Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk - Nicola Bardola - E-Book

Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk E-Book

Nicola Bardola

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Beschreibung

Zu Besuch bei Wolfgang Hohlbein in Neuss: Der Vielschreiber spricht hochkonzentriert, schnell, meist leise und manchmal gepresst. Statt Pausen zu machen, wiederholt er hin und wieder einige Silben. Das ist die suggestive Sprache des früheren Vielrauchers und Dauer-Kaffeetrinkers. Im Gespräch herrscht eine intensive Arbeitsatmosphäre, auch abends beim Essen. Wolfgang Hohlbein ist ein Besessener: besessen von seinen Stoffen, von seinen Plots, von den kommenden Büchern, von den Plänen und Ideen, wie er noch spannender schreiben, wie er seine neuen Bücher noch wirkungsvoller inszenieren kann. Letztlich überlässt er aber die Einzelheiten des Marketings seinem Agenten Dieter Winkler und den Verlagen. Den Mittelpunkt von Wolfgang Hohlbeins Leben bildet das Schreiben selbst. Nächtelang schreiben. In die legendären Notizbücher, in deren Umschlägen er selbst die Titel mit einer Handsäge fräst. Oder an verschiedenen PC- und Laptop-Tastaturen. Oder mit elektronischen Stiften direkt auf flache Bildschirme oder auf digitale Schreib-Pads. Oder in Aufnahmegeräte diktieren, die seine gesprochenen Worte sofort in digitale Buchstaben umwandeln. Wolfgang Hohlbein ist stets auf dem neuesten Stand der Technik, wenn es um Schreibgeräte geht. "Die Apparate sind gar nicht so teuer", lacht er, "aber die Stifte. Da summieren sich die Kosten." Wenn Wolfgang Hohlbein eine digitale Phase hat, verbraucht er etwa alle drei Wochen einen Stift, der bei normalen Nutzern viele Jahre hält. In seinen meist dickleibigen Romanen malt er einzelne Szenen bis in die kleinsten Details aus. Wolfgang Hohlbein überträgt seine visuell geprägte Phantasie in Sprache. Was macht die Magie der Hohlbein-Universen aus? Ulrich Greiner von der ZEIT nannte Hohlbeins Texte "eine Kreuzung aus Michael Ende und Tolkien". Noch öfter wird Wolfgang Hohlbein mit Stephen King verglichen. Manchmal holt Wolfgang Hohlbein während unseres Gesprächs tief Luft. Wir sitzen am berühmten dunklen Holztisch im Wohnzimmer der Familie Hohlbein.

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Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Teil Eins: Vom Heftroman zum Schmöker

Gefühl des Weltenschaffens

Hamlet 2007

Schule des Heftchenschreibens

Der Possibilist

Die Entstehung von “Märchenmond”

Über das Erlaubte hinaus

Der Durchbruch

Wenig Reflexion, viel Handlung

Die Welt hinter den Träumen

Magischer Virus

Leserschichten

Heike Hohlbein

Auf einer Viertelseite

Schreibblockade

Scheitern in der Unendlichkeit

Der dunkle Teil der Seele

Teil Zwei: Motive von ANDERS bis WASP

Parallelwelten

Einleitungen

Dystopien

Gewalt

Vampirismus

Digitale Welten

Esoterik

Gut gegen Böse

Zeitreisen

Religion

Einzelmotive

Zwischen deutscher Romantik und Gothic Novel

Unerträgliche Aufdringlichkeit

Die schlimmstmögliche Wendung

Wenn das funktioniert …

Tiefpunkt “Infinity”

Teil Drei: Multiplikatoren und Adaptionen

Nachwuchsförderung und Preise

Musik, Comics, Serien, Spin-Offs, Internet und Merchandising

Holyhell

Soundtracks

Hörspiele

Sonderformen

Bearbeitungen

Archäologie

Kino

Rollenspiele

Comics

Internet

Schmuck

Teil Vier: Das Werk

Sieben Weltmeere

Magie und Wissenschaft

Krötenmemory am Trauernichttümpel

Zwischen Albtraum und Wirklichkeit

Im Strudel dämonischer Einflüsse

Elbenschwert und Runenschild

Das Schicksal der Welt

Prequel und Sequel

Todbringende Intrigen

End of the World

Übermenschliche Sinne

Bedrohtes Aventurien

Weibliche und männliche Helden

Verweigerte Amtshilfe

Space Opera

Quelle des Horrors

Feinde jenseits der Realität

Apokalypse-Thriller

Werke des Grauens

Nachwort

Impressum neobooks

Vorwort

Ein Wintertag in Neuss.

