Wir wollen uns, aber ... - Christina Stöger - E-Book

Wir wollen uns, aber ... E-Book

Christina Stöger

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Beschreibung

»Du willst wohin?« Ich starre Markus an, doch er grinst nur. München? Das ist jetzt nicht sein Ernst! Ich hatte mit einem entfernteren Ziel gerechnet. Gut, es muss nicht Ägypten sein ... da befinden sich zur Zeit Alex und Emma auf Hochzeitsreise, aber doch zumindest irgendwas am Meer, wo es warm ist. Anja hat scheinbar ihren Traumprinzen gefunden und ist mit ihm im Liebesurlaub. Alex und Emma haben geheiratet und befinden sich auf Hochzeitsreise ... Alles könnte so schön sein! Könnte, gäbe es dieses »aber« nicht. »Wir wollen uns, aber ...« ist der dritte und letzte Teil der Serie um Anja, Markus, Alex, und Emma. Ist Markus wirklich so, wie er sich gibt? Wie geht es mit Emma und Alex weiter? Wird es endlich das ersehnte Happy End geben? All diese Fragen und noch vieles mehr machen auch diesen erotischen Liebesroman wieder zu einem Lesevergnügen der besonderen Art.

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Inhaltsverzeichnis

Traumreise?

Bayerische Gemütlichkeit

Schwiegermutter oder -monster?

Reise in die Vergangenheit

Am See

Sorry, Baby

Ein Schlag kommt selten allein

Umzug zu Rosa

Und das Schicksal lacht

Die Vergangenheit kehrt zurück

Ein Traum zerplatzt

Bei Oma Hanni

Wünsche, Träume, Sehnsüchte

Halloween

Gruselige Überraschung

Abschied

Ode an die Freude

Auf dem Weihnachtsmarkt

Und manchmal ist es anders, als es scheint

nde gut, alles gut

Du bist mein Leuchtturm

Danksagung

1 – Traumreise?

»Du willst wohin?« Ich starre Markus an, doch er grinst nur. München? Das ist jetzt nicht sein Ernst! Ich hatte mit einem entfernteren Ziel gerechnet. Gut, es muss nicht Ägypten sein – da befinden sich zur Zeit Alex und Emma auf Hochzeitsreise – aber doch zumindest irgendwas am Meer, wo es warm ist. Wozu habe ich sonst meine ganzen Sommerkleider eingepackt?

»Lass dich doch einfach überraschen, mein Schatz. Deinen Bikini wirst du schon ausführen können. Ich sag nur: Wellness. Massagen, Whirlpool, Sauna und ganz viel … na, du weißt schon.« Markus grinst noch eine Spur breiter und nun kann auch ich mir ein breites Lächeln nicht verkneifen. Unsere Beziehung läuft nun schon knapp drei Monate und wenn wir zusammen sind, dann verbringen wir viel Zeit im Bett. Früher habe ich meine Freundinnen immer ausgelacht, wenn sie mir erzählten, dass man tagelang im Bett liegen könnte. Damals kannte ich aber auch nur Flo, meinen Exfreund, der mich einfach sitzen ließ. Danach gab es Alex. Ja, mit ihm hätte ich mir das vorstellen können, doch er war, oder besser gesagt ist, vergeben und wir hatten nur eine heimliche Affäre. Na ja, so heimlich war die auch wieder nicht, denn offenbar hatte Emma alles gewusst und es sogar toleriert. Bei diesem Gedanken läuft mir noch immer eine Gänsehaut über den Rücken. Doch zum Glück ist auch Alex Geschichte. Jetzt habe ich den besten Mann an meiner Seite, den ich mir vorstellen kann. Markus ist zärtlich und doch stark, liebt mich und meine Macken und behandelt mich wie eine Königin. Meistens. Wenn er mich nicht gerade wieder ärgert. Aber genau das liebe ich so an ihm.

Noch immer grinsend ziehe ich meinen Koffer hinter mir her. Dieser Mann ist einfach immer für eine Überraschung gut. Auf einmal freue ich mich auf unsere gemeinsamen Tage in München. Malediven? Ägypten? Pah! Wer braucht das schon? Okay … ich. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Schließlich haben wir unser ganzes Leben noch vor uns. Markus und ich – gemeinsam.

»Wie kommst du eigentlich auf diese Idee?«, frage ich dann doch, nachdem wir nebeneinander händchenhaltend im Flieger sitzen und auf den Start warten.

»Ich möchte dir gerne zeigen, wo ich aufgewachsen bin. Meer haben wir zu Hause wirklich genug. Jetzt geht es Richtung Berge. Glaube mir, dort gibt es auch wunderschöne Ecken. Und … es ist unser erster, gemeinsamer Urlaub. Wenn ich dich sofort auf eine einsame Insel verschleppe, dann habe ich ja keine Steigerungsmöglichkeiten mehr. Stimmt's?« Es liegt so viel Wärme in seiner Stimme und seine Augen strahlen mich so liebevoll an, dass ich nur zurückstrahlen und ebenfalls nicken kann. Außerdem hat er ja recht. Seiner bestechenden Logik habe ich nichts entgegenzusetzen.

»Weißt du wie das Wetter dort sein wird?«, frage ich, in Gedanken an meine Sommerkleidchen. Natürlich trage ich seit Neuestem auch Hosen, habe ich mir schließlich vorgenommen, doch ganz habe ich die luftige Kleidung noch nicht verbannt. Zumindest jetzt im Sommer.

