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Autorengruppe Loseblattsammlung

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Beschreibung

Die Autorengruppe Loseblattsammlung präsentiert ihren zweiten Band aus der Reihe "Wir schenken Dir eine Geschichte". Dieses Mal mit einer Lesereise mit Herz, Humor und so manch fantastischer Lesereise.

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Autorengruppe Loseblattsammlung

Wir schenken Dir eine Geschichte

Eine Lesereise

Mit Geschichten von: Jennifer Otten, Anne Schmitz, Christine Kaula, Sandra Volk, Peter Kreft, Anne Fitsch und Daniela RauBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Christine Kaula: Einfach paradiesisch

Einfach paradiesisch oder: Als wir Corona besiegt hatten

 

Wir schreiben das Jahr 2055. An einem heißen Frühlingstag – es ist erst April und schon um zehn Uhr vormittags zeigt das Thermometer dreißig Grad Celsius – steht Niklas vor seinem überdachten Gemüsegarten und schaltet den Regenmacher ein. Über dreißig Minuten lang geht nun ein sanfter Regen auf die frisch eingesäten Bohnen- und Erbsenpflanzen nieder.

„Das tut den Pflanzen gut“, denkt Niklas, und er sieht die kleinen, grünen Triebe förmlich in die Höhe schießen. Nach der definierten Zeit schließt er den Regenmacher und öffnet das Schutzdach. Mit ihren wärmenden Strahlen bedeckt die Sonne nun für eine weitere halbe Stunde das Dach über den Beeten. Danach ist das verordnete tägliche Prosperieren nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorbei. Niklas kann sicher sein, nach der vorgeschriebenen täglichen Pflege des Wachstums über eine vortreffliche Ernte verfügen zu können. Er ruft seine Frau durch das HSD, das ist ein unter die Haut eingepflanztes Computersystem (Human-Skin-Device):

„Kannst du den Jakob rausbringen; ich sammle die Kinder zum Spazierengehen ein.“ Sofort geht die Haustür auf, Johanna erscheint mit dem Dreijährigen, den sie in einen der zwölf Sitze des Kindertransporters schnallt. Niklas nimmt auf dem Minitrecker Platz, fährt durchs Dorf und sammelt die Kindergartenkinder für die tägliche durch eine Unterführung gesicherte Spazierfahrt zur Waldlichtung ein, wo ein hyänen-, bären- und wolfgesicherter Kinderspielplatz errichtet wurde, auf dem die Kleinen sich austoben können. Sie werden behütet und bespaßt von qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern. Die früher nicht genutzten Potentiale von gut ausgebildeten Migrantinnen und Migranten, die früher oft unter ihrem Qualifizierungsniveau arbeiten mussten, sind inzwischen durch Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen behoben. Auch die Sprachbarrieren wurden weitgehend abgeschafft durch neuartige Implant-Lernmethoden.

 

Ja, es sind herrliche Zeiten angebrochen. Das Familienbild mit dem Vater als Alleinernährer, die Mutter als Erzieherin zweier Kinder zur Bestandssicherung und/oder allenfalls unterbezahlte Halbtagskraft, ist endgültig vorbei. Das Dorf, wie es früher aussah, gibt es nicht mehr. Kirche und alte Gebäude sind großformatigen Mehrgenerationenhäusern mit Aufzügen und andern luxuriösen Hilfsmitteln wie Koch-, Wasch- und Bügelstationen gewichen, in denen Alt und Jung miteinander leben und arbeiten.

 

Die berufstätigen Frauen und Männer besteigen montags die selbstfliegenden Taxis und düsen in die Großstädte wie Köln, Essen, Dortmund oder sogar bis Frankfurt. Freitags kommen sie zurück, um sich für den Rest der Woche ihren Familien zu widmen. Natürlich kommt es gelegentlich vor, dass sie ihre Arbeitswoche auf eine Dekade verlängern müssen. Die Regierung versucht neuerdings, eine Zehn-Tage-Woche einzuführen, spruchreif ist es noch nicht, wird aber ab und zu doch schon praktiziert. Man munkelt aber, dass es wohl nicht mehr sehr lange dauern wird, bis es zum Gesetz erhoben wird.

