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Dieses Lehrbuch für Bachelor- und Lehramt-Studierende mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung vermittelt juristisches Know-how für das Wirtschaftsstudium. Im Mittelpunkt stehen dabei das Bürgerliche Recht sowie das Handels- und Gesellschaftsrecht. Diese Rechtsgebiete werden anhand expliziter Fallbeispiele, Grafiken und Merksätze illustriert. Ein Glossar hilft dabei, juristische Fachbegriffe zu verstehen und richtig zu verwenden. Abgerundet wird das Buch durch zahlreiche Übungsfälle, welche optimal auf die Prüfungen vorbereiten.
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Seitenzahl: 523
Veröffentlichungsjahr: 2025
Constanze Janda / Udo Pfeifer
Wirtschaftsprivatrecht
mit Fällen und Lösungen
UVK Verlag · München
Umschlagabbildung: © travelview · iStock
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838562537
© UVK Verlag 2025— Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung
utb-Nr. 2959
ISBN 978-3-8252-6253-2 (Print)
ISBN 978-3-8463-6253-2 (ePub)
Seit der letzten Auflage sind fünf Jahre vergangen. Seither hat der Gesetzgeber einige Änderungen im Bürgerlichen Recht und im Gesellschaftsrecht vorgenommen. So sind seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ (DigKRG) im Januar 2022 Verbraucherverträge über Apps, Software und andere digitale Produkte im BGB geregelt. Das Kaufrecht trägt damit – im Einklang mit verschiedenen Richtlinien der EU – der weiten Verbreitung von Streamingdiensten, eBooks oder Waren mit digitalen Elementen wie dem sprichwörtlichen „Kühlschrank mit Internetanschluss“ Rechnung. Zum Januar 2024 ist zudem das „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ (MoPeG) in Kraft getreten. Mit diesem ist ein Gesellschaftsregister eingeführt und insbesondere das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, aber auch der Kommanditgesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft, modernisiert worden.
Wir freuen uns, dass das Werk von den Studierenden weiterhin gut angenommen wird und sehen uns in unserem Anliegen bestätigt, juristisches Wissen einerseits klar konturiert und strukturiert, andererseits auf die Kernaussagen beschränkt, an Studierende anderer Fachrichtungen zu vermitteln.
Bei der Aktualisierung des Werks hat uns Sophie Holderbaum umfassend unterstützt. Neben ihr haben Martina Dieterle, Helen Hermann, Wiebke Siedorf und Mathieu Wagner das Manuskript durchgesehen und die Druckfahnen korrigiert. Dafür gebührt ihnen ein herzlicher Dank!
Apolda und Speyer, im November 2024 Constanze Janda
Udo Pfeifer
Das vorliegende Lehrbuch ist aus den Skripten zu den Lehrveranstaltungen „Recht I für Wirtschaftswissenschaftler“ hervorgegangen, welche die Verfasser an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehalten haben. Es wendet sich vor allem an Studenten der Wirtschaftswissenschaften, Magisterstudenten mit dem Nebenfach „Recht“ und Lehramtsstudenten mit dem Fach „Wirtschaft und Recht“ und soll ihnen bei der Vorbereitung auf die Leistungsnachweise im Wirtschaftsprivatrecht zur Seite stehen. Über die Klausurvorbereitung hinaus soll es dem Leser die vermögensrechtlichen Vorgaben vermitteln, die im geschäftlichen wie privaten Alltag eine Rolle spielen und ihn so in die Lage versetzen, juristische Risiken zu erkennen und einzuschätzen.
Der „BWL Crash Kurs Wirtschaftsprivatrecht“ behandelt neben dem Bürgerlichen Recht auch das Handelsrecht und das Gesellschaftsrecht.
Im Anschluss an eine Einführung in die Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts werden die Voraussetzungen für das Zustandekommen von Verträgen dargestellt. Zudem werden die wichtigsten Vertragstypen des BGB erörtert. Besonderes Augenmerk wird auf die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen gelegt. Das Arbeitsrecht sowie das Familien- und Erbrecht bleiben jedoch außer Betracht. Ebenso wird im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit auf die Darstellung juristischer Streitstände verzichtet. Die Autoren folgen insoweit der Auffassung der Rechtsprechung.
Das Handelsrecht ist bewusst kurz gehalten. Namentlich haben wir auf die Erörterung der Regeln zu Buchführung und Bilanzierung verzichtet. Vielmehr kam es uns darauf an, die Besonderheiten, die im kaufmännischen Rechtsverkehr gelten, im Vergleich zu dem für „jedermann“ geltenden Bürgerlichen Recht herauszustellen.
Die Darstellung des Gesellschaftsrechts folgt dem Befund, dass unser heutiges Wirtschaftsleben ganz überwiegend von Kapitalgesellschaften – namentlich der GmbH – und nicht mehr vorrangig von Personengesellschaften geprägt wird. Nach einer Einführung folgt daher zunächst eine auf die wesentlichen Regelungen beschränkte Darstellung der einzelnen Personengesellschaften, an die sich eine ausführlichere Behandlung des Kapitalgesellschaftsrechtes anschließt. Angesichts vieler struktureller Übereinstimmungen wird dabei nach dem Vorbild des Lehrbuches von Heribert Hirte das Recht der Aktiengesellschaft und der GmbH gemeinsam dargestellt.
Ergänzt wird die Darstellung durch zahlreiche Beispiele im Text sowie einen Anhang mit klausurtypischen Fällen und Musterlösungen. Ein Glossar soll die Klärung unbekannter Rechtsbegriffe und ein Index das schnelle Nachschlagen bei einzelnen Problemfragen erleichtern.
Ein herzlicher Dank gebührt Prof. Dr. Dietrich Simon und Prof. Dr. Heribert Hirte für die Anregungen bei der Vorbereitung der dem Buch zu Grunde liegenden Lehrveranstaltungen. Ebenso danken wir Herrn Andreas Jenak für die Durchsicht des Manuskripts.
Jena, im Juni 2007 Constanze Abig
Udo Pfeifer
Was ist Gegenstand des PrivatrechtPrivatrechts und wie unterscheidet es sich von anderen Rechtsgebieten? → vgl. Abschnitt 1.1
Wie ist die Handlungsfreiheit des Einzelnen im Privatrecht verwirklicht? Welchen Einschränkungen ist sie unterworfen? → vgl. Abschnitt 1.2
Welche Handlungen und Willensäußerungen sind rechtlich relevant? → vgl. Abschnitt 1.3.1
Wie lassen sich Rechtsgeschäfte systematisieren? → vgl. Abschnitt 1.3.2 ff.
Wie kommen Verträge zustande? → vgl. Abschnitt 1.5
Welche Besonderheiten gelten, wenn Minderjährige Verträge abschließen? → vgl. Abschnitt 1.5.2
Wie kann man sich von Verträgen wieder lösen? → vgl. Abschnitt 1.5.3.3, Abschnitt 1.6.3
Auf welche Weise kann man Geschäfte unter Einschaltung von Mittelspersonen abschließen? → vgl. Abschnitt 1.7
Welche Regeln hält das Recht bereit, um Benachteiligungen „im Kleingedruckten“ zu unterbinden? → vgl. Abschnitt 1.8
Das Privatrecht ist neben dem Öffentlichen Recht Teil unserer Rechtsordnung. Es beschreibt das Verhältnis der Bürger untereinander, die sich als gleichberechtigte Personen gegenüberstehen. Im Gegensatz dazu befasst sich das Öffentliches RechtÖffentliche Recht mit so genannten hoheitlichen Verhältnissen, also der Bürger zum Staat, wie auch der Staats- und Verwaltungsorgane untereinander.