»Durchwachsen, vermute ich. Aber wenn du alles eingepackt hast, worum ich dich bat, dann müsste es passen. Und außerdem«, er führt meine Hand zu seinen Lippen und haucht einen zarten Kuss darauf, »gibt es auch dort Läden, in denen man etwas kaufen kann. Meine Süße wird schon nicht erfrieren.« Ich sehe das schelmische Funkeln in seinen Augen und muss unwillkürlich lachen.

»Meinst du? Du weißt, wie schnell ich eine Gänsehaut bekomme.«

»Oh ja, das weiß ich«, erwidert Markus und beugt sich ganz zu mir herüber. Dann beginnt er vorsichtig an meinem Hals zu knabbern und meine Härchen im Nacken richten sich auf. Und nicht nur die. Auch meine Brustwarzen recken sich ihm erwartungsvoll entgegen.

»Du bist so unfair«, nuschle ich und seufze wohlig auf. Wenn wir doch bloß schon im Hotelzimmer wären.

»Ich weiß. Und ich liebe es«, raunt er mir zu, an meinem Ohrläppchen knabbernd.

»Wenn du nicht gleich aufhörst, dann zerre ich dich noch vor dem Start in die Toilette und falle über dich her«, flüstere ich ihm zu und meine es genau so. Dieser Kerl ist unersättlich. Und ich auch, wie ich zugeben muss. So viele verschiedene Stellungen wie in den letzten zweieinhalb Monaten habe ich noch nie ausprobiert. Und ich liebe jede einzelne davon. An Fantasie mangelt es uns beiden nicht. Nur ein Quickie im Flugzeug war noch nicht dabei. NOCH nicht.

»Und? Was wäre daran so verkehrt? Ich würde dich auch hier auf dem Sitz ...«, lacht Markus und zieht sich zurück. »Aber ich glaube, dann würden sie uns umgehend aus der Maschine ›entfernen‹«. Beim letzten Wort malt er imaginäre Anführungszeichen in die Luft und ich muss kichern. Sofort springt mein Kopfkino an und ich sehe uns bereits halbnackt über das Rollfeld flüchtend. Hinter uns eine Truppe Polizisten, die schreiend mit ihren Knüppeln wedeln.

»Ja, reiß dich zusammen. Wir müssen seriös wirken«, presse ich bemüht ernst heraus, bevor wir beide in schallendes Gelächter ausbrechen. Die Blicke der anderen Fluggäste interessieren mich nicht im Geringsten. Ich liebe mein Leben, diesen Mann an meiner Seite. Ich fühle mich einfach nur wohl. Mit Markus würde ich bis ans Ende der Welt gehen. Und wenn das Ende der Welt in diesem Fall München sein soll, dann ist es eben so. Er hat schon ganz recht. Warum müssen es immer die weit entfernten Orte sein, die einen begeistern? Warum nicht Deutschland? Es gibt hier so viele wundervolle Ecken und der Flug ist auch nicht so weit. Eine gute Stunde, glaube ich.

Diese Auszeit haben wir uns wirklich verdient. Ich arbeite jetzt bereits seit einem guten, halben Jahr bei der Immobilienfirma und bei der Anzahl meiner Überstunden hätte ich einen ganzen Monat verreisen können. Oder noch länger. Doch ich bin froh, dass mir mein Chef diese Woche so einfach genehmigt hat. Fast ohne zu murren.

»Wir müssen reden, wenn Sie wieder im Lande sind«, hatte Herr Meier gesagt, als ich mich gestern, am Freitagabend, verabschiedet habe.

»Klar Chef. Aber nur über positive Dinge«, scherzte ich und er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Ob es für Sie gut oder schlecht ist, kann ich noch nicht sagen. Das müssen Sie entscheiden, wenn es soweit ist. Aber jetzt wünsche ich Ihnen erst einmal eine wundervolle, entspannte und harmonische Zeit mit ihrem Liebsten.« Ich wunderte mich so über seine Worte, dass ich nicht imstande war, ihm mit mehr als nur einem Nicken zu antworten, während er mich aus der Bürotür schob. »Kommen Sie nur gesund und heil zurück«, rief er mir noch nach, bevor die Tür ins Schloss fiel.

In diesem Augenblick startet die Maschine und ich drücke Markus` Hand noch ein wenig fester. Ich bin noch nie geflogen und habe schon etwas Angst. Ein kleines bisschen.

»Geht‘s dir gut?«, fragt Markus besorgt und ich nicke.

»Ja, warum?«

»Weil du gerade meine Hand zerquetschst.«

»Ups, sorry.« Ich will mich gerade von ihm lösen, als er sie nun seinerseits fester umschließt.

»Du musst keine Angst haben. Ich bin bei dir und halte dich.«

»Danke.« Genau wegen dieser Gesten liebe ich Markus. Nicht nur deswegen, aber auch. Er ist der Fels in meiner Brandung, mein Leuchtturm im Alltag des Lebens, mein Zuhause.

