie kennengelernt. Häufig erlebten sie Ausgrenzung in ihrer Familie und durch die Gesellschaft.
Ute Baur-Timmerbrink, selbst Besatzungskind, unterstützt Menschen bei der Suche nach ihrem Soldatenvater und hat bisher etwa 200 Familienzusammenführungen begleitet. Im Mittelpunkt ihres Buches stehen Porträts von Besatzungskindern aus Deutschland und Österreich. Zwei Beiträge von Expertinnen geben Auskunft über das Verhältnis zwischen Besatzungssoldaten und Bevölkerung 1945 – 1955 und stellen die neuesten Forschungsergebnisse zu den psychosozialen Belastungen von Besatzungskindern vor.

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Ute Baur-TimmerbrinkWir Besatzungskinder

Ute Baur-Timmerbrink

Wir Besatzungskinder

Töchter und Söhne alliierter Soldaten erzählen

Mit Beiträgen von Heide Glaesmer und Sabine Lee sowie einem Vorwort von Mechthild Rawert

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überwww.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, März 2015 (aktualisiert im Juli 2015) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected]

Abbildungen: Archiv des Verlages: S. 32, S. 239. Alle anderen im Buch abgedruckten Fotografien stammen aus Privatarchiven und dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung der Rechteinhaber nicht reproduziert oder weiterverwendet werden.

Satz: Agentur Marina Siegemund, Berlin

ISBN 978-3-86153-819-6

Die ganzen Jahre war es, wie auf einem Bein zu stehen und zu versuchen, Haltung zu bewahren, wenn man nicht weiß, wo man herkommt, wer man ist.

Hans M., Besatzungskind

Man denkt, man besitzt ein Gedächtnis, doch das Gedächtnis besitzt den Menschen.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vater gesucht – ein Tabu aus Kriegs- und Nachkriegszeiten Vorwort

Von Mechthild Rawert

Wer sind die Besatzungskinder?

Warum ich dieses Buch schreibe

Besatzer, Besetzte und Besatzungskinder in Deutschland und Österreich 1945 – 1955

Von Sabine Lee

Die Mütter – »Amiliebchen«, »Russenhure«, »Britenschlampe«?

Die Väter – Besatzungssoldaten in Deutschland und Österreich

Die Kinder – Das schwierige Leben ohne oder mit dem »falschen« Vater

Die Besatzungskinder in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus psychosozialer Perspektive

Von Heide Glaesmer

Besatzungskinder aus Deutschland und Österreich – zwölf Porträts

Kinder alliierter Soldaten ab 1955

Die Suche nach dem Vater – Einige Hinweise und Anlaufstellen

Ausblick

Anhang

Literaturempfehlungen

Webadressen

Karte

Dank

Vater gesucht – ein Tabu aus Kriegs- und Nachkriegszeiten Vorwort

Von Mechthild Rawert

Die Frage der eigenen Herkunft und Identität bewegt jeden Menschen. Während die einen mit einem sicheren Gefühl aufwachsen, da beide Elternteile bekannt sind, quälen sich andere ein Leben lang mit den existenziellen Fragen »Von wem stamme ich ab?« und »Wer bin ich?«.

In Deutschland sind zwischen 1945 und 1955 bis zu 250 000 Kinder geboren worden, die eine einheimische Frau zur Mutter und einen Besatzungssoldaten aus den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich zum Vater haben. In Österreich sind es mindestens 20 000 Kinder. Bei den meisten dieser Besatzungskinder steht in ihrer Geburtsurkunde »Vater unbekannt«. Ihr Schicksal war häufig mit gravierenden Tabuisierungen in ihrem familiären und sozialen Umfeld verbunden.