Das Privatrecht umfasst verschiede Rechtsgebiete: das Bürgerliche Recht, das Handels-, Gesellschafts- und das Arbeitsrecht. Das Bürgerliche Recht trifft Regelungen über das Verhältnis von Personen untereinander (Schuldrecht), von Personen zu Sachen (Sachenrecht), die vermögensrechtlichen Folgen des Todes (Erbrecht) oder die Rechtsfragen von Ehe und Verwandtschaft (Familienrecht). Als Sonderprivatrecht der Kaufleute regelt das Handelsrecht alle Angelegenheiten der Kaufleute sowie das Verhältnis der Kaufleute zu ihren Kunden. Das Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften ist Gegenstand des Gesellschaftsrechts. Schließlich stellt das Arbeitsrecht Regelungen über Rechte und Pflichten der abhängig Beschäftigten auf. Unter dem Begriff des Öffentlichen Rechts sind das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht sowie das Strafrecht zusammengefasst, auch wenn das Strafrecht gemeinhin als eigenständiges Rechtsgebiet wahrgenommen wird. Ein und derselbe Sachverhalt kann Gegenstand beider Rechtsgebiete sein.
A hat B bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, die B gegen A geltend machen möchte, unterliegen dem Zivilrecht. Die staatliche Sanktionierung des Fehlverhaltens des A ist demgegenüber Gegenstand des Strafrechts als Bestandteil des Öffentlichen Rechts.
Die Unterscheidung zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht ist für die Frage relevant, welchen RechtswegRechtsweg man im Streitfall zu beschreiten hat. Während für Klagen aufgrund eines Privatrechtsverhältnisses die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Amtsgericht oder Landgericht) gegeben ist, ist bei hoheitlichen Streitigkeiten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Strafrechtliche Verfahren werden dagegen – trotz ihrer Zuordnung zum Öffentlichen Recht – vor den ordentlichen Gerichten geführt.
Zivilrechtliche Ansprüche lassen sich in die Frage: „Wer will was von wem woraus?“ kleiden, welche den Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Lösung eines Falles bildet.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist das zentrale Regelungswerk des Privatrechts. Es soll dem Einzelnen die freie wirtschaftliche Entfaltung ermöglichen und ist damit entscheidend vom Prinzip der HandlungsfreiheitHandlungsfreiheit geprägt. Die Handlungsfreiheit ist in Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht gewährleistet. Danach hat jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, sofern er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Der Begriff „Sittengesetz“ umschreibt die gesellschaftlich anerkannten Regeln, Werte und moralischen Vorstellungen.
Im Zivilrecht wird die HandlungsfreiheitHandlungsfreiheit als PrivatautonomiePrivatautonomie→ Glossar bezeichnet, die dem Einzelnen die Freiheit zur rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung gewährt. Die Privatautonomie hat drei Ausprägungen: die VertragsfreiheitVertragsfreiheit, die EigentumsfreiheitEigentumsfreiheit und die TestierfreiheitTestierfreiheit. Die Vertragsfreiheit beinhaltet zum einen die freie Entscheidung darüber, ob man einen Vertrag abschließen möchte, wie auch das Recht zur freien Wahl des Vertragspartners (Abschlussfreiheit). Zum anderen schützt sie das Recht der freien Ausgestaltung von Verträgen (Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit). Die Eigentumsfreiheit gewährt dem Eigentümer einer Sache die freie Entscheidung darüber, was mit seinem Eigentum geschieht. Er darf über seine Sachen nach Belieben verfügen und andere von der Einwirkung darauf ausschließen → vgl. § 903 BGB. Die Testierfreiheit gewährleistet das Recht, durch eine letztwillige Verfügung zu bestimmen, an wen im Todesfall das Vermögen fallen soll → vgl. § 1937 BGB.
Auf diese Weise ermöglicht die Privatautonomie die freie Selbstbestimmung bei der Regelung persönlicher Angelegenheiten. Gleichzeitig ist sie Voraussetzung der freien Marktwirtschaft, d. h. der Steuerung der Wirtschaft durch Wettbewerb frei von staatlichen Vorgaben. Durch das freie Wirken des Marktes werden Arbeit und Kapital nach dem größten ökonomischen Nutzen verteilt. Indes führt dies nicht per se zur Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Dies funktioniert nur, wenn die Vertragspartner annährend gleich stark sind. Denn ein Übermaß an Wissen versetzt eine Partei in die Lage, die andere zu täuschen, ein Übermaß an wirtschaftlicher Macht ermöglicht das Ausnutzen monopolistischer Strukturen. Letztlich vermag schrankenlose Privatautonomie nicht für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, führt doch das freie Wirken des Marktes nicht automatisch zu Chancengleichheit und gerechten Lebensbedingungen.
Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber die Privatautonomie Einschränkungen unterworfen, indem er Schutzvorschriften zugunsten schwächerer Vertragsparteien etabliert hat. Solche Regelungen gibt es beispielsweise im Arbeitsrecht für die Arbeitnehmer (Arbeitsschutz, Kündigungsschutz), im Mietrecht für die Mieter (Mieterhöhungen, Kündigungsrecht) und im Kauf- oder Kreditrecht für die VerbraucherVerbraucher (Haustürgeschäfte, Allgemeine Geschäftsbedingungen). Diese heben die Gestaltungsfreiheit zumindest teilweise auf. Anbieter von Leistungen oder Gütern, die ein Monopol innehaben, werden einem Kontrahierungszwang unterworfen und können damit ihre Vertragspartner nicht frei wählen. Vergleichbares gilt für UnternehmerUnternehmer, die öffentlich Waren und Dienstleistungen anbieten: diesen ist es nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht gestattet, Vertragspartner aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihres Alters, der sexuellen Ausrichtung oder wegen einer Behinderung beim Vertragsschluss oder bei der Ausgestaltung von Verträgen zu benachteiligen. Die Pflicht zur Entrichtung von Steuern und Sozialabgaben oder das Grundstücksrecht tangieren die EigentumsfreiheitEigentumsfreiheit. Die TestierfreiheitTestierfreiheit wird durch das Pflichtteilsrecht → vgl. §§ 2303 ff. BGB eingeschränkt. Dieses statuiert über den Tod hinaus eine Fürsorgepflicht für Ehegatten, Kinder und Eltern, denn diese können nie vollständig enterbt werden.
Im Gegensatz zum öffentlichen Recht, welches die Rechtbeziehungen zwischen Staat und Bürger oder staatlichen Organen untereinander regelt, beschäftigt sich das Privatrecht mit den Rechtsbeziehungen unter Privatpersonen. Diese sind durch ein Verhältnis der Gleichordnung gekennzeichnet.
Die Privatautonomie ist ein tragendes Prinzip des Privatrechts. Sie gewährleistet die Handlungsfreiheit im Rechtsverkehr. Um wirtschaftlich oder sozial schwache Personen zu schützen, ist sie jedoch Einschränkungen unterworfen.
Ausgeübt wird die Privatautonomie durch den Abschluss von Rechtsgeschäften.
Welche Bedeutung hat der Grundsatz der Privatautonomie?
Was verstehen Sie unter Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit?
Welchen Beschränkungen unterliegt die Privatautonomie?
Das Rechtsgeschäft→ Glossar ist das vom BGB bereitgestellte Instrument zur Ausübung der Privatautonomie. Dabei handelt es sich um einen Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung→ Glossar und oft noch aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt eines bestimmen Erfolges knüpft.
Der Mietvertrag → vgl. § 535 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das sich aus den Willenserklärungen des Mieters und des Vermieters zusammensetzt.
Zentrales Element des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung. Darunter ist eine private Willensäußerung zu verstehen, die auf Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichtet ist.
Vertragsangebot → vgl. § 145 BGB
Kündigung z. B. eines Mietverhältnisses → vgl. § 542 BGB
Rücktritt von einem Vertrag → vgl. § 346 BGB
Anfechtung einer Willenserklärung → vgl. §§ 119 ff. BGB
Testament → vgl. § 1937 BGB
Die Willenserklärung ist durch ein inneres, subjektives Element – den Willen des Erklärenden – und ein äußeres, objektives Element – die Äußerung dieses Willens – gekennzeichnet.