Wolfgang Hohlbein spricht hochkonzentriert, schnell, meist leise und manchmal gepresst. Statt Pausen zu machen, wiederholt er hin und wieder einige Silben. Das ist die suggestive Sprache des Vielrauchers und Dauer-Kaffeetrinkers. Im Gespräch herrscht eine intensive Arbeitsatmosphäre, auch abends beim Essen. Wolfgang Hohlbein ist ein Besessener: besessen von seinen Stoffen, von seinen Plots, von den kommenden Büchern, von den Plänen und Ideen, wie er noch spannender schreiben kann, wie er seine neuen Bücher noch wirkungsvoller inszenieren kann. Letztlich überlässt er aber die Einzelheiten des Marketings seinem Agenten Dieter Winkler und den Verlagen. Den Mittelpunkt von Wolfgang Hohlbeins Leben bildet das Schreiben selbst. Nächtelang schreiben. In die legendären Notizbücher, in deren Umschlägen er selbst die Titel mit einer Handsäge fräst. Oder an verschiedenen PC- und Laptop-Tastaturen. Oder mit elektronischen Stiften direkt auf flache Bildschirme oder auf digitale Schreib-Pads. Oder in Aufnahmegeräte diktieren, die seine gesprochenen Worte sofort in digitale Buchstaben umwandeln.

Wolfgang Hohlbein ist stets auf dem neuesten Stand der Technik, wenn es um Schreibgeräte geht. “Die Apparate sind gar nicht so teuer”, lacht er, “aber die Stifte. Da summieren sich die Kosten.” Wenn Wolfgang Hohlbein eine digitale Phase hat, verbraucht er etwa alle drei Wochen einen Stift, der bei normalen Nutzern viele Jahre hält.

Bis zu 30 Seiten in einer Nacht schreibt Wolfgang Hohlbein. Einen persönlichen Rekord hat er beim Verfassen von „anders“ aufgestellt, als er an einem Tag fast hundert druckreife Manuskriptseiten diktierte. Das hält zwar ein Computer aus, es hätte aber den Stift rasch erledigt. Wolfgang Hohlbein hat noch nie ein Manuskript abgegeben, das kürzer war als vereinbart. Meistens sind seine Romane länger. Und viele Leser sind süchtig danach. Wolfgang Hohlbein scheint selbst süchtig zu sein, seine Fans zu bedienen und sie niemals zu enttäuschen - was den Umfang betrifft.

In seinen dickleibigen Romanen malt er einzelne Szenen bis in die kleinsten Details aus. Wolfgang Hohlbein überträgt seine visuell geprägte Phantasie in Sprache. Es ist eine Art Übersetzungsarbeit: Aus Wolfgang Hohlbeins Emotionen und Gedanken wird Schrift. Viele der Leser sind begeistert davon, sich seine Geschichten anzuverwandeln. Aus Wolfgang Hohlbeins Texten werden wieder lebendige Phantasiewelten in den Köpfen seiner Leser.

Aber wie? Und warum bei Wolfgang Hohlbein mit so großem Erfolg? Was macht die Magie der Hohlbein-Universen aus?