Kitschig! Das klingt so rosarot und himmelblau. Anja, du kennst doch den Kerl erst seit knapp drei Monaten. Ich hasse sie! Meine innere Stimme meldet sich immer dann zu Wort, wenn ich sie nicht brauchen kann. Fibi, meine liebe Freundin und Arbeitskollegin, erklärte mir neulich, dass diese Stimme mein Bauchgefühl ist, auf das ich hören sollte. Sie hat leicht reden. Ihre innere Stimme ist ein sexy Kerl. Meine eine ›Anstandsdame‹. Also so, wie man sich eine Frau mit Lockenwicklern im Haar und Nudelholz in der Hand so vorstellt. Natürlich ist sie nicht echt. Ich bin schließlich nicht schizophren. Und doch raubt sie mir oft den letzten Nerv. Halt die Klappe, schnauze ich meine innere Stimme an. Ich will Spaß haben, mich in den Laken wälzen und das Leben genießen, verdammt. Ich will nicht an morgen denken oder wie lange mein Glück dauert. Das weiß nämlich niemand. Markus soll der Mann meines Lebens sein, weil ich das so will. Ha! Nun habe ich es ihr aber gegeben. Zumindest ist die Stimme jetzt ruhig. Wir haben die Flughöhe erreicht und ich beginne mich langsam zu entspannen. Markus hält noch immer meine Hand und streichelt sanft über die Innenfläche, während er die Augen geschlossen hat. Da er schon öfter geflogen ist, macht ihm das alles offenbar nichts aus. Meine Gedanken treiben zu Fibi und ich weiß genau, was sie sagen würde, wenn sie mich so sehen könnte. Doch ich will jetzt nicht an meine Freundin denken, die in der Firma arbeiten muss, während ich mich vergnügen darf. Seine Vergangenheit soll ich kennenlernen? Wow. Und das schon nach zweieinhalb Monaten? Ob das nicht ein bisschen schnell geht? Gut … meine Vergangenheit kennt er schließlich auch und hat sie akzeptiert. Altbekannte Zweifel machen sich in meinen Gedanken breit, doch ich verscheuche sie vehement. Nicht zweifeln! Leben! Ich kuschle mich näher an Markus, lege meine freie Hand auf seinen Oberschenkel.

»Ich freu mich auf die Zeit mit dir«, hauche ich in sein Ohr und er öffnet die Augen.

»Ich mich auch. Und wie.« Er richtet sich auf und strahlt mich an. »Du wirst sehen, wie schön es dort ist. Schließlich bezeichnet man München auch als ›Weltstadt mit Herz‹. Ich habe meine ganze Kindheit dort verbracht und auch das Studium, wie du weißt. Allerdings war das Stellenangebot im Norden wirklich grandios und meine ›liebe‹ Exfrau war zu dem Zeitpunkt bereits schwanger. Wir bekamen dort eine große Wohnung für uns drei, die ich mir in München nie hätte leisten können. Aber ich vermisse den Süden schon ab und zu«, plappert er und ich merke, wie nervös er ist. »Meine Mutter freut sich schon darauf, dich kennenzulernen.«

Ähm … bitte was? Wie meint er das? Seine Mutter? Meine Eltern kennt Markus noch nicht. Auch nicht Rosa, meine Schwester, und ihre Familie. Und ich soll jetzt seine Mutter treffen? Uff. Geht das nicht etwas schnell? Ich richte mich ein Stückchen in meinem Sitz auf und fahre mit der Hand, die eben noch auf seinem Oberschenkel ruhte, durch meine Haare. Mittlerweile sind sie nicht mehr so kurz wie noch vor einem Jahr. Ich hätte schon längst zum Frisör gehen sollen, doch irgendwie liebe ich diese Länge. Ich kann zumindest bereits einen kleinen Pferdeschwanz machen. Schwänzchen, zugegeben. Aber immerhin sind sie noch blond. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, sie mir färben zu lassen – nach der Misere mit Alex. Ich wollte mich wieder einmal verändern. Na, vielleicht komme ich ja in München zu einem guten Friseur.

»Anja? Was ist?« Markus reißt mich aus meinen Gedanken und ich merke, dass meine Hand noch immer auf meinem Kopf liegt. Blöder Anblick.

»Ich … ähm … nichts«, stottere ich und werde rot. Gut, kein unbekannter Anblick für Markus, da ich in seiner Gegenwart ständig erröte, aber dennoch unangenehm.

»Du überlegst wegen meiner Mutter, stimmt's?« Erwischt. Ich nicke also und er zwinkert mir zu. »Du musst keine Angst haben, Liebling. Meine Mum ist eine ganz tolle Frau. Locker, lustig und manchmal etwas verpeilt.« Er grinst und ich entspanne mich ein wenig. »Sie lebt allein am Rande von München und wir werden sie mal besuchen. Das ist alles. Du musst also keine Angst haben, dass wir bei ihr wohnen, oder so.« Stand mir diese Frage irgendwo auf der Stirn? Ich werde noch etwas dunkler im Gesicht. Ab und an ist mir dieser Mensch wirklich unheimlich. Er kann meine Gedanken erraten oder lesen oder sonst irgendwie in meinen Kopf schauen. Oder woher weiß er sonst, dass ich genau davor Panik hatte? In meiner wilden Fantasie malte ich mir bereits aus, dass wir mit Markus` Mutter zusammen sitzen und sie mich komplett in Beschlag nimmt, wir bei ihr wohnen und ich mich nach ihr richten muss. Dabei kenne ich die Frau noch nicht einmal. Nicht mal ihren Namen.

»Wie heißt deine Mutter eigentlich?«, schießt die Frage aus mir heraus. »Ich kann sie ja nicht mit ›Mum‹ anreden, so wie du.«

Markus lacht. »Da hast du allerdings recht. Sie heißt Christine. Wobei ...«, Markus dreht sich zu mir herum und ich blicke in seine wundervollen, wasserblauen Augen. »Wenn wir verheiratet sind, dann ist sie ja auch deine Mum. Zumindest deine ›Schwiegermum‹«. Ich muss schlucken und meine Augen werden groß. Verheiratet? Habe ich das eben richtig verstanden? Heiraten? Ich? Um Himmelswillen! Mein Kopfkino springt erneut an und ich sehe mich bereits mit einem weißen Kleid vor der Kirche. Meine innere Stimme lacht hell auf. Typisch. Ich könnte kotzen. Doch irgendwie … also das Gesicht der Braut ist nicht meines, sondern das von Emma. Damals, als ich auf ihrer Hochzeit war, wünschte ich mir so sehr, dass ich ihren Platz einnehmen könnte. Und nun? Jetzt habe ich den Mann meiner Träume neben mir sitzen und schiebe diesen Gedanken so weit weg, wie es nur geht. Erneutes Lachen der Stimme. Ganz toll.