Auf der subjektiven Seite werden drei Elemente unterschieden: Der Handlungswille bezeichnet das Bewusstsein zu handeln. Er fehlt bei Äußerungen, die im Schlaf oder unter Hypnose getätigt werden sowie bei Reflexhandlungen, da diese nicht von einem Willen getragen sind. Ohne Handlungswillen gibt es keine Willenserklärung. Unter dem Erklärungswillen ist das Bewusstsein zu verstehen, dass die Handlung rechtliche Relevanz hat. Der Geschäftswille bezeichnet schließlich den Willen, den rechtlichen Erfolg auch herbeizuführen. Letztere Elemente sind keine Voraussetzung für eine Willenserklärung. Denn das Vorliegen des Erklärungs- und Geschäftswillens kann im Streitfall kaum bewiesen werden. Um den Rechtsverkehr zu schützen, wird daher zunächst auf das objektive Erscheinungsbild abgestellt. Hätte der Erklärende bei sorgfältigem Handeln erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung als Willenserklärung aufgefasst werden kann, muss er sich daran festhalten lassen, wenn sein Gegenüber dies so verstanden hat [BGHZ 91, S. 324].
[So genannter „Trierer Weinversteigerungsfall“ nach Isay, S. 25.]
A nimmt an einer Versteigerung wertvoller Kunstwerke teil. Während der Versteigerung trifft sein Bekannter B ein, dem A zur Begrüßung zuwinkt. Der Versteigerer V nimmt an, A wolle mit seiner Handbewegung anzeigen, dass er auf das letzte von V bezifferte Gebot bieten wollte. Als kein weiterer Teilnehmer einen höheren Preis bietet, gewährt V dem A den Zuschlag.
Hier hatte A Handlungswillen, denn er wollte seine Hand heben. Jedoch war A nicht bewusst, dass er mit seiner Handbewegung rechtliche Folgen herbeiführen würde und er wollte dies auch nicht. Ihm fehlten also Erklärungs- und Geschäftswillen. Darauf kommt es aber nicht an, da diese keine notwendigen Bestandteile einer Willenserklärung sind. A hat also eine Willenserklärung abgegeben.
Abstrakte Geschäfte sind von ihrem Rechtsgrund (causa) losgelöst. Das heißt, die vertragliche Einigung bezieht sich nicht auf den Rechtsgrund, sondern nur auf die unmittelbar angestrebten Rechtsfolgen. Das Rechtsgeschäftabstraktesabstrakte Rechtsgeschäft ist auch dann gültig, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft (causa) nicht wirksam ist. Alle Verfügungsgeschäfte des BGB sind abstrakt.
Bei der Übereignung einer Sache → vgl. § 929 BGB ist nach außen nicht erkennbar, ob das Eigentum aufgrund eines Kaufvertrages oder einer Schenkung übertragen wird.
Ebenso ist beim Schuldversprechen → vgl. § 780 BGB als einem der wenigen Beispiele für ein abstraktes Verpflichtungsgeschäft nicht feststellbar, aus welchem Grund man einem anderen eine Leistung verspricht.
RechtsgeschäftkausalesKausale Rechtsgeschäfte tragen den Rechtsgrund in sich, der Rechtsgrund ist Inhalt des Rechtsgeschäfts – so z. B. Kauf, Miete, Pacht, Darlehen, Dienst- und Werkvertrag. Fast alle Verpflichtungsgeschäfte sind kausal.
Letztlich lassen sich Rechtsgeschäfte auch anhand der Bücher des BGB systematisieren, in deren Anwendungsbereich sie fallen. Schuldverhältnisse betreffen die Rechtsbeziehungen zwischen Personen. So ist nach § 241 BGB der Gläubiger berechtigt, vom Schuldner eine Leistung zu fordern. Das Schuldverhältnis besteht immer nur zwischen den an ihm beteiligten Personen. Dritte können daraus keine Rechte oder Pflichten ableiten, weshalb sie als relative RechteRelative Rechte→ Glossar bezeichnet werden.
Dingliche Verträge betreffen demgegenüber die Beziehungen zwischen Personen und Sachen. Ein Beispiel ist die Übereignung nach § 929 BGB, welcher die Frage regelt, wie eine Person Eigentum an einer Sache erwerben kann. Diese Rechtsbeziehungen zu Sachen sind auch von Dritten zu achten, weshalb sie als Absolute Rechteabsolute Rechte→ Glossar bezeichnet werden.
Rechtsgeschäfte bestehen aus einer oder mehreren Willenserklärungen und ggf. weiteren Elementen, an die das Recht einen bestimmten Erfolg knüpft.
Willenserklärungen sind Äußerungen des menschlichen Willens, durch die ein bestimmter Erfolg hervorgerufen werden soll. Sie müssen von einem Handlungswillen getragen sein.
Einseitige Rechtsgeschäfte enthalten die Willenserklärung einer Person, mehrseitige die von mindestens zwei Personen.
Durch ein Verpflichtungsgeschäft verpflichten sich die Beteiligten, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen.
Die Realisierung des versprochenen Erfolgs ist Gegenstand des Verfügungsgeschäfts, durch welches ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder in seinem Inhalt geändert wird.
Nach dem Trennungsprinzip sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft immer strikt auseinander zu halten. Sie teilen daher nicht notwendig das gleiche rechtliche Schicksal.
Die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts ist nach dem Abstraktionsprinzip nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts.
Definieren Sie die Begriffe Willenserklärung, Vertrag und Rechtsgeschäft.
Aus welchen Elementen setzt sich eine Willenserklärung zusammen?
Wie lassen sich Rechtsgeschäfte systematisieren?
Nennen Sie Beispiele für einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte.
Warum wird man durch Abschluss eines Kaufvertrages nicht Eigentümer der gekauften Sache?
Welche Folgen resultieren aus dem Abstraktions- und dem Trennungsprinzip?
Sind der Erlass einer Forderung → vgl. § 397 BGB und die Bestellung einer Grundschuld → vgl. §§ 873 Abs. 1, 1113, 1192 BGB Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäfte?
Durch AuslegungAuslegung→ Glossar wird der Wille des Erklärenden ermittelt. Dies ist immer dann notwendig, wenn dieser aus der Erklärung nicht eindeutig erkennbar ist.
Die natürliche Auslegung dient der Feststellung des Sinnes einer Erklärung. Dabei darf man sich nach § 133 BGB nicht auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks beschränken. Vielmehr ist der hinter dem Wortlaut der Erklärung stehende (subjektive) Geschäftswille des Erklärenden zu ermitteln.
K erklärt V, er wolle von ihm eine Bohrmaschine kaufen. K und V betreiben jedoch illegale Waffengeschäfte und hatten zuvor vereinbart, das Wort „Bohrmaschine“ als Codewort für „Maschinengewehr“ zu verwenden.
Ist der subjektive Wille des Erklärenden trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar, erfolgt die Auslegung gemäß § 157 BGB nach „Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte“. Dabei ist zu ermitteln, was ein rational denkender Adressat an der Stelle des Empfängers bei verständiger Würdigung aller Umstände verstehen musste und durfte (so genannter Empfängerhorizont). Auch bei der normativen Auslegung gilt das in § 133 BGB verankerte Verbot, sich auf den buchstäblichen Ausdruck zurückzuziehen. Maßstab ist der objektive Sinn der Erklärung, der sich beispielsweise aus den vorangegangenen Vertragsverhandlungen oder dem Zweck des Rechtsgeschäfts ableiten lässt.
V hatte gegenüber K mehrfach davon gesprochen, dass er seinen gebrauchten PKW verkaufen und dabei mindestens einen Preis von 1.000 € erzielen wolle. Eines Tages erhält K eine E-Mail von V, in dem er ihm den PKW für 100 € anbietet. Aufgrund ihrer früheren Gespräche muss K erkennen, dass V sich verschrieben hat.
Die Auslegung nach dem Empfängerhorizont kommt freilich nur bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen in Betracht. Bei der Auslegung nichtempfangsbedürftiger Willenserklärungen, für deren Wirksamkeit es nicht auf die Kenntnisnahme durch einen anderen ankommt → vgl. Abschnitt 1.5.3.2, ist allein der Wille des Erklärenden maßgeblich. Dies gilt beispielsweise für die Auslegung von Testamenten, bei der es nur auf den Willen des Erblassers ankommt.
