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Eines Tages blieb die kleine Nadine fort, kehrte die Neunjährige nicht mehr zurück von der Schule, wohin sie morgens noch frohgemut und nichts ahnend über die schicksalhaft einschneidende Bedeutung gerade dieses Tages für ihr Leben aufgebrochen war. Zu Hause wurde an jenem Tag ihr Eintreffen von ihrer Mutter bei vorbereitetem Mittagstisch vergebens erwartet und alle in der Folge eingezogenen Erkundigungen blieben ergebnislos. Fassungslosigkeit bestimmte fortan das Leben des betroffenen Elternpaares Mario und Annette, war doch der Verbleib ihrer einzigen Tochter letztlich hauptsächlich unbestimmt und selbst der Hoffnung stimulierende Einsatz der zuständigen polizeilichen Ermittlungsbehörde vermochte an diesem Umstand nicht das Geringste zu ändern. Dieses Werk nun versucht die beiden wenigstens für eine gewisse kurze Zeit zu begleiten auf ihrem weiteren Weg durch die Ahnungslosigkeit und die Ungewissheit über das Schicksal des geliebten und aus ihrer Mitte gerissenen Menschen, der wohl auf immer begehrt und inständig vermisst bleibt.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Jörg Sadelers
Wo ist Nadine?
Drama
© Jörg Sadelers 2021
Schimmelbuschstr. 20
40699 Erkrath
PROLOG IM HIMMEL
Der Herr, Erzengel und der Teufel.
Himmel öffnet sich. Erzengel tritt auf.
ERZENGEL MICHAEL:
Schau auf irgendeinen Platz auf dieser Welt
und siehe ob es dir gefällt,
was sich dort zuträgt in so manchem Moment.
Eine laue Nacht neigt sich dem Ende zu.
Die Sonne steigt auf zum Firmament.
Von des Schlafes erquickender Ruh
erwacht die tagaktive Kreatur,
und macht geschäftig sich ans Werk.
Ganz gleich in welcher Kultur,
gleichgültig worauf es sich richtet, das Augenmerk,
vollzieht sich in diesem gottgewollten Takt
das Treiben und Schaffen aller Lebewesen.
Das Wirken in unseren Gefilden ist, ein unumstößlicher Fakt,
frei von solchen Zwängen, bietet Zeit zum Genesen
und verschafft allen Erholung vom irdischen Streben
in einem wonnevollen, paradiesischen Umfeld.
So genüsslich und müßiggängerisch gestaltet sich hier das Leben,
so überaus friedlich und zuvorkommend hält
man hier Hof und die Zeit verrinnt überaus gemächlich
angesichts hier herrschender, unendlicher Dimension.
Da muss mancher lernen sich zu zäumen, oftmals zögerlich,
bis er das neue Zeitmaß in seiner abgewandelten Funktion
als nebensächliche Größe ohne besonderen Wert anerkennt.
Doch schweig still! Ich sehe einen ungeliebten Gast nahen.
Der Teufel gibt sich die Ehre. Siehe wie mancher davon rennt.
Dabei bestand hier keine Not, bei denen, die ihn kommen sahen.
Nun aber fort, denn wo der Teufel ist, ist auch der Herr nicht weit.
(Tritt ab. Der Herr und der Teufel treten auf)
TEUFEL:
Sei gegrüßt, Allmächtiger. Es tut mir ein Leid,
dich so unvermittelt wieder zu molestieren.
DER HERR:
Nichts für ungut, werter Mann.
Die Begegnung mit dir vermag mich nicht zu genieren.
Im Gegenteil bereichert sie meinen Alltag mehr, als es manche andere kann.
Deine Existenz rundete meine Schöpfung ab.
So wie jede Welt einen Antipoden hatte und brauchte,
so fand diese ihn in dir und das, mit Verlaub, nicht zu knapp.
Und was diesem widerstreitender Kampf um Seelen Leben einhauchte,
war das unermüdliche und fortwährende Ringen,
dem sich unsere beiden Parteien ergaben,
zu sehen, wie auch immer sie die strauchelnde Seele fingen,
um sie auf die eigene, die richtige Seite gezogen zu haben.
So geschieht es bis zum heutigen Tag
und die Mittel, derer wir uns bedienen,
sind dabei so ungleich ,wie man es sich nur vorstellen mag.
Während meine Anhänger vielen ehedem zu sanftmütig schienen,
auf Liebe, Vernunft und Geist aufbauten,
locktest du allezeit mit Verführungen
und phantastisch neckenden Rührungen,
denen unsere nur verdrießlich hinterherschauten
und stattdessen suchten davor zu warnen, mit mahnenden Worten,
was allzu oft nicht auf fruchtbaren Boden stieß.
- Doch was kannst du mir heute berichten, von Orten,
an denen du Erfolge einstreichst, wie es erst jüngst hieß,
hast du neue Pretiosen in deinem Schreckenskabinett,
die dich und deinesgleichen Zunge schnalzen machen.
TEUFEL:
In der Tat machen meine Neuigkeiten wett,
in ihrer Qualität und der Verfolgung ihrer Ursachen,
was ich in vorherigen Treffen teilweise anzubringen versäumte.
So verweise ich auf einen tüchtigen Übeltäter,
der schon seit einiger Zeit abräumte,
was immer sich ihm an Gelegenheiten bot. Ein Verräter
der guten Sache in all seiner Doppelbödigkeit,
wie man es nur selten findet.
DER HERR:
So, So, ein Missetäter zu jeder Gelegenheit,
der wohl auch selbst Gelegenheiten herbei schindet.
Aber doch nicht ganz neu wohl,
hat schon einiges auf dem Kerbholz, wie?
TEUFEL:
Jedoch erneut im Soll,
mit einer Schandtat, taufrisch wie nie.
DER HERR:
Wie ist der Name?
Ist er mir schon bekannt?
Ich nehme doch an, es ist keine Dame.
TEUFEL:
Wohl wahr, er ward noch nicht genannt.
Schlembach heißt er,
und in Deutschland treibt er sich um.
DER HERR:
Ach Schlembach, der?
Wandelt er immer noch frei herum?
Warte, jetzt fällt es mir wieder ein,
muss man mir nachsehen, diese Erinnerungslücken,
das kann nicht anders sein
und wen sollte es entzücken,
solche Unmengen von Seelen tagtäglich
als Neuankömmlinge willkommen zu heißen.
Aber jetzt erinnere ich mich tatsächlich,
vermutlich, weil die Umstände hier besonders beißen,
einem der Zorn aufsteigen kann,
angesichts solcher menschlicher Verderbtheit,
denn es handelte sich, ich erinnere mich daran,
um eine blutjunges Gemüt, weit vor seiner Zeit
berufen in diese Gefilde,
wie es dann doch nicht so häufig geschieht.
TEUFEL:
Ich sehe, du bist im Bilde,
er hat sich vergangen, wie man hier sieht,
an einem zarten Geschöpf und ihm das Leben geraubt,
nachdem er es geschändet hat.
Dabei geht er so durchtrieben und verdeckt vor, dass niemand glaubt,
jemals glauben könnte, er habe mit dieser Tat
das Geringste zu tun, da seine perfekte Tarnung,
als fürsorglicher Familienvater, alle Zweifel in dieser Hinsicht zerstreut.
DER HERR:
Wahrlich eine himmelschreiende Warnung
für alle Gutgläubigen, die fest in einem positiven Weltbild vertäut,
nichts ahnend dermaßen perfidem Wesen ausgesetzt sind.
Doch muss man sagen, dass solche Tücke und Doppelbödigkeit
es allen erschwert, nicht nur dem sorglosen Kind,
sondern auch denen auf der Suche nach Gerechtigkeit.
Mir selbst scheint schwer denkbar,
bei aller wohlwollenden Betrachtung,
wie sollte ein so fortgeschrittener Zustand der Perversion gar
noch umgewandelt werden in einen in Übereinstimmung
mit christlichen Werten stehenden Status.
Kurz gesagt, gebe ich diese Seele verloren,
möchte fast rufen, auch wenn ich mich dafür überwinden muss,
fahr zur Hölle und versinke im Dreck bis über beide Ohren.
