Wo ist hier der Notausgang? - Susanne Speth - E-Book

Wo ist hier der Notausgang? E-Book

Susanne Speth

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Beschreibung

Eigentlich wollte sie sofort aufhören zu lesen. Und begann dann mit dem Schreiben. Susanne Speth hat alles Wesentliche fürs Leben in einem unterfränkischen Dorf erfahren. Lesen und Schreiben zu lernen, war dann keine Kunst mehr. Der Weg in die Welt schon. Aber Bücher helfen in jeder Lebenslage. Also Literaturwissenschaft, ein bisschen Frankreich, ein wenig Spanien, Göttingen, Nürnberg, Frankfurt, Köln, Putzen, Nachhilfe, Briefe tippen. Susanne Speth ist 60 und oft guter Dinge.

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Lesen
Americanah
Michelle Obama ihre Haare
Innen ist es hässlich
Fremde Musik
Du lieber Gott
Akteure
Frauen und Kinder
Junges Glück
Kannitverstan
Alte Hüte
Jetzt mal ehrlich
Rückwärts
Getier
Sudoku
Geschenkt
50-Meter-Bahn
Denkmal
Rosen, Tulpen, Nelken
Kopflastig
Unterm Strich
Holz

Wo ist hier der Notausgang?

Von Susanne Speth

Buchbeschreibung:

Susanne Speth hat das Talent, mit großer Leichtigkeit und einer gesunden Portion Humor den Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen, nicht ohne ihn vorher noch saftig gesalzen zu haben. In ihren Dorfgeschichten hingegen schildert sie, scheinbar leicht, die damals sehr ernsten Umstände einer ländlichen Dorfgemeinschaft.

Über die Autorin:

Susanne Speth hat alles Wesentliche fürs Leben in einem unterfränkischen Dorf erfahren. Lesen und Schreiben zu lernen, war dann keine Kunst mehr. Der Weg in die Welt schon. Aber Bücher helfen in jeder Lebenslage. Also Literaturwissenschaft, ein bisschen Frankreich, ein wenig Spanien, Göttingen, Nürnberg, Frankfurt, Köln, Putzen, Nachhilfe, Briefe tippen. Susanne Speth ist 60 und oft guter Dinge.

im Februar 2020

Wo ist hier der Notausgang?

Von Susanne Speth

Baltrum Verlag

Impressum

© 2020 Baltrum Verlag GbR

BV 2011 – Wo ist hier der Notausgang?

Umschlaggestaltung: Baltrum Verlag GbR

Illustration: Baltrum Verlag GbR

Lektorat, Korrektorat: Baltrum Verlag GbR

Herausgeber: Baltrum Verlag GbR

Verlag: Baltrum Verlag GbR, Weststraße 5, 67454 Haßloch

Internet: www.baltrum-verlag.de

E-Mail an [email protected]

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lesen

Du bewegst DICH nicht und die Welt schon gar nicht. Dafür liegen E-Mails und Wäsche herum, die Haare brauchen Trockenpulver. Und das alles wegen Geschichten von Internaten und Pferden früher und von umständlicher Liebe und allerhand gesellschaftlicher Verwicklung heute. Ich höre damit auf. Schluss mit dem Quatsch.

Americanah

Ich habe es wieder getan. Ein Buch gelesen. Die Fingernägel sind lang, der Onkel wird 80, die halbe Welt liegt in Trümmern. Und ich lese eine Liebesgeschichte. Sie ist sehr schön und sehr unwahrscheinlich, die Liebesgeschichte von Ifemelu und Obinze.

Michelle Obama ihre Haare

Mechthild hat natürlich Recht. Ich denke oft kurz und im Zweifel romantisch. Dabei ist die Liebe nichts ohne Freiheit. Und nicht der Rede wert ohne Selbstbehauptung. Die Geschichte von Ifemelu und Obinze ist deshalb eine gute Geschichte, weil sie von dem Bedürfnis nach Gleichheit unter Menschen, Klassen, Liebenden, Geschlechtern und Rassen erzählt. In Nigeria, den USA und überall auf der Welt.