70 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, in dessen Folge in Deutschland und Österreich Besatzungszonen eingerichtet wurden, suchen viele der heute 60- bis 70-jährigen Frauen und Männer nach ihren Vätern. Ein noch längeres Schweigen ist keine Lösung mehr. Ihr Schicksal und ihre häufig mit großen Schwierigkeiten behaftete Suche hat bei der Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte bisher zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Ich danke Ute Baur-Timmerbrink und allen von ihr porträtierten Besatzungskindern für ihren großen Mut, uns an ihrer Suche teilhaben zu lassen. Ihre Biografien decken ein Tabu der unmittelbaren Nachkriegszeit auf. Viele der belastenden Stigmata und Diskriminierungen sind nur im Kontext der historischen und politischen Rahmenbedingungen nachvollziehbar. Daher mein Dank auch an Heide Glaesmer und Sabine Lee für die aufklärenden und einordnenden Beiträge.

Nicht für jedes der Besatzungskinder erfüllt sich die Hoffnung, den Vater zu finden. Voller Hürden ist die Suche allemal. Sie wünschen vor allem einen besseren Zugang zu entsprechenden staatlichen und militärischen Archiven in den Herkunftsländern ihrer Väter sowie den Einblick beziehungsweise Erhalt der eigenen Originaldokumente hier in Deutschland.

Eine große Herausforderung ist es, das bisher vorhandene Wissen in sinnvolle politische, soziale, rechtliche und humanitäre Maßnahmen einzubinden. Die Stärkung der Rechte von Kindern einheimischer Frauen und im Land anwesender Soldaten ist angesichts gegenwärtiger Konflikte und Kriege eine deutsche, eine europäische, eine internationale Herausforderung. Gefordert wird eine Erweiterung der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür ist eine sensibilisierte Öffentlichkeit erforderlich. Seien Sie ein Teil davon.

Wer sind die Besatzungskinder?

Nach der Kapitulation Nazideutschlands im Mai 1945 wurden Deutschland und Österreich durch die alliierten Streitkräfte besetzt und jeweils in vier Besatzungszonen geteilt; die Hauptstädte Wien und Berlin in vier Sektoren.

In allen Besatzungszonen kam es trotz des anfänglichen Fraternisierungsverbots aller alliierten Streitkräfte zu intimen Kontakten von Soldaten und einheimischen Frauen. Die ersten Besatzungskinder wurden Ende 1945 /Anfang 1946 geboren. Unter diesen ersten Besatzungskindern waren auch solche, die nicht aus einer Affäre oder einem Liebesverhältnis hervorgegangen waren. Viele wurden in einer Vergewaltigung gezeugt. Das gilt insbesondere für die sowjetische Besatzungszone.

In den Nachkriegsjahren gab es keine Statistik über die Zahl der Besatzungskinder. Erst 1955, zehn Jahre nach Kriegsende, wurden die ersten Zahlen bekannt. Das Statistische Bundesamt Wiesbaden hat die Geburten von unter Vormundschaft stehenden unehelichen Kindern in den Westzonen beziehungsweise der BRD für die Jahre 1945 bis 1955 mit circa 68 000 ermittelt. Diese Zahl umfasst nur Kinder, die in Jugendamtsakten registriert sind und deren Väter als Besatzungssoldaten namentlich genannt sind. Alle anderen Kinder, die aus Vergewaltigungen entstanden sind, und die, deren Mütter den Namen des Vaters nicht angegeben haben oder die in ehelicher Gemeinschaft geboren worden sind, wurden statistisch nie erfasst. Aufgrund dieser Tatsachen wird es vermutlich eine weitaus größere Zahl von Kindern der alliierten Streitkräfte geben, als bis heute bekannt ist. Für Österreich geht man heute von circa 20 000, für Deutschland von circa 200 000 bis 250 000 Besatzungskindern aus, aber die wirkliche Zahl könnte noch deutlich höher liegen. Die Historikerin Silke Satjukow spricht allein von circa 100 000 Besatzungskindern sowjetischer Soldaten in der DDR.

Ute Baur-Timmerbrink, circa 1948

Besatzungskinder waren wie ihre Mütter vielfach Diskriminierungen ausgesetzt. Vor allem auf dunkelhäutige Kinder wurden rassische, ideologische und moralische Vorurteile projiziert, die zum Teil auf der NS-Propaganda basierten.