 

In der Zwischenzeit wird für die Großfamilien ausgezeichnet gesorgt. Es gibt für jede Sippe genügend dienstbare Geister, Hausangestellte, Köche, Erzieherinnen und Erzieher, ebenso Fachkräfte in der Kranken- und Altenpflege, die nicht nur in der körperlichen Pflege unterwiesen sind, sondern auch in neuen Methoden der Freizeitgestaltung. Das Wort „Langeweile“, ist aus dem Sprachschatz ausgemerzt. Mit ihren Kindertagesstätten, Ganztagsschulen, Ärztehäusern, und kleinen, aber feinen Kliniken haben sich die Dörfer vergrößert und zu vollautomatisierten Kleinstädten entwickelt. Aber der Gesetzgeber hat der wahllosen Ausuferung der Orte einen Riegel vorgesetzt, indem er sie mit riesigen Hecken umpflanzte. Es ist nicht möglich, durch diese Hecken (oder Hage, wie die dialektkundigen Bewohner sie nennen), hindurch zu schlüpfen, denn sie sind so widerstandsfähig wie Kunststoff, ähneln jedoch lebendigem Bambus. Lebensmittel werden nach Wunsch per Internet bestellt und geliefert, es gibt keine Wartezeiten, kein Anstehen an Kassen, keine unnötige Schlepperei. Damit hat man den früher so oft grassierenden Pandemien nicht nur einen, sondern sämtliche Riegel vorgeschoben. Fliegende E-Mobile transportieren die älteren Menschen, wenn sie denn einmal ihre Ortschaften verlassen müssen, was sehr selten geschieht.

 

Die Regierung hat es geschafft, eine soziale und solidarische Gesellschaft ins Leben zu rufen, in der Jung und Alt umfassende Chancen für ein selbstbestimmtes Leben haben – unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, ihres Alters und ihres Wohnortes. Ein Traum ist wahr geworden. Der demografische Wandel ist Realität. Leben ohne Krankheiten ist gewährleistet.

 

Die Orte werden von Stadtchefs verwaltet, die weitestgehende Befugnisse haben. Was niemand von der Bevölkerung weiß, ist, dass jeder Stadtchef in seinen Büroräumen über ein Meta-Monitoring & Control-System verfügt, das mit allen Smart-Homes und Pods-HIDs verbunden ist.

 

Als Niklas die Kinder in der Waldlichtung abgeliefert hat, ruft er seinen Freund Martin per Pod und gibt ihm die Uhrzeit durch, wann er die Kinder wieder abholen soll. „O. K., also um ein Uhr“, bestätigt Martin. In der Zwischenzeit kümmert er sich um die Nachbarin, die in der Einraumwohnung neben seinem Appartement in dem Mehrgenerationenhaus wohnt.

Als er mittags die Kinder abholt, laufen sie ihm aufgeregt entgegen und erzählen von dem kleinen Affen, der über die Abdeckung des Spielplatzes geturnt sei und immer hochgesprungen sei.

„Da waren so Blitze unter ihm“, meint der kleine Karl wichtig, „das war nämlich der Strom. Und dann ist er umgefallen.“

Martin nickt, sammelt die Kinder wieder ein und auf gesichertem Weg geht es zurück ins Dorf.

Abends treffen sich die Freunde auf der Dorfstraße, da fällt Niklas noch etwas Wichtiges ein: „Wann ist die nächste Omnizierung?“

„Freitagabend um dreiundzwanzig Uhr. Du bist dieses Mal dabei.“

„Och, Mann, ich war doch das letzte Mal erst …“

„Nee, drücken gilt nicht. Du bist dabei.“

Murrend bestätigte Martin seine Teilnahme am Einsatz. Sie treffen sich am nächsten Abend um Viertel vor elf Uhr beim Stadtchef Friedrich. Tief geht es hinunter in den Datenverarbeitungsraum. Der Stadtchef nimmt vor der breiten Logicaltechnik-Wand mit Bildschirmen, Tastaturen und Lautsprechern Platz. „Heute sind zwei Auslöschungen vorzunehmen“, erklärt er. „Katrin Jaspers und Margret Franzen haben ihr Limit erreicht. Seid Ihr einverstanden?“