Solange aber Michelle Obama gottweißwas mit ihren Haaren anstellt für eine dunkle Version einer weißen Bürofrisur, gibt es noch viel zu verstehen. 

Man stelle sich nur vor, wir weißen Frauen müssten ständig komplizierte und kostspielige Dinge mit unseren Haaren machen, um einen Afro zu fabrizieren. Strähnchen, Färben, Dauerwelle sind dagegen Kinderkram, sage ich Euch.

Gut, dass ich eigentlich nicht mehr lese. Das könnte eine sonst echt aufregen.

Innen ist es hässlich

Die U-Bahn benutze ich kaum noch. Das ist wie mit dem Lesen. Nur ist die Zeitverschwendung in der Bahn auch körperlich eine Zumutung. Darf ich sitzen, kann ich atmen, muss ich mithören? Die Reise durch ein Buch ist da schon bequemer.

Vielleicht wird im tiefen Untergrund aber auch das Schlimmste angesprochen, was man so an inneren Werten zu verbergen hat.

Kürzlich musste es aber sein, Fahrrad weg, Schnee? Weiß nicht mehr. Gegenüber sitzt eine junge Frau. Blond, sehr hübsch und ganz offensichtlich geistig minderbemittelt. Wieso richtet man sonst in aller Öffentlichkeit die Haare in der Spiegelung der Scheibe? Dann noch Lippenstift, klar. Weiteres Gekrame in der riesigen Handtasche. Sucht sie jetzt die Gurkenscheiben?

Ich werde abgelenkt vom Geruch eines Obdachlosen. Er hofft, das schlechte Gewissen der Leute verwandelt sich in ein paar Münzen. »Und, wie läuft´s so?«, FRAGT IHN DIE BLÖDE BLONDE. »Könnt‘ besser sein, geb´ nicht auf.« Sie mit teuren Löchern in der Hose, er mit echtem Schranz. Die Beiden haben sich schon öfter unterhalten. Es herrscht ein vertrauter Ton.

Zu spät, dem jungen Mann meine Scham zu vergüten.

Gut, dass die inneren Werte innen sind.

Fremde Musik

Vor meiner Arbeit in einem Konzerthaus habe ich geholfen, Ersatzteile für Papiermaschinen zu verkaufen. Das war leicht. Man musste nur kapieren, was eine Muffe ist und wie das auf Englisch und Französisch heißt. Nach der Muffe kam die Mozzarella. Das war schon schwieriger. Denn der Käseklops schmeckte nach Tempotaschentuch. Sehr delikat, nannte man das.

Die Maschinen, groß wie Hochseedampfer, habe ich nie liebgewonnen. Auch prächtige Käselaibe sind mir seltsam fremd geblieben.

»Es gibt Schlimmeres«, hätte meine Oma gesagt und sie hätte wie immer Recht gehabt.

Dann also die Musik, die heilige. Sie sollte das Überirdische besorgen. Ist sie nicht wortlos erhaben und jedem zugänglich, der guten Willens ist? Diesen hatte ich schon bewiesen. Hatte viele Bücher im Sturm erobert und wusste fast hundertprozentig, dass Johann Sebastian Bach kein berühmter Schriftsteller ist.

Es hat nicht funktioniert.

Beim besten Willen nicht. Was natürlich ein großes Unglück ist, eine besondere Form der angeborenen Gehörlosigkeit vielleicht. So ist mir die alte Musik fremd geblieben und die neue konnte Zuneigung nicht herstellen. Dafür habe ich musikvernarrte Intendanten kennen gelernt und liebenswerte Kollegen gefunden.

»Gar nicht so schlecht«, hätte meine Oma gesagt und sie hätte wie immer Recht gehabt. Oder hätte sie besser Cello für mich spielen sollen?