TEUFEL:
Du siehst mich erstaunt und verzückt zugleich.
Beim Herrn einen derartigen Eindruck zu hinterlassen,
gelingt nicht alle Tage. Diese Stunde ist an Impressionen reich.
Der Rechtschaffene muss diesen Delinquenten hassen,
er wirkt wie ein rotes Tuch
und schafft es so, selbst dich zu erzürnen,
der du über den Dingen schwebst, ohne Fluch.
Einen Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen
würde man anstellen, mäße man Schlembach
mit anderen Größen seines Kalibers, denn
er ist einzigartig, ein Meister in seinem Fach,
virtuos handhabt er die Klaviatur des Schreckens, wenn
ich ihn betrachte, wird mir ganz warm um mein Herz.
DER HERR:
Das glaube ich gern,
doch ich erfasse den Schmerz
und es liegt mir fern,
die innigen Gefühle der Verwandten,
der Mütter und Väter,
der Geschwister, Onkel und Tanten
zu verspotten, vielmehr zeigt sich später,
dass sich hier ein besonderer Zusammenhalt,
eine neue menschliche Qualität anbahnt,
gleich einer Brücke über einen sich auftuenden Spalt.
Bin ich denn der einzige, der ewig mahnt,
anhält zu Menschlichkeit
und dabei oft nichts erntet als hämische Verulkung?
Ich bin's manchmal leid
und auch für heute hab ich jetzt genug von gegenseitiger Bekämpfung.
Mach's gut mein Freund und walte deiner Geschäfte,
bis zum nächsten Mal,
ich schone meine Kräfte,
manche sagen schon, ich sei etwas fahl.
(Der Herr tritt ab.)
TEUFEL:
Ja dann, auf Wiedersehen Allmächtiger,
schone dich nur.
An und für sich schätze ich ihn sehr.
Nur genieße ich ihn nicht gerne pur,
lieber in einer verdünnten Essenz,
da ist der Nachgeschmack nicht so bitter.
Wenn er auch kein schlechter Kerl ist, nolens volens
der Herr, gnädig und weise, manchmal ein Zwitter,
reitet viele Rösser und kommt doch an kein Ziel,
aber was heißt das, in diesem vertrackten Spiel.
(Tritt ab.)
VERUNGLÜCKTE ZERSTREUUNG
WOHNZIMMER VON MARIO UND ANNETTE
Mario, Thomas, Andreas und Oliver betreten den Raum
MARIO:
Nehmt Platz und macht's euch bequem,
ich schalte den Kasten schon mal ein,
haut ruhig rein,
bedient euch von dem,
was hier an Köstlichkeiten aufgefahren ist.
THOMAS:
Dass du das Wichtigste nicht vergisst.
MARIO:
Natürlich, ich hole noch das gekühlte Bier.
Jeder eine Flasche?
THOMAS:
Ich unbedingt, ich verdurste schier.
ANDREAS:
Mir auch, bevor ich von den Knabbereien nasche.
OLIVER:
Dito für mich.
(Mario verlässt den Raum und kehrt gleich zurück)
MARIO:
So, das kühle Blonde wird gereicht
und der Aschenbecher für dich.
OLIVER:
Danke dir. Oh sieh', die Gläser sind sogar geeicht.
Na das brauchen wir hier nicht.
MARIO:
Das Spiel muss gleich beginnen.
Es läuft ein Vorbericht,
der scheint noch mitten drinnen.
ANDREAS:
Kommt zum Ende,
wir wollen ein Fußballspiel sehen!
THOMAS:
Jetzt läuft der Abspann, das ist die Wende,
dann sollte es jetzt zum Wesentlichen übergehen.
MARIO:
Alles ist bereitet,
die Gläser sind gefüllt.
Von Nahrhaftem begleitet
und in die richtige Bekleidung gehüllt,
erwarten wir den Anpfiff des Spieles.
Die Hoffnungen fliegen hoch,
die Erwartungen überragen sie um vieles.
OLIVER:
Mir zittern fast die Hände, noch
steigert sich die Erregung.
Was wird das Spiel bringen?
Wie wird der Verlauf der Begegnung?
Werden wir am Ende singen?
Enttäuscht uns nicht,
tragt uns weiter in das nächste Finale.
Erstrahlt in einem besonderen Licht
und verhütet so eurer Anhänger Randale,
denn wenn ihr unsere Vertrauen enttäuscht, soviel ist klar,
die Erwartungen nicht erfüllt,
alles Hoffen und Bangen umsonst war,
ihr glück- und fruchtlos gespielt,
dann wird die Frustration grenzenlos sein,
ihr fühlt euch verletzt und allein,
der Spott wird über euch ausgeschüttet
und nichts und niemand verhütet,
dass eure Reputation großen Schaden nimmt.
Aber jetzt wollen wir erst mal das Beste wünschen
und dass der Anpfiff uns freudig stimmt.
THOMAS:
Genau, es zeigt sich später, wen wir lynchen.
Die Mannschaft ist gut aufgestellt,
alles, was in diesem Land Rang und Namen hat,
wurde in sie einbestellt.
Ob das reicht für eine große Tat,
muss sich jetzt zeigen,
der Gegner hat hohes Format.
Man wird sehen, ob unser Kollektiv sich einfügt in diesen Reigen,
die Frage ist delikat,
aber die Aussichten stehen nicht schlecht,
dass wir am Ende jubilieren.
MARIO:
Das wäre mir auch mehr als recht,
und es würde noch mehr Leute mit dem Fan-Virus infizieren.
Jetzt geht's aber wirklich los,
jetzt wird die Anteilnahme richtig groß.
Einige Minuten später.
ANDREAS:
Tor!
THOMAS:
Ja!
OLIVER:
Olé, Olé, Olé!
Was für eine Freude, ach herrje.
MARIO:
Fantastischer Abschluss.
Das zu sehen war ein Genuss.
Der vorbereitende Pass
geschlagen mit viel Gefühl und Augenmaß,
zielgenau, auf elliptischer Bahn
fand er seinen Mann.
THOMAS:
Genau gespielt in dessen Lauf,
gab er ihm die Pflicht auf,
diesen Ball im gegnerischen Tor zu versenken,
ohne lange zu denken.
So geschah es auch,
ganz so selbstverständlich, als wäre es Brauch.
ANDREAS:
Gut so.
Endlich ist das taktische Geplänkel beendet.
Das lauernde Ballgeschiebe, wo
keiner sein spielerisches Geschick verwendet,
um die Entscheidung herbeizuführen,
wird jetzt ersetzt durch kämpferischen Einsatz,
die bedingungslose läuferische Hatz
und den Mut, der geeignet ist, dein Herz zu rühren.
Nun wird unsere in Führung liegende Mannschaft eingeschnürt
und wartet ihrerseits auf eine Kontergelegenheit.
Davon wird der Zuschauer dazu verführt,
mit Enthusiasmus und Artigkeit
dem Verlauf des Spieles zu folgen.
Mal sehen, was sich ergibt,
vielleicht wird unser Opponent richtig gemolken.
In ein „Törchen“ mehr hätt' ich mich sicher noch verliebt
Einige Minuten später.
OLIVER:
Oh nein!
ANDREAS:
Was war das denn?
THOMAS:
Das gibts doch nicht! Ich glaub' ich flenn'.
MARIO:
So ein Pech.
Jetzt werden sie aber frech.
OLIVER:
Was für eine heillose Unordnung.
Der Ball zappelt im Netz.
Da herrschte große Verwirrung.
Sag darüber mal was Nett's.
THOMAS:
Dazu fällt mir nicht viel ein.
Ein Gegentor bereitet meistens Pein.
Will hoffen, dass es bei dem einen bleibt,
und dass unsere noch eins nachlegen.
MARIO:
Ich weiß nicht, was euch umtreibt,
aber ich hoffe, dass sie die jetzt vom Platz fegen.
Einige Minuten später.
ANDREAS:
Och nö, nicht schon wieder!
THOMAS:
Da legst du dich nieder.
MARIO:
Die Verteidigung agiert ziemlich bieder.
OLIVER:
Aua, da zwickts richtig im Mieder.