Ulrich Greiner von der ZEIT nannte Hohlbeins Texte “eine Kreuzung aus Michael Ende und Tolkien”. Noch öfter wird Wolfgang Hohlbein mit Stephen King verglichen. Manchmal holt Wolfgang Hohlbein während unseres langen Gesprächs tief Luft. Wir sitzen am berühmten dunklen Holztisch im Wohnzimmer der Familie Hohlbein. Kaffee, Katzen, Kekse, Hunde. Ein riesiger Bildschirm flimmert stumm im Hintergrund. Kaum sind die Kaffeetassen leer, sorgt Heike Hohlbein für Nachschub. Später kommt ihre Tochter Rebecca hinzu, die auch Schriftstellerin ist. Hier in einem Reihenhaus in Neuss ist seit Jahrzehnten der Nährboden für Bestseller. Heike bleibt gerne im Hintergrund, aber sie ergänzt in wichtigen Augenblicken Wolfgangs Gedanken. Manchmal werfen sich die beiden die Bälle rasch zu. Manchmal fügt Dieter Winkler wichtige Aspekte aus seiner Sicht an. Und wenn Rebecca loslegt, ist kein Halten mehr. Gefühlvolle Erinnerungen aus der Kindheit, Ausreißgeschichten aus Teenagerjahren, Schreiberfahrungen im Duett mit dem Vater und solo. Lesungen zu dritt: Rebecca, Wolfgang und Dieter. Improvisationen. Eine erstaunliche Schöpferkraft ist an diesem Tisch vereint. In einem ausführlichen Interview wird die Grundlage für dieses Hohlbein-Porträt gelegt.

Was hat es auf sich mit Wolfgang Hohlbeins Leidenschaft für Kino, Motorräder oder Zinnsoldaten? Warum bastelt er in seiner knapp bemessenen Freizeit Burgen und Wehranlagen „en miniature“?

Und immer wieder stehen seine Bücher im Zentrum: Wie ist es möglich, dass er sich in so vielen Genres so erfolgreich ausdrücken kann? Er schreibt für Kinder, für Jugendliche und für Erwachsene. Nicht nur sein “Druidentor” war auf der Spiegel-Bestsellerliste. Aber warum hat Wolfgang Hohlbein in seinem Leben nur einen einzigen Krimi geschrieben? Was treibt diesen Mann im Innersten an, dem Lese- und Nachwuchsförderung so wichtig sind?

Wolfgang und Heike Hohlbein sind Kult. Ihnen sind moderne Klassiker der phantastischen Literatur gelungen. “Märchenmond” wird von Generation zu Generation tradiert und neu entdeckt. “Midgard” wird zu den schönsten Versionen der nordischen Sagenwelt gezählt und ist auch in die Edition “Junge Bibliothek” (Süddeutsche Zeitung) aufgenommen worden. Mit “Hagen von Tronje” - Wolfgang Hohlbeins persönlichem Lieblingsbuch - hat er bewiesen, dass er zu den bedeutenden Gegenwartsautoren historischer Romane gehört. Sogar die Hochkultur, die großen Feuilletons lobten Wolfgang Hohlbeins Neuinterpretation der Nibelungensage. Die Liste der Erfolge ist lang, beeindruckend und faszinierend.

Aber dieses Porträt zum 60. Geburtstag am 15. August 2013 ist nicht nur für Fans. Es betont auch Probleme und Schwächen in Hohlbeinbüchern und richtet sich auch an Eltern, Erzieher, Lehrer und an alle Leseförderer, die nicht bedenkenlos Hohlbein-Lesefutter empfehlen wollen. Mein nicht autorisiertes Porträt will Auskunft über Lebensgeschichten und Werke geben, die sich hinter der Marke ‚Hohlbein’, also hinter dem “Namen für das Unbegreifliche” (FAZ) verbergen.

Nicola Bardola, München im Juli 2013

Teil Eins: Vom Heftroman zum Schmöker

Wolfgang Hohlbeins Schreibkarriere begann lange vor der inzwischen schon berühmten Anekdote seiner Rastlosigkeit als Nachtwächter, denn er schrieb schon als Kind. Es handelte sich um kurze Geschichten, die er damals nicht sonderlich gut fand. Aber das schmälerte nicht seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden. Im Gegenteil: Wenn er mit einer Geschichte unzufrieden war, dann schrieb er sie um oder verfasste gleich die nächste. So wie andere Kinder Lokomotivführer werden wollten, so träumte der kleine Wolfgang davon, Autor zu werden. Die schöpferische Ader war also von Anfang an da. Ob sie sich in den Genen befand? Ob besondere Kindheitserlebnisse dazu geführt haben? Ob vielleicht gar die für ihre Schriftsteller bekannte Heimatstadt Weimar dazu beigetragen hat?