„Die Trin ist meine Oma“, murrt Martin, „man könnte ihr doch noch ein Jahr zugestehen.“

„Keine Ausnahmen von der Regel“, widerspricht Friedrich, „Ihr kennt die Gesetze. Neu gegen Alt. Das ist unser Gesetz.“

Beide Männer nicken. Der Stadtchef drückt auf einen Knopf, einen Augenblick verdunkelt sich der Bildschirm, die Displays der Pods der beiden Männer leuchten auf und ein seltsames Symbol erscheint eine Sekunde lang auf dem Bildschirm. Die Zeit scheint stillzustehen. Martin und Niklas starren einen Moment in die Leere, dann stehen sie auf und verlassen den Raum.

 

Als Martin in das Mehrfamilienhaus tritt, in dem er mit seiner Sippe lebt, klingt ihm Babygeschrei entgegen.

„Wir haben Zwillinge“, strahlt ihm seine Tochter entgegen, „zwei Mädchen. Du darfst die Namen aussuchen.“

Martin lächelt und ist glücklich.

Die alten Frauen sind nicht nur aus dem Haus, sondern auch aus den Gedächtnissen aller Bewohner der Kleinstadt verschwunden, so als hätten sie nie existiert.

„Wir nennen die Mädchen Katrin und Margret, das sind doch tolle Namen, oder?“

Die neue Welt ist wirklich einfach nur paradiesisch.

Christine Kaula: Über die Autorin

 

Ich bin verwitwet und lebe in Wipperfürth. Nach 45-jähriger Berufstätigkeit in Industrie (Werbeleiterin) und Verlagswesen (Assistentin der Geschäftsführung und Korrektorin) bin ich nun im Ruhestand. Schon in der Jugend habe ich gern geschrieben. Seit dem Jahr 2000 veröffentliche ich regelmäßig Kurzgeschichten in Jahrbüchern und Anthologien. Viele meiner Geschichten trage ich auf regelmäßigen Lesungen allein oder zusammen mit anderen Autorenkolleginnen und -kollegen vor.

Inzwischen habe ich meinen Roman „Die Frauen vom Heintzenhof“ fertiggestellt. Er beschreibt das schwere Leben von Marie, einer Frau vom Lande. Der Roman hat biografische Elemente, die Handlung ist aber weitgehend frei erfunden. Dieses Buch erschien im Mai 2019 und liegt inzwischen in zweiter Auflage vor.

Anne Fitsch: Eckerl und die Lamas

 

Prolog:

 

Es ist Nacht auf Hof Sondern, und nur das Käuzchen ruft sein unheimliches Schuhu.

Er ist wieder da. Wie immer in den Vollmondnächten, dreht er seine Runden auf den Höfen und in den Ställen. Rund und rot scheint der Mond auf die Häuser und Wiesen, und zwischen den Sträuchern hört man leise Schritte.

Der Wind weht. Es ist kalt auf Hof Sondern. Alles schläft, und die Nacht ist schwarz, so schwarz. Das Licht einer Taschenlampe leuchtet kurz auf und ist gleich wieder verschwunden. Eine Katze miaut. Ein Vogel hört auf zu träumen und flattert erschrocken davon. Knarzend öffnet sich die Türe zum Stall.

Im Licht der Taschenlampe schaut er einer einzelnen Fledermaus nach, die im dunklen Dachfirst nach unsichtbarer Beute sucht.

Still ist es im Stall.

Da, plötzlich vor ihm auf den Boden, da bewegt sich was. Doch noch bevor er erkennen kann, was es ist, erlischt seine Taschenlampe.

Und draußen weht der Wind heftiger und schlägt laut die Stalltüre zu.

Und dann hört einen so entsetzlichen Schrei, wie er noch nie einen gehört hat.