Du weißt auch nicht, was du willst. Ich hasse sie. Sie hat viel zu oft recht. Irgendwie haben alle immer recht – nur ich nie. Ich seufze innerlich auf, lehne meinen Kopf an Markus` Schulter und schließe die Augen. Vielleicht war die Idee mit der Toilette doch nicht so schlecht. Danach wäre ich zumindest entspannt. Doch uns bleibt nicht mehr viel Zeit. In knapp fünfzehn Minuten sollen wir bereits in München landen.

»Lust auf etwas Entspannung?«, raunt mir Markus zu und ich muss lachen. Was macht er immer in meinem Kopf?

»Du kannst echt Gedanken lesen«, raune ich mit tiefer Stimme zurück, zwinkere ihm verschwörerisch zu und erhebe mich von meinem Sitz.

»Ich komme gleich«, höre ich ihn noch sagen und meine Schmetterlinge flattern vorfreudig in meinem Bauch. Oh ja, davon gehe ich aus. Wie gut, dass ich mir heute morgen einen kurzen Rock angezogen habe.

»Komm schnell. Die S-Bahn fährt in fünf Minuten. Soll ich dir wirklich nicht helfen, Anja? Ich könnte ...«

»Nein, ich schaff das schon. Bin doch ein starkes Mädchen«, schnaufe ich und Markus verdreht gespielt genervt die Augen, während er wartend an der Rolltreppe steht.

»Nun gib schon her, Anja. Schließlich bin ich der Mann und sollte einer schwachen Frau helfen.«

»Hey. Packst du jetzt den Macho aus, oder was?« Ich kann das Lachen nur mühsam unterdrücken. In dem Moment stelle ich mir einen Steinzeitmenschen vor, der sein Mammut über die rechte Schulter wirft und seine Braut über die linke. Dass er sich nicht mit beiden Fäusten auf die Brust trommelt, fehlt gerade noch.

»Ich Tarzan, du Jane«, brummt Markus, als ich zu ihm auf die Rolltreppe springe, und zieht mich an seine Brust.

»Schleppst du mich jetzt in deine Höhle, du Steinzeitrocker?«

»Eher dringe ich in deine feuchte Höhle ein und ...« Sein Mund verschließt meinen und seine Hand wandert an dem Rand meines Shirts entlang. Ich seufze wohlig auf. Hoffentlich sind wir bald da.

Gerade noch rechtzeitig erreichen wir den Bahnsteig, sausen durch die geöffneten Türen der Bahn und lassen uns auf einem der vier Sitze, die sich gegenüberliegen, fallen. Geschafft. Und ich auch. Ich bin froh, dass ich nun hier sitze. Markus strahlt über das ganze Gesicht und ich merke, wie er aufblüht.

»Heimat«, nuschelt er, als ich ihn fragend anblicke.

»Hier habe ich so viele Jahre meines Lebens verbracht ...«

»In diesem Zug?« Ich muss kichern.

»Quatsch. Ich meine in dieser Stadt.« Markus knufft mich in die Seite und legt dann einen Arm um meine Schultern. »Du wirst sehen, es wird dir hier auch gefallen. Ganz bestimmt.«

»Mit dir an meiner Seite gefällt es mir überall«, seufze ich und genau so ist es auch. Vielleicht sollte ich in einer stillen Minute doch über die geplante Hochzeit nachdenken … nicht, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll, sollte er mir irgendwann einen Antrag machen. Meine innere Stimme nickt zustimmend - ich kann es fühlen – und die Anspannung fällt nahezu komplett von mir ab. Auf ins Abenteuer München.

