Wyoming Trail - William Mark - E-Book

Wyoming Trail E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Ein eisiger Dezemberwind pfiff vom Arkansasufer herauf. Es war in den Vormittagsstunden. Grau und trübe lastete der Himmel über der Treibherdenstadt Dodge. Die breite Fronstreet war wie leergefegt. Hoch wirbelte die Windbö den Flugsand und trieb ihn mit einem scharfen Schmirgelgeräusch an den Hauswänden entlang. Der Winter hielt seinen Einzug in Kansas. Damit begann eine trübe, langweilige Zeit. »Und jetzt noch etwas Pomade ins Haar, Mister Earp, dann...« Der große Mann, der im Rasierstuhl gesessen hatte, richtete sich mit einem Ruck auf. »Pomade, um Himmels willen!« Er nahm sich den Papierstreifen aus dem Kragen seines blütenweißen Hemdes und fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes schwarzes Haar. Fred Harper, der kleine Barbier, blickte den Kunden an. Dann nahm er geschwind eine Kleiderbürste und fuhr damit über die schwarze Jacke des anderen. »Sie sollten aber etwas nehmen, Mister Earp...« »Was denn?« Der Mann blickte den Barbier aus seinen tiefblauen, von langen Wimpern beschatteten Augen forschend an. Er hatte ein hartes, kantiges, sehr männliches Gesicht von tiefbrauner Wetterfarbe. Links auf der schwarzen kurzen Jacke saß der silberne Stern des Marshals von Dodge. »Was soll ich denn noch? Ich habe mich voll und ganz gewaschen, und jetzt haben Sie mich wie immer rasiert.

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Wyatt Earp – 283 –

Wyoming Trail

William Mark

Ein eisiger Dezemberwind pfiff vom Arkansasufer herauf.

Es war in den Vormittagsstunden.

Grau und trübe lastete der Himmel über der Treibherdenstadt Dodge. Die breite Fronstreet war wie leergefegt. Hoch wirbelte die Windbö den Flugsand und trieb ihn mit einem scharfen Schmirgelgeräusch an den Hauswänden entlang.

Der Winter hielt seinen Einzug in Kansas. Damit begann eine trübe, langweilige Zeit.

Der froschäugige Barbier wedelte das frischrasierte Gesicht seines Kunden mit einem Handtuch trocken und meinte in seiner ein wenig aufdringlichen Beflissenheit:

»Und jetzt noch etwas Pomade ins Haar, Mister Earp, dann...«

Der große Mann, der im Rasierstuhl gesessen hatte, richtete sich mit einem Ruck auf. »Pomade, um Himmels willen!«

Er nahm sich den Papierstreifen aus dem Kragen seines blütenweißen Hemdes und fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes schwarzes Haar.

Fred Harper, der kleine Barbier, blickte den Kunden an. Dann nahm er geschwind eine Kleiderbürste und fuhr damit über die schwarze Jacke des anderen.

»Sie sollten aber etwas nehmen, Mister Earp...«

»Was denn?«

Der Mann blickte den Barbier aus seinen tiefblauen, von langen Wimpern beschatteten Augen forschend an. Er hatte ein hartes, kantiges, sehr männliches Gesicht von tiefbrauner Wetterfarbe. Links auf der schwarzen kurzen Jacke saß der silberne Stern des Marshals von Dodge.

»Was soll ich denn noch? Ich habe mich voll und ganz gewaschen, und jetzt haben Sie mich wie immer rasiert. Reicht das denn nicht?«

Der Barbier lächelte ölig.

»Für einen Cowpuncher oder einen Feldarbeiter reicht es allemal – nicht aber für den großen Wyatt Earp.«

Der Marshal zog ein Geldstück aus der Tasche. In seinen Augenwinkeln stand jetzt ein winziges Lächeln.

»Wissen Sie, Harper, das mit dem Großen, das können Sie sich sparen, dafür gibt uns beiden niemand was...«

»Trotzdem«, beharrte der Haarkünstler, »ein Mann, der etwas auf sich hält, benutzt eine Pomade oder ein Parfüm.«

Wyatt ging lachend zur Tür.