ANDREAS:
Wird Zeit, dass der Trainer reagiert.
Obwohl, damit ist vielleicht auch nicht mehr viel zu retten.
Wer weiß, was er dann ausprobiert.
THOMAS:
Auf einen erfolgreichen Ausgang des Spieles würde ich nicht mehr wetten.
MARIO:
Noch ist nicht alles verloren.
Zugegeben, der Spielstil erscheint etwas unausgegoren,
aber über den kämpferischen Einsatz
kann sich das Blatt noch wenden,
selbst wenn mangelnde technische Fertigkeiten auf dem Platz
den Verbleib im Wettbewerb beenden.
Einige Minuten später.
MARIO:
So, das gibt uns den Rest.
OLIVER:
Ja, das wird nichts mehr.
ANDREAS:
Ich glaub', da nehm' ich noch 'n Bier.
THOMAS:
Das ist alles andere als ein Fest.
MARIO:
So kann's gehen.
Da bereitet man alles sorgfältig vor,
mit der Aussicht auf so manches Tor,
freut sich darauf, den einen oder anderen genialen Spielzug zu sehen,
hat alles an Knabbereien und auch Getränken bereitgestellt,
den Kühlschrank wohl gefüllt,
damit die Kehle gut gespült,
dass man, wenn dann ein Tor nach dem anderen fällt,
in freundschaftlicher Runde diesen Abend
richtig genießen kann.
Sich an Gutem labend,
so kostete man dann
den lustvollen Moment aus.
Doch die Ereignisse hier
machen all dem den Garaus.
Der Gegentore sind es jetzt vier,
bei einem spärlichen Tor auf unserer Seite.
Ich könnte es niemandem übel nehmen, suchte er das Weite.
Aber ich denke, zum Trost
könnt ihr euch aus dem gut gefüllten Kühlschrank bedienen.
Im Keller lagert auch noch schöner Most.
Ich sehe, das erhellt eure Mienen.
OLIVER:
Ja, hol' mal den Wein.
Der ist mehr nach meinem Geschmack.
Den schütt' ich mir reichlich ein
und es erscheint mir bald alles wie in neuem Lack.
(Mario verschwindet in den Keller.)
ANDREAS:
So, du steigst um auf Wein.
Na, ich bleib bei meinem Bier,
Das ist nach deutschem Braugebot rein.
Es mundet nicht nur mir,
sondern ist allgemein sehr populär.
Mir schmeckt besonders dieses Weizenbier,
das erfrischt auch aus der Flasche sehr.
Das passt auch in diese Situation hier,
wenn du den Kronkorken, leise zischend,
vom Flaschenhals entfernst,
Schaum und Flüssigkeit entmischend
sich trennen und prickeln beim behutsamen Eingießen erfrischend,
so wie du es früh schon lernst,
dann steigt schon die Vorfreude
auf den Moment, in dem das kühle Nass
belebend die Kehle herunterrinnt. Räude
sollten sie kriegen nach einer Vorstellung so blass,
dass sich einem die Zehennägel aufrollen.
Es zeigt sich in der Abwehr,
so wie sie dort umher tollen,
die Achillesferse der Mannschaft, umso mehr
als die Fehler, die dort entstehen,
vom Sturm durch noch so engagierten Einsatz,
sei er auch mit noch soviel Talent versehen,
selbst in einer großen Aufholhatz,
nicht mehr auszumerzen sind.
Dabei sollte es doch nicht so schwer sein,
man meint, das könnte fast jedes Kind,
dem Gegner den Ball abzujagen oder ein
In-Szene-setzen des Gegners im Strafraum
zu verhindern, durch beherzten Eingriff
mit antrainierter Sicherheit, wie im Traum
und ohne einen Regelwidrigkeit verkündenden Pfiff,
Chancen zu vereiteln und zunichte zu machen.
Das ist doch alles schlichtes und solides Handwerk,
bei dem auch schon mal Knochen aneinander krachen,
da steht man nicht vor einem unüberwindbaren Berg.
Man darf sich nur nicht irritieren lassen,
etwa durch südländische Geschmeidigkeit.
Da ist keiner, der da nicht zu fassen,
selbst die ausgefuchsteste Gerissenheit
verblasst vor läuferischem Engagement
und taktischer Disziplin,
innerhalb der Grenzen des Reglement.
(Mario betritt den Raum)
MARIO:
Ich stell' das mal da hin.
Bediene sich jeder, wie er mag.
THOMAS:
Was mich am meisten stört,
dass immer so sehr, sie sprechen davon jeden Tag,
auf Fitness Wert gelegt wird, ganz unerhört
und kommt dann einer angelaufen,
wird angespielt, dann spritzt er
unserem davon, das ist zum Haare raufen.
Man fragt sich entgeistert: Was macht der?
Es fehlt Schmiss und die körperliche Gewandtheit
und oft auch die Reaktionsschnelligkeit
in entscheidenden Situationen,
so entstehen schnell die übelsten Komplikationen.
OLIVER:
Ja, das ist nicht mehr wie früher,
als man sich bedenken- und risikolos
vor den Schirm setzen konnte. Bisher
war man doch etwas verwöhnt, bloß,
der Erfolg ist auch ein scheues Reh
und die Bestrebungen ihn zu halten,
gestalten sich heutzutage sehr zäh.
Öfters muss man ein Ergebnis verwalten,
noch auf das Elfmeterschießen hoffen,
um die Entscheidung zu erzwingen.
Auch das entbehrt nicht der Spannung und offen
ist danach das Ergebnis ja nicht mehr, dieses Ringen
hat dann endlich ein Ende gefunden.
(Annette betritt den Raum)
ANNETTE:
Hallo, na wie steht's denn?
MARIO:
Frag' nicht. Das läuft so vielleicht noch Stunden,
ist zeitlich völlig ungebunden
und selbst wenn,
würde das am Verlauf nichts mehr ändern.
Es würden wohl noch einige Tore fallen,
aber die trügen nur bei zur Verstärkung von Augenrändern.
ANNETTE:
Ich höre da schon ein leichtes Lallen.
Ihr habt auch schon eine Menge Flaschen angesammelt.
Tröstet es euch nicht über die Enttäuschung hinweg?
ANDREAS:
Ja, natürlich, das Tor des Gegners scheint wie verrammelt
und man muss meinen, es hat keinen Zweck,
da kann man sich nur einen auf die Lampe gießen.
ANNETTE:
Was ihr ja sowieso getan hättet,
so oder so ließet ihr das Bier fließen,
nur dass ihr das Resultat anders gewettet.
THOMAS:
Wer konnte auch ahnen,
dass die so auf Schmalspur planen.
Zwar hat es sich längst schon abgezeichnet,
dass viele heutzutage für das Spiel recht ungeeignet,
aber man zittert doch mit den eigenen Leuten,
erwartet trotzdem, dass sie was erbeuten.
Es ist, als folge man einem Fitnesswahn,
als zähle nur kraftvoll und schnell.
Die Ausstattung und das Training sind professionell.
Sicher wird hier alles getan,
damit es an nichts fehlt.
Nur scheint, die Sache ist nicht mehr richtig beseelt.
Trotz vermeintlich guter Voraussetzungen
fehlt das belebende Moment.
So ist wohl auch nicht, nicht mal dezent,
die Installation des viel beschworenen Mannschaftsgeistes gelungen.
Damit würde, mit ihm im Hintergrund,
brillant auf der großen Bühne aufgespielt.
Wäre das umgesetzt bis zu dieser Stund',
hätte man allesso eingestielt,
säßen wir jetzt sicher nicht hier
und nuckelten frustriert an einer Flasche Bier.
ANNETTE:
Na, nun sieh mal nicht ganz
so schwarz. Immerhin, sie sind es doch:
unsere Jungs. Vollführen die auch manchen Tanz,
so bleiben sie's doch immer noch,
die unseren, andere haben wir nicht.
Also bleibt dabei und übt Verzicht.
MARIO:
Natürlich halten wir ihnen die Stange,
notgedrungen werden wir, was bleibt uns,
es immer wieder tun, entgegenetwelcher Belange,
was sie auch meinen, Hinz und Kunz,
wir werden sie nicht aufgeben, die Hoffnung
und bessere Zeiten kommen wieder.