Du lieber Gott

Ich finde, man sollte Gott nicht duzen. Im Grunde auch Kinder nicht und nicht die wichtigen Nächsten auf der Welt. Dabei bin ich ein wüster Feind jeder Religion, kenne kaum ein Kind und die Liebesliebsten sind längst in Fotodateien verkramt. Das Siezen von Kindern, Verwandten und Freunden wäre aber befremdlich und so halte ich mich an die hiesigen Gepflogenheiten. Wenn schon in die Klapse, dann für was Ordentliches. Zum Beispiel für irre Reaktionen auf Genital-Duzer.  

Zu den meisten Menschen habe ich in Wahrheit einfach ein Sie-Gefühl. Also ein gutes. Mehr noch, je näher wir uns kommen, desto Sie-iger wird die ganze Angelegenheit. Es geht dabei nicht um Respekt oder ähnlich tolle Sachen. Es ist eher so, dass sich beim Zusammenrücken der Gefühle, Gedanken und Erfahrungen hinterrücks die Fremdheit unter den Menschen offenbart. In ihrer grenzenlosen und niederschmetternden Unüberwindbarkeit.

Nun gut, der Zeitgeist will es anders. Und ich bin auch schon ältlich und ängstlich sowieso. Zu mir selbst sage ich im Übrigen nur sehr selten Sie. Der Weg in die Anstalt ist deshalb noch fern, so hoffe ich.

Akteure

Akteure stelle ich mir elegant vor, einsneunzig und kompakt. Etwas Bauch, nur so viel wie´s braucht, um unten zu schubsen, wenn die Situation es will. Oben der Kopf immer zivilisiert auf Distanz. Man spricht Klartext als Akteur, ist ganz Mann und Argument. Dieses verwandelt sich schon am frühen Morgen in reine Tat. Nicht immer schön, aber nötig. Denn der Akteur handelt im Dienst großer Ziele und zum Wohle aller. Er arbeitet deshalb zum Beispiel bei einem Finanzinstitut. Oder bei einer guten Partei. Vielleicht nebenbei noch in einer Talkshow. Vom Image her macht er alles umsonst, aber nie vergebens, der Akteur. Ehrensache. Eine Verwandtschaft mit dem Hasardeur ist nicht nachgewiesen.

Der Aktivist sieht ganz anders aus im Vergleich. Er ist mager, freudlos und egoistisch. Macht dumme Sachen und wird von kleinen Geistern gesteuert und vermutlich bezahlt. Er hockt monatelang auf Bäumen, kostet den Steuerzahler mehr als jedes Fußballspiel und macht den Eltern viel Kummer. Obwohl er keinen Bauch hat, bestimmt dieser sein Handeln. Das kann schon logisch gesehen nichts werden. Außerdem soll es auch AktivistINNEN geben. Kein gutes Zeichen. Die Nähe zum Straftäter steht außer Frage.

Wäre der Aktivist gewissermaßen Azubi im Akteur-Geschäft, würde ich seinen Auftraggebern Geld oder Unterschriften spenden.

Aber so?

Frauen und Kinder

Wieso ist es besonders schlimm, wenn Frauen und Kinder leiden und sterben? Das ist nicht zynisch gemeint, sondern todernst gefragt. Die körperliche Unterlegenheit kann ja nur für den Nahkampf mit Männern gelten.

Wo soll der aber heutzutage stattfinden, außer in Familien? Im Wohnzimmer des Grundgesetzes sozusagen. Frauen sind dort besonders vorsichtig zu behandeln, vor allem, wenn sie gleichzeitig Mütter sind. Desgleichen Kinder, vor allem, wenn höchstwahrscheinlich die eigenen. Es gibt anscheinend gute Gründe für unsere Verfassung.

Beim rüden Kräftemessen in der Öffentlichkeit sind Frauen und Kinder natürlich auch verloren. Die allermeisten Menschen – darunter Frauen, Kinder und null Deutsche – leiden und sterben aber in Kriegen. Kein Geheimnis. Nicht privat.