Da sagte der Barbier schnell: »Doc Holliday zum Beispiel nimmt...«

Der Marshal war schon draußen.

Plötzlich ging die Tür wieder auf, und sein Kopf lugte hinein.

»Was nimmt Doc Holliday?«

Harper grinste.

»Er ist ein echter Gentleman. Das sieht und riecht man ihm an. Er nimmt Eau de Cologne.«

»Aha. Und was ist das?«

»Ein Duftwasser.«

Der harte Hufschlag eines galoppierenden Pferdes drang über die Straße.

Wyatt blickte sich um.

Von Osten her preschte ein Pferd in die Frontstreet. Ein reiterloses, gesatteltes Pferd mit schwingenden Steigbügeln.

Mit drei weiten Sätzen war der Marshal auf der Straße, spreizte die Beine und breitete die Arme aus.

»Heah!«

Das Tier stutzte, stieg hoch, wollte einen Haken schlagen und so an dem Mann vorbeikommen.

Der aber sprang blitzschnell vor und hatte den Zügel in der Hand.

Der Gaul stieg wieder hoch, aber der Mann beruhigte ihn schnell.

Dann stand das Tier.

Wyatt sah es sofort: Auf der linken Seite des hellen Texassattels klebte Blut.

Frisches Blut.

Der Marshal führte das Tier an den Zügelholm vors Marshal-Office, schlang die Lederleinen um das Querholz und stürmte ins Office.

Ein kleiner, etwa zehnjähriger Junge mit fast bis in die Augen reichender Ponymähne blickte auf und plinkerte den Marshal an.

»He, Franky! Was tust du hier?«

»Ich habe auf Sie gewartet, Marshal«, feixte der Kleine und machte eine vergebliche Bemühung, das Haar aus dem Gesicht zu bekommen.

»Gewartet?«

»Yeah...« Der Junge hatte plötzlich kugelrunde Augen, als er sah, daß der Marshal eine Winchester aus dem Gewehrständer nahm, sie durchlud und zur Hoftür ging. »Ist was passiert?« Der Kleine hatte plötzlich ein flammendrotes Gesicht vor Aufregung.

»Passiert? Nein, ich weiß nicht...«

Wyatt war schon im Hof.

Als er den Falben aus der Box zog, hörte er hinter sich einen Plumps und fuhr herum.

Der kleine Franky Rood hatte den schweren Sattel vom Haken genommen und war damit umgefallen. Sofort sprang er wieder auf und schleppte das gewichtige Reitleder des Marshals vorwärts.

»Aber Franky, wie oft hab’ ich dir schon gesagt, daß du meinen schweren Sattel nicht heben sollst!«

»Sie haben es doch aber eilig?«

»Schon...«

Franky half. Er ließ sich einfach nicht wegschicken. Während er aus Leibeskräften an den Bauchgurten zerrte, meinte er keuchend:

»Ich werde später auch Marshal. Deputy-Marshal, bei Ihnen. Jawohl. Und nichts anderes. Und wenn Sie mal tot sind, dann werde ich Marshal von

Dodge.«

»Du hast wirklich eine erbauliche Art, von der Zukunft zu sprechen.«

»Nun ja, immer können Sie doch auch nicht leben. Eines Tages kommt doch irgendein Bandit und schießt Sie tot wie die andern auch.«

Wyatt sprang auf.

Franky riß das Stalltor auf.

»Aber ich werde bestimmt kein so großer und berühmter Marshal wie Sie, Mister Earp. So long and good luck!«

»So long!«

Inzwischen hatte Franky auch das Tor zur Straße aufgerissen. Man sah, daß er das alles sicher nicht zum erstenmal tat; die beiden waren tatsächlich aufeinander eingespielt.

Wyatt sprang vorm Office ab, nahm den Fuchs mit dem blutigen Sattel vom Querholm, ergriff seinen Zügel, stieg wieder auf den Falben und preschte davon.

