Wo wir stehen - Ludwig Adamovich - E-Book

Wo wir stehen E-Book

Ludwig Adamovich

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Beschreibung

Die Zivilgesellschaft scheint von allen Seiten bedroht und unsere Demokratie gefährdet. Populistische und nationalistische Strömungen spalten die Gesellschaft. Die Coronakrise hat unsere persönliche Freiheit in einer Art eingeschränkt, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr geschehen ist. Migration, Misstrauen gegenüber etablierten Institutionen und eine nahende wirtschaftliche Krise verunsichern die Menschen. Die Europäische Union muss nicht erst seit dem Brexit gegen ihren Zerfall kämpfen. Wo stehen wir heute? Wie groß sind diese Gefahren wirklich? Und was müssen wir tun, wenn wir unseren Frieden und Wohlstand gegenüber den Demagogen von Nationalismus, Populismus und Extremismus behaupten wollen? Ludwig Adamovich, langjähriger Präsident des Verfassungsgerichtshofs und Grand Seigneur der Republik Österreich, kennt die Politik und Geschichte des Landes von seinen Anfängen bis in die Gegenwart. Leicht ist es nicht, lautet seine Antwort. Aber leicht war es nie. Und was uns schon einmal gelungen ist, können wir erneut schaffen.

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Ludwig Adamovich:Wo wir stehen

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 edition a, Wienwww.edition-a.at

Cover: Isabella StarowiczSatz: Sophia Stemshorn

ISBN gedruckte Ausgabe 978-3-99001-456-1

ISBN E-Book 978-3-99001-457-8

E-Book-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhalt

Was ist Österreich?Vorwort

Wie gefährdet ist unsere Demokratie?

Wie gefährdet ist die EU?

Mut zur Utopie

Verantwortung und die Macht des Gewissens

Ein Blick nach vorneEpilog

WAS IST ÖSTERREICH?

Österreich ist meine Heimat.

Als man im April 1945 das Wort »Österreich« wieder in den Mund nehmen durfte, war ich überglücklich. Ich war in einer Familie aufgewachsen, aus deren Wortschatz Österreich nie verschwunden war.

Österreich stand zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des mit 15.05.1955 datierten Staatsvertrages unter der Souveränität der vier Besatzungsmächte. Erst an diesem Tag konnte Außenminister Leopold Figl vom Balkon des Belvedere aus verkünden:

»Österreich ist frei.«

Mit der Bestellung des Babenbergers Luitpold zum Markgrafen im Jahr 976 beginnt die Geschichte Österreichs, damals noch weit von einem selbstständigen Staatswesen entfernt. Die Erhebung der Babenberger Mark zum Herzogtum im Jahr 1156 war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Nach dem Erlöschen des Babenbergerischen Mannesstammes belehnte der nach langen Auseinandersetzungen 1291 zum römisch-deutschen Kaiser gewählte Rudolf von Habsburg seine Söhne mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark. Damit wurde ein Herrschergeschlecht eingesetzt, das bis zum Oktober 1918 in Österreich regieren sollte.

Ein Kaisertum Österreich gab es allerdings erst, nachdem 1804 der römisch-deutsche Kaiser Franz I. auf dieses Amt verzichtet hatte. Wie viele andere war dies die Folge der zunehmenden Expansion der Macht von Napoleon. Dieser wurde zwar besiegt, und der Wiener Kongress 1815 verfolgte das Ziel, die alte Ordnung wiederherzustellen. Österreich wurde zur Präsidialmacht des Deutschen Bundes, der ein Staatenbund, aber kein Staat war.

Doch die alte Ordnung hatte bereits vor Napoleon zu bröckeln begonnen. Kaiser Josef II. stand für den aufgeklärten Absolutismus. Er setzte bedeutende, manchmal etwas unsensible Reformen und legte sich mit der mächtigen katholischen Kirche an. Dafür wurden die anderen christlichen Kirchen gefördert, die Juden nahezu gleichgestellt. Im Strafrecht und im Privatrecht gab es wegweisende Reformen. Demokratie war allerdings des Kaisers Sache nicht. Regiert wurde für das Volk, nicht durch das Volk.