Wolfgang Hohlbein lacht und schüttelt den Kopf. Er war noch ein Baby, als seine Eltern mit ihm die DDR verließen. Stillstände und Rückschläge auf dem Weg zu “Märchenmond” gab es dann zahlreiche. Als er seine ersten Versuche im Kreis der Familie vorlas, kam das nicht sonderlich gut an. So ließ sich Wolfgang Hohlbein zeitweilig demotivieren. Aber seine Liebe für Bücher und sein Wunsch, irgendwann selbst welche zu schreiben, das alles blieb bestehen.

Manchmal begann Wolfgang Hohlbein heimlich an großen Projekten zu schreiben. Gemeinsam mit seinem Freund Dieter Winkler, der auch schon als Kind Schriftsteller werden wollte, plante er die Enwor-Saga. Aber umfangreichere Texte stellte er damals nie fertig. Es blieb bei kurzen Geschichten und der erste eigene Schmöker ein Wunschtraum.

Gefühl des Weltenschaffens

Die Ausbildung, das Privatleben, die Arbeit und die Familiengründung bremsten die Schreiblust. Aber da war eine Rastlosigkeit, die sich auf Dauer nicht verdrängen ließ. Wolfgang Hohlbein sehnte sich danach, seine Texte veröffentlicht zu sehen. Dabei ging es ihm gar nicht unbedingt um seinen Namen. Er wollte seine Geschichten aufschreiben und vervielfältigen, damit andere sie lesen und genießen können. Dass er damit ein wenig Geld verdienen konnte, war ein schöner Nebeneffekt.

Wolfgang Hohlbein hatte die Erfahrung gemacht, dass er schlagartig alles um sich herum vergessen konnte, wenn er zu schreiben begann. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er überall schreiben konnte, die Umgebung war ihm egal, das Gefühl des Schreibens hingegen ist ihm wichtig, das Gefühl des Weltenschaffens - am liebsten beschäftigt er sich gleich mit mehreren Welten gleichzeitig, weshalb er bis heute oft an verschiedenen Geschichten in unterschiedlichen Stadien parallel sitzt.

Auf diese Weise kam es zu seinen ersten veröffentlichten Erzählungen: „Frankenstein 3000“ und “Hamlet 2007". Es sind Science-Fiction-Storys und heute noch lesenswert. Erstlingswerke haben es an sich, dass sie in der Ungewissheit geschrieben werden, ob sie jemals zur Kenntnis einer breiten Öffentlichkeit gelangen. Dadurch ist der Autor beim Schreiben oft unbefangener und freier. Niemand macht Druck - weder terminlich noch inhaltlich. Egal, mit welchen Schriftstellern man sich beschäftigt: Ihre Debüts haben eine besondere Ausdruckskraft.

Die Karriere begann 1980, als Wolfgang Hohlbein seine ersten Texte der Versandbuchhandlung „Transgalaxis“ gab, die in ihren Katalogen gelegentlich Nachwuchsautoren die Chance bot, veröffentlicht zu werden. Frankenstein und Hamlet wurden gedruckt und das machte Mut.

Hamlet 2007

“Hamlet 2007" ist Wolfgang Hohlbeins erste veröffentlichte Kurzgeschichte aus dem Jahr 1980. (Sie ist nachzulesen u.a. in „Von Hexen und Drachen – Das große Wolfgang Hohlbein Buch“, Lübbe 2006.) Darin zog er eine Trennlinie zwischen Kunst und Kommerz und kritisierte unterschwellig „Sex and Crime“ als Erfolgsgaranten in der Medienindustrie, hier insbesondere im Theater. Aber selbstverständlich lässt sich die Kritik auch auf die Literatur ausdehnen.