Die meisten Besatzungskinder lebten jahrzehntelang mit einer schweren seelischen Last. Sie wurden gegenüber Geschwistern zurückgesetzt, fühlten sich nicht angenommen und geliebt, spürten, dass um ihre Herkunft ein Geheimnis gemacht wurde und dass man sie belog. Ängste, Hemmungen und Blockaden, Gefühle von Schuld, Zerrissenheit, Unvollkommenheit prägen ihr Leben oftmals bis in die Gegenwart.

Der Vater sei tot, hieß es manchmal, oder der Vater sei unbekannt. Oder ein anderer Mann wurde als Vater ausgegeben. Die Lüge wurde und wird nicht selten durch Zufall aufgedeckt. Und ab diesem Moment treibt sehr viele Besatzungskinder die Sehnsucht nach ihrem richtigen Vater um. Sie suchen Gewissheit über ihre Wurzeln und zugleich Geborgenheit, Sicherheit.

Manche Väter sind bereits gestorben, nicht alle Väter wollen gefunden werden und Kontakt aufnehmen. Und nicht alle Familien sind bereit, sich der Vergangenheit zu stellen. Doch manchen Betroffenen gelingt es, durch die Spurensuche und den Austausch mit den bisher unbekannten Verwandten neues Selbstvertrauen aufzubauen, freier und glücklicher zu leben.

In meinem Buch sollen Schicksale von Besatzungskindern erzählt werden, die sich mit den ungeklärten Fragen ihrer Herkunft nicht abfinden wollten. In zwölf ausgesuchten Porträts und weiteren Kapiteln wird über das schwierige Leben von Besatzungskindern nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Österreich berichtet, über deren Leben und große Sehnsucht nach der Wahrheit. Die Reise in die Vergangenheit bringt Schmerz, Unsicherheit, aber auch Hoffnung.

Mein Buch soll den Besatzungskindern wie allen anderen Leserinnen und Lesern Mut machen, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, damit ungeklärte Fragen oder gar Traumata nicht an nachfolgende Generationen weitergegeben werden.

Warum ich dieses Buch schreibe

Meine eigenen frühesten Erfahrungen sind: Ich bin nicht erwünscht, mit mir stimmt etwas nicht. In meinem Zuhause, als Einzelkind in einer gutbürgerlichen Familie, schien alles komplizierter als in anderen Familien, die ich kannte. Verstanden habe ich es nicht.

Ich habe mich seit meiner frühesten Kindheit mit dem Gedanken beschäftigt, dass mein Papa vielleicht gar nicht mein Vater sei. Es gab eindeutige Hinweise darauf. Ich bin 1946 in Österreich geboren. Irgendwann wurde mir beiläufig gesagt, »als der Papa aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, musste er sich erst an dich gewöhnen. Das war nicht leicht für ihn, und deshalb ist ihm öfter die Hand ausgerutscht.« Ich habe als kleines Mädchen Gewalt erfahren. Die Erklärung dafür, warum er mich erst mit zweieinhalb Jahren kennenlernte, bekam ich auf Nachfragen erst, als ich schon in der Pubertät war. Es hieß, er habe während der Kriegsgefangenschaft drei Tage Urlaub bekommen, und in dieser Zeit sei ich gezeugt worden. Das glaubte ich damals nicht, aber ich hatte nicht den Mut, es offen zu bezweifeln.

So habe ich über die Jahre aufmerksam beobachtet, Gesprächen freiwillig und unfreiwillig gelauscht und mir meine eigenen Gedanken gemacht. Erwähnt habe ich meinen Verdacht erst als ich älter war, aber nur gegenüber guten Freunden. Meine Eltern habe ich nie gefragt. Sie sind 1974 und 1981 gestorben. Wieder wurde ich mit ihren Lebenslügen konfrontiert. Es gab so vieles, was sie mir verheimlicht hatten. Als meine Mutter starb, beichtete mir mein Vater, sie würde nicht kirchlich bestattet werden, weil sie während der Nazizeit aus der Kirche hätten austreten müssen. Ich habe das mit dem örtlichen Pfarrer regeln können. Als mein Vater starb, fand ich in seinen Unterlagen, dass er Mitglied der NSDAP gewesen war. Danach hatte ich ihn früher mehrfach gefragt, und er hatte es immer bestritten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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