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Die Autorengruppe Loseblattsammlung entführt Ihre Leserinnen und Leser in ihrer neuesten Kurzgeschichtensammlung in gruselige Gefilde. Viel Spaß beim Lesen und Gruseln!

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Autorengruppe Loseblattsammlung

Wir schenken Dir eine Gruselgeschichte

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Christine Kaula: Thea allein im Haus

 

Thea erhob sich mühsam aus ihrem Bett. Ein Geräusch hatte sie aufgeweckt. Was war das gewesen? Hatte jemand sie gerufen? Das Zimmer lag im Dämmerlicht des erwachenden Tages. Sie schlug die Decke zurück, schob ihre Beine über den Rand des Bettes und setzte die Füße vorsichtig auf den rauen Bettvorleger. Ihr Rücken schmerzte heftig in der Lendenwirbelgegend, deshalb wartete sie noch einige Augenblicke. Ungelenk erhob sie sich und versuchte, sich zu strecken und zu dehnen. Es schmerzte immer noch, aber nun beachtete sie das Ziehen im Rücken nicht weiter, sondern lauschte angestrengt, ob sich das, was sie glaubte, gehört zu haben, nicht wiederholte.

Da – sie hörte es genau, es waren Schritte vor ihrer Tür. Deutlich vernahm sie ein Schlurfen über den Gang. Das war doch Heinrich! Heinz, der in seinen Pantoffeln nie ordentlich einen Fuß vor den anderen setzen konnte, sondern sich stets in einem schleppenden Gang fortbewegte. Heinrich. Sie blickte zum Bett zurück, dessen zweite Hälfte ohne Decken und Kissen völlig leer war. Heinz war doch gar nicht mehr da. Vor einigen Wochen war er seinem Lungenkrebs erlegen. In diesem Bett war er eines jämmerlichen Todes gestorben. Zuletzt hatten ihm nur noch starke Morphingaben gegen die Atemnot und die Schmerzen helfen können. Leer war das Bett und trübe ihre Gedanken. Also konnte es nicht Heinz sein, der da draußen herumlief. Einbrecher? Einen Fuß vor den anderen setzend, schritt sie langsam zur Tür, morgens war sie immer so unbeweglich. Jedes Mal dauerte es länger, bis sie ihre gewohnte Gelenkigkeit zurück hatte.

Schlurf … Schlurf …. Sie riss die Tür auf. Vor ihr lag ein völlig leerer Flur, der sich in der Dämmerung vorbei an etlichen Türen erstreckte. Neben dem Schlafzimmer befand sich über Eck die Tür zum Badezimmer. So oft hatte sie Heinz gebeten, doch einen Durchbruch vom Schlafzimmer direkt ins Bad zu schaffen, aber er hatte das immer nicht für nötig befunden. „Moderner Quatsch!“, hatte er ihren Wunsch abgetan, auch dann noch, als sie älter geworden waren und den ungeheizten Flur als Quelle ihrer ewigen Erkältungen im Winter betrachtete. Heinz war resistent gegen alle Infekte gewesen, bis sich dann doch einmal das Schicksal gegen ihn gewendet hatte.