Valerian mochte diese modernen Stücke nicht besonders, deren Handlung zu zwei Dritteln aus Gewalt und Sex bestand. Aber sie brachten die Zuschauer, und Harris war eine volle Kasse lieber als eine gute Aufführung.

Gewalt ist ein Thema in Wolfgang Hohlbeins Büchern, aber nicht Sex. Die Kritik, die der Autor in seiner ersten Geschichte formuliert, wird trotzdem heute oft von seinen Kritikern gegen ihn gerichtet.

Was für diese erste Short Story Wolfgang Hohlbeins gilt, lässt sich auch auf “Märchenmond” beziehen.

Heike und Wolfgang Hohlbein hatten beim Ausdenken und Schreiben von “Märchenmond” noch keine Ahnung, ob jemals ein Verlag ihre Geschichte veröffentlichen würde. Die beiden Schriftsteller in spe sind deshalb ganz bei sich. Keine Gedanken an Lektoren, an das Publikum und die gesamte damit verbundene Erwartungshaltung stören die eigene Kreativität.

Nach der Veröffentlichung von „Frankenstein 3000“ und “Hamlet 2007" entstanden neue Kontakte und Wolfgang Hohlbein schickte seine Texte den Verlegern von Heftromanen. Über Frankenstein urteilt Wolfgang Hohlbein heute: „Eine krude Geschichte, überhaupt nicht gut.“ Aber den Hamlet lässt er gelten.

Wolfgang Hohlbein schrieb viel und es entstanden zahlreiche Heftromane. Diese Tätigkeit setzte er auch noch nach Erscheinen von “Märchenmond” fort. Bücher haben eine längere Vorlaufzeit als Hefte. Schon im Märchenmondjahr sowie davor und danach wird die Produktion so groß, dass Wolfgang Hohlbein sich an die exakte Abfolge kaum noch erinnern kann. Aber das bedeutet ihm auch nicht so viel. Wichtig ist, dass er jede einzelne dieser Geschichten im Moment ihrer Entstehung intensiv durchlebt.

Schule des Heftchenschreibens

Bemerkenswert sind die formalen und stilistischen Differenzen zwischen Heft und Buch, wie Wolfgang Hohlbein sie definiert. Er spricht von “Action-Heftschreibe”. Diese Heftprosa könne man ohne groß nachzudenken rasch durchlesen. Sie erfordere kaum Konzentration, sei pure Ablenkung für die Zugfahrt oder die Badewanne und könne auch nach längeren Unterbrechungen wieder aufgenommen werden, ohne dass etwas Essenzielles fehle, bestehe das meiste doch ohnehin nur aus Action.

Das Heftchenschreiben habe etwas Unprätentiöses. Geradlinig wird die Story durcherzählt ohne viele Metaphern oder Landschaftsschilderungen. Die Action-Szenen selbst sind verhältnismäßig knapp und können nicht so weit ausgreifen wie in seinen späteren Romanen.

Wolfgang Hohlbein schrieb in jener Zeit Heftchen-Geschichten nahezu im Akkord. In zwei bis sechs Tagen schaffte er eine Story. Sie erschienen vielfach unter Pseudonymen, weil sich das verkaufsfördernd auswirkte.

Wolfgang Hohlbein veröffentlichte Fantasy-, Science-Fiction- oder Horrorheftchen unter Namen wie Robert Craven oder Martin Hollburg. Pro Story gab es damals 1200 Mark ohne Gewinnbeteiligung. Falls also sehr viel mehr von den Geschichten verkauft wurden als geplant, konnte der Autor nicht davon profitieren. Was heute Gegenstand jedes Autorenvertrages ist, nämlich die Festlegung von prozentualen Gewinnstaffeln für den Autor, gab es damals für den Schnellschreiber Wolfgang Hohlbein nicht. Je höher die Verkaufszahlen heute, desto größer die Gewinnbeteiligung für den Autor. Aber damals war Wolfgang Hohlbein mit der Situation zufrieden, auch wenn sich einzelne Storys von ihm mehr als 100.000 Mal verkauften. Es handelte sich um ein regelmäßiges Einkommen, das er dringend für sich und seine Familie brauchte - sowohl begleitend zu seinen Festanstellungen als Nachtwächter und bei einer Neusser Speditionsfirma als auch danach, als er den schweren Schritt in die Unabhängigkeit wagte.

