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Beschreibung

 Wir nehmen Dich in sieben Geschichten mit zu Orten, die von den Menschen aufgegeben, vergessen und dem Verfall preisgegeben wurden. Doch das heißt nicht, dass niemand mehr an sie denkt oder dass sie verlassen sind.    Zwischen Schatten und Erinnerungen lauert es auf Dich wie eine Spinne in ihrem Netz auf Beute. Wagst du Dich nah genug heran, um das dunkle Geheimnis jedes Ortes zu enthüllen? 

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Im Bergischen Land

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Copyright

Copyright © [2023] by [Autorengruppe Loseblattsammlung]

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buchs darf ohne Genehmigung des Autors / der Autorin vervielfältigt oder veröffentlich werden.

Inhaltsverzeichnis

Klappentext

1. Der Ring

2. Anne Schmitz

3. Zum Ende eines Sommers

4. Frank Merken

5. Club Cherie 1978

6. Frieda Fontane

7. Der Altrüscher van Ülen

8. Lauf

9. Andreas Wöhl

10. Eine Lehre über die Leere

11. Peter Wipper

12. Die andere Seite

13. Daniela Rau

Nachwort

Danksagung

Klappentext

Wir nehmen Dich in sieben Geschichten mit zu Orten, die von den Menschen aufgegeben, vergessen und dem Verfall preisgegeben wurden. Doch das heißt nicht, dass niemand mehr an sie denkt oder dass sie verlassen sind.

Zwischen Schatten und Erinnerungen lauert es auf Dich wie eine Spinne in ihrem Netz auf Beute. Wagst du Dich nah genug heran, um das dunkle Geheimnis jedes Ortes zu enthüllen?

1

Der Ring

Anne Schmitz

18 Uhr 24, der Feierabend ließ mal wieder auf sich warten. Genervt lenkte Ben den gelben Kleintransporter in die Seitenstraße. Eigentlich war er für sieben Uhr mit Sarah verabredet. Niemals würde er rechtzeitig bei ihr in Köln sein. Er musste schließlich noch das letzte Paket ausliefern, dann in die Zustellbasis, den Transporter abgeben und sein Auto holen, dann nach Köln, halb acht würde es mindestens werden. So ein Mist! Am liebsten hätte er richtig Gas gegeben, aber die Straße, die zur „Knochenmühle“ führte, so hieß die letzte Adresse für heute, war so schmal, dass kaum zwei Autos aneinander vorbei passten. Und eigenartigerweise kamen ihm ständig Autos entgegen.

Gibt es hier was umsonst?, fragte er sich. Durch das ständige Ausweichen und die damit verbundene Verzögerung wurde seine Laune noch schlechter. Gereizt drückte er auf die Hupe, als so ein Depp nicht in der Lage war, seinen SUV so weit in den Graben zu lenken, dass er passieren konnte.

Oh Mann, wenn das so weiter ginge, wäre er um neun noch nicht bei Sarah. Was sie wohl dazu sagen würde, wenn er zum dritten Mal in dieser Woche zu spät bei ihr erschien? Und heute war erst Mittwoch.

Ben fuhr an einem Sportplatz vorbei. Schlagartig war die Straße wie ausgestorben – kein weiteres Auto begegnete ihm. Seine Scheinwerfer beleuchteten die schmale Straße, die Bäume und das Unterholz rechts und links neben der Fahrbahn. Hier war der Hund begraben. Wenn sein Navi recht hatte, musste er noch bestimmt einen Kilometer so weiterfahren, bis er die Knochenmühle erreicht hatte.

Knochenmühle. Ob der Name Programm war? Eine Gänsehaut kroch Ben den Rücken hinunter. Befand sich an der Lieferadresse wohl tatsächlich eine Mühle, eine, die in grauer Vorzeit einmal Knochen gemahlen hatte, vielleicht sogar menschliche Knochen ...?

Ben lachte laut auf. Vielleicht sollte er umsatteln und Gruselgeschichten schreiben. Möglicherweise ließe sich damit sogar mehr Geld verdienen als mit dem Paketeausliefern.

Er schmunzelte noch immer, als er an einer alten Scheune vorbeifuhr. Nur einen Augenblick später erreichte er sein Ziel. Das musste die „Knochenmühle“ sein. Teile der Hausfront waren verputzt, jedoch grau und von Moosen und Flechten bewachsen. Die Bruchsteinwände im hinteren Teil zeigten, dass das Gebäude schon viele Jahre auf dem Buckel hatte. Davon kündete auch der Schiefer, der aussah, als wolle er vom ersten Stock herunterbröseln.

Ben stoppte den Wagen direkt vor der Haustür. Er holte das kleine Päckchen aus dem Laderaum und ging über das von Gras überwucherte Kopfsteinpflaster auf die Haustür zu.

Na toll! Eine Bank und eine Wellblechplatte versperrten wie ein Bollwerk den Zugang zur Haustür. Was sollte das?