Thea schüttelte ihren Kopf. Litt sie schon unter Einbildungen? Sie ging ins Bad, um sich zu erleichtern. Während sie auf der Klobrille saß, betrachtete sie angelegentlich die Wandfliesen und das Interieur. Grüne Kacheln, gelbes Porzellan …. Ganz schön unmodern, so empfand sie das alles, seitdem sie die modernen Bäder ihrer Kinder in deren Häusern gesehen hatte. Doch Heinz war das alles gut genug gewesen. Weißt du nicht mehr, wie teuer das alles damals gewesen ist, hörte sie ihn im Geiste räsonieren. Da klopfte es heftig gegen die Badezimmertür. Das Geräusch kam so unerwartet, dass ihr ein Schrei entfuhr und sie aufsprang. „Wer … wer ist da?“; rief sie. Doch alles blieb still. Nur wieder die schlurfenden Schritte. „Heinz, Heinz“, schrie sie, obwohl ihr klar war, dass er es doch nicht sein konnte. Mit zwei Schritten war sie an der Tür und riss sie auf. Niemand war zu sehen. Sie lief den Flur entlang in der Hoffnung, irgendjemand oder irgendetwas zu sehen. Da, hinter ihr fiel jetzt eine Tür zu. Sie wandte sich um. Das musste die Badezimmertür sein. Sie eilte zurück, um sie wieder zu öffnen. Es gelang ihr nicht – sie rüttelte daran, so fest sie konnte; die Klinke ließ sich nicht herunterdrücken. Entsetzt schlug sie beide Hände vor den Mund. Inzwischen hatte sie eine so heftige Erregung gepackt, dass sie hätte schreien können. Aber wer hätte sie schon gehört? Sie wohnte ja völlig allein im Haus. Eilends zog sie sich etwas über und lief ins untere Stockwerk zum Telefon. Sie besaß noch kein schnurlose Anlage, sondern telefonierte noch mit einem alten grünen schnurgebundenen Tastentelefon.

Sie wählte also die 110 und rief, kaum hatte sich ein Beamter gemeldet: „In meinem Haus sind Einbrecher. Schritte habe ich gehört und dann war die Badezimmertür zu.“ Der Beamte versuchte, sie zu beruhigen und versprach, so bald als möglich eine Streife vorbeizuschicken. Erschöpft begab sie sich von ihrer Diele, wo der Apparat auf einem kleinen Tischchen stand, in die Küche, um sich einen Tee zuzubereiten. Das Kaffeetrinken hatte sie sich schon seit langem abgewöhnt; das koffeinhaltige Getränk bekam ihr nicht mehr.

Nichts war mehr zu hören von dem unheimlichen Tappen und Schlurfen, das sie im oberen Stockwerk gehört hatte. Die Teetasse in Händen, saß sie auf ihrem gewohnten Stuhl am Küchentisch und wartete auf die Polizei. Die Küchentür, die einen Glaseinsatz mit Rillenschliff besaß, hatte sie hinter sich geschlossen. Vor ihr hing eine Küchenuhr an der Wand, auf die sie wie blind stierte. Schon zehn Minuten und noch keine Polizei!

Da, jetzt klopfte es heftig an die Haustür. Warum klingelten die Polizisten denn nicht? Als sie aufstand, um zur Haustür zu gehen, gewahrte sie durch den Glaseinsatz einen Schatten, der sich hin und her bewegte. Waren sie schon drin? Sie riss die Tür auf und erstarrte. Vor ihr stand ein Mann, völlig in Schwarz gekleidet, und mit einer Mappe unter dem Arm und lächelte sie freundlich an. Seine Haare waren weiß und flatterten in einer nicht vorhandenen Brise. „Sie haben mich angerufen“, sprach er mit leiser Stimme, „hier bin ich.“

„Was, was wollen Sie?“, kaum brachte sie die Worte über die Lippen, so perplex war sie. „Ich habe die Polizei gerufen, weil ich befürchte, dass Einbrecher im Haus sind.“

„Einbrecher? Ach, meine Liebe, ich bin doch kein Einbrecher. Sie haben mich angerufen, weil Sie glauben, dass Einbrecher im Haus sind.“

„Aber, aber, sind Sie denn nicht von der Polizei?“, Thea war total verwirrt.

„Das kann man so nicht sagen“, entgegnete der schwarze Mann, immer noch sehr freundlich, „das heißt, so eine Art Polizist bin ich schon.“

„Ich komme im Auftrag eines höheren, also eines höheren Auftraggebers, der mich schickte, Sie abzuholen. Das Gespräch wurde an mich weitergeleitet.“

„Wie, weitergeleitet, wie abzuholen?“, Thea war fassungslos.