2 - Bayerische Gemütlichkeit

Einige Zeit später öffne ich die Tür zu unserem Hotelzimmer. Das wunderhübsche Bauernhaus liegt wenige Kilometer außerhalb der großen Weltmetropole und ist mit der S-Bahn gut zu erreichen. Markus will allerdings einen Wagen mieten für die Zeit, in der wir hier verweilen. Ich bin froh darüber. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind ja ganz okay … aber gegen eigene vier Räder, auch wenn sie nur geliehen sind, habe ich trotzdem nichts einzuwenden. Ich ziehe meinen Koffer in das Zimmer und blicke mich um. Schön ist es hier. Exakt so, wie man sich ein Hotelzimmer in Bayern vorstellt. Zumindest ich stelle es mir so vor. Frau ist schließlich gebildet – diverse Heimatfilme machen es möglich. Rustikale Eichenmöbel, dicke Vorhänge und einfach liebevoll bis ins Detail gestaltet. Fibi hätte es ›altbacken‹ genannt, doch ich muss gestehen, dass ich auch ehrlich enttäuscht gewesen wäre, hätte das Zimmer anders ausgesehen. Schließlich will man – oder zumindest ich – ja auch etwas von dem Flair genießen. Das kann ich hier. Ich lasse mich auf das hölzerne Bett mit den weißen Laken fallen und sinke sofort ein. Oh wie herrlich. Mein müder Körper reagiert auf die duftende Blümchenbettwäsche und ich gähne herzhaft. Es ist zwar erst kurz nach Mittag, dennoch steckt mir der Flug und die gesamte Aufregung in den Gliedern. Bis Markus mit dem Auto hier ist, könnte ich also beruhigt noch etwas verschnaufen. Der Mietwagenverleih ist zwar nicht weit entfernt, also genauer gesagt nur die Straße runter und dann links, aber er hat gemeint, dass er mir etwas Zeit zum Ankommen geben will. Was auch immer das heißen mag. Vielleicht genau das hier? Das Einfühlen in die bayerische Lebensart? Ich muss ihn unbedingt fragen, wenn er wieder da ist. Doch erst einmal erhebe ich mich mühsam, packe die Kleidung aus dem Koffer in den alten Bauernschrank und gehe ins Badezimmer. Das Wetter ist fantastisch – sogar wesentlich wärmer als im Norden – und ich bin komplett verschwitzt. Plötzlich bin ich froh, dass ich nicht in Italien, Spanien oder gar Ägypten bin. Was soll ich da? Meer und Strand habe ich auch vor der Haustür – mehr oder weniger. Ich will Markus` Vergangenheit sehen und mit ihm gedanklich zurückreisen. Vielleicht ist das auch etwas früh, nach zweieinhalb Monaten, doch ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich ihn bereits ein Leben lang kenne. Ist das normal? Ich weiß es nicht. Komischerweise habe ich ab und zu sogar Angst davor. Es fühlt sich an, als wäre er der Mann, der meine Zukunft mit mir gestaltet, meine fehlende zweite Hälfte, ein Teil meiner Seele. Ich habe neulich mal irgendwo gelesen, dass es die Theorie gibt, dass Seelen – Engel? - sich im Himmel kennen lernen und dann zur Erde geschickt werden, um hier eine Aufgabe zu erfüllen. Und dass sie ihren Seelenpartner finden müssen. Also genau die Hälfte, die im Himmel zurückgeblieben ist. Oder so ähnlich. Bei der Vorstellung muss ich grinsen. Ich schüttle den Gedanken ab. Für so viel Esoterik bin ich einfach zu müde. Es langt, wenn wir uns lieben, uns gut verstehen und die Zeit genießen, die wir zusammen sind. Ganz egal, wie lange das dauert. Vielleicht ist in einem Jahr schon wieder alles vorbei? Wenn ich so zurückdenke, dann kann ich nicht fassen, was in den letzten Monaten alles passiert ist. Ich habe Florian versucht aus meinem Leben zu streichen, Alex kennengelernt, Flo wiedergetroffen und ihn endgültig aus meinem Herzen entfernt. Mit Alex wundervollen Sex genossen und ihn schlussendlich auch wieder aus meinem Leben verbannt. Und nun, nun habe ich Markus. Der Mann, der mich wirklich liebt und den ich begehre. Ein Ziehen rollt durch meinen Unterleib. Ich freue mich schon darauf, endlich das bayerische Bett auszuprobieren. Hoffentlich quietscht es nicht, wenn wir ›unseren Sport‹ betreiben. Ein Lachen dringt über meine Lippen und kichernd stelle ich mich unter die heiße Dusche. Das Bad ist, im Gegensatz zum Rest, ziemlich modern. Die Regenwalddusche, die nun das Wasser auf mich niederprasseln lässt, ist himmlisch. So eine brauche ich auch! Unbedingt. In Gedanken notiere ich es mir auf meiner imaginären ›Muss-ich-dringend-machen-Liste‹. Da steht schon so einiges drauf. Mal sehen, wann ich es endlich in die Tat umsetze. Da wäre zum Beispiel eine Fahrt mit einem Heißluftballon, eine Kreuzfahrt und der Urlaub in Italien. Alles Aktionen, die nicht schwer realisierbar sind und doch bisher keinen Platz in meinem Leben hatten. Vielleicht werde ich sie mit Markus erfüllen können. Bevor wir heiraten und Kinder bekommen. Meine innere Stimme lacht höhnisch auf. Sie ist der Meinung, dass das mein größter Wunsch ist, doch ich widerspreche ihr regelmäßig. Würde ich nie zugeben. Dazu bin ich mit meinen neunundzwanzig Jahren einfach noch zu jung. Oder nicht? Mittlerweile wohne ich bereits mehr als ein halbes Jahr im ehemaligen Haus meiner Oma Hanni und habe doch noch nichts verändert. Bis auf die Bibliothek, die ich mir im Wohnzimmer einrichtete inklusive des gemütlichen Sessels aus Leder und der stylischen Stehlampe, ist alles so, wie sie es mir hinterlassen hat, als sie im Februar diesen Jahres ins Altersheim umzog. Umgezogen wurde. Oma Hanni kann sich nicht mehr alleine versorgen und lebt mittlerweile in ihrer eigenen Welt. Sie ist nicht dement oder so. Sie will nur schlichtweg niemanden mehr um sich herum haben, der sie nervt. So war zumindest ihre Aussage beim letzten Mal, als ich sie sah. Anfänglich sah ich sie noch fast jede Woche, doch mit der Zeit wurde es immer weniger, bis ich die Besuche gänzlich einstellte. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Sobald ich zurück bin, werde ich das ändern. Zusammen mit Rosa, meiner Schwester. Das hatten wir uns schon lange vorgenommen. Noch ein Punkt für meine Liste. Ist schon erschreckend, wie sich Menschen im Alter ändern können. Aus der lebenslustigen, fröhlichen Oma Hanni ist eine stille Heimbewohnerin geworden, die niemanden mehr an sich heranlässt. Ausschließlich mein Neffe Noah kann sie noch zum Lachen bringen. Oder zum Lächeln, besser gesagt. Würde Opa noch leben, ginge es ihr bestimmt besser. Er würde sich um sie kümmern, sie pflegen und lieben. Doch Opa ist bereits vor zwei Jahren gestorben, kurz nach meiner Trennung von Flo. »Vorgegangen«, wie Oma Hanni betont. »Er wartet auf mich und ich freue mich darauf, bald wieder bei ihm zu sein«, waren ihre Worte. Ich seufze schwer, schüttle den Kopf und schiebe die dunklen Gedanken beiseite. Sie machen mich traurig. Und traurig will ich jetzt nicht sein.