Auf jedes peinliche Nieder
folgt ein Auf, das ist keine gewagte Prophezeiung.
ANNETTE:
Na also, solche Worte spenden Trost.
(alle unisono:)
Prost!
NICHT ALLEIN
WOHNZIMMER VON MARIO UND ANNETTE
Mario allein, bügelt Wäsche. Hört Musik und summt dazu.
MARIO:
Nanu, es klingelt, wer mag das sein?
(Geht, die Türe zu öffnen und kehrt mit Yvonne zurück)
MARIO:
Annette ist nicht da, aber komm' ruhig rein.
Sie müsste eigentlich jeden Moment eintreffen.
Nimm Platz, wenn du auf sie warten willst.
Hab' keine Einwände, dass du deinen Durst stillst.
Du kennst dich ja hier aus. Der Hund hört gleich auf zu kläffen.
Es stört dich ja nicht, wenn ich weiter bügele.
YVONNE:
Nein nein, erwarte nicht, dass ich dich zügele.
Stört es dich, wenn ich mir eine anmache?
MARIO:
Nein, auch auf die Gefahr hin,
dass ich mich mit Annette verkrache.
Seit ich abstinent bin,
haben wir den Rauch nach draußen verbannt.
YVONNE:
Ach ja, du hast ja aufgehört,
hast den gesundheitlichen Schaden erkannt,
etwas, das auch mich natürlich stört,
nur dass ich hierzu den entscheidenden Schritt
bislang nicht machen konnte.
MARIO:
Ja, fand auch nicht gleich in den neuen Tritt,
bevor ich mich dann in dem Erfolg sonnte,
ein ehemaliger Raucher zu sein.
Es gibt bis heute einiges, was ich vermisse.
Zwar spare ich so manchen Schein
und der Verzicht war dafür eine Prämisse,
verzeichnete ich doch Einschnitte in der Lebensqualität,
die mir den Abschied schwer machten.
Schnell kommt die harte Realität
und die Entzugserscheinungensind keine sachten.
Als Beeinträchtigungen, neben den körperlichen,
wiegen kraftvoll und schwer
die psychischen, sie gehören zu den besonders hinderlichen.
Zunächst beschönigt man alles sehr
und man meint, allein mit Disziplin
könne man alles erreichen.
Jedoch liegen eben gerade hierin
die gewaltigen Schwierigkeiten und das Risiko zu erweichen,
dem drängenden Bedürfnis nachzugeben,
und sich herauszufischen, einen der kleinen, unscheinbaren Stängel,
und ihnzu entflammen, ist enorm. Schweben
könnte man im Raucherhimmel, sich freuen wie ein Lausebengel.
Den grauen Qualm inhalieren, ihn einstrudeln,
mit sanftem Zug am glühenden Stift,
bleibt doch einer der größten Genüsse. Hervorsprudeln
könnte ich ein Crescendo an Vorzügen, bezogen auf dieses Gift.
Allein das Gefühl der Zigarette auf den Lippen,ihnen inzwischen,
verschafft eine ihresgleichen suchende orale Befriedigung.
Allzu schwerentwischen
lässt sich dieser allgewaltigen Verführung,
wenn man ihr einmal erlegen ist
und selbst wenn ein kapitaler Raucherhusten
oder andere körperliche Warnsignale dich treffen, dann bist
du ein Gefangener dieser Sucht, kannst ihr nichts pusten,
bist ihr unterworfen, bis du es schaffst, ihre Fesseln abzuschütteln
oder auch nicht, denn vielen gelingt es eben nicht,
trotzdem sollten die gesundheitlichen Symptome sie aufrütteln,
der Abhängigkeit zu entfliehen - es bleibt nur schlicht,
ihr zu entsagen. Die am meisten gravierende Entbehrung
schien mir der Verlust an sozialen Kontakten,
das Gemeinschaftsgefühl, die selbstverständliche Annäherung,
die mühelose Geselligkeit, das leichte Schließen von Pakten
und das automatische Zusammengehörigkeitsgefühl,
wie all dieses entsteht an den für Raucher vorgesehenen Orten,
unmöglich alles zu beschreiben, in wenigen Worten.
Das Reichen von Feuer, das - ist die Umgebung windig und kühl -
schützende Vorhalten der Handfläche, damit sie, die Flamme,
nicht verlösche und der Glimmstängel auch sicher ans Glühen gelange.
Diese Geste, gleich der einer hilfreichen Amme,
ist nur eine und beschreibt doch exemplarisch und für alle Belange
den Zusammenhalt, der ergibt sich ganz beiläufig,
unter den Anhängern dieses Lasters.
Nicht selten auch, sondern eher häufig,
ohne dass es sich einfügen ließe in das Schema eines Rasters,
gestaltet sich das Zusammentreffen unter Rauchern
recht humorvoll, gibt es einiges zu Lachen,
denn die Stimmung unter all den Schmauchern
ist zumeist entspannt, genussvoll gelöst. Es machen
Zoten und Anzüglichkeiten die Runde,
so dass die Zwangsvereinigung, der Abstinenten zum Schutze,
sich vergnüglich anlässt
und man sich oftmals schon familiär duze
und auch ansonsten erinnert oft alles mehr an ein Fest,
ein lockeres Beisammensein,
ganz gleich ob bei Regen oder Sonnenschein,
an einem verordneten Ort, einem dafür festgelegten,
an dem man sich zusammenfand, nur zu dem einen Zweck
und an dem es zu Gesprächen gekommen ist, zu angeregten.
Schlussendlich schmeißt ein jeder die Kippe weg
und verlässt den traulichen Flecken wieder, dennsein Bedürfnis,
es wurde gestillt, zudem man, und das ganz nebenbei,
vielleicht auch noch über manches Bündnis oder Zerwürfnis,
im Betrieb meinetwegen, einiges erfahren hat - soAllerlei.
Geradezu mannigfaltig sind des Rauchens Nebeneffekte,
dass es einem geradezu vorkommen magwie ein Lebenselixier,
die Gemeinschaft erscheint wie eine eingeschworene Sekte,
dabei sind allein die Folgen für die Gesundheit überbordend schier,
weshalb es mir nicht Leid tat, letztendlich,
den Schritt erfolgreich vollzogen zu haben, aus der Abhängigkeit,
zumal ich, so zeigte sich,
schon nach geringer Zeit, verlustig wurdeder Kurzatmigkeit,
die mich lange plagte, und viel freier atmen konnte.
YVONNE:
Das ist klar, dass das Nichtrauchen die Lunge schonte.
Bisher verspüre ich keine massiven Beeinträchtigungen
ansonsten kämen auch mir Abwanderungsgedanken – vielleicht?
Aber ich habe genügend Ablenkungen
durch die Probleme, die mir unser Jüngster bereitet. Das reicht.
Mal wieder wenigstens eine Nacht
ungestört durchzuschlafen, alleindas wäre
schon alles, was mich glücklich macht.
MARIO:
Ja, ich habe gehört, dass er sich besonders ernähre,
um sein Krankheitsbild zu verbessern.
YVONNE:
Wir können nichts unversucht lassen,
um die Symptome wenigstens zu verwässern.
Selbst wenn wir dabei Unsummen verprassen.
(singt)
Es nennt sich Neurodermitis,
Ursache und Herkunft sind unklar,
es ist keine einfache Rachitis,
deren Wurzel war
ein Nahrungsverzicht,
so leicht macht's einem
die Neurodermitis nicht.
Es hilft leider keinem,
sich gegen sie zu stemmen,
in Demut muss er sie ertragen,
nichts kann ihren Verlauf hemmen,
ständig muss man Neues wagen,
darf nichts unversucht lassen,
muss jede Therapie ausprobieren
und könnte man auch alles hassen,
meint nur zu verlieren,
darf man doch nicht aufstecken,
denn irgendwo am Horizont,
danach muss man sich recken,
kühlt sie sich ab, die Front
und Hoffnung keimt auf,
Besserung könnte sich einstellen,
doch die Freude darauf,
so leicht lässt man sich verprellen,
ist oft verfrüht, erst mit
dem Fortschreiten des Alters
wird der Körper wieder fit,
mit dem Glück des Verwalters
der Krankheit verschwinden
dann all die lästigen Erscheinungen.