Ben trat einige Schritte zurück und betrachtete das Gebäude genauer. Es sah beim besten Willen nicht gepflegt aus. Nirgends konnte er Licht im Haus ausmachen. Der Bach, der irgendwo in der Dunkelheit lautstark über Gestein plätscherte, ließ nicht zu, dass er mögliche Geräusche aus dem Inneren des Hauses hören konnte.

Na und?, fragte er sich. Dann sind die Bewohner halt nicht zu Hause. Das war schließlich keine Seltenheit. Allerdings hatte Ben das unbestimmte Gefühl, dass das Gebäude überhaupt nicht bewohnt war, woran auch die Gardinen, die grau und unbeweglich vor den Fenstern hingen, nichts ändern konnten.

Das war nicht sein Problem. Er hatte das Päckchen abzuliefern. Als er den Adressaufkleber studierte, stellte er fest, dass die Adresse stimmt. Eine Frau Weber war die Empfängerin des Päckchens, das unverkennbar Medikamente enthalten musste, stammte es doch von einer großen Online-Apotheke. Dann war der Inhalt bestimmt wichtig. Seine Aufgabe war, das Päckchen abzuliefern und nicht nachzuforschen, was es mit dem Empfänger auf sich hatte. Sobald er es abgelegt hatte, hätte er seine Schuldigkeit erfüllt, und er konnte zu Sarah fahren.

Ben stellte sich neben die Bank, beugte sich über das Wellblech und legte das Päckchen vor die zweiflüglige hölzerne Haustür, deren Glasfenster, Schnitzereien und Zierleisten unter einer Schmutzschicht verschwanden. Schnell machte er ein Foto vom Ablageort, als Beweis, dass er seine Arbeit gemacht hatte, und wandte sich zum Gehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er einen weißen Zettel in einem der unteren Fenster. Ben ging darauf zu und las, dass Unbefugte das Grundstück nicht zu betreten hatten, Zuwiderhandlung geahndet und das Areal videoüberwacht würden.

Wer auch immer diesen Zettel ans Fenster geklebt hatte, freundlich hörte es sich nicht an.

Auf dem Weg zum Transporter tippte er hastig eine Nachricht an Sarah in sein Handy, bestätigte dann die Zustellung des Päckchens auf dem Handscanner, setzte sich hinters Steuer und startete den Motor. Noch etwa eine Stunde, dann könnte er bei Sarah sein.

Schon wieder die Knochenmühle, na toll! Das letzte Paket vom heutigen Tag ging natürlich wieder an den abgelegensten Ort auf seiner Route. Ben brauchte gar nicht auf die Uhr zu schauen, er wusste auch so, dass er heute recht früh dran war und zum ersten Mal in dieser Woche pünktlich bei Sarah sein würde. Ganz automatisch wanderte sein Blick in den Fußraum des Beifahrersitzes. Dort lag sein Rucksack, in dem er sein Frühstück und die Thermoskanne Kaffee transportierte. Doch heute befand sich auch noch etwas anderes darin. Er hatte das Gefühl, als könne er die kleine, mit Samt ausgeschlagene Schachtel und den darin sicher verwahrten Ring durch den Rucksackstoff sehen.

Am Vortag hatte er die kleine Schatulle mit Luftpolsterfolie umwickelt und sie in ein größeres Päckchen gelegt. Besonders sorgfältig schlug er die Schachtel in Packpapier ein, band eine Kordel darum und klebte den, in seiner schönsten Handschrift ausgefüllten, Versandschein darauf. Diese Verpackung passte besser zu ihm, fand er, als etwa goldenes Geschenkpapier. Und irgendwie passte es auch zu dem Inhalt. Denn der Ring war nicht wirklich wertvoll. Bens kleines Gehalt reichte nur für einen einfachen Silberring, den er in der Gladbacher Innenstadt gekauft hatte. Wie gerne hätte er Sarah einen goldenen oder sogar einen diamantbesetzten Ring geschenkt, aber das war beim besten Willen nicht drin. Natürlich hätte er einen Kredit aufnehmen können. Aber das, und da war sich Ben sicher, würde Sarah nicht wollen – und er eigentlich auch nicht.

Sarah, seine Liebe! Er lächelte bei dem Gedanken an sie und dachte an den Abend vor zwei Tagen zurück. Nachdem er das Päckchen an der Knochenmühle abgelegt hatte, war er so schnell wie irgend möglich zu ihr gefahren. Abgehetzt und abgekämpft war er bei ihr angekommen. Sie hatte ihn umarmt, ihm einen Kuss auf den Mund gehaucht und gesagt, sie würde was kochen und er dürfte ihre Dusche benutzen. Nach Lilien duftend (Lilien waren Sarahs Lieblingsblumen, deshalb besaß sie natürlich auch nur Duschzeug mit diesem Duft) hatten sie gemeinsam gegessen und einen wunderschönen Abend verbracht. Das war der Moment gewesen, in dem er sich entschlossen hatte, ihr einen Antrag zu machen. Mein Gott, wie er diese Frau liebte!