Das »Metternich’sche« System war bestrebt, das Prinzip der Restauration konsequent zu realisieren. Bis zum Jahr 1848 ist dies auch im Großen und Ganzen gelungen. Allerdings erhoben oppositionelle Kräfte deutlich ihr Haupt. Führend war dabei die deutsche Studentenschaft. Dies ist festzuhalten, weil es in der weiteren Entwicklung eine wesentliche Rolle spielen wird.

Die Explosion fand im Jahr 1848 statt. Nicht nur im deutschen Raum, sondern vor allem auch in Frankreich und Italien. Zu mächtig war der Ruf nach einem deutschen Reich mit einer entsprechenden Zentralgewalt. Das Unternehmen scheiterte aus zwei Gründen. Zum einen waren die ausschließlich deutschen Souveräne nicht bereit, sich mit Österreich, einem Vielvölkerstaat, auf der gleichen Ebene zusammenzuschließen. Zum anderen lehnte der König von Preußen es entschieden ab, sich von einer parlamentarischen Versammlung zum Kaiser wählen zu lassen.

In Österreich gewann die »konstitutionelle Bewegung« vorerst an Boden. Es sah fast so aus, als hätte man »nachhaltige« legislative Maßnahmen getroffen. Das Bild änderte sich mit dem Thronverzicht des Kaisers Ferdinand I. und dem Antreten des jungen Kaisers Franz Joseph I. Es begann eine Epoche des »Neoabsolutismus«, doch konnte man von einzelnen Positionen nicht mehr zurück, insbesondere nicht vom Gleichheitsgrundsatz.

1859 trat das Kaisertum Österreich in eine kriegerische Auseinandersetzung ein, insbesondere mit Napoleon III. Die unterschwellig schon in der Zwischenzeit tätig gewesenen liberalen Kräfte konnten nun nicht mehr aufgehalten werden. Der Kaiser war gezwungen, legislative Konzessionen zu machen. 1866 kam es allerdings wieder zu einem Krieg, diesmal mit Preußen, der prompt verloren ging. Es blieb nun nichts Anderes übrig, als einen Kompromiss mit den liberalen und demokratischen Kräften herbeizuführen. Das Resultat war der österreichischungarische Ausgleich von 1867, zugleich mit fünf Staatsgrundgesetzen. Damit war wenigstens vorläufig Ruhe mit dem unangenehmsten Partner hergestellt und in Gestalt der »Dezember-Verfassung« von 1867 eine konstitutionelle Monarchie mit der für diese Staatsform typischen Gewaltenteilung geschaffen worden.

Die Bedeutung dieser Dezember-Verfassung kann nicht überschätzt werden. Eines der fünf Staatsgrundgesetze, nämlich das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, bildet heute noch einen Bestandteil der österreichischen Verfassung. Aber auch viele andere noch bestehende Institutionen haben ihre Wurzeln in der Dezember-Verfassung. Sie hatte einen liberalen Grundton und war im Zusammenhalt mit weiteren, damals erlassenen Gesetzen deutlich antiklerikal, was zu heftigen Konflikten führte. Einzelne der in diesem Sinn erlassenen Gesetze sind heute noch in Kraft.

Nach der Erlassung der Dezember-Verfassung 1867 begann Schritt für Schritt auch die Entwicklung eines Parteiwesens in Österreich, parallel dazu entwickelte sich das Wahlrecht bis zum allgemeinen gleichen Wahlrecht im Jahr 1907. Es gab – vereinfacht ausgedrückt – drei Gruppierungen: die konservative, die sich mehr und mehr mit der christlich-sozialen verband, die sozialdemokratische und die deutsch-nationale. Man würde es sich zu einfach machen, wenn man heute bestehende politische Parteien als Nachfolger der erwähnten Gruppierungen bezeichnen wollte, obwohl dies für die sozialdemokratische Partei sicher noch am ehesten zutrifft.