Der Barbier blickte hinter dem davonstiebenden Pferdepaar drein.

»Ein Jammer!« knurrte er. »Jetzt war ich gerade dabei, einen neuen Parfümkunden zu gewinnen, und dann kommt das dazwischen. Aber bei dem Marshal kommt ja dauernd was dazwischen...«

*

Wyatt preschte die Straße hinunter aus der Stadt.

Als er die letzten Häuser schließlich hinter sich hatte, ließ er den Zügel des Fuchses frei.

Er hatte sich nicht getäuscht.

Das Pferd schoß vorwärts und führte ihn.

Es ging ostwärts, auf der Arkansasstraße entlang, die nach siebenundzwanzig Meilen wieder auf den Fluß stieß, der hier einen Bogen nach Süden machte.

Schon nach sechs Meilen verließ das Tier die Straße und bog nach Südosten ab.

Wyatt folgte ihm.

Und dann sah er von der Anhöhe eines Hügelkammes aus in einer Senke zu seiner größten Verwunderung einen Pferdetreck.

In gestrecktem Galopp hielt er darauf zu, überholte mit seinem pfeilschnellen Schwarzfalben bald den Fuchs und erreichte die Mulde.

Dann sah er den Mann.

Er war klein, hatte krumme Reiterbeine, trug abgeschabtes Lederzeug, einen breiten Coltgurt mit einem großen Revolver, hatte ein eckiges, verwegenes Gesicht und eine blutige Schramme quer über die rechte Wange. Seine gelblichen Augen unter graubraunen Brauen standen etwas zu weit auseinander. Unter dem mißfarbenen Filz blickte eine braune, strähnige Mähne hervor, die hinten bis auf das Halstuch herunterreichte.

Der Mann musterte den Marshal scharf.

Dann entdeckte er den Stern.

Er nahm die Hand sofort vom Coltkolben, wo er sie schon bereitliegen hatte, und sein verbissenes Gesicht hellte sich etwas auf.

Dann sah er den Fuchs.

Wyatt stieg ab.

»Hallo, Mister!«

Der Zwerg tippte an den zerfledderten Rand seines Hutes.

»Hallo, Marshal.«

Wyatt deutete mit dem Daumen über den Rücken auf den Fuchs.

»Er kam in die Stadt und hat mich hergeführt.«

Der Zwerg nickte und blickte den Marshal forschend an.

»Sie sind aber höllisch schnell.«

»Es hätte vielleicht nötig sein können.«

Der Cowboy rieb sich sein stoppeliges Kinn und brummte: »Ja, vielleicht.« Dann wandte er sich um und schritt mit steifen Reiterschritten um die unruhigen Pferde herum.

Auf der Rückseite des Trecks hielt er an.

Da lagen zwei Männer am Boden. Zwei Tote.

Der Cowboy deutete auf den einen. Während er den Hut abnahm, sagte er dumpf:

»Das ist Sterling Carter. Das heißt, das war er.«

Wyatt sah, daß es um den Mund des Cowboys zuckte.

»Er war erst siebzehn. Der Boß wollte ihn nicht mitreiten lassen, aber wir haben keine Leute. Da mußte er mit.«

»Und der andere?«

Der Kleine schob seine Hände hinten in den Waffengurt.

»Der hat mir die Schramme verpaßt. Ihn konnte ich stoppen.« Der Cowboy hob den Kopf und blickte nach Westen. »Liegt da hinten irgendwo Dodge?«

»Yeah.«

»Da muß er durchgeritten sein.«

Wyatt blickte den Cowboy scharf an.

»Der Mann, der Sterling erschossen hat?«

»Yeah.«

»Es waren also zwei?«

Der Cowboy nickte. Dann nahm er von einem der Pferde einen Spaten und begann, eine Grube in den harten Boden zu schaufeln.

Wyatt holte seinen Campspaten, der immer hinten an seinem Sattel hing und half.

Es war schwer, in die gefrorene Erde ein Loch zu schaufeln.