Glieder, die sich verwinden
unter Juckreiz, Rötungen
und Rissbildungen der Haut,
quälende Ekzeme, deren
Reiz sich allmählich aufbaut.
Die Juckreizattacken, die schweren,
die einem ganze Nächte rauben
und den erholsamen Schlaf.
Es fällt nicht leicht, es zu glauben,
dass es kaum Medikamente gibt, die brav
ihren Zweck erfüllen
und Linderung verschaffen.
Niemand kann sich in Watte hüllen,
außer er sähe sich als Laffen,
irgendwie musser bewältigt werden, der Alltag,
durch pharmazeutische Hilfe oder ohne
dass man sich streiten mag,
ob es sich letztendlich lohne,
unbeirrt gegen die Plage anzukämpfen,
so sage ich, man darf die Zuversicht nicht dämpfen.
MARIO:
Das meine ich aber auch.
Gibt es denn wirklich gar keine Medikamente, die wirken?
YVONNE:
Doch ist es in der Medizin derzeit Brauch
hier Cortison zu verschreiben - ich nenne eseher türken,
da sie damit mehr einlullen und hinwegtäuschen
über tatsächliche Probleme, die aus einer Anwendung
dieses Mittels einen keineswegs neutralen oder keuschen
Vorgang machen, denn seine Verwendung
garantiert eine gewisse Linderung,
im Hinblick auf die Beschwerden - zugleich verringert
sich der Ekzeme örtliche Ausdehnung
und wer ständig daran fingert,
wird sich über die Verminderung des Juckreizes freuen,
leider sind es aber die Nebenwirkungen,
die machen einen den intensiven Gebrauch reuen,
da die Haut dünner wird und die Belastungen,
besonders der Leber, den intensiven, den dauernden Gebrauch
schließlich unmöglich machen.
MARIO:
Ärzte haben manchmal keinen Hauch,
keinen Hauch von Ahnung wie sie in Sachen,
die ihre Patienten angehen,
einfühlsam und zweckdienlich
zugleich vorgehen sollten und sehen
oft zu wenig oder doch ziemlich
flüchtig auf das individuelle Schicksal,
gehen stark mechanisch vor
und haben, ein ums andere Mal,
kein offenes Ohr
für etwaige Komplikationen, die Nebenwirkungen,
die im Zusammenhang mit
den pharmazeutischen Verordnungen,
als therapeutischer Schritt,
dem Patienten aufgebürdet werden.
Ich habe das selbst schon am eigenen Leibe erfahren.
YVONNE:
Natürlich. Bei den umfänglichen Krankheitsherden
erklärt sich das ärztliche Gebaren,
zumal sich noch allergische Reaktionen hinzugesellen,
in Form von Asthmaanfällen und Pollenunverträglichkeiten,
die insofern eine weitere Herausforderung darstellen,
für die Behandlung und deren Unwägbarkeiten.
Leider tut sich hier ein ganzes Spektrum
an gesundheitlichen Beeinträchtigungen
auf, von denen unser Kind betroffen ist und darum
verfällt man leicht in ungute Stimmungen.
Zuletztentwickelte die Haut noch eine Infektion,
es kam eine Ansteckung mit Staphylokokken dazu.
Das verlangte eine erneute ärztliche Intervention,
glücklicherweise schlug diese an, im Nu
und die Infektion war beseitigt.
In diesem Zusammenhang
achteten wir seitdem darauf, dass er sich richtig reinigt,
hierbei besteht der Zwang,
sich mit lauwarmem, oder besser, kaltem Wasser
zu waschen, weil sonst eine Verschlimmerung
des Hautzustandes droht. Hass' er
es noch so sehr, die Verbesserung
des Zustandes seiner Ekzeme
hat oberste Priorität.
Und, ich sage das ohne Häme,
gerade weil in ihrer Majorität
die medizinischen Maßnahmen
großenteils fragwürdig sind,
liegt es bei uns, und im Rahmen
unserer Möglichkeiten, sind wir unserem Kind,
wo immer es geht, so behilflich,
dass ein, vergleichsweise,
angenehmes Leben möglich,
auch wenn dieses, in seinem Wesen, eher bescheiden und leise
daher kommt, als
mit Pauken und Trompeten.
Den Verzicht auf Seife kann man verschmerzen und falls
man in Urlaub fährt, zieht es einen, wie am Magneten,
ans offene Meer oder ins Hochgebirge,
weil dort die Luft und auch das Licht
besonders rein und klar und es ist nicht
so ein stickiges Gewürge,
wie in städtischer Umgebung.
Milch- und Weizenprodukte zu vermeiden,
bedeutet auch keine allzu große Entsagung.
Kleidung kann er nicht leiden,
die nicht aus reiner Baumwolle besteht
und sie sollte mit wenig Waschmittel und ohne
Weichspüler gewaschen werden, dass der Juckreiz vergeht.
Wichtig ist auch, damit man die Haut schone,
scharfen Gewürzen und Zitrusfrüchten
aus dem Weg zu gehen.
Zwar führt es häufig zu Ausflüchten,
auf so vieles verzichten zu müssen, doch versehen
mit etwas Disziplin und Durchhaltevermögen,
lässt sich dieser Entsagungsmarathon bewältigen
und er weiß genau, dass wir ihm etliches entzögen,
würde er es wagen, uns mit Verweigerung abzufertigen.
So läuft im Großen und Ganzen alles recht reibungslos
und wir hoffen, dass eines Tages,
und diese Hoffnung ist recht groß,
die Erkrankung wieder verschwinden wird, ich mag es
mir gar nicht vorstellen, es wäre nicht auszudenken,
wenn sich das Schicksal noch wenden würde
und diese außerordentlich schwierige Hürde
genommen werden könnte. Aber lenken
kann man die Vorsehung leider nicht.
MARIO:
Ja, Neurodermitis verschwindet ja mitunter im Alter.
Besehen in einem anderen Licht,
soll es aber wohl - Wer betätigte hier den Schalter? -
auch unter Erwachsenen noch Neuerkrankungen geben.
YVONNE:
So ist das im Leben.
Aber ich glaube, mir fehlt jetzt die Zeit,
es gibt da noch einige Besorgungen, die ich jetzt erledige.
Ich rufe Annette an, bei nächster Gelegenheit,
um sie in den Fragen, und derer sind einige,
ihre Kochkünste betreffend, zu konsultieren.
Sie ist mir in diesen Dingen um so vieles voraus
und ich benötige noch einige Tipps, muss sie daher hofieren,
sonst falle ich noch aus dem Rahmen heraus,
bei der Konfirmation unserer Ältesten, durch schlechte Bewirtung.
MARIO:
Halt es, wie du magst. Wobei ich selbst nicht verstehe,
wo sie bleibt. Ich schätze, das erklärt diese Verzögerung,
der Berufsverkehr ist schuld,sobald ich sie sehe,
werde ich ihr ausrichten, dass du hier gewesen,
mach's gut und ich wünsche eurem Jüngsten baldiges Genesen.
(Yvonne verlässt den Raum)
WIDERHAKEN
WOHNZIMMER VON MARIO UND ANNETTE
Mario und Annette betreten den Raum
Annette bricht in Weinen aus
MARIO:
Setz' dich doch, Liebes.
Ich hole dir etwas zu trinken.
ANNETTE:
Es überkommt mich immer, wie der Treffer eines Hiebes.
Oft denke ich, die Stimmung kann nicht tiefer sinken,
dann trifft es mich doch erneut
und ich bin entsetzt, über alle Maßen unerfreut,
kann mich gar nicht mehr einkriegen.
MARIO:
Beruhige dich doch.
Ich weiß die Situation ist schwierig, aber es liegen
noch nicht alle Erkenntnisse der Ermittlungen vor, noch
muss man nicht alle Hoffnung fahren lassen.
ANNETTE:
Nach sechs Wochen, seit ihrem Verschwinden,
kann ich beim besten willen nicht erfassen,
wo soll ich da noch Grund zur Hoffnung finden.