Ein besonderes Problem stellte die deutsch-nationale Bewegung dar. Man kann sie nur verstehen, wenn man die vorhin dargestellte historische Entwicklung in Betracht zieht und die gescheiterten Bemühungen um ein einheitliches deutsches Reich beachtet. Der Krieg zwischen Österreich und Preußen von 1866 verschärfte die Gegensätze. Es gab deutsch-nationale Bewegungen, die durchaus treu gegenüber den Habsburgern waren, und solche, die ihr Heil ausschließlich in den Hohenzollern erblickten, die Preußen regierten. Zu ihren Parteigängern zählte auch Georg Schönerer, einer der ideologischen Väter Adolf Hitlers.

In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war Österreich und vor allem Wien ein kulturelles Zentrum sondergleichen. Namen wie Gustav Mahler, Sigmund Freud, Gustav Klimt, Egon Schiele, Hugo von Hofmannsthal, Ludwig Wittgenstein, Arthur Schnitzler sind hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu nennen. In ihrem Wirken spiegeln sich allerdings auch damals verbreitete und zu einem gewissen Grad noch heute bestehende unerfreuliche Tendenzen wie insbesondere der Antisemitismus.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges traten alle Spannungen klar zutage, die schon vorher zu sehen gewesen waren, in ideologischer und nationaler Hinsicht. Die deutsch-nationale Bewegung, die schließlich in den Nationalsozialismus mündete, kann man nicht verstehen ohne die oben andeutungsweise dargestellte Vorgeschichte. Dabei spielt der Ausdruck »Reich« eine nicht unwichtige Rolle. Mit Beschluss vom 30.10.1918 erklärte sich die Republik Österreich zu einem Teil des Deutschen Reiches.

Zwar deklarierte die österreichische Bundesverfassung vom 01.10.1920:

»Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.« Aber von einer einheitlichen Vorstellung von den dieses Staatswesen tragenden Ideen konnte nicht die Rede sein. Insbesondere die Demokratie war nicht so solide verankert, dass sie gegenläufigen Strömungen standgehalten hätte. Darüber wird noch zu reden sein.

Die politische Landschaft von heute ist nicht die von 1920. Vor allem ist in Gestalt der Grünen eine neue und von neuen Ideen getragene Bewegung auf den Plan getreten. Das »Liberale Forum« versuchte, eine echte liberale Partei zu sein, ist aber nach anfänglichen Erfolgen auf Dauer gescheitert, obwohl es zeitweise eine recht gute Figur gemacht hat. An seine Stelle ist die politische Partei NEOS getreten, die zwar keine überwältigenden Erfolge zu verzeichnen hat, aber immerhin in vielen Vertretungskörpern, so auch im Nationalrat, ihre Sitze hat. Die stärkste politische Partei (ÖVP-Kurz) kann man nur mit einigen Abstrichen mit der seinerzeitigen christlich-sozialen Partei vergleichen. Am ehesten gleicht die heute sozialdemokratische Partei ihrer Vorgängerbewegung. Die nationale Bewegung ist derzeit gespalten und die Zukunft wird zeigen, welche Linien sich hier entwickeln. Insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis der Wiener Gemeinderatswahl im Oktober 2020.

Es gibt neuartige Bewegungen, die für eine radikale Durchführung der Demokratie in allen Lebensbereichen, meist auch für andere Ziele wie den Umweltschutz, eintreten und eine Art von außerparlamentarischer Opposition entwickeln. In ihren radikalsten Ausprägungen sind sie nicht weit von Anarchismus entfernt.