Ich shampooniere mein kinnlanges, blondes Haar und seife mich ein. Wie herrlich wäre es jetzt, wäre Markus hier und würde das für mich übernehmen. Ich schließe die Augen und gebe mich meinem Tagtraum hin. Er würde mit seinen kräftigen Händen ganz sanft über meine Rundungen streifen, jede Stelle meines Körpers – und ich meine wirklich jede – berühren und sich dicht an mich pressen. Ich würde seine harte Männlichkeit an meinem Po spüren und seinen Atem auf meiner Haut. Synchron zu meinen Gedanken streichle ich über meine pochende Perle zwischen meinen Beinen und seufze auf.

»Was machst du denn da?«, höre ich plötzlich eine mir sehr bekannte, tiefe Stimme und zucke etwas zusammen. Erwischt. Röte schießt in meine Wangen und ich grinse Markus dümmlich an. »Ich Tarzan, du Jane«, raunt er mir ins Ohr, nachdem er die Plexiglastüren der Dusche wieder geschlossen hat und nun hinter mir steht. Wie in meiner Vorstellung drückt er sich an mich und lässt seine Hände über meinen Körper wandern.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir im Bett. Markus ist ein wundervoller Liebhaber. Mal Macho wie vorhin, mal zärtlich, einfühlsam und hingebungsvoll. Bereits einige Male haben wir Neues ausprobiert. Er weiß, wie er bei mir mit einem Dildo umzugehen hat und auch, wie sehr ich darauf stehe, von ihm gefesselt zu werden. Gut, ohne Handschellen oder Manschetten, aber mit einem Schal, oder auch zwei oder vier. Je nachdem. Vielleicht lese ich zur Zeit aber auch zu viele erotische Romane, wie zum Beispiel ›Black Star Club von Veronika Engler‹, den ich neulich regelrecht verschlungen habe, denn mir kommen immer neue Idee, die er nur zu gerne mit mir umsetzt. Das Vertrauen zwischen uns ist gewachsen und es könnte nicht schöner sein. Ich bin echt froh, dass ich ihm, unserer Liebe, eine Chance gebe.

»Gehen wir nachher etwas essen? Ich sterbe vor Hunger«, frage ich meinen Helden, als ich glücklich in seinen Armen liege und den Ventilator betrachte, der seit Stunden nahezu geräuschlos an der Decke seiner Bestimmung nachgeht. Ohne diesen wäre es im Zimmer kaum auszuhalten. Unsere Körper glänzen vor Schweiß.

»Sollen wir uns was aufs Zimmer bringen lassen? Oder möchtest du Essen gehen?« Er dreht sich zu mir herum und streicht genüsslich über meinen Bauch. »Du hast mich echt ausgesaugt, Baby. Da brauche ich viel neue Energie. Proteine, du weißt schon.«

»Schon klar, mein Held.« Flink winde ich mich aus seinen Armen, bevor wir in die vierte Runde starten. Markus könnte wirklich immer und überall. Ich auch, aber jetzt habe ich wirklich Hunger. »Lass uns doch einfach das Restaurant hier im Haus testen. Hast du nicht gesagt, dass sie so gut kochen? Und vielleicht nehmen wir dann später einfach noch eine Flasche Wein mit. Dann haben wir es nachher nicht mehr so weit zurück ins Bett.«

»Wow, bist du schnell«, brummt Markus und ich muss lachen.

»Sicher, sonst lässt du mich nie gehen und wir verhungern im Bett. Dann muss ich dich auffressen. Willst du das?«

»Oh ja, friss mich.« Er will erneut nach meiner Hand greifen, doch ich bin schneller. Leichtfüßig tänzle ich Richtung Badezimmer. Seine tiefe, erotische Stimme lässt die Schmetterlinge zwar erneut in meinem Magen tanzen und beinahe bin ich versucht zu ihm zurückzukehren, doch da meldet sich laut brummelnd mein Magen. Ob Schmetterlinge auch knurren können? Seit ich Markus kenne und liebe, habe ich Muskelgruppen an meinem Körper entdeckt, die mir zuvor noch nie aufgefallen sind. Diese werden beim Sport im Fitnesscenter jedenfalls nicht gefördert. Ja, ich habe mich tatsächlich wieder in einem angemeldet, nachdem ich beschlossen habe, dass Golfspielen nicht zu meinen bevorzugten Leidenschaften zählt. Vor knapp drei Monaten hatte ich einen Schnupperkurs gewonnen und ihn mit Markus besucht. Natürlich habe ich keinen Ball getroffen. Kein Wunder, wenn der Mann meiner Träume hinter oder neben mir steht und sich fast schieflacht, wenn ich mal wieder schwungvoll daneben schlage. Er war allerdings auch nicht besser, denn ich ließ es mir nicht nehmen, ihn unfairerweise abzulenken, so gut es ging. Mal pustete ich ihm ins Ohr, mal nieste ich übertrieben laut oder lenkte anders seine Aufmerksamkeit auf mich. Der Trainer gab nach der ersten Stunde genervt auf und wir waren froh, gemeinsam verschwinden zu können. Anderer Sport ist uns beiden wirklich lieber.