Das Heftchenschreiben war eine harte Schule, die Wolfgang Hohlbein nie vergessen hat. Denn er hat auch von ihr profitiert. Die Storys mussten schnell entwickelt und schnell geschrieben werden. Texte mussten aus ihm heraussprudeln, so wie sie es heute immer noch tun, nur geschieht das jetzt unter sehr viel angenehmeren Bedingungen.

Der Possibilist

Als besonderes Heftchen-Beispiel sei “Der Hexer” genannt. Der Bastei Verlag wollte eine neue Grusel-Romanserie veröffentlichen. Als Wolfgang Hohlbein das geplante Titelbild mit dem Hexergesicht sah, bot er dem Verlag an, eine Probestory zu schreiben. Die geriet jedoch etwas komplexer als in Groschenromanen üblich. Sie lehnte sich an Howard Phillips Lovecraft an, weshalb Wolfgang Hohlbein dem Verlag empfahl, daraus keine Heft- sondern eine Taschenbuchserie zu machen.

Wie ein Refrain taucht Lovecraft in Hohlbeins Leben und Werk auf. Da gibt es vage biographische Parallelen: familiäre und schulische Schwierigkeiten, ungeliebte Jobs und die Erstveröffentlichungen in Zeitschriften. Da gibt es auch das problematische Verhältnis zur Gegenwart: Lovecraft hielt das 20. Jahrhundert für eine Zeit der Barbarei. Vor- und Rückwärtsgewandtheit prägen beide Autoren. Und vor allem erinnern Lovecrafts Versuche, die Genregrenzen auszudehnen, an Wolfgang Hohlbeins Experimente mit den verschiedenen literarischen Strömungen. Horror (Cosmic Horror, Supernatural Horror, Survival Horror), Phantastik, Science Fiction, Dys- und Utopien und zahllose fließende Übergänge zwischen allen Sorten von Mythen- Schauer- und Traumweltgeschichten. Wie kaum ein Autor vor ihm kultivierte Lovecraft die Furcht, die Angstlust und die Schrecken, die Fremdes und Unbekanntes auslösen. Gespeist von Alpträumen, von literarischen Vorbildern wie Edgar Allen Poe und von inspirierenden Schauplätzen wie Friedhöfen oder Ruinen entwickelt Lovecraft und in seiner Folge Hohlbein seine Werke.

Und es gibt noch eine Parallele zwischen Lovecraft und Hohlbein: Das große Netzwerk gleichgesinnter Autoren und der rege Austausch. So wie Lovecraft mit Robert Bloch („Psycho“) oder Robert E. Howard („Conan der Barbar“) korrespondierte, so hält Hohlbein Kontakt zu seinen Schülern und Kollegen wie Nina Blazon oder Bernhard Hennen.

Doch Anfang der 1980er Jahre war Wolfgang Hohlbein noch ein Unbekannter, und der Bastei Verlag hörte nicht auf ihn, blieb bei der Ansicht, „Der Hexer“ solle nicht in Buchform erscheinen, und verkaufte die Hefte gut, aber nicht so gut wie erwartet. Nach zwei Jahren wurde die Heft-Serie eingestellt, was Wolfgang Hohlbein sehr enttäuschte. Als aber dieselben Geschichten einige Jahre später als dreißigbändiger Taschenbuch-Zyklus erschienen, verkauften sie sich um ein Vielfaches besser. Daher glaubt Wolfgang Hohlbein, dass der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt für seine Texte wichtig ist.