Nach einer Stunde lag der junge Carter in seinem Grab.

Die beiden Männer nahmen die Hüte ab und blickten auf den dunkelbraunen Erdhügel. Vom Arkansas herüber wehte ein eisiger Wind und strich den Männern durchs Haar.

Dann wandte sich der Cowboy um und blickte auf den Fuchs. Mit seltsam steifen, ungelenken Bewegungen nahm er den Sattel ab. Seine rotbraune Hand fuhr langsam über den Rücken des Tieres. Dann schleppte er den Sattel zu einem kleinen Planwagen.

Wyatt nahm den anderen Toten auf und legte ihn hinten auf den Wagen.

»Was soll das?« knurrte der Cowboy.

»Wir nehmen ihn mit.«

»Wohin?«

»In die Stadt.«

»Weshalb?«

»Lassen Sie das meine Sorge sein.«

Der Cowboy hatte die beiden Wagenpferde eingespannt.

»Das gibt jetzt eine verteufelte Sache. Ich kann nicht den Leithengst nehmen und den Wagen fahren.«

»Ich nehme den Hengst!«

Der Cowboy stemmte die Arme in die Hüften.

»Sie kennen ihn doch gar nicht.«

Ein überlegenes Lächeln flog über das Gesicht des Missouriers. Er schritt auf einen starken Rappen zu, der den Kopf hochwarf und heftig schnaubte. Wyatt streichelte seinen blanken Hals, seinen gewölbten, kurzen Kopf und legte dann die Hand über seine Nüstern.

Das Tier beruhigte sich.

Der Cowboy krächzte: »Well, Sie verstehen was von Pferden.«

Wyatt nahm den Zügel des Hengstes, stieg auf den Falben und trabte los.

Sofort setzte sich der Treck in Bewegung.

Mit ausdruckslosem Gesicht folgte der kleine Cowboy mit dem Wagen nach. Als sie die Straße erreichten, blickte er sich noch einmal um nach dem Grab.

Es war Mittag, als der Treck die Stadt erreichte.

Vor Osborns Mietstall hielt Wyatt an.

Der kleine Cowboy rutschte vom Kutschbock und kam nach vorn. Er blickte den Marshal an.

Der wies auf den Mietstall.

»Da können Sie die Tiere unterstellen.«

Der Cowboy riß verblüfft die Augen auf. »Unterstellen? He, was denken Sie, ich muß weiter!«

»Heute noch?«

»Jetzt!«

Wyatt blickte ihn prüfend an.

»Wo wollen Sie denn hin?«

»Ins River Basin.«

»Wo liegt denn das?«

»In Wyoming.« Er hatte es gesagt, als liege es hinter der nächsten Flußkrümmung.

Wyatt zog die Brauen zusammen.

»In Wyoming? Sie wollen mit den vierzig Pferden nach Wyoming?«

»Ich will? He! Ich muß!«

Der Cowboy rieb seine von der Kälte geröteten Finger und blickte sehnsüchtig auf die Fassade des Long Branch Saloons hinüber, hinter dessen Fenstern die Lichter brannten.

Der Marshal stieg ab.

»Wenn es so ist, Freund, dann kommt es auf einen Tag nicht an. Bringen Sie die Tiere in den Stall, und dann wärmen Sie sich drüben erst mal auf.«

Der Cowboy schüttelte den Kopf.

»Geht nicht.«

»Weshalb nicht?«

»Erstens hat der Boß verboten, unterwegs in den Saloons hängenzubleiben, und...«

»Von Hängenbleiben war ja auch nicht die Rede.«

»... und zweitens habe ich kein Geld.«

»Bringen Sie die Tiere rein und gehen Sie rüber. Ich werde den Drink bezahlen.«

Da endlich nickte der Mann und machte sich an die Arbeit.

Wyatt wartete, bis der Wagen auch im Hof war, und blickte den Toten dann noch einmal genau an.

Der grauhaarige Joe Osborn stand in Filzpantoffeln und einer dicken karierten Jacke neben ihm.