Die »Zivilgesellschaft« spielt eine große Rolle im öffentlichen Diskurs. Was immer man darunter verstehen will: Sicher ist, dass es sich um nicht in Form politischer Parteien organisierte Bewegungen handelt, die sich deutlich vom Staat absetzen und in der Regel im Interesse konkreter Themen staatliches Handeln kritisieren. Der Ausdruck »Zivilgesellschaft« ist nicht gesetzlich geschützt und soll es nach dem Selbstverständnis der »Mitglieder« auch nicht sein. Das hat zur Folge, dass jede Gruppe, welche Zusammensetzung und Zielsetzung auch immer, sich selbst zur »Zivilgesellschaft« ernennen kann und von dieser Möglichkeit auch reichlich Gebrauch macht.

So in etwa sieht die politische Landschaft der österreichischen Gegenwart aus. Doch mit welchen Herausforderungen sieht sie sich konfrontiert?

Die Versprechen von Wohlstand und Friede scheinen nicht mehr selbstverständlich zu sein. Politische Turbulenzen auf der ganzen Welt gefährden Werte, die wir für unantastbar und selbstverständlich hielten.

Nicht zuletzt suchen die Menschen heute mehr denn je Halt in einer Gesellschaft, die sich vor ihren Augen radikal zu wandeln scheint. Morgen schon könnte nichts mehr so sein, wie sie es heute noch kannten – so zumindest scheinen viele Bürger zu empfinden. Die katholische Kirche, für lange Zeit spiritueller Anker und Ort der Sicherheit, ist in Flügelkämpfe verwickelt und verliert an Glaubwürdigkeit. Doch nach wie vor suchen Menschen nach Transzendenz und Spiritualität. Wohin wenden sie sich jetzt? Was füllt das Vakuum, das die Kirche hinterlässt?

In den nächsten Kapiteln werde ich die drängendsten Fragen der Gegenwart vor dem Spiegel österreichischer Geschichte und Politik analysieren und Vorschläge vorbringen, wie wir ihnen begegnen können. Diese Kapitel werden ein Bild davon zeichnen, wo wir heute stehen.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden uns dabei immer wieder begegnen.

Eines möchte ich hier schon vorausschicken: Was wir vor allem brauchen, ist Mut. Mut, kritisch über unsere Situation nachzudenken, Mut zur Veränderung. Und Mut, Utopien zu entwerfen. Daher ist das dritte Kapitel dieses Buches auch einer Utopie gewidmet, wie die Welt von morgen aussehen könnte, um mit all den globalen Problemen, die auf uns zukommen, fertig zu werden.

WIE GEFÄHRDET IST UNSERE DEMOKRATIE?

WARUM DEMOKRATIE ENTSTAND

Die erste Demokratie wurde von den Griechen im Stadtstaat Athen vor über zweitausend Jahren etabliert. Obwohl sie sich sehr stark von unserer heutigen, modernen Demokratie unterscheidet, war das Grundprinzip dasselbe: Die Macht ging vom athenischen Volk (dem »demos«) aus, freilich unter Ausschluss der Frauen und Sklaven. Besonders spannend wir es, wenn wir uns vor Augen führen, warum die alten Griechen überhaupt die Demokratie als Staatsform wählten. Sie taten das nicht, weil sie bereits wohlhabend und fortschrittlich waren. Ganz im Gegenteil. Demokratie war ihre Antwort auf die größte Krise ihrer Zeit.