»Bin fertig, kannst rein«, fordere ich Markus auf, der noch immer im Bett liegt und bereits wieder eingeschlafen zu sein scheint. Schlafmütze.

»Hmm, ist gut«, vernehme ich seine Stimme zwischen den Kissen, doch er bewegt sich nicht. Na warte! Langsam schleiche ich auf das Bettende zu und ziehe mit einem Ruck die Decke weg. Dann springe ich zu ihm auf die Matratze und versuche ihn zu kitzeln. Doch es läuft eindeutig anders als geplant, denn Markus ist nur empfindlich, wenn ihm danach ist. Im Gegensatz zu mir. Schnell dreht er mich auf den Bauch, streckt sich über mir aus und ich winde mich unter seinen Fingern.

»Gewonnen. Aufhören«, japse ich und hätte die weiße Fahne geschwenkt, hätte ich eine gehabt.

»Bist du wieder lieb?«, raunt er mir ins Ohr und presst seinen Körper auf mich, sodass ich seine bereits wieder steife Männlichkeit auf meinen Pobacken fühle.

»Ja, ja, ja,«, ereiferte ich mich und er küsst mich auf meinen Hinterkopf.

»Dann will ich mal Gnade vor Recht ergehen lassen«, witzelt er. »Deiner gerechten Strafe entkommst du aber nicht, Lady. Die werde ich nachher vollstrecken, wenn wir uns gestärkt haben.« Er lässt von mir ab und ich drehe mich lachend auf den Rücken. Manchmal hat er wirklich eine komische Ausdrucksweise. Doch genau dafür liebe ich ihn.

»Wie Ihr befehlt, Meister«, gluckse ich und rapple mich auf, um mir endlich etwas Vernünftiges anzuziehen, während der knackigste Arsch, den ich kenne, an mir vorbei wackelt. Und das ist meiner. Meiner, ganz allein.

Ich krame meine Klamotten heraus, ein Top und eine kurze Hose müssten passen, und lasse meine Gedanken schweifen. Knapp drei Monate sind wir nun ein Paar. Fibi, meine beste Freundin und Arbeitskollegin, sagte mal zu mir, dass es eine klare Regel gibt, nach der Beziehungen ablaufen. Die ersten drei Monate ist alles rosarot und man übersieht die Fehler des anderen. Nach dieser Frist verblassen die pinkfarbenen Wattewolken und der Alltag zieht ein. Nach und nach werden die Fehler sichtbar und man sollte sich entscheiden, ob man sie erträgt oder eben nicht. Bisher habe ich noch keine Fehler entdeckt – aber die Frist ist auch noch nicht abgelaufen. Eine winzige Hoffnung habe ich, dass ich bei Markus keinen Fehler entdecke. Bisher scheint er mir wirklich perfekt.

Fibi. Au weia, die habe ich ja völlig vergessen. Flink ziehe ich mein Smartphone aus der Tasche, schalte es ein, lasse mich aufs Bett fallen und checke die Nachrichten. Zehn unbeantwortete Anrufe! Bereits kurz vor dem Abflug hatte sie versucht mich zu erreichen und ich untreue Tomate habe es vollkommen verdrängt. Sie weiß zwar, dass ich mit Markus im Urlaub bin und daher eher selten meine ›Kommunikationszentrale‹ in die Hand nehmen werde, doch wenn sie so oft anruft, dann muss etwas passiert sein. Noch immer höre ich das Rauschen der Dusche und entschließe mich daher, meine liebste Freundin anzurufen. Es klingelt nur kurz, bevor sie abnimmt.

»Anja! Endlich! Ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Das glaubst du mir nie! Dieses kleine, blöde Arschloch. Wenn der mir noch einmal über den Weg läuft, dann hau ich den um. Ganz sicher. Und wenn er fragt ›Warum‹, dann gleich noch mal. Das kann der nicht mit mir machen. Was denkt der sich eigentlich? Nichts, so wie ich ihn seit gestern einschätze. Uahhh … ich bin so geladen, dass ich mir bereits eine Flasche Wein geöffnet habe. Ist fast leer. Muss aber auch sein. Und wenn ich dann kotze, dann ist er schuld. Er ganz allein.« Sie holt Luft und ich nutze meine Chance, um sie zu unterbrechen.

»Fibi. Mach langsam. Was ist genau passiert?« Dass es ein echtes Drama ist, davon gehe ich aus. Umsonst ist meine ausgeglichene, herzensgute Freundin nicht so sauer.

»Was passiert ist? Das kann ich dir sagen. Gestern Abend bin ich früher aus dem Büro gegangen, weil ich ihn überraschen wollte. Man, was war ich dämlich. Meier hat gemault und ich musste ihm versprechen, dass ich die verlorenen Stunden nachhole. Als ob ich nicht schon genug Überstunden hätte. Du kennst das ja.«

»Jepp, kenn ich.«

»Na jedenfalls habe ich mir gedacht: überrasche deinen Freund mit einem romantischen Abendessen bei Kerzenschein. Wie Frau halt nun mal so ist, bin ich in diverse Läden gerannt, habe Unmengen Geld ausgegeben und nur das Beste gekauft. Ich wollte ihm sagen, dass ich Ende des Monats nun endgültig meine Wohnung kündigen werde und bei ihm einziehe.«

»Echt? Du? Wow, dich hat`s wirklich erwischt, Fibi«, werfe ich in einer erneuten Atempause dazwischen. Noch bis vor einer Woche hatte sie das zwar in Erwägung gezogen, wollte es aber frühestens nach einem halben Jahr durchziehen.