»Ein übles Gesicht.«

Wyatt nickte.

»Mir ist, als hätte ich es schon irgendwo gesehen.«

Niemand hatte den kleinen Franky bemerkt, der durch ein Astloch im Hoftor äugte.

Minuten später kam der Knirps in den Hof gestürmt. Er schwenkte ein Stück Papier in der Hand.

Wyatt lief ihm entgegen.

»Franky! Was willst du hier? Du hast hier absolut...«

»Hier, Mister Earp! Das ist er!« Der Bengel schob ihm das Blatt hin.

Es war ein uralter zerknitterter Steckbrief, der unverkennbar die Physiognomie des toten Banditen trug.

Wyatt blickte den Knirps mit gerunzelter Stirn an.

»Sag mal, was tust du eigentlich in meinen Schränken?«

»Aber...«

»Verschwinde. Sag Jim Flidd Bescheid, daß es hier einen Mann abzuholen gäbe!«

»All right!« Der Bengel huschte hinaus.

Wyatt steckte den Steckbrief ein.

»Well, ich wußte doch, daß ich sein Gesicht schon irgendwo gesehen hatte. Es ist Jeff Everett, ein Straßenräuber aus Oklahoma.«

Der Cowboy hatte die Wagenpferde ausgeschirrt und mit den Gehilfen des Stallbesitzers zusammen seinen ganzen Treck untergebracht. Als er jetzt das Tor zur Straße passierte und an dem dort bei Osborn stehenden Marshal vorbeistakste, blinzelte er ihm zu: »Nicht vergessen, Marshal.«

»Sicher nicht.«

Wyatt ging ins Office hinüber und schrieb einen kurzen Bericht.

*

Währenddessen betrat der kleine Cowboy Jas Kelly den Saloon. Er zwinkerte in den nur schwach beleuchteten vornehm ausgestatteten Raum, betrachtete die smaragdgrünen Tapeten, die goldenen Säulen, den gewaltigen Thekenspiegel, die grünen Spieltische und die schweren roten Portieren.

»Damned!« entfuhr es ihm. So einen eleganten Saloon hatte der Weidereiter in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.

Aber der große Raum war leer.

Fast leer.

An einem Tisch saß ein Mann. Er war gegen die Stuhllehne zurückgelehnt und legte mit seinen schlanken, gepflegten Händen die Karten vor sich auf den Tisch.

Jas starrte diesen Mann fasziniert an. He, war das ein Verrückter. Er legte die Karten langsam, fast feierlich nebeneinander, deckte sie dann mit anderen Karten zu und schob sie dann alle wieder zusammen.

Der Cowboy legte die Hände an die warmen Kacheln des großen Ofens und blickte den Mann am Spieltisch an.

Es war wie eine Show für ihn. Der elegante Saloon, die behagliche Wärme und das Gehabe des Fremden.

Er trug einen schwarzen Anzug, der sicherlich nach der neuesten Mode geschnitten war, ein blütenweißes Rüschenhemd und eine weinrote Krawatte aus Seide. Quer über seiner tiefgrünen mit schwarzen Stickereien besetzten Weste hing eine goldene Uhrkette.

Ein Spieler! dachte Jas. Ein richtiger Spieler. Aber einer von der vornehmen Sorte.

Daß es so was tatsächlich gab! Dem Cowboy war es unfaßbar.

Als er sich an die Stille des Raumes und dessen Eleganz gewöhnt hatte, der Mann drüben am Tisch immer noch die Karten auslegte und zusammenschob, war Jas dem Lachen nahe. Er nahm schon den Kopf zurück um loszubullern, als der Mann am Tisch plötzlich aufblickte.

Jas Kelly zuckte zusammen.

Haevens! Was für Augen waren das! Eisgrau und scharf. Der Cowboy fühlte ihren Blick bis ins Mark. Und selbst da verbreitete er noch eisige Kälte.