Ergibt sich in einem Rechtsgeschäft eine Lücke – etwa weil den Erklärenden bei dessen Abschluss wesentliche Umstände unbekannt waren – kommt die ergänzende Auslegung zur Anwendung. Es ist nach dem hypothetischen Willen zu forschen, also danach, was geregelt worden wäre, wenn den Beteiligten diese Umstände bereits beim Abschluss des Rechtsgeschäfts bekannt gewesen wären. Auch die ergänzende Auslegung hat ihre Grundlage in § 157 BGB.
V verpachtet seine Kaffeebar an R. Sie vereinbaren, dass es V nicht erlaubt ist, im selben Gebäude ein solches Geschäft zu betreiben. V will nun unmittelbar vor dem Haus einen Kiosk eröffnen, um dort Kaffee, andere Getränke und Süßwaren zu verkaufen.
Mit der vertraglichen Regelung haben die Parteien den Schutz des P vor Konkurrenz durch V bezweckt. Dies würde durch V vereitelt, würde er seinen Kiosk betreiben. Der Pachtvertrag ist also ergänzend dahin auszulegen, dass dem V jedes konkurrierende Geschäft in unmittelbarer Nähe zu P verboten ist.
Ist aus dem Wortlaut einer Erklärung nicht erkennbar, welcher Erfolg beabsichtigt ist, so ist der hinter der Äußerung stehende Wille durch Auslegung zu ermitteln.
Die natürliche Auslegung orientiert sich am Wortlaut und sucht den dahinter stehenden Sinn der Äußerung zu ergründen.
Mit der normativen Auslegung wird ermittelt, wie eine objektive Person die Willenserklärung aufgefasst hätte.
Die ergänzende Auslegung kommt bei lückenhaften Rechtsgeschäften zum Tragen und dient der Erforschung des hypothetischen Willens der Parteien.
Welche Bedeutung kommt der Auslegung von Willenserklärungen zu?
Welche Arten der Auslegung kennen Sie?
Wie sind Rechtsgeschäfte auszulegen, die Lücken aufweisen?
Das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts setzt voraus, dass sich beide Seiten rechtlich binden wollen. Dies ist nicht der Fall bei GefälligkeitenGefälligkeiten→ Glossar, d. h. dem Versprechen einer unentgeltlichen Hilfe oder Annehmlichkeit, die erkennbar in der Absicht gegeben wird, sich dadurch nicht zu binden. Charakteristisch ist also das Fehlen eines Rechtsbindungswillens. Dies führt dazu, dass die eine Partei keinen Anspruch gegen die andere Partei auf Erfüllung der versprochenen Leistung hat.
Da der Wille als subjektive Tatsache nur schwer beweisbar ist, hat die Rechtsprechung objektive Kriterien entwickelt, die auf das Vorliegen oder Fehlen des Rechtsbindungswillens schließen lassen.
Indizien für und gegen einen Rechtsbindungswillen sind
der Wert der anvertrauten Sache
die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit
die Interessen der Parteien, z. B. Freundschaftsdienste, alltägliche Besorgungen
die Gefahr, in die der Begünstigte durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann.
A bittet seinen Nachbarn B, während seines Urlaubs bei ihm die Blumen zu gießen. Wenn B dies vergisst und die Blumen verwelken, hat dies keine rechtlichen Folgen, da eine bloße Gefälligkeit vorliegt.
A bittet seinen Nachbarn B, während einer kurzen Abwesenheit auf seine 3-jährige Tochter aufzupassen. Hier ist von einem Rechtsgeschäft auszugehen, denn es ist nicht anzunehmen, dass A dem B sein Kleinkind anvertrauen würde, ohne dass dieser rechtlich verpflichtet wäre, Schaden von dem Kind abzuwenden.
Auch wenn lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis besteht, ist Haftung aus unerlaubter Handlung möglich → vgl. § 823 BGB, falls eine Partei die andere vorsätzlich oder fahrlässig schädigt.
Nach § 1 BGB ist jeder Mensch von der Geburt bis zum Tod rechtsfähig, d. h. er kann Träger von Rechten und Pflichten sein. Somit kann auch ein Säugling Erbe oder eine Person mit einer schweren psychischen Erkrankung Aktionär sein. Die Rechtsfähigkeit hat jedoch nicht zur Folge, dass jedermann handlungsfähig ist. Die Handlungsfähigkeit umfasst mehrere Tatbestände:
die Geschäftsfähigkeit→ Glossar als Fähigkeit, wirksame Willenserklärungen abzugeben und Rechtsgeschäfte abzuschließen → vgl. §§ 104 ff. BGB
die DeliktsfähigkeitDeliktsfähigkeit→ Glossar als Fähigkeit, sich durch unerlaubte Handlungen schadenersatzpflichtig zu machen → vgl. §§ 827, 828 BGB
die ProzessfähigkeitProzessfähigkeit→ Glossar als Fähigkeit, wirksame Handlungen in einem Gerichtsverfahren vorzunehmen → vgl. §§ 51 ff. ZPO
die Ehefähigkeit (auch: Ehemündigkeit) als Fähigkeit, eine wirksame Ehe einzugehen → vgl. § 1303 BGB
die TestierfähigkeitTestierfähigkeit als Fähigkeit, ein wirksames Testament zu errichten → vgl. § 2229 Abs. 1 BGB
Diese Regelungen dienen nicht nur dem Schutz der Menschen, die die Tragweite ihres Handelns nicht abschätzen können. Sie sollen auch die Sicherheit des Rechtsverkehrs schützen, indem sie anhand eindeutiger Kriterien bestimmen, wer wirksame rechtliche Handlungen vornehmen kann.
Für die Wirksamkeit von Willenserklärungen und damit für das Zustandekommen von Rechtsgeschäften kommt es also darauf an, dass die Erklärenden geschäftsfähig sind. Kinder zwischen null und sieben Jahren sind Geschäftsunfähigkeitgeschäftsunfähig → vgl. § 104 Nr. 1 BGB. Ihre Willenserklärungen sind gemäß § 105 Abs. 1 BGB Nichtig→ Glossar, d. h. sie entfalten von Anfang an keinerlei rechtliche Wirkung. Für sie muss ein Vertreter handeln, damit sie dennoch am Rechtsverkehr teilnehmen können. Die gesetzlichen Vertreter der Kinder sind ihre Eltern → vgl. § 1629 BGB. Sie vertreten das Kind gemeinsam, so dass ihre Willenserklärungen in diesem Fall Gesamtakte sind. Ebenso sind Personen, deren Geistestätigkeit dauerhaft, also nicht nur vorübergehend krankhaft gestört ist, geschäftsunfähig → vgl. § 104 Nr. 2 BGB. Eine solche Störung liegt vor, wenn eine Person ihren Willen nicht frei und unbeeinflusst bilden, die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen und keine Einsichten aus ihrem Handeln gewinnen kann. Diese Personen werden nach § 1823 BGB vom Betreuer gesetzlich vertreten. Eine Ausnahme gilt für Bargeschäfte des täglichen Lebens, die ein volljähriger Geschäftsunfähiger abschließt. Diese sind gemäß § 105a BGB wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind. Unter einem Bargeschäft sind alltägliche Besorgungen zu verstehen, die sich auf Waren des täglichen Bedarfs beziehen und geringer finanzieller Mittel bedürfen. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Geschäft eine Gefahr für Leben oder Vermögen des Geschäftsunfähigen herbeiführen würde → vgl. § 105a S. 2 BGB.
Der an Schizophrenie erkrankte A kauft beim Bäcker ein Brötchen. Dieser übergibt ihm das Brötchen und A bezahlt sogleich den Kaufpreis von 0,30 €. Das Geschäft ist nach § 105a S. 1 BGB wirksam.
Kauft dagegen B, die geschäftsunfähig und stark suizidgefährdet ist, Rasierklingen und bezahlt diese sogleich, ist das Geschäft wegen § 105a S. 2 BGB nichtig.