Der Schwarzgekleidete trat einen Schritt in den Raum hinein. Ab sofort wurde es eiskalt im Raum und Thea, die wie versteinert da stand, begann zu frieren.

„Darf ich mich setzen?“, mit diesen Worten ließ er sich auf einen der Küchenstühle nieder und legte seine Mappe auf den Tisch. „Kommen Sie, setzen Sie sich auch. Es ist sonst zu ungemütlich.“

Theas Gedanken bewegten sich im Kreis. Wer war das? Ein Vertreter? Die waren schon mal sehr lästig und aufdringlich. Aber wie war er ins Haus gekommen? Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es inzwischen schon halb neun Uhr morgens geworden war.

Sie nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalt gewordenen Tee.

„Was wollen Sie von mir?“, inzwischen hatte sie ein wenig Mut gefasst und wollte den Kerl so schnell wie möglich loswerden. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um sich ein wenig aufzuwärmen. Es half aber nichts.

„Wie schon gesagt, ich soll Sie abholen. Mein Auftraggeber schickt mich – ach ja, Heinz lässt Ihnen schöne Grüße bestellen. Er freut sich schon auf Sie.“

Unmerklich versteifte sich Theas Rücken. Sie wurde blass wie die weiße Tapete hinter ihr an der Küchenwand. „Heinz? Heinz ist doch tot.“

„Eben deshalb“, kam eilig die Antwort des schwarzen Mannes, der seine Mappe geöffnet hatte und ihr daraus vorlas: „Heinz Heinzen, geboren 14. Dezember 1933, starb am 25. Februar 2020 in diesem Hause an Lungenkrebs. Ich holte ihn am gleichen Tag ab und verbrachte ihn nach Nobiskrug*, wo er auf Sie wartet.“

„Nobiskrug? Das habe ich ja noch nie gehört. Wo ist das denn? Wegen der Pandemie darf man doch nirgends hinreisen“, wandte Thea ein. Sie hatte auf einmal keine Angst mehr und die Unterhaltung mit dem Fremden begann sie zu interessieren.

„Oh, da ist es sehr schön“, begeisterte sich ihr Gesprächspartner, „da wird den ganzen Tag gefeiert und gesungen, an langen Tischen gibt es Gutes zum Essen und zum Trinken. Wo eine Schüssel leer ist, wird sofort wieder neu aufgetischt. Und so geht es immerfort mit Gesang, Theater und vielerlei Schabernack.“

„Und da ist Heinz?“

„Ja, und er wartet schon sehnsüchtig auf Sie. Schauen Sie …“, damit beugte sich der Fremde vor und schaute tief in Theas Augen, „hier leben Sie ganz allein, haben kaum Bekannte und wahre Freunde schon gar nicht. Aber in Nobiskrug sind alle befreundet, bilden eine richtig große Familie, alle mögen sich. Da geht es gemütlich zu und viel Spaß gibt es immerzu.“

„Mir ist kalt“, fiel es Thea plötzlich ein, „ich hole mir jetzt erst einmal eine Jacke, bevor ich überhaupt irgendwohin gehe.“

Der Schwarzgekleidete wies auf die Küchenbank. Da lag eine schwarze, dick gefütterte Pelzjacke. „Die habe ich Ihnen mitgebracht. Darin werden Sie nicht frieren.“

Thea griff danach und hob das Kleidungsstück auf ihren Schoß. Warm und gemütlich fühlte sich diese Jacke wirklich an. Sie zog sie über und hüllte sich darin ein. Doch so richtig warm wurde ihr noch nicht darin.