Zulange schon ist ihr Zimmer verwaist,
warten all die Spielsachen und Utensilien
auf ihre Rückkehr, ist die Atmosphäre wie vereist,
weil alles so starr und unberührt liegt. Fossilien
würden aus diesen Gegenständen, ließe man
sie auf ewig so liegen.
MARIO:
Dramatisiere nicht, es kann
nicht mehr lange dauern und wir verfügen
über neue Informationen der Mordkommission.
Endlos kann sie nicht andauern, diese Situation.
Irgendwann werden sie etwas ausfindig machen
und uns hierüber in Kenntnis setzen.
ANNETTE:
Darüber kann ich bald nur noch lachen,
auch wenn mir zum Heulen zumute ist. Verletzen
muss einen diese Vorgehensweise.
Einen so lange hängen zu lassen
und dabei ist noch kein Ende absehbar. Zu sagen, leise
Zweifel überkommen einen, wäre stark untertrieben, eher Massen
an Zweifeln überkommen einen. Wird sie wieder auftauchen
und in welcher Verfassung? Fraglich,
ob sie dann noch identifizierbar ist. Rauchen
sollten ihnen die Köpfe bei der Fahndungsarbeit. Möglich
dennoch, dass ihre Anstrengungen nie zu einem Erfolg führen.
Innerlich bin ich vorbereitet, auf diese Situation.
Wenn sie nie etwas aufspüren,
und auch keinerlei Intuition
weiter hilft, dann muss ich mich einstellen
auf die Tatsache: ich habe wohl nie einen Ort,
keinen freundlichen und hellen,
um dem Mord
an meiner Tochter zu gedenken,
einen Ort, an dem ich Blumen und Sträucher pflanze,
um meine Gedanken zu lenken
in die einsame Welt des Trauerns. Zu Radschlagen undzu Tanze
ist einem da natürlich nicht zumute,
mehr nach stillem in sich Kehren,
da kommt einem zugute,
wenn man es steuern kann, das innerliche Aufbegehren,
um nicht haltlos in seiner Trauer zu versinken.
Mir wird der letzte ehrliche Zustand ohne schminken,
ewig in Erinnerung bleiben,
man kann ihn beschreiben
als kindlichen Entwicklungszustand,
bedürftig der leitenden Hand.
Immer wieder sehe ich sie vor mir,
wie sie am Küchentisch sitzt und hier
und mit uns gemeinsam isst
oder ihre Hausaufgaben macht, auch du bist
sicher genauso gefangen in diesen Erinnerungen,
wird sie dir lebendig, in solchen Rückbeschauungen,
Ich weiß noch genau,
wenn ich es so beschau',
wie auf ihrem letzten Kindergeburtstag,
der in diesem Mai lag,
das Eierlaufen stattfand
und sie in ihrem Kleidchen da stand.
Mit welcher Grazie sie den Löffel hielt,
mit welcher Geschicklichkeit sie gespielt,
um das Spiel schlussendlich
zu gewinnen und dafür reichlich
den gebührenden Applaus einzustreichen.
Ihre Anmut in der Bewegung suchte ihresgleichen.
Der Ballettunterricht unterstützte diese Neigung.
Er förderte das Geschick durch zielgerichtete Weisung.
Die ganze Welt stand ihr offen.
Ihre Entwicklung gab Anlass Großes zu hoffen.
In der Schule gefiel sie durch Aufmerksamkeit,
schnelle Auffassungsgabe und Gelehrigkeit.
So ein junges, hoffnungsvolles und dabei unschuldiges Wesen
aus dem Leben zu reißen, daran werde ich nicht mehr genesen,
es verfolgt mich überall,
nachts und des Tages, in jedem Fall,
kann es über mich kommen
und dann brechen alle Dämme, genau genommen
bin ich dann völlig haltlos,
weil das, was geboren aus meinem Schoß,
vergangen, für immer.
Ich weiß nicht, wäre es schlimmer,
wenn uns dieses Schicksal
durch Krankheit oder Unfall ereilt hätte. Die Wahl
wollte ich nicht treffen. Ich hege keinen persönlichen Groll
gegen einen unbekannten Übeltäter, selbst wenn mein Wohl
durch seine Tat verloren ging,
keiner, der sich nicht in Ähnlichem verfing,
kann ermessen, wie der Verlust
eines leiblichen Kindes Frust
erzeugt im Gemüt des Betroffenen,
wie es lähmt und jeden Gedankenaustausch, jeden offenen,
völlig unterbindet
Schwer nachzuvollziehen, was so jemand empfindet,
wenn man es nicht erfuhr am eigenen Leib.
Ich als Weib
und Mutter eines Kindes, dessen Verbleib
zwar offiziell noch ungewiss ist,
das aber doch nicht mehr mit noch so großer polizeilicher List
lebend aufgefunden werden wird,
selbst wenn die geballte, beamtete Kraft ihm nachspürt.
Es leidet mein Körper mit jeder Faser,
gereizt ist er und in welchem Maß' er
es ist offenbart sich an den Zitterzuständen,
die sich zeigen, besonders an den Händen,
aber auch die Knie werden weich.
So ist mein Leben jetzt reich
an gesundheitlichen Komplikationen,
wie ich sie vorher nicht kannte. Impressionen,
auf die könnte ich auch verzichten.
So wie auf die Heulkrämpfe. Die verdichten
die körperliche Symptomatik noch weiter.
Alles andere als heiter
gestaltet sich ein solches Leben.
Würde ich doch selbst schon in anderen Sphären schweben,
so denke ich manchmal,
wenn sie mich peinigt, diese Qual,
wie sonst nie.
MARIO:
Warum nimmst du auch nicht die Beruhigungsmittel, wie sie
der Arzt dir aufgeschrieben hat.
Die machen einen zwar etwas matt,
aber sie helfen einem besser über die Tage
und sie verminderten sicher dein Geklage.
Glaubst du nicht?
ANNETTE:
Darauf bin ich nicht sehr erpicht.
Darunter war auch ein Antidepressivum
und ich belaste meinen Körper nicht mit einem Psychopharmakum.
Davon verspreche ich mir nichts.
MARIO:
So kann dir niemand helfen. Angesichts dieses Verzichts
frage ich mich, ob du dir überhaupt helfen lassen willst.
ANNETTE:
Wenn du deinen Hunger stillst,
achtest du auf der Lebensmittel Qualität,
des Händlers Seriosität
und die Güte seiner Waren,
würdest nicht am falschen Ende sparen,
und nun verlangst du von mir,
die ich angeschlagen bin wie ein taumelndes Tier,
dass ich mich beruhigen soll
mit Präparaten, die einem voll
den Geist betäuben und einen benebeln.
Die können einen genauso aushebeln
und man steht nicht besser da als vorher.
MARIO:
Ohne Wagnis ist es oft schwer,
an Spaß zu gewinnen,
wird einem der Erfolg in den Händen verrinnen.
ANNETTE:
Dennoch sage ich zu diesem Preis,
nein danke. Bei allem, was ich darüber weiß,
lehne ich die Einnahme dieser Medikamente ab,
auch wenn ich es dadurch nicht leichter hab'.
MARIO:
Nun gut, falls dir meine Umarmung
nicht den nötigen Trost spendet
und das Blatt wendet,
dann könnte dies vielleicht die Vereinigung
mit einer Seelenverwandten erreichen
und diese dein Herz positiv erweichen
und etwas mehr Lebensfreude einziehen lassen,
die, bei allem Respekt vor den Geschehnissen
und ohne dass die schönen Erinnerungen verblassen,
auch ihren Platz haben sollte und die muss man auch inständig vermissen,
wenn man ihr zulange abhold ist.
ANNETTE:
Ach so, aha, eine List.
Welche List hast du da ausgeheckt?
Wen hast du denn da im Sinn?
Du weißt, dass nicht viel dahintersteckt,
wenn Frauen sich umarmen und so hin
und wieder Körperkontakt pflegen.
MARIO:
Da würde ich auch keinen Argwohn hegen.
Ich dachte da konkret an Jasmin.