Bewusstlose oder Personen, deren Geistestätigkeit vorübergehend gestört ist, sind zwar nicht geschäftsunfähig. Sie können aber gemäß § 105 Abs. 2 BGB ebenfalls keine wirksamen Willenserklärungen abgeben, so lange sie sich in diesem Zustand befinden. Ein wichtiger Anwendungsbereich dieser Norm ist der Vollrausch. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein solcher die Willensbildung ausschließender Vollrausch bei einer Blutalkoholkonzentration von 2–3‰ gegeben → vgl. BAG, NJW 1996, S. 2593.
GeschäftsfähigkeitbeschränkteBeschränkt geschäftsfähig sind Minderjährige, die mindestens sieben Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt sind → vgl. §§ 2, 106 BGB. Die Rechtsgeschäfte dieser Minderjährigen sind i. d. R. schwebend unwirksam, d. h. ihr rechtliches Schicksal ist unklar, wenn sie ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden → vgl. § 107 BGB. Die Zustimmung kann bereits im Voraus (= EinwilligungEinwilligung → vgl. § 183 BGB) erteilt werden. Fehlt die Einwilligung, muss die Zustimmung nach § 108 Abs. 1 BGB im Nachhinein (= GenehmigungGenehmigung → vgl. § 184 BGB) erfolgen. Sie kann sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch gegenüber seinem Vertragspartner erklärt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn der Vertragspartner die gesetzlichen Vertreter nach § 108 Abs. 2 BGB zur Genehmigung auffordert. In diesem Fall kann sie nur binnen zwei Wochen gegenüber diesem erteilt werden. Die Genehmigung führt dazu, dass das Geschäft rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Abschlusses wirksam wird. Wird sie verweigert, führt dies zur endgültigen Unwirksamkeit des Geschäfts. Solange die Genehmigung nicht erteilt worden ist, steht dem Vertragspartner ein Widerrufsrecht zu → vgl. § 109 BGB.
Für bestimmte, besonders risikoreiche Rechtsgeschäfte reicht die Zustimmung der Eltern nicht aus. Sie bedürfen zusätzlich der Genehmigung des Familiengerichts. Dies gilt beispielsweise für
Grundstücksgeschäfte → vgl. § 1643 Abs. 1 i. V. m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB
die Aufnahme eines Kredites → vgl. § 1643 Abs. 1 i. V. m. § 1822 Nr. 8 BGB
die Ausschlagung einer Erbschaft → vgl. § 1643 Abs. 2 BGB.
Keiner Zustimmung bedürfen Rechtsgeschäfte des Minderjährigen, die ihm einen lediglich rechtlichen Vorteil → vgl. § 107 BGB bringen. Rechtlich nachteilig und damit zustimmungsbedürftig sind Geschäfte, durch die der Minderjährige auf Rechte verzichtet oder Pflichten auferlegt bekommt. Auf den wirtschaftlichen Erfolg des Geschäfts kommt es nicht an. Rechtlich nachteilig ist damit stets der Abschluss von gegenseitigen Verträgen, einseitig verpflichtenden Verträgen – soweit sich darin der Minderjährige zu einer Leistung verpflichtet – sowie Verfügungen, die ein Minderjähriger über ihm gehörende Sachen trifft.
Der 17-jährige K kauft von V ein gebrauchtes Auto, nachdem er seine Führerscheinprüfung bestanden hat. V übereignet ihm das Fahrzeug. K bezahlt sogleich den Kaufpreis in Höhe von 1.000 €.
Der Kaufvertrag über das Auto ist nach §§ 107, 108 BGB schwebend unwirksam, bis ihn die Eltern genehmigen. Denn durch den Vertrag wird er gemäß § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, was einen rechtlichen Nachteil i. S. v. § 107 BGB darstellt. Die Übereignung des Autos → vgl. § 929 BGB ist ohne Zustimmung der Eltern wirksam. Denn durch den Erwerb des Eigentums an dem Auto wird er zu nichts verpflichtet. Das Geschäft ist rechtlich vorteilhaft. Dass K später beispielsweise Benzin kaufen und das Fahrzeug warten muss, ist irrelevant. Für die Beurteilung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit ist allein auf die unmittelbaren Folgen des Geschäfts abzustellen. Unmittelbare Folge der Übereignung des Autos ist allein der Eigentumserwerb des K. Die Übereignung des Geldes an V ist bis zur Genehmigung durch die Eltern schwebend unwirksam. Da K durch die Übereignung das Eigentum an dem Geld verliert, ist diese für ihn rechtlich nachteilig. Wenn die Eltern die Genehmigung ablehnen, sind Kauf und Übereignung des Geldes endgültig unwirksam. In diesem Fall kann V das Auto und K das Geld jeweils nach § 812 BGB als „ungerechtfertigte Bereicherung“ zurückfordern.
Genehmigungsfrei sind außerdem Geschäfte, bei denen der Minderjährige die Leistung aus eigenen Mitteln bewirkt, die ihm zur freien Verfügung oder zu diesem Zweck überlassen worden sind → vgl. § 110 BGB (so genannter TaschengeldTaschengeldparagraf). In der Überlassung des Geldes an den Minderjährigen ist die Genehmigung enthalten, es auszugeben. Diese EinwilligungEinwilligung umfasst aber nur solche Geschäfte, die von den Eltern generell gebilligt werden. Der Minderjährige kann sich von seinem Taschengeld daher keine Zigaretten oder Spielzeugwaffen kaufen, wenn die Eltern dies ablehnen. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Geschäfts ist jedoch, dass der Minderjährige seine Leistung „bewirkt“ hat. Das bedeutet, dass er die Leistung vollständig erbracht haben muss.
Der 17-jährige K kauft von V ein gebrauchtes Auto zum Preis von 1.000 €. Den Kaufpreis will er mit seinem Taschengeld in zehn Raten a 100 € entrichten. Nachdem er fünf Monatsraten beglichen hat, erfahren seine Eltern von dem Geschäft und verweigern die Zustimmung.
Der Vertrag ist nicht nach § 110 BGB wirksam, da K seine Leistung noch nicht „bewirkt“ hat. Darauf, dass K die einzelnen Raten mit seinem Taschengeld bezahlt hat, kommt es nicht an – schließlich ist er als Käufer gemäß § 433 Abs. 2 BGB zur Entrichtung des gesamten Kaufpreises verpflichtet. Erfahren seine Eltern jedoch nichts von dem Geschäft und entrichtet K alle zehn Raten, so wird es nach § 110 BGB mit Zahlung der letzten Rate wirksam, weil K dann die vertragsmäßig geschuldete Leistung vollständig aus seinem Taschengeld erbracht hat.
Das Gesetz sieht vor, dass der beschränkt Geschäftsfähige in bestimmten Fällen uneingeschränkt geschäftsfähig ist. In diesen Fällen haben die Eltern keine Vertretungsmacht als gesetzliche Vertreter! Betreibt der Minderjährige mit Genehmigung seiner Eltern und des Vormundschaftsgerichts → vgl. §§ 1643, 1822 Nr. 3 BGB selbständig ein Erwerbsgeschäft, ist er voll geschäftsfähig, soweit er Rechtsgeschäfte vornimmt, die der Betrieb eines solchen Erwerbsgeschäfts mit sich bringt → vgl. § 112 BGB.
Der 17-jährige K eröffnet mit Erlaubnis seiner Eltern und nach Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einen Verleih für Elektroroller. Dazu darf er Geschäftsräume anmieten und Personal einstellen. Er dürfte jedoch keinen Kredit aufnehmen, um seine Investitionen zu finanzieren → vgl. §§ 112 Abs. 1 S. 2, 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 8 BGB.
Ermächtigen die Eltern den Minderjährigen ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis einzugehen, darf er alle mit der Eingehung und Aufhebung oder der Erfüllung dieses Verhältnisses zusammenhängenden Geschäfte vornehmen → vgl. § 113 BGB. Ausbildungsverhältnisse sind davon jedoch nicht erfasst, da hier der Ausbildungszweck die vom Minderjährigen erbrachten Dienstleistungen überwiegt.