 

 

Kapitel Eins

 

Seit einer Woche regnete es. Laut Kalender war es der fünfte März. Zugegeben, das ist noch kein Sommer, aber es war auch verflixt noch mal kein Herbst.

Josef Eckerl hatte sich schon oft gefragt, wieso er freiwillig auf das Münchner Oktoberfest, auf Weißwürste und Weißbier und die hübschen Mädchen in ihrem feschen Dirndln und nicht zuletzt auf die freundliche, immerwährende Sonne hatte verzichten können, um in diesen bergischen Polarkreis zu ziehen. Und damit nicht genug, dass er die Sonne gegen den Dauerregen eingetauscht hat, nein, er hatte auch München gegen Wuppertal eingetauscht, und, um den Braten fett zu machen, ein kleines Dienstbüro in Beyenburg bezogen. Hier suchte er nach den Eierdieben, die seit Monaten auf den Höfen der Umgebung ihr Unwesen trieben. Immer wieder kam es auch zu Unfällen auf den Landstraßen, und hin und wieder ertrank ein Mensch im Badesee an der Krähwinklerbrücke. Was ein Mann nicht alles aus Liebe tat!

An manchen Tagen schien ihm sein Opfer fast zu schwer, zu groß. Und doch, die Leute hier waren, sah man mal von den Schwimmhäuten zwischen den Zehen ab, bodenständige und dickköpfige Menschen, wie er sie auch von zu Hause kannte.

 

Eckerl stand am Fenster, rauchte und sah dem Regen zu. So viel stand fest: Wäre der Regenschirm nicht in Frankreich erfunden worden, dann bestimmt im Bergischen Land. Die Region wäre Weltmarktführer geworden. Obwohl, warum ist sie es eigentlich nicht?

Das Telefon klingelte.

Es war noch eines mit Wählscheibe. In den ländlichen Gebieten sparte die Polizei alles ein, was nicht unbedingt fürs Leben notwendig war. Irgendwann würde er wieder mit dem Fahrrad zum Tatort radeln, weil ihm das Auto unter dem Hintern weg gerostet wäre.

„Eckerl, Polizeidienststelle Beyenburg“, sprach er ins Telefon und bemühte sich, seiner Stimme einen freundlichen Ton zu geben.

„Ich hab dat doch schon viermal klingeln lassen. Wo waren Se denn so lange?“

Die Frau am anderen Ende klang empört. Eckerl beantwortete die Frage nicht, sondern fragte ruhig: „Was kann ich für Sie tun?“

„Die Lamas sind weg“, kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Wie, die Lamas sind weg?“, fragte Eckerl konsterniert.

„Gestern Abend waren se noch da“, kam es zurück, „und als ich heute Morgen mit dem Sören sein Handy in den Stall kam da, waren se weg.“

„Jetzt mal der Reihe nach“, Eckerl verstand noch immer Bahnhof, „wie heißen Sie, gnädige Frau? Und von wo rufen Sie an?“

Eckerl wusste, dass man aus jeder Frau etwas Vernünftiges rausbekam, wenn man sie mit „Gnädige Frau“ ansprach, auch im Bergischen Land.

„Mein Name ist Hilde Sauer. Ich bin die Köchin auf Hof Sondern, und die Lamas sind verschwunden“, kam es jetzt verständlich heraus.

Eckerl grinste. Erst die Eierdiebe, und jetzt ein Lamaräuber. Diese Region ließ einen wirklich schaudern.

„Ich komme. Ich bin in zehn Minuten da.“

„Na dat ist doch mal en Wort. Streiken Se denn nich in Elberfeld?“

„Streiken? Wieso sollte ich streiken?“

„Na, die vom öffentlichen Dienst sind alle auf de Straße.“

„Hören Sie, ich komme jetzt raus, und dann suchen wir Ihre Lamas. Bis gleich.“

„Ich glaub ja, dat die tot sind. Aber komm Se ma raus. Die Bea hat auch schon ne Spur.“

„Wer ist Bea?“