„Das dauert einen Moment“, beeilte sich der Schwarze zu erklären, „das kommt davon, weil sie noch neu ist. Sie wurde heute erst für Sie hergestellt.“

„Kommen Sie, kommen Sie“, forderte der Fremde Thea wieder auf, „es wird Ihnen gut gehen, wenn Sie wieder bei ihrem geliebten Ehemann sein können.“

„Na ja, so verliebt waren wir ja nicht mehr, er hat mich schon manches Mal im Leben geärgert“, fiel es Thea ein, die sich gar nicht sicher war, ob sie wirklich ihren Heinz wiedersehen wollte.“

„Aber er wird alles wieder gutmachen,“ beschwor der Schwarzgekleidete sie, „Sie werden fürstlich wohnen, und …“, hier stockte er bedeutungsvoll, „… und ein tolles Badezimmer haben Sie dann auch, ganz modern und riesengroß.“

Das gab den Ausschlag. Sie nickte. Der Schwarze reichte ihr die Hand. Im gleichen Moment überfiel sie eine große Müdigkeit, und sie fiel auf ihrem Stuhl in einen tiefen Schlaf. Als sie erwachte, befand sie sich in einer riesigen Halle, die von oben bis unten mit Eis bedeckt war. An einer schier unendlich langen Tafel tobte ein Kampf um Trinken und Essen, einer riss dem anderen das Getränk aus der Hand, den Teller fort, Essen flog durch die Gegend, das Gekreisch und Gejaule war so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Thea saß neben Heinz, der sie völlig ignorierte, so war er in einen Kampf mit seinem Nachbarn beschäftigt. In dieser Eishalle fror niemand mehr, denn die Beine eines jeden standen bis zu den Knien in glühenden Kohlen.

„Na, habe ich zu viel versprochen?“, der Schwarzgekleidete beugte sich zu Thea hinüber und grinste sie an. Das ist der rechte Ort für Euch beide. Ihr werdet euch köstlich amüsieren. Ich komme in hunderttausend Jahren noch einmal vorbei.“ Damit entschwand er. Thea blickte ihm entgeistert nach.

Als die Polizei eintraf, fand sie Thea in der Küche auf dem Boden liegend, in eine dunkle Decke gekrallt und mit einem entsetzten Ausdruck im Gesicht. Sie war einem Herzinfarkt erlegen.

 

*Nobiskrug ist der Name eines bestimmten Gasthauses. Das Wort bezeichnet ein fiktives Wirtshaus, in dem sich jüngst die Verstorbenen bei einem teuflischen Wirt versammeln.

Christine Kaula: Über die Autorin

 

Ich lebe in Wipperfürth und bin nach 45-jähriger Berufstätigkeit in Industrie (Werbeleiterin) und Verlagswesen (Assistentin der Geschäftsführung und Korrektorin) im Ruhestand. Schon in der Jugend habe ich gern geschrieben. Im Ruhestand habe ich diese Leidenschaft wieder ganz neu entdeckt. Seit dem Jahr 2000 veröffentliche ich regelmäßig Kurzgeschichten in Jahrbüchern und Anthologien. Viele meiner Geschichten trage ich auf regelmäßigen Lesungen allein oder zusammen mit Autorenkollegen vor. Seit einigen Jahren arbeite ich auch als Lektorin/Korrektorin. 

 

Im Mai 2019 erschien mein erster Roman „Die Frauen vom Heintzenhof“. Er beschreibt das schwere Leben von Marie, einer Frau aus der Vulkaneifel. Der Roman hat biografische Elemente, die Handlung ist frei erfunden. Er liegt inzwischen bereits in zweiter Auflage vor. Eine Anthologie mit dem Titel „Unterwegs mit Franzi“ enthält amüsante Geschichten rund um ein Frauentrio im Bergischen Land und wird in diesem Jahr erscheinen. Ich arbeite zurzeit an einem Parallel-Roman zu den „Heintzenhof-Frauen“.

 (Foto: Wilfried Storb)

Die Frauen vom Heintzenhof

Roman über ein Leben in der Vulkaneifel

Christine Kaula 

2019

Rhein-Mosel-Verlag, Zell/Mosel

 

Unterwegs mit Franzi

Anthologie von zehn Kurzgeschichten um ein oberbergisches Frauentrio