Die 16-jährige K wird von ihren Eltern ermächtigt, im Supermarkt als Kassiererin zu arbeiten. Sie darf den Arbeitsvertrag unterschreiben und kündigen oder auch in eine Gewerkschaft eintreten, da dies zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten beiträgt. Ferner darf sie einen Vertrag über ein Girokonto abschließen, auf welches ihr Lohn überwiesen wird. Sie ist aber nicht berechtigt, frei über ihren Lohn zu verfügen, denn dies hat keinen Bezug mehr zu ihrem Arbeitsverhältnis.
Mit ihrer Abgabe ist die Willenserklärung in der Welt. Die genaue Bestimmung dieses Zeitpunkts ist beispielsweise für den Lauf von Fristen von Bedeutung. Ferner ist beim Auftreten von Irrtümern, die zur AnfechtungAnfechtung→ Glossar einer Willenserklärung berechtigen, auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe abzustellen. Bei der Abgabe von Willenserklärungen ist zwischen empfangsbedürftigen und nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden.
WillenserklärungNichtempfangsbedürftigeNichtempfangsbedürftige Willenserklärungen richten sich an keine bestimmte Person. Sie sind abgegeben, wenn der Erklärende sie vollständig fertig gestellt, d. h. aufgeschrieben oder ausgesprochen hat. Sie werden unmittelbar mit der Abgabe wirksam, auch wenn sie niemals wahrgenommen werden. Einen schutzbedürftigen Empfänger gibt es nicht, da die mit solchen Erklärungen beabsichtigten Rechtsfolgen nicht in fremde Rechte eingreifen.
A hat in seinem Testament → vgl. §§ 2064 ff. BGB vorgesehen, dass seine Nichte sein gesamtes Vermögen erben soll. Diese Folge tritt unmittelbar mit seinem Tod ein → vgl. § 1922 BGB, auch wenn das Testament nicht oder erst später aufgefunden wird.
A hat seine Geldbörse verloren. Er bringt an einem Baum einen Aushang an, auf dem er dem ehrlichen Finder eine Belohnung von 50 € verspricht (Auslobung → vgl. § 657 BGB). B findet die Geldbörse und bringt sie zu A, ohne den Aushang gelesen zu haben. A muss den Finderlohn gemäß § 657 BGB dennoch an B zahlen.
WillenserklärungEmpfangsbedürftigeEmpfangsbedürftige Willenserklärungen sind an eine andere Person gerichtet (Normalfall). Der Empfänger muss diese Erklärungen wahrnehmen, um sich auf die beabsichtigte Rechtsfolge einstellen zu können. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende sie willentlich in Richtung des Empfängers auf den Weg bringt und er normalerweise mit dem Zugang→ Glossar beim Empfänger rechnen darf. Dabei ist zu differenzieren, ob es sich um eine mündliche oder schriftliche Erklärung handelt und ob diese gegenüber einem Anwesenden oder einem Abwesenden geäußert werden soll. Eine mündliche Erklärung unter Anwesenden ist abgegeben, wenn sie so geäußert wird, dass dieser sie verstehen kann. Ob der Empfänger sie tatsächlich versteht, ist unerheblich. Zu beachten ist § 147 Abs. 1 S. 2 BGB, aus welchem folgt, dass eine telefonische Erklärung als Erklärung unter Anwesenden gilt.
Unter Abwesenden können mündliche Erklärungen nur durch Mittelspersonen abgegeben werden. So kann sich der Erklärende eines BoteBoten→ Glossar bedienen. Über den Boten finden sich im BGB keine ausdrücklichen Regelungen; lediglich in § 120 BGB ist der Erklärungsbote angesprochen. Da der Bote lediglich eine fremde Willenserklärung überbringt – ähnlich wie eine Brieftaube – können auch Geschäftsunfähige als Bote eingesetzt werden. Die Willenserklärung ist in diesem Fall abgegeben, wenn sie gegenüber dem Boten geäußert und dieser angewiesen worden ist, die Erklärung dem Adressaten zu übermitteln. Denn damit hat der Erklärende alles getan, damit die Erklärung den Empfänger erreichen kann.
Eine schriftliche Erklärung gegenüber einem Anwesenden ist abgegeben, wenn sie vollständig abgefasst und diesem überreicht wird. Wird das Geschriebene vor der Übergabe vernichtet, war die Willenserklärung nie in der Welt.
Schriftliche Erklärungen gegenüber einem Abwesenden sind erst abgegeben, wenn der Erklärende das Schriftstück vollendet und in Richtung des Adressaten auf den Weg gebracht hat, so dass unter normalen Umständen mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger zu rechnen ist. Dies ist bei einem Brief der Fall, sobald er in die Post gegeben wird, bei einem Fax mit dem Drücken der „Start“-Taste am Faxgerät und bei E-Mails mit dem Mouse-Click auf das „Absenden“-Symbol.
A schreibt eine E-Mail, in der er dem B seinen gebrauchten PKW für 5.000 € zum Kauf anbietet. Sendet er die Mail ab, ist sein Angebot abgegeben.
Etwas anderes gilt, wenn es sich bei dem Schreiben lediglich um einen Entwurf handelt und A sich die Sache noch einmal überlegen wollte. Schickt seine Frau die im Entwurfsordner gespeicherte Nachricht ab, weil sie meint, A hätte dies vergessen, ist die Willenserklärung nicht abgegeben. Denn in diesem Fall hat A sie nicht willentlich auf den Weg gebracht.
Willenserklärungen können auch stillschweigend (konkludentKonkludent→ Glossar) abgegeben werden. Dies ist der Fall, wenn sich der Erklärende schlüssig so verhält, dass auf einen bestimmten rechtlichen Willen zu schließen ist.
A steigt in den Bus ein und fährt drei Stationen weit. Er muss das Beförderungsentgelt auch dann entrichten, wenn er nicht ausdrücklich erklärt hat, einen Beförderungsvertrag abschließen zu wollen.
In einem Selbstbedienungsgeschäft nimmt A verschiedene Waren aus dem Regal und legt sie wortlos an der Kasse vor. Er bringt damit schlüssig zum Ausdruck, einen Kaufvertrag abschließen zu wollen.
Bloßes Schweigen hat grundsätzlich keinen Erklärungsgehalt. Etwas anderes gilt nur, wenn diesem objektiv ein Erklärungswert zuzumessen ist („beredtes Schweigen“) oder wenn es das Gesetz ausdrücklich anordnet → vgl. §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB.
K ist regelmäßig Kunde bei Buchhändler V. Beide vereinbaren, dass V dem K regelmäßig interessante Neuerscheinungen zuschickt, die dieser zum Vorzugspreis kaufe, sofern er nicht widerspreche. Trifft eine solche Lieferung ein, kommt ein Kaufvertrag zustande, auch wenn K sich nicht äußert.
Während die nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen mit ihrer Abgabe wirksam sind, müssen empfangsbedürftige Willenserklärungen beim Empfänger zugehen. Dies ist der Fall, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Für Erklärungen unter Abwesenden ist dies in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich festgehalten. Der „Bereich“ des Empfängers umfasst einen abgegrenzten Raum, innerhalb dessen er uneingeschränkt auf alle dort befindlichen Sachen zugreifen kann, also seine Wohnung, das Büro, den Briefkasten, die Mailbox oder den Anrufbeantworter. Für den Zugang genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme, d. h. das Wahrnehmen der Willenserklärung durch ihren Empfänger ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Anderenfalls könnte dieser durch bloßes Ignorieren den Zugang unangenehmer Willenserklärungen, beispielsweise einer Kündigung, vereiteln. Einem beschränkt Geschäftsfähigen → vgl. § 106 BGB gegenüber wird eine Willenserklärung gemäß § 131 Abs. 2 S. 1 BGB erst wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugegangen ist.
Für den Zugang ist wiederum zwischen mündlichen und schriftlichen Erklärungen und solchen, die unter Anwesenden bzw. gegenüber einem Abwesenden geäußert werden, zu unterscheiden. Mündliche Erklärungen unter Anwesenden werden mit der Abgabe wirksam, weil sie dann regelmäßig vom Empfänger zur Kenntnis genommen werden können. Etwas anderes gilt nur, wenn der Erklärende aus den Umständen darauf schließen musste, dass der Empfänger die Erklärung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat (so genannte Vernehmungstheorie).