»Ja, echt. Und, was war? Ich bin wieder einmal auf die Schnauze gefallen. So typisch!« Sie schnieft hörbar. »DU kannst dich noch an meine ›Drei-Monats-Regel‹ erinnern, Anja?« Ich nicke und brumme dann zustimmend. Nicken sieht sie schließlich nicht.

»Hmm. Darüber habe ich vorhin auch nachgedacht und ...«

»Ja und gestern waren diese drei Monate um. Ich habe bisher keinen Fehler an ihm entdeckt und … und dann sehe ich ihn, wie er mit einer Tussi vor dem Kino steht! Echt! Kein Scheiß.«

»Was?«, schreie ich in den Hörer. »Bist du sicher?«

»Aber sowas von. Die Ziege war höchstens Achtzehn. Lange, blondierte Haare, kurzes Röckchen und … was das Beste ist: einen dicken Bauch!« Sie stöhnt theatralisch auf.

»Wie meinst du das?«, hake ich nach, da ich es nicht ganz verstehe.

»Die Alte ist schwanger, Anja! Bestimmt sechster Monat oder so. Er hielt sie in seinen Armen und sie haben sich geküsst!«

»Mitten vor dem Kino?!?«

»Nein, natürlich nicht. In einer Seitengasse. Ich habe sie verfolgt. Mit meinen schweren Tüten in der Hand.« Ich muss mir ein Grinsen wirklich verkneifen. Natürlich weiß ich, dass es echt unpassend ist, wenn ich jetzt lache, doch ich kann nichts dafür, dass mein Kopfkino anspringt. Ich sehe Fibi praktisch vor mir, wie sie in ›James-Bond-Marnier‹ hinter dem Pärchen herläuft, sich hinter Autos verschanzt und die passende Musik läuft durch meine Gedanken. Verfluchtes Kopfkino.

»Und? Hast du sie gestellt?«

»Bist du wahnsinnig, Anja? Natürlich nicht. Ich schätze, das war eine seiner Schülerinnen, die er geschwängert hat. Mich hat er nur als Alibi gebraucht. Da bin ich mir mittlerweile sicher. Zum Angeben bei seinen Kollegen. Boah! Ich hasse die Männer!« Das Lachen ist mir nun auch vergangen und ich fahre mir nervös durch meine Haare. Stephan, der Lehrer, war doch so eine gute Partie … zumindest hatte es den Anschein gemacht. Fibi und er hatten sich in unserer Mittagspause in einer Bäckerei kennengelernt und sich nahezu Hals-über-Kopf verliebt. Die Anziehung zwischen den beiden war fast magisch gewesen. Jedenfalls war das mein Eindruck – bis vor fünf Minuten.

»Ach Fibi, was soll ich sagen«, seufze ich und wechsle das Telefon von der rechten in die linke Hand. »Was hast du nun vor?«

»Nichts.«

»Wie meinst du das?«

»Nichts habe ich vor. Ich bin dann gestern Abend nach Hause gegangen, habe mir mein Essen gekocht – die Steaks waren wirklich fantastisch. Selber Schuld, wenn er darauf verzichtet – und habe mir danach eine Flasche Wein geöffnet. Ende.« So wie ich Fibi kenne, kommt sie schnell darüber hinweg. Zumindest äußerlich. Sie hat schon so viel Scheiße mit Männern erlebt, dass sie eher wütend als traurig ist. Ich wäre am Boden zerstört. Fibi nicht.

»Redest du nicht mit ihm darüber?«

»Nö. Warum sollte ich? Er würde doch ohnehin alles abstreiten, ich würde heulen und ihn anflehen sie zu verlassen und zu mir zu kommen und danach, wenn er es ablehnt, eine weitere Flasche öffnen. Schnaps, keinen Wein. Das muss ich mir nicht antun.«

»Hmm. Und wie soll es dann weiter gehen?«

»Wenn er sich das nächste Mal meldet, dann werde ich ihn zuerst zappeln lassen. Er muss sich was Gutes einfallen lassen, bevor ich überhaupt mit ihm rede. Und wenn es soweit ist, in ein oder zwei Wochen, dann werde ich ihm sagen, dass er sich verpissen kann. Ganz einfach.« Na klar, ganz einfach. Ich wette auf viel, dass es nicht so laufen wird, doch das sage ich Fibi in diesem Moment nicht. Ich höre, wie sie sich einen Schluck genehmigt, vermutlich direkt aus der Flasche und einen Schluchzer unterdrückt.

»Lass dich mal drücken«, seufze ich in den Hörer und hätte sie jetzt wirklich gerne in meine Arme gezogen. Doch ich bin gute achthundert Kilometer entfernt.

»Danke, Herzi. Schon gut. Ich werde es überleben. Genieße du jetzt deinen Urlaub. Ich besaufe mich noch etwas und gehe dann ins Bett. Und am Montag sieht die Welt schon wieder anders aus. Ganz bestimmt.«

»Okay.« Für einen kurzen Moment überlege ich tatsächlich, ob ich den Urlaub nicht abbrechen soll, um für sie da zu sein.