Haben sich erwachsene Männer also in sehr besonderer Logik den Tod verdient? Weil sie länger gelebt haben als Kinder, weil sie stärker sind als Frauen? Auf keinen Fall ist da eine bösartig unterstellte und pauschale Täterschaft wirksam.

Vielleicht ist aber auch alles ganz anders.

Junges Glück

Auf der Fähre nach Norderney sitzt im gleichgültigen Sonnenschein ein finsteres Paar vor uns. Das Mädchen verschlingt sich mit dem Jungen, küsst und patscht und zerrt an ihm. Will hinein. Der Junge lässt es sich gefallen.

So sind sie nun mal, die Frauen. Hängen an einem dran, werden immer schwerer auf dem Schoß. Auch dünne Mädchen. Selbst die mit Untergewicht drücken schnell aufs Bein oder sonst wohin. Wer sagt denen um Himmelswillen, dass sie uns wüst durch die Haare fahren sollen? Das ist nicht schön. Es ziept und rupft und die Fasson ist weg. Aber was willste machen? Wenn man sie da nicht lässt, gehen auch die anderen Sachen nicht. Am Ende werden Pickel ausgedrückt. Ich schwöre. Mit drei Mädchen hatte ich bislang zu tun und alle hatten Spaß am Pickelquetschen. Pervers, unter uns gesagt. Ich jedenfalls habe noch nie im Leben gedacht: So, und jetzt mal mit Karacho an die Eiterbollen von der Kleinen.

So war das auf der Fähre. Ein düsteres Paar in coolem Schwarz und sie drückt seine Pickel aus. Vielleicht ist das der richtige Anfang einer üblichen Liebesgeschichte.

Wir können nicht länger hinsehen und setzen uns um. Die alten Paare dort machen gar nichts aneinander.

Kannitverstan

Viele Menschen haben große Freude am Sprechen. Sie tun es ständig, pausenlos manchmal, oft scheinbar grundlos. Die Lust am Sich-Äußern ist so drängend, dass sie die Rede Anderer unbedingt ergänzen und bereichern will. Freundlich und eng am Thema, sofern gute Manieren zum Selbstbild gehören.

Egal ob von Spaghetti die Rede ist, von Tagescreme, fernen Ländern oder Buxtehude. Es muss hineingepurzelt werden »da war ich auch schon, das Rathaus traumhaft, kennst Du die Pizzeria links unten und ist das nicht auch ein Musiker?«

Bestimmt ist daran wieder unsere Mutter schuld. Anfangs läuft es ja gut mit der Person, die wir bald »Mama« nennen. Sie versteht sofort und alles: Hunger, müde, aua. Urplötzlich kapiert sie aber nichts mehr. Sie wird begriffsstutzig und will doch immer mehr Worte. Viele viele Namen für dies und das und die ganze Welt. Ohne »Spaghetti« gibt es auch keine oder die völlig falsche Nudel oder eklig zerquetschte Bananen. Später, mit der Schule, regieren nur noch Wörter, könnte man meinen. Und das Allerwichtigste, das kleine Ich, gerät ins Hintertreffen. Das ist sehr enttäuschend und so sagt der Vierzehnjährige eine Weile gar nichts mehr. Es hat sowieso niemand die geringste Ahnung, worum es wirklich geht.

Leider bleibt das meist nicht so. Das Ich will im Wettstreit der Menschen wieder groß herauskommen mit dem Wort. Es kennt sich aus mit Tagescreme, fernen Ländern und Buxtehude. Vielleicht hat es aber auch nur Hunger. Nach den richtig schönen Sätzen: »Du bist toll!« Nur zum Beispiel. Oder auch mal was aus dem romantischen Repertoire.

Viele Menschen haben große Not beim Sprechen. Denn am Anfang war auf keinen Fall das Wort. Und am Ende wird es auch nicht stehen. Wenn´s um die Wurst geht, beim Leiden, Lieben und Sterben, gibt es keins. 

Alte Hüte