A will ein Kaufangebot des B annehmen. B versteht ihn jedoch nicht, da er wegen einer Mittelohrentzündung schwerhörig ist. Die Erklärung ist B zugegangen, denn A hatte keinen Anlass daran zu zweifeln, dass B ihn verstehen kann.
Schriftliche Erklärungen unter Anwesenden werden mit Abgabe, also mit der Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger wirksam. Denn ab diesem Zeitpunkt hat der Empfänger die Möglichkeit, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Mündliche Erklärungen unter Abwesenden können nur über Mittelspersonen zugehen. Als Mittelsperson kommen der Empfangsbote→ Glossar sowie der Empfangsvertreter→ Glossar in Betracht. Ein Empfangsbote ist eine Person, die zur Entgegennahme der Willenserklärung geeignet und ermächtigt ist. Da der BoteBote keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern lediglich eine fremde Erklärung entgegennimmt, können auch Geschäftsunfähige Bote sein, so lange sie zur Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen geeignet sind. Die Erklärung ist in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem damit zu rechnen ist, dass der Bote sie weitergegeben hat. Dies gilt auch, wenn der Bote die Übermittlung vergisst oder die Erklärung falsch oder zu spät weitergibt.
A will ein Kaufangebot des B annehmen. Als er am Nachmittag bei ihm klingelt, ist nur die 17-jährige Tochter des B anwesend, da B erst am Abend von der Arbeit zurückkehrt. Die Erklärung gilt am Abend als zugegangen. Dies gilt auch, wenn T die Erklärung erst später oder gar nicht übermittelt, da es nicht darauf ankommt, dass B die Willenserklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.
Ist T dagegen erst 5 Jahre alt, geht die Willenserklärung B nicht zu. Denn A kann in diesem Fall nicht davon ausgehen, dass T zur Entgegennahme der Erklärung geeignet ist, so dass sie als Bote nicht in Betracht kommt.
Bei einem EmpfangsvertreterEmpfangsvertreter handelt es sich um eine Person, die zur Entgegennahme von Willenserklärungen ermächtigt ist, dabei aber – im Vergleich zum Boten – selbständig handeln kann → vgl. § 164 Abs. 3 BGB. Die Erklärung ist dem Empfänger mit der Abgabe an den Empfangsvertreter zugegangen – es sei denn, der Erklärende muss nach den Umständen darauf schließen, dass dieser ihn nicht verstanden hat. Ob der Empfangsvertreter die Erklärung ordnungsgemäß an den Empfänger weitergibt, ist irrelevant.
Der Geschäftsführer einer GmbH ist Empfangsvertreter der Gesellschaft → vgl. § 35 GmbHG→ vgl. Abschnitt 15.3.2.
Schriftliche Erklärungen unter Abwesenden sind zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind (z. B. in seinen Briefkasten oder in die Geschäftsräume) und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Es kommt wiederum lediglich auf die Möglichkeit zur Kenntnisnahme an. So sind schriftliche Erklärungen, die am Tage während der gewöhnlichen Geschäftszeiten in den Machtbereich des Empfängers gelangen, noch an diesem Tag zugegangen. Dies gilt auch, wenn der Empfänger abwesend ist – beispielsweise weil er sich im Urlaub befindet – und der Absender dies wusste. Um Rechtssicherheit zu erlangen, wird nur auf den Eingang der Erklärung im Machtbereich des Empfängers abgestellt, da anderenfalls der Zeitpunkt des Zugangs von einem Verhalten des Empfängers abhängig wäre.
Vermieter V wirft die Kündigung des Mietvertrages um 23.00 Uhr in den Briefkasten des Mieters M. Das Kündigungsschreiben ist erst am nächsten Tag zugegangen, da V vernünftigerweise nicht damit rechnen kann, dass M nachts seinen Briefkasten leert. Liest M das Schreiben tatsächlich aber vorher, ist die Erklärung des V im Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch M zugegangen.
Verweigert der Empfänger die Annahme der Erklärung, so ist zu unterscheiden, ob dies berechtigt ist oder nicht. Im Falle der unberechtigten Verweigerung gilt die Willenserklärung als zugegangen. Dies folgt aus dem Grundsatz von Treu und GlaubenTreu und Glauben→ Glossar→ vgl. § 242 BGB, welcher redliches Verhalten zum Maßstab rechtlichen Handelns macht.
M weiß, dass V das Schreiben mit der Kündigung des Mietvertrags in die Post gegeben hat. Er klebt seinen Briefkasten zu, so dass der Brief nicht eingeworfen werden kann. Die Willenserklärung des V gilt wegen § 242 BGB als zugegangen, auch wenn sie nicht in den Empfangsbereich des M gelangen konnte.
Im Falle der berechtigten Verweigerung der Entgegennahme ist die Erklärung nicht zugegangen.
V hat den Brief mit dem Kündigungsschreiben nicht ausreichend frankiert. Der Postbote klingelt daher bei M und verlangt von ihm ein Nachentgelt. M nimmt den Brief nicht an, da er das Strafporto nicht zahlen möchte. Da M die Entgegennahme zu Recht verweigert hat, ist ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen.
Ist eine Willenserklärung dem Empfänger zugegangen, so wird sie gleichwohl nicht wirksam, wenn ihm vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht → vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Darauf, welche Erklärung der Empfänger zuerst zur Kenntnis nimmt, kommt es nicht an.
V sendet einen Brief an K, in dem er diesem sein Auto zum Preis von 1.000 € zum Kauf anbietet. Nachdem er den Brief zur Post gebracht hat, bereut er seinen Entschluss. Er verfasst sogleich einen neuen Brief, in dem er sein Angebot widerruft. Beide Briefe werden gleichzeitig in den Briefkasten des K eingeworfen. Das Kaufangebot des V ist nicht wirksam geworden.
Darüber hinaus erlaubt das Gesetz in bestimmten Fällen den Widerruf einer Willenserklärung auch nach diesem Zeitpunkt. Voraussetzung ist gemäß § 355 Abs. 1 BGB, dass an dem Rechtsgeschäft ein VerbraucherVerbraucher→ Glossar und ein UnternehmerUnternehmer→ Glossar beteiligt sind. Als Verbraucher ist jede natürliche Person anzusehen, die ein Rechtsgeschäft abschließt – es sei denn, sie verfolgt mit dem Geschäft gewerbliche Zwecke oder das Geschäft ist ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet → vgl. § 13 BGB.
Der bei U angestellte Bauarbeiter A kauft sich im Berufsbekleidungsgeschäft einen Blaumann. A ist Verbraucher, denn er ist nicht selbständig tätig.
Bauunternehmer U kauft sich im Berufsbekleidungsgeschäft einen Blaumann. Als Unternehmer ist U selbständig tätig und daher kein Verbraucher.
Bauunternehmer U kauft sich beim Bäcker ein Brot. U ist Verbraucher, da dieser Kauf nichts mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun hat.
Der Begriff des Unternehmers ergibt sich aus § 14 BGB. Danach ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit Rechtsgeschäfte abschließt.
A ist Inhaber eines Antiquariats und verkauft gebrauchte Bücher. Er ist Unternehmer, da der Bücherverkauf in sein Gewerbe fällt.
Student S verkauft am Ende des Semesters sein gebrauchtes Lehrbuch an einen Kommilitonen K. Er ist kein Unternehmer, da S kein Gewerbe betreibt, sondern einmalig ein Buch verkauft.
Ferner verlangt § 355 BGB, dass das Gesetz dem Verbraucher ausdrücklich ein Widerrufsrecht einräumt. Dies ist der Fall bei
außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen → vgl. §§ 312b, 312g BGB. Dies sind Geschäfte, die in Situationen angebahnt werden, in denen der Verbraucher anfällig für „ÜberrumplungenÜberrumpelung“ ist, beispielsweise in seiner Wohnung oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers, bei Ausflugsveranstaltungen („KaffeefahrtKaffeefahrt“) oder durch überraschendes Ansprechen an öffentlichen Orten.