Die sucht deine körperliche Nähe
und sie zieh'n
ganz offensichtlich, falls ich das richtig sehe,
vehemente Kräfte zu dir hin.
ANNETTE:
Und du meinst, es wäre für mich ein Gewinn,
mit ihr stärker in Kontakt zu treten.
MARIO:
Ja, ich denke schon. Sie kommt oft ungebeten,
und lässt fast keine Gelegenheit aus,
dich etwa zu streicheln oder dir die Hände zu drücken,
zeigt mehr Anteilnahme als das ganze Haus.
Sie scheint mir völlig zu entrücken,
sobald die Sprache auf Nadine kommt und ihr Verschwinden
kann sie bald noch weniger als wir verwinden.
ANNETTE:
Sie hatte zu Nadine ein sehr herzliches Verhältnis.
War ihr zugetan wie eine leibliche Verwandte.
Es ist für sie wider die Natur und ein großes Hemmnis,
dass ihr, wie sie es selber nannte,
die Empfängnis eines eigenen Kindes bislang verwehrt,
mangels eines geeigneten Partners im Leben.
MARIO:
Dass man mit dieser Figur nicht besonders begehrt,
muss nicht verwundern, wer nun mal eben
mehr auf die Zuführung von Kalorien achtet,
muss sich nicht wundern, wenn er in Liebesdingen schmachtet.
Stämmige Waden und üppige Figur
zeugen von erfreutem Gaumen nur.
ANNETTE:
Das ist mal wieder typisch Mann.
Wie mich das auf die Palme bringen kann.
Man kann den Wert eines Menschen doch
so auf die Äußerlichkeiten nicht reduzieren undnoch
mehr Äußerungen dieser Art,
und es prallen hier zwei Welten aufeinander, aber ganz hart.
MARIO:
Beruhige dich nur. Auch ich schätze ihr freundliches Wesen sehr
sowie auch ihre liebenswürdige Art und anderes mehr.
ANNETTE:
Aber es ist ja so gesehen kein Wunder,
zur Vermeidung von solchen Konflikten auch gesunder,
dass Jasmin sich an mich hält,
um ihr Bedürfnis zu befriedigen nach Zärtlichkeit,
denn auch sie hat in dieser Welt
ein Recht auf die Erfüllung dieser elementaren Bedürftigkeit.
Und ich erwidere ihre Näherungsversuche gern,
aus vollem Herzen. Es liegt mir fern,
sie von mir zu weisen.
Wir fahren auf benachbarten Gleisen,
solange sie mich braucht,
werde ich da sein, ohne dass die Zuneigung verraucht.
MARIO:
Ich will es dir auch gar nicht abspenstig machen.
Im Gegenteil wollte ich ja einen Ausbau der Beziehung anregen.
Ansonsten mische ich mich gar nicht in deine Sachen,
dies schien mir nur recht nah' gelegen.
AUSBALDOWERT
WOHNZIMMER VON MARIO UND ANNETTE
Mario alleine auf dem Sofa mit Hund.
MARIO:
Komm rauf auf's Sofa, Lumpi. Ja, du darfst jetzt.
Wichtig ist nur, dass du nicht wieder das Kissen zerfetzt.
Dein Temperament, das für deine Rasse charakteristisch,
geht manchmal mit dir durch, wenn du dich gar fetischistisch
auf eine Sache stürzt, gar nicht mehr ablässt davon,
dass man es dir nicht entreißen kann, ohne schon
einen Teil abzuschreiben, als irreparable Zerstörung.
Diesen Makel muss man in Kauf nehmen, will man an der Zuneigung
zu dir nicht irre werden. Aber das fällt uns nicht schwer,
denn dazu lieben wir dich alle viel zu sehr,
lieben deine kurzen Stummelbeine,
dein kurzes Fell, das ganz seidigfeine,
den kurzen Schwanz,
und deiner schwarzen Augen Glanz,
sind ganz vernarrt in deine Öhrchen, die spitzen
und der feuchten Zunge Flitzen
über unsere Hände und unser Gesicht.
Deine Munterkeit und dein sonniges Gemüt, du putziger Wicht,
erfreuen unser Herz
es entstünde uns ein gewaltiger Schmerz,
sollte dir etwas zustoßen,
allzu sehr haben wir bisher dein Dasein genossen,
wollten nie darauf verzichten.
Sollten wir etwa so vieles ohne deine Begleitung verrichten?
Es klingelt. Wer mag das sein?
Hör auf zu kläffen, Lumpi, das ist nicht fein.
(Mario geht, die Türe zu öffnen und kehrt mit Andreas zurück.)
Überraschend, dein Besuch, ich hatte dich nicht erwartet.
ANDREAS:
Nein, es tut mir leid, ich bin spontan von zu Hause gestartet,
denn mir liegt etwas am Herzen,
das ich mit jemandem besprechen wollt', ohne scherzen
und dafür du mir der Geeignete schienst.
Ich hoffe, du siehst es als Verdienst,
der geeignete Gesprächspartner zu sein.
MARIO:
Ja, mal sehen inwieweit ein Urteil, dasmein,
dir zu helfen vermag.
Worum dreht es sich denn, sag'.
ANDREAS:
Du erinnerst dich vielleicht an die neue Arbeitskollegin,
von der ich dir jüngst erzählt habe, es war auf dem Weg zur Firmahin,
am Donnerstag glaub' ich.
MARIO:
Ja, ich erinnere mich.
Du warst auf Anhieb von ihr recht angetan.
ANDREAS:
So ist es und ich habe einen Plan,
denn es sieht so aus, dass ich mich verguckt habe,
in diese Person und ich nicht als Unglücksrabe
und mit leeren Händen aus dieser Geschichte
herauskommen möchte.
Ich beabsichtige ihr einen Brief zu schicken,
zukommen zu lassen, da ich nicht allein mit Blicken
und durch den Austausch von Freundlichkeiten,
die mich zu der Angebeteten hinleiten,
mein Ziel für erreichbar halte. Ich möchte mich erklären, daher,
in diesem Brief und ihr, ohne allzu viel zu offenbaren, vorher,
damit darzulegen meiner Absichten Ernsthaftigkeit.
Nur über meine Geschicklichkeit
in der Formulierung hege ich gewisse Zweifel,
weshalb ich deinen Rat suche,
ohne dass ich damit meine Gaben verfluche.
Aber es ginge schon zu mit dem Teufel,
wenn uns beiden nicht etwas zu verfassen gelingen sollte,
mit dem ich ihr Herz heimholte.
MARIO:
Ich bewundere deinen Optimismus,
ich neige diesbezüglich mehr zu Pessimismus.
Überhaupt erscheint mir die Idee etwas altmodisch,
wer sagt dir, diese Braut sei nicht vielmehr lakonisch,
mehr veranlagt für kurz, schmerzlos und direkt,
die spontane Annäherung aus dem Affekt.
ANDREAS:
Nein, da verschätzt du dich.
Die Frau hat Sinn für Arten der Kommunikation, unfraglich
die sich auf wohlüberlegte, ausgefeilte Formulierungen stützen.
Es sollte also durchaus etwas nützen,
zu grübeln über einigen charmanten Wendungen,
um danach zu empfangen, die süßesten Verheißungen.
Ich habe hier schon etwas ausgearbeitet,
das lässt sich schon hören, aber es gehört noch etwas ausgeweitet.
MARIO:
Na, dann lasses mal hören,
aber ich könnte jetzt schon schwören,
dass es mir zu schwülstig ist.
Mal sehen, ob uns beide die Muse küsst.
ANDREAS:
Also pass auf,
es steht alles auf diesem Zettel drauf.
Hallo Jacqueline - sie heißt Jacqueline -
als unsere Wege sich erstmalig kreuzten, gab es einen großen Knall,
ich sah deine bezaubernde Erscheinung
und mein Herz war blitzartig gefesselt von einer Einschnürung,
die sich nicht mehr lösen wollte,
ich war ein Gefangener, in dessen Inneren ein Tornado tollte,
Der Duft deines Parfüms, den ich begierig inhalierte,
stieg mir zu Kopfe und er schürte
ein Feuer in mir, in dem ich innerlich verglühte,
brachte meine Körpersäfte zum Brodeln, dass es mich verbrühte.