Er lächelte und parkte vor der Knochenmühle. In die schönen Erinnerungen vertieft, war der Weg ihm diesmal gar nicht so lang vorgekommen.

Dann los. Auf ein Neues. Beschwingt stieg er aus dem Wagen, holte das quadratische und ziemlich schwere Paket aus dem Laderaum und ging zu der verbarrikadierten Tür. Insgeheim erwartete er, dass das Päckchen von der Versandapotheke sich immer noch an der gleichen Stelle befinden würde.

Doch er irrte sich. Es war weg.

Gut so! Ben wuchtete das große Paket über die Wellblechplatte, dabei rutschte es ihm aus den Händen und fiel krachend in den Spalt zwischen Wellblech und Tür.

Mist! Hoffentlich war nichts kaputtgegangen. Ben holte sein Handy aus der Tasche, knipste die Taschenlampenfunktion an und beleuchtete das Paket. Über das Blech gebeugt hob er es vorsichtig an, und lehnte es gegen die Tür, damit er darunter nachsehen konnte.

Er bemerkte nicht, dass das Gewicht des Pakets die Tür, die scheinbar nur angelehnt gewesen war, ein Stück nach innen schob. Das Paket war nun seiner Stütze beraubt und kippte um. Ein kurzes „Plock“ wurde vom Geräusch berstenden Glases abgelöst.

Sollte jemand zu Hause sein, dann würde Ben wohl kaum behaupten können, das Paket habe den Kunden unbeschadet erreicht. Das Klirren war mit Sicherheit im ganzen Haus zu hören gewesen.

„Hallo? Wer ist denn da?“ Eine altersraue Stimme drang aus der Dunkelheit hinter der Eingangstür zu Ben. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf. Er konnte nicht genau sagen, was ihn erschaudern ließ. Vielleicht war es die Tatsache, dass er gerade dabei erwischt worden war, wie er den Inhalt einer Lieferung zerstört hatte, oder es war die Vorstellung, dass in diesem heruntergekommenen Gebäude tatsächlich jemand wohnte. Er wusste es nicht, und ihm war es auch herzlich egal. Er wollte sich nur so schnell wie möglich aus der Affäre ziehen.

„Ich wollte Ihnen nur ein Paket bringen. Leider ist es mir aus der Hand gefallen. Wenn Sie mir das quittieren wollen, dann regle ich den Schadensersatz“, rief er ins Haus hinein. Natürlich würde Ben für den Schaden aufkommen müssen, das ließe sich nicht verhindern, aber er brauchte nur eine Unterschrift vom Empfänger, und er könnte sich auf den Rückweg machen. Dann wäre er wenigstens einmal diese Woche pünktlich bei Sarah.

„Maria, was ist da oben für ein Radau?“, rief eine tiefe, durch Nachhall verzerrte Stimme. Es klang so, als ob jemand sich in einem großen Raum unter dem Gebäude befände. Bevor Ben etwas erwidern konnte, rief die Frauenstimme: „Das ist nur der Bote. Er hat was kaputt gemacht.“

Ben verdrehte die Augen. Na, danke schön, das lief ja hervorragend!

„Ich werde ...“, setzte Ben an.

„Kommen ’se erst mal rein! Das Geschrei über mehrere Räume ist doch recht anstrengend.“

Ben schob das Wellblech zur Seite, hob das verdächtig klirrende Paket auf, drückte mit der Schulter die Tür weiter auf und trat in den Flur.

Das hereinfallende Licht beleuchtete nur spärlich die ehemals prächtigen Mosaikfliesen, die ausgetreten und verblichen den gesamten Boden bedeckten. Bis auf ein Madonnenbild und einen Weihwasserbehälter, der daneben an der Wand hing, war der Flur leer – keine Garderobe, keine Sitzgelegenheit, kein Schirmständer. Dafür hingen Spinnweben in den Ecken und spannten sich zwischen der einzelnen Glühbirne und den Türrahmen.

„Sind Sie noch da?“ Die Stimme klang ein wenig ängstlich. Ben seufzte und wandte sich nach rechts. Mit einem unangenehmen Quietschen ließ sich die hölzerne Zimmertür aufschieben.

Ben trat ein. Sein Blick fiel auf eine alte Frau in einem Schaukelstuhl. Er blickte um sich und ihm schien, als sei er in die Siebzigerjahre zurückgereist. Die Kunststoffschränke glänzten mit grünen Fronten, auf einem Plattenherd standen verbeulte Blechtöpfe, in der altmodischen Spüle stand benutztes Geschirr. Durch die Gardine des kleinen Fensters war ein DIN A 4-großer Zettel zu erkennen.

„Junger Mann, was haben Sie denn da für mich?“ Neben einem Tischherd saß eine alte Frau in einem Schaukelstuhl und sah Ben neugierig, aber auch schüchtern an. Das musste Frau Weber sein, erinnerte sich Ben an den Namen auf dem Paketaufkleber.