Um 600 vor Christus befand sich Athen am Rande des Abgrunds. Misswirtschaft führte dazu, dass ein Großteil der Bauern in Schuldknechtschaft geriet. Sie produzierten nicht mehr genügend für die Adeligen, deren Felder sie benutzten. In der Folge mussten sie mit ihrer Freiheit bezahlen und wurden mehr oder weniger in die Sklaverei gezwungen. Die soziale Spannung wurde immer größer, das System drohte zu kippen. Das bemerkten auch die einflussreichen Athener. Daher beschlossen sie, den antiken Denker Solon, der großes Ansehen genoss, mit einem Umbau ihrer Staatsform zu beauftragen. Solon machte sich sofort ans Werk. Er erließ allen Bauern ihre Schulden und begrenzte den Besitz von Grund, damit ein Machtgleichgewicht gewahrt wurde. Er arbeitete eine erste Verfassung aus, also schriftliche Gesetze, die für jeden Athener einsehbar waren und die eine gemeinsame Gesetzesgrundlage boten. Nun konnte sich jeder Bürger auf die gleichen Gesetze berufen, was für eine gerechte Ausgangsposition sorgte. Seine größte Leistung war allerdings die Einführung der Demokratie. Die Idee war simpel. Wenn alle Bürger für Athen verantwortlich waren, so dachte Solon, würde niemand nur in eigenem Interesse handeln. Jeder bekam einen Teil der Verantwortung, niemand bekam die ganze. Athen war im gesamten Mittelmeerraum mit diesen Veränderungen absoluter Vorreiter. Und sie zahlten sich aus. Es begann der Aufstieg zu der dominierenden politischen Macht der damaligen Zeit. Zunächst besiegten die Athener das Heer der Perser, das damals mächtigste Volk der Welt. Danach begann für Jahrzehnte eine Zeit des Friedens, in der Athen zu dem Vorbild für Kunst und Kultur wurde, wie wir es heute kennen.

Was das mit der österreichischen Demokratie zu tun hat? Auch in Österreich, wie in vielen anderen Ländern Europas, war die Demokratie die Antwort auf eine große Krise. Es brauchte zwei Weltkriege, bis sie sich in ihrer heutigen Form etablieren konnte. Doch die Anstrengungen schienen sich auszuzahlen. Lange sah es danach aus, als wäre die Demokratie die Antwort auf alle unserer Probleme.

Es ist erwiesen, dass Demokratien miteinander kaum Krieg führen. Das gilt selbst für die USA, die mächtigste Demokratie der Welt. Zwar hat sie im 20. Jahrhundert zahlreiche Kriege geführt, aber nie gegen eine andere Demokratie. Demokratie scheint ein gutes Mittel zu sein, um Frieden zu gewährleisten. Auch der wirtschaftliche Aufschwung, den wir in Europa und den USA erlebt haben, wurde von vielen Ökonomen auf die demokratischen Strukturen zurückgeführt. Wir müssen nur einen Blick auf die Weltkarte werfen: Überall, wo es zu humanitären Katastrophen und Kriegen kommt, etwa in afrikanischen Staaten oder im Nahen Osten, ist die Demokratie nicht besonders stark ausgeprägt.

DEMOKRATIE ALS ALLHEILMITTEL?

Die Vorteile der Demokratie scheinen überwältigend. Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama ging in den 1990er-Jahren sogar so weit, in seinem Buch »Das Ende der Geschichte« den Sieg der Demokratie auszurufen. Die Geschichte, so Fukuyama, habe gezeigt, dass die liberale Demokratie mit ihrem freien Markt allen anderen Staatsformen überlegen ist. Daher sei es nur eine Frage der Zeit, bis alle Staaten der Welt demokratisch werden würden.

Fukuyama schrieb dieses Buch, als der Kalte Krieg gerade zu Ende gegangen war. Die Sowjetunion war in der Auflösung begriffen, China noch nicht die Großmacht, die sie heute ist, und tatsächlich sah es so aus, als würde uns nichts als Frieden und Wohlstand bevorstehen.

Es war ein klarer Trend erkennbar. Während im Jahr 1990 nur 46 Prozent aller Staaten weltweit eine Demokratie waren, zählten nur zehn Jahre später, im Jahr 2000, bereits 63 Prozent zu den demokratischen Staaten. Ein sagenhafter Aufstieg. Doch es sollte nicht so weitergehen.