Es kam ein Verlangen, körperlicher Art, in mir auf,
wie ich es bislang nicht kannte, zuhauf
durchliefen mich wohlige Schauer,
mein Atem wurde immer rauer,
ein leises Röcheln befiel mich,
ich meinte fast, ein asthmatischer Anfall ereignete sich.
Auch spürte ich neben meiner Sinne leichten Benebelung
eine aufkeimende massive Erregung.
Dies an einem speziellen Ort meines Körpers verspürt,
der besonders empfindlich auf derartige Reize reagiert,
leicht neigt zu wahrlich überschäumenden Resultaten,
doch davon zu erzählen, ist wohl im Moment nicht angeraten.
Mehr aber will ich erzählen von einerErscheinung wie deiner,
einer Erscheinung, ein Vergleich findet sich keiner,
die mich kaum weniger erfasste,
als der Brodem deines Parfüms,
der davor beinahe verblasste,
denn wie sich der Stoff deines Kostüms
um deine kurvigen Windungen aufregend spannte,
erforderte Kommentare, mehr als nur galante,
die dazu aber sicher angebracht waren.
Umso mehr zu deinen Haaren,
die sich in üppigem Fließen
herab zu den Hüften ließen,
Eine wellige Haarpracht,
bei der einem das Herz lacht.
Eine bei jeder Bewegung des Kopfes
mitschwingende Flut seidenweicher Fäden,
die auch gebändigt zur Form eines Zopfes
noch viel Liebreiz versprüht und siefaszinierenbestimmt jeden
durch eine Lichtbrechung, schillernd -
schillernd in Facetten des blonden Haartones,
was von den Lippen manchen Mannes Pfiffe, trillernd,
voller Bewunderung, erklingen lässt und obschon es
noch mannigfaltige andere Gründe zu
solchen Beifallsbekundungen gibt. Leicht undim Nu
könnte ich hier anführen,
was jeder kann erspüren,
der sich einmal begibt, in deine Nähe.
Betrachtet man nur einmal, wie jemand gehe,
so wird man hier, wie bei vielen anderen Sachen,
gewisse Eigenheiten ausmachen.
So auch in diesem Fall.
Wenn ich dich vorüber schreiten sehe
und den harten Hall
deiner Schuhe aus der Nähe,
auf dem Steinfußboden höre,
kann ich nicht umhin,
selbst wenn es das Gesamtbild zerstöre,
nur so macht es Sinn,
diesen Vorgang in seine Einzelteile zu zerlegen,
mit Genuss zu betrachten,
wie sich die Komponenten bewegen,
in Abläufen, geschmeidigen und sachten.
Wie die Hüfte hin und her schwingt, elastisch,
dass man sich wundert,
wie sie das so bewältigt, unermüdlich und phantastisch,
wenn es sein muss, in Jahren, bis an die hundert,
fast ohne Abnutzung und Verschleiß.
Desgleichen die Schenkel deiner Beine,
man siehe nur, wie sie bei dir aneinander reiben - heiß.
Ein Eindruck, der durch Strümpfe, hauchfeine,
die die Glieder samtig kleiden,
noch unterstützt wird und die das Zulaufen auf spitze,
auf schlanke Fesseln, an denen sich die Augen weiden,
noch betonen. Eine infernalische Hitze,
sie will in mir aufwallen beim Anblick
deines Gesäßes, denn diese formvollendet
wippenden Rundungen bestimmen das Geschick
eines jeden Liebhabers, der sich der weiblichen Gestalt zuwendet.
Da schaut ganz sicher niemand weg.
Das ist ein Effekt, dem entzieht sich keiner.
Da stört kein Gramm Speck,
alles folgt reiner -
reiner erotisierender Funktion,
ist pure Attraktion.
Eine Attraktion, der bin ich nun komplett verfallen,
aber verfallen bin ich nicht allein deinen Formen, den drallen,
so undallzu leicht
wäre es dann doch nicht,
denn es weicht
das rein Körperliche zurück, sehr dicht,
hinter die seelische Komponente.
Was würde das ganze Gerede über Äußerlichkeiten nützen,
könnte es sich nicht auf ein Fundament seelischer Verbundenheit stützen.
Es führte automatisch ins Renitente,
fände man nicht den richtigen Draht,
die zueinander übereinstimmende Schwingung.
Wäre ich also auf dem richtigen Pfad,
wenn ich meiner Neigung
zur Lobpreisung deiner Augen kristallklarer, blauer Farbe
und des sinnlichen vollen Mundes, vollendet geschwungen,
oder der schmückenden kleinen Narbe
auf deinem Kinn nachgeben würde und könnte mit Bekenntnissen abgerungen
also eine Einschmeich'lung erzielen
oder sollte ich nicht die vielen,
die möglichen Brücken bauen, die zu einem Einvernehmen, einem geistigen,
führen könnten, um einer denkbaren widerspenstigen,
oder gar ablehnenden Haltung mir gegenüber,
ohne dass ich denke, jemand könnte diese haben,
von vornherein das Wasser abzugraben.
So glaube ich, und rede gern darüber,
dass wir tatsächlich in der Einschätzung vieler Dinge
auf derselben Wellenlänge liegen
und selbst auf die Gefahr hin, dass ich ein weiteres Loblied singe,
wird hier auf jeden Fall die Übereinstimmung obsiegen.
Wenn ich nur daran denke
wie du im letzten Meeting den Produktmanager abgekanzelt hast
oder wie du Probleme, bei denen ich mir das Hirn verrenke,
mit spielerischer Leichtigkeit löst und alles passt,
als wäre es nie anders gewesen.
Oder neulich beim Feierabend, am Tresen,
saßen wir und ließen Revue passieren den vergangenen Tag.
Ich erinnere noch genau und mag
kaum des Tages gedenken,
so frustrierend, den konnte man sich schenken.
Da hast du mich wieder aufgebaut,
habe dir nur einmal in die Augen geschaut,
da war der Abend zumindest gerettet
und ich schien auf Rosen gebettet.
Dabei entspann sich eine ungezwungene Unterhaltung,
über dies und das, dienend als Lockerung
der beruflich bedingten Anspannung
und es offenbarte sich, dass,
ohne präzise zu sagen genau was
es eigentlich war,
tatsächlich eine gewisse Bandbreite
von Gemeinsamkeiten vorhanden war. Die stellten sich dar,
als beispielsweise, auf der einen Seite,
sportliche Aktivitäten, sowie andererseits Vorlieben
für bestimmte Filme, dies ergänzt mit Seitenhieben
auf verschiedene Werke der Weltliteratur.
So ergab sich noch ein ganzes Spektrum von Übereinstimmungen
auf verschiedenen Feldern, die nicht nur
und in ihrer Kombination als gelungen
angesehen werden konnten, sondern die auch
und in der Güte überzeugend waren,
so dass man, auch heraus aus dem Bauch,
zu einer Überzeugung, einer klaren
kommen musste,
die in einem festen Fundament fußte,
dass wir zwei zusammengehörten,
wir uns, so hoffe ich, gegenseitig betörten.
Deshalb wünsche ich mir nichts so sehr
wie einen Ausbau unser Beziehung oder vielmehr,
einen richtigen Einstieg in eine wechselseitige,
eine enge Beziehung zu dir, ein Verhältnis - ein partnerschaftliches,
eine gute Partnerschaft, eine abwechslungsreiche und vielseitige,
die ein Miteinander begründete - ein liebevolles, einfreundschaftliches.
Das und vordringlich nur das jedenfalls
wäre mein Wunsch und meine Zielvorstellung.
Fände diese mehr als
nur deine Zustimmung,
stieße dies richtiggehend auf Gegenliebe
und es bedeutete dir mehr als nur das Ausleben deiner Triebe,
dann sollten wir uns darüber austauschen,
bei einem gemeinsamen Essen darüber plauschen
und dabei näher zueinander finden,
feststellen, ob wir uns binden -
binden sollen und wollen,
und ich würde, verfiele dabei nicht in Schmollen,
selbstverständlich deine Ansichten anerkennen
und gebührend respektieren.