FernabsatzverträgenFernabsatzvertrag→ vgl. §§ 312c, 312g. Dabei handelt es sich um Geschäfte bei denen für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich sogenannte Fernkommunikationsmittel verwendet werden. Dies sind beispielsweise Briefe und Telefone, aber auch E-MailsE-Mail oder Online-DiensteOnline-Dienste, also der Vertragsschluss im InternetInternet.
Teilzeit-Wohnrechteverträgen → vgl. §§ 481, 485 BGB (so genanntes „Time Sharing“)
VerbraucherdarlehenVerbraucherdarlehensverträgen → vgl. §§ 491, 495 BGB. Dies sind Darlehen, die ein Unternehmer an einen Verbraucher gegen Entgelt (= Zinsen) gewährt.
Bei diesen Verträgen ist die Willenserklärung des Verbrauchers zunächst gültig. Er kann sie jedoch nach § 355 Abs. 1 u. 2 BGB innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss widerrufen. Eine Form ist nicht vorgegeben, sodass dies auch mündlich erfolgen kann, solange nur erkennbar ist, dass der Verbraucher eindeutig zum Widerruf entschlossen ist. Infolge des Widerrufs wandelt sich das Rechtsgeschäft in ein so genanntes RückabwicklungsverhältnisRückabwicklungsverhältnis um → vgl. § 357 BGB. Die Parteien haben in diesem Fall die einander gewährten Leistungen zurückzugeben.
Rentnerin K nimmt an einer Busreise teil. Bestandteil der Fahrt ist auch eine „Werbeveranstaltung“ des V, bei der sich K zum Kaufeiner Heizdecke zum Preis von 150 € hinreißen lässt. Über ihre Rechte als Verbraucherin wird sie nicht aufgeklärt. Wieder zu Hause bereut K den Kauf. Als V nach sechs Wochen die Zahlung des Kaufpreises anmahnt, fragt K, was sie tun kann, um aus dem Geschäft herauszukommen.
K ist Verbraucherin nach § 13 BGB, da der Kauf rein privaten Zwecken diente. Beim Vertragsschluss handelt es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag nach § 312b Abs. 1 BGB: der Vertrag bezieht sich auf eine entgeltliche Leistung und ist bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von K und V an einem Ort geschlossen worden, der kein Geschäftsraum des V war. K steht daher ein Widerrufsrecht aus §§ 355, 356 u. 312b BGB zu. Dass die zweiwöchige Widerrufsfrist verstrichen ist, spielt keine Rolle, da K nicht über ihre Rechte als Verbraucherin aufgeklärt worden ist → vgl. § 356 Abs. 3 BGB. Sie kann ihr WiderrufsrechtWiderruf gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB ohne Begründung erklären und muss keine bestimmte Form einhalten, sodass sie das Recht auch durch das Zurücksenden der Kaufsache ausüben kann.
Die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden. Verträge kommen daher auch durch mündlich abgegebene Willenserklärungen zustande. Die Parteien können jedoch durch Rechtsgeschäft eine bestimmte Form vereinbaren, die dann Voraussetzung für die Gültigkeit der Willenserklärungen ist → vgl. § 127 BGB. Für bestimmte Geschäfte schreibt auch das Gesetz eine besondere Form vor.
§ 568 BGB: Die Kündigung eines Mietvertrags über Wohnraum bedarf der Schriftform → § 126 BGB
§ 558a BGB: Der Vermieter muss sein Mieterhöhungsverlangen in Textform an den Mieter übermitteln → § 126b BGB.
§ 311b BGB: Verträge über die Veräußerung von Grundstücken sind notariell zu beurkunden → § 128 BGB
§ 411 BGB: Gehaltsabtretungen sind öffentlich zu beglaubigen → § 129 BGB.
§ 1310 BGB: die Eheschließung ist vor dem Standesbeamten zu erklären.
Die SchriftformSchriftform nach § 126 BGB erfordert, dass der Aussteller eines Dokuments dieses eigenhändig unterzeichnet. Die Schriftform kann gemäß § 126a BGB auch durch eine zertifizierte elektronische Signatur ersetzt werden, deren nähere Anforderungen im Signaturgesetz festgelegt sind. Die TextformTextform nach § 126b BGB entspricht im Wesentlichen der Schriftform, nur dass sie ohne persönliche Unterschrift des Ausstellers auskommt. Daher erfüllen beispielsweise auch E-Mails oder Faxe diese Voraussetzung. Wird ein Geschäft, das nach dem Gesetz einer bestimmten Form bedarf, unter Verstoß gegen diese geschlossen (FormmangelFormmangel), ist es gemäß § 125 BGB nichtig. Das gleiche gilt im Zweifel auch für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Form.
A und B haben telefonisch über den Kauf eines Gemäldes von Renoir verhandelt. Sie vereinbaren, dass sie den Kaufvertrag über das Bild schriftlich abfassen.
Sofern sich aus dem Telefonat von A und B keine anderen Schlüsse ziehen lassen, kommt der Vertrag erst zustande, wenn er schriftlich abgefasst und von beiden eigenhändig unterschrieben worden ist. Zuvor hat keiner der beiden Anspruch auf Erbringung der mündlich ausgehandelten Leistungen.
Ein Vertrag kommt zustande, wenn das Angebot (auch: Offerte, Antrag) der einen Partei durch eine andere Partei angenommen wird. Das Vertragsangebot → vgl. § 145 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss dem Empfänger also zugehen, um wirksam zu werden. Mit dem Angebot muss dem anderen der Vertragsschluss so angetragen werden, dass das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts nur von dessen Einverständnis abhängt. Die Offerte muss also inhaltlich so bestimmt sein, dass die Annahme durch eine bloße Zustimmung des Adressaten erfolgen kann. Dies ist der Fall, wenn sie alle für den Vertragsschluss wesentlichen Informationen („essentialia negotii“) enthält.
Bei einem Kaufangebot müssen der Kaufgegenstand und der Kaufpreis bestimmt oder zumindest bestimmbar (Listenpreis, Einkaufspreis etc.) sein.
Der Anbieter ist gemäß § 145 BGB an seinen Antrag gebunden. Will er die Gebundenheit ausschließen, beispielsweise weil er nur über eine begrenzte Menge an Waren verfügt, die er zu Sonderkonditionen anbieten möchte, muss er dies durch Formulierungen wie „Angebot freibleibend“ oder „ohne obligo“ zum Ausdruck bringen. Geht in diesem Fall bei ihm eine Annahmeerklärung ein, muss er dieser sofort widersprechen → vgl. § 242 BGB. Anderenfalls kommt der Vertrag zustande.
Bei Katalogen, Annoncen oder Warenauslagen im Schaufenster eines Geschäfts handelt es sich daher nicht um eine Offerte, sondern lediglich um eine Aufforderung, ein solches Angebot abzugeben (invitatio ad offerendum). Wollte man hier bereits die Bindungswirkung nach § 145 BGB bejahen, könnte eine unüberschaubare Personenzahl durch eine Annahmeerklärung einen Vertragsschluss herbeiführen – und hätte Anspruch auf Erfüllung!
Ein Vertragsangebot erlischt, wenn es abgelehnt oder nicht rechtzeitig angenommen wird → vgl. § 146 BGB. Auch die Annahme oder Ablehnung eines Angebots sind empfangsbedürftige Willenserklärungen. Durch bloßes SchweigenSchweigen auf ein Angebot kann grundsätzlich kein Vertrag zustande kommen. Eine Ausnahme gilt nach § 516 Abs. 2 S. 2 BGB für das Schweigen auf ein Schenkungsangebot. Lehnt der Schenkungsempfänger die Zuwendung nicht innerhalb einer bestimmten Frist ab, so gilt die Schenkung als angenommen. Ebenso kann Schweigen als Annahme gelten, wenn beide Parteien dies vereinbart haben.