Nach dem Hexer-Modell entstand auch der Drachen-Zyklus. Erst waren es Heftchen, dann wurden es Taschenbücher. Erfolgreich sind auch Sammelbände wie das bereits erwähnte “Das Große Wolfgang Hohlbein Buch”, in dem verstreute Frühschriften des Erfolgsschriftstellers vereint werden. Das Hohlbein-Werk ist also auch ein Lehrstück der Mehrfachverwertung. Dank neuer Printformen, dank neuer Umschläge werden neue Leser gewonnen. Und auch wenn es darum geht, Texte als E-Books oder via Handy zu verbreiten, ist Wolfgang Hohlbein heute an vorderster Front der deutschen Autoren, so wie der von ihm verehrte Autor Stephen King die Möglichkeiten in den USA oft als erster auslotet. Das mag mit der Affinität für zukunftsweisende Stoffe zu tun haben und mit der ständigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit allem, was möglich, aber noch nicht wirklich, noch nicht in der Realität umgesetzt ist.

Die Entstehung von “Märchenmond”

Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre bewegt sich Wolfgang Hohlbein in der Fantasy- und Science-Fiction-Szene. Er besucht - oft gemeinsam mit Dieter Winkler - Lesungen, trifft sich mit Gleichgesinnten, unterhält sich mit spezialisierten Buchhändlern, liest entsprechende Zeitschriften und Anthologien, durchforstet regelmäßig den Katalog von „Transgalaxis“ und anderen Publikationen und selbstverständlich verschlingt er weiterhin alle Neuerscheinungen seiner Lieblingsautoren. Manchmal gibt es Treffen von Science-Fiction-Fans in Köln, Düsseldorf oder Neuss. Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler erinnern sich lachend an verrauchte Hinterzimmer in Kneipen und an Privatwohnungen, wo sich die Szene traf, wo Privatdrucke oder im Selbstverlag veröffentlichte Texte ebenso zum Kauf angeboten wurden wie Bestseller aus Publikumsverlagen. Dort wurde öffentlich gelesen und diskutiert. Die Fantasten tauschten sich aus. Von der Literaturkritik wurden sie kaum ernst genommen, aber die Fanbasis war groß und heute sitzen die Leser von damals in Feuilletonredaktionen, weshalb ein neuer Stephen King – und manchmal auch ein neuer Hohlbein – dort vorgestellt werden.

In jenem Umfeld stößt Wolfgang Hohlbein 1982 auf eine Anzeige des Carl Ueberreuter Verlages. Das angekündigte Preisausschreiben verheißt nicht nur ein Honorar, sondern verspricht auch die Veröffentlichung der Geschichte als Hardcover. Das klingt verlockend für Wolfgang Hohlbein, der bis anhin nur Groschenheftchen veröffentlicht hat.

Er sitzt zwar gerade an einem sehr großen Projekt, das er sich schon vor Jahren mit Dieter Winkler ausgedacht hat, aber ob daraus wieder eine Heftchen-Serie werden soll oder endlich einmal richtige Bücher, das steht noch in den Sternen. Das Projekt trägt den Arbeitstitel “Enwor”, eine eigene Fantasy-Welt mit Science-Fiction-Elementen. Der Name soll an das Englische “End of the World” erinnern, ist eine Zusammenziehung der beiden Schlüsselworte.

Wolfgang Hohlbein erzählt seiner Frau vom Ueberreuter-Wettbewerb, die ohnehin mit der bisherigen Entwicklung nicht zufrieden ist. “Warum schreibst du nicht einmal etwas richtig Schönes?” Heike Hohlbein vermisst in den Heft-Stories ihres Mannes Anmut, Poesie und Zauber. Sie liest ungern Action- und Gewaltszenen, zieht Fantasy vor. Entsprechend missmutig ist Wolfgang Hohlbein, der gerne für sein nächtliches Schaffen auch etwas Anerkennung von seiner Frau bekommen möchte. Schließlich schuftet er wie kaum ein anderer seiner Freunde in Neuss: Damals haben die Hohlbeins zwei kleine Kinder und leben in einer 70-Quadratmeter-Wohnung. Schreiben kann der angehende Bestseller-Autor nur nachts, wenn die Kinder schlafen. Diesen Rhythmus hat er bis heute beibehalten. Ungestört von Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten entfalten sich nachts die abenteuerlichen Welten am besten. Das Telefon klingelt nicht. Draußen ist es still und dunkel. Keinerlei Ablenkungen locken. Nur die Geschichte wartet darauf, erzählt zu werden. Und die Dämonen blicken über die Schulter.