Welch ein Gesicht! Sehr schmal, sehr hart, sehr kantig und doch irgendwie gutaussehend. Unter der wohlgeformten Nase saß ein Schnurrbart, der sauber gestutzt war. Von der Nasenwurzel zogen sich die Brauen in einem diabolisch wirkenden Schnitt zu den Schläfenseiten. Hart, wie mit einem Messer in Eisenholz geschnitten, war dieses blaßbraune Gesicht. Das volle dunkle Haar war kurzgehalten, linksgescheitelt und zurückgekämmt.

Es war eine ganze Welt, die den texanischen Cowboy Jas Kelly da anblickte. Eine kalte Welt, voller Härte und Mitleidlosigkeit. Wie anders hatte der Mann noch ausgesehen, als er auf seine Karten geblickt hatte. Viel harmloser, sinnloser. In seinem Blick war etwas, das Jas Kelly kannte. Er hatte es in den Augen von Rick Harrington, von Bloomy Fadd und Tom McLeav gesehen; das waren Revolvermänner.

Dieser Mann aber konnte unmöglich ein Revolvermann sein.

Da trat der Salooner aus einem Nebenraum. Er blickte zu dem Spieler hinüber.

»Morning, Doc!«

»Morning.«

»Sie sind spät dran heute.«

»Yeah.«

»Das Wetter bringt einen auch nicht aus dem Bett.«

Jas blickte hin und her. Was redeten die da? Morning? Es war doch längst Mittag.

Und Doc? Dieser Mann war also ein Arzt? By gosh! Den mußte der Teufel selbst zum Doktor gemacht haben. Jas jedenfalls würde sich keine Kugel von dem Mann aus dem Leib schneiden lassen.

Langsam stieß er sich von dem Ofen ab und ging auf die Theke zu.

Chalk Beeson sah ihn erst jetzt. Er musterte ihn mit gutmütigen Augen und meinte:

»Hallo, Mister, was darf es denn sein?«

Jas blickte sich urplötzlich scheu nach dem Spieler um. Er hatte seinen Blick wie einen Nadelstich im Rücken gespürt.

»Einen Brandy«, sagte er leise.

Der Salooner zog die Brauen hoch.

»Oh, ein Feinschmecker! Wie der Doc!«

Jas nippte an seinem Glas und beugte sich dann weit über die Theke.

»Ein komischer Bursche, he?« flüsterte er dem Salooner zu.

Der warf mit gesenktem Kopf einen Blick zu dem Spieler hinüber und verzog den Mund.

»Wie man es nimmt.«

Jas nippte wieder an dem Brandy und blickte sich wieder um.

Der Doc hatte die Karten aufgestellt, hob sie mit der linken an und ließ sie in einer Welle nach rechts fallen. Dann packte er sie wieder zusammen, nahm sie in die Rechte und machte blitzschnell einen großen Fächer daraus.

Jas blickte den Wirt an und tippte sich mit einer ziemlich unverkennbaren Geste an die Stirn.

Chalk Beeson konnte sich diesmal ein lautloses Grinsen nicht verkneifen. Aber er schüttelte dennoch den Kopf.

Jas blickte sich wieder langsam um.

Der merkwürdige Doktor hatte den Fächer noch in der Hand, und plötzlich war er verschwunden, dafür tauchten die Karten hinter seinem Arm wieder auf und schienen über seine Jacke zu marschieren.

Jas schluckte und riß die Augen

auf.

He, der konnte ja zaubern.

Und wie er zaubern konnte, der seltsame Doktor.

Jas hatte oben im River Basin, daheim auf der Ranch Donald Carters, schon eine Menge Kartentricks gesehen. Der alte Luke Croft konnte eine Menge Tricks, und Haevy erst, der Koch. Auch Slim McCain hatte eine Menge mit Karten los – in Rock Springs hatte Jas sogar einmal in einer großen Show einen Zauberer gesehen, der mit Karten eine Reihe ulkiger Dinge vorführte. Aber was dieser seltsame Doktor da für sich allein zauberte, übertraf alles, was der Cowboy Jas bis jetzt gesehen hatte.