Wolfgang Hohlbein liebt seine Frau - damals wie heute. Und er hört auf sie. Da sagt sie das magische Wort: “Märchenmond”.

Das Wort steht im Raum und wird die ganze Familie Hohlbein - und unzählige Leser - fortan begleiten.

Es ist ein romantisches Wort: “Märchenmond”. Es ist melodiös und enthält jene M-Alliteration, die eine magische Anziehungskraft auf viele Menschen ausübt, die es hören. Es vereint die Welt der Gebrüder Grimm und anderer Schöpfer unsterblicher Sagen und Legenden mit dem strahlenden Gestirn über uns, das am nächtlichen Himmel immer in Bewegung ist und dabei zu- und abnimmt, Ebbe und Flut bestimmt und manchmal unerreichbar fern, manchmal erschreckend nah erscheint.

Der Mond, dieser Märchenmond führt auch den Science-Fiction-Fan Wolfgang in Versuchung, der sich endlich vornimmt, nun auch intensiver auf die Gefühle seiner Helden einzugehen.

Über das Erlaubte hinaus

Zu Beginn der Entstehung von “Märchenmond” herrscht ein jahrelang schwelender Konflikt zwischen Heike und Wolfgang Hohlbein. Sie ist nicht angetan von seinen Gruselgeschichten und weigert sich oft, sie zu lesen. Das ist ein wenig verletzend für Wolfgang Hohlbein, der sich insgeheim schon als Berufsschriftsteller sieht. Aber wie soll er erfolgreich sein, wenn er nicht einmal seine eigene Frau begeistern kann? Das Preisausschreiben im Jahr 1982 von Ueberreuter ist die Initialzündung, etwas für Heike Hohlbeins Geschmack zu schreiben. Er will jetzt auch einmal ihre Lese-Bedürfnisse und -Sehnsüchte stillen. Der Arbeitstitel “Märchenmond” gefällt ihm allerdings zu Beginn ganz und gar nicht. “Klingt das nicht kitschig? Ist das nicht irgendwie scheußlich und dumm?“, fragt sich Wolfgang Hohlbein noch, als er gerade damit anfängt, sich an diesen Titel zu gewöhnen.

Weitere Vorgaben machte Heike Hohlbein zunächst nicht. Da war nur das magische Wort “Märchenmond” und die Erwartung an ihren Gatten, romantischer, verspielter, zauberhafter zu schreiben. Er nimmt die Aufgabe ernst und entwirft einen Plot, der mehr nach Michael Ende oder J.R.R. Tolkien klingt, weniger nach Stephen King oder H.P. Lovecraft. Er bespricht das mit seiner Frau, die es ansprechend findet und ihm weitere Empfehlungen gibt. Kapitel für Kapitel liest Wolfgang Hohlbein dann seiner Frau den “Märchenmond”-Text vor. Jedes Mal kommentiert sie die nun auch in ihren Ohren wohlklingende Prosa ihres Mannes und macht Verbesserungsvorschläge, vor allem wenn es um die gefühlvollen Aspekte geht.

Der Durchbruch

Wolfgang und Heike Hohlbein sitzen an ihrem antiken Wohnzimmertisch in Neuss und erinnern sich an die Geschichte, als hätte sie sich gestern ereignet. Drüben reitet eine Hexe vorbei, schweben Elfen, kleine Drachen tragen einen Beistelltisch, Ölgemälde von Tochter Rebecca zeigen die Wesen der Nacht, Katzen schleichen wie Zeitzeugen aus vergangenen Jahrhunderten vorbei, die Kaffeemaschine rasselt und ihr Klang hallt von der mittelalterlichen Ritterrüstung wider.

Es herrscht ein Halbdunkel im Wohnzimmer. Oben ist der Arbeitsraum, in dem nachts die einsamen Visionen Wolfgang Hohlbeins von einer Software in Text verwandelt werden. Die Technik erkennt die Stimme des Autors und überträgt sie Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe in die digitale Textverarbeitung.