Die schlafende Hölle - William Mark - E-Book

Die schlafende Hölle E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Die Herde stampfte nach Norden. Eine gewaltige Staubwolke lastete über dem langen Trail. Brüllend und blökend stoben die langgehörnten Rinder auf staksigen Beinen dem Wasser zu, das sie seit einigen Meilen witterten. Fast am Ende des Trecks ritt auf staubbedecktem Pferd ein breitschultriger Bursche von vielleicht zweiundzwanzig Jahren. Über dem Halstuch, das er als Staubschutz vor dem Gesicht trug, blickte ein gelblich schimmerndes, hartes Augenpaar. Strähniges Blondhaar sah unter dem grauen Stetson hervor. Er trug ein rotes Hemd, eine kurze braune Lederweste, Chapperals, texanischbesteppte, hochhackige Stiefel, Sternradsporen und einen Kreuzgurt, der an beiden Seiten der Oberschenkel zwei große Revolver hielt. Die Augen des Burschen waren scharf nach vorn über die staubbedeckten Leiber der Tiere gerichtet, die sich wie lebende Wellen nach Norden zogen. Wenige Yards weiter östlich ritt ein alter buckliger Trailmann mit kurzgeschorenem grauem Haar, pergamentfarbenem Gesicht und grünen, kleinen Augen. Er hatte den mißfarbenen Hut tief in die niedrige Stirn gezogen und verzichtete auf das Staubtuch über dem Gesicht. Jetzt trieb er seinen hochbeinigen Wallach an den Grauen des jungen Burschen heran. »He, Jab! Wie sieht's aus?« Der Bursche blickte wie erschreckt hoch. Der Alte hatte ihn aus tiefen Gedanken aufgeschreckt. Jab Trask sah den Alten nicht an. »Wie weit ist es noch?« fragte er mit heiserer Stimme. »Siebzehn Meilen«, antwortete der andere so bestimmt, als habe er die Entfernung gerade von einem Meilenstein ablesen können.

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Wyatt Earp – 288 –

Die schlafende Hölle

William Mark

Die Herde stampfte nach Norden.

Eine gewaltige Staubwolke lastete über dem langen Trail. Brüllend und blökend stoben die langgehörnten Rinder auf staksigen Beinen dem Wasser zu, das sie seit einigen Meilen witterten.

Fast am Ende des Trecks ritt auf staubbedecktem Pferd ein breitschultriger Bursche von vielleicht zweiundzwanzig Jahren. Über dem Halstuch, das er als Staubschutz vor dem Gesicht trug, blickte ein gelblich schimmerndes, hartes Augenpaar. Strähniges Blondhaar sah unter dem grauen Stetson hervor. Er trug ein rotes Hemd, eine kurze braune Lederweste, Chapperals, texanischbesteppte, hochhackige Stiefel, Sternradsporen und einen Kreuzgurt, der an beiden Seiten der Oberschenkel zwei große Revolver hielt.

Die Augen des Burschen waren scharf nach vorn über die staubbedeckten Leiber der Tiere gerichtet, die sich wie lebende Wellen nach Norden zogen.

Wenige Yards weiter östlich ritt ein alter buckliger Trailmann mit kurzgeschorenem grauem Haar, pergamentfarbenem Gesicht und grünen, kleinen Augen. Er hatte den mißfarbenen Hut tief in die niedrige Stirn gezogen und verzichtete auf das Staubtuch über dem Gesicht.

Jetzt trieb er seinen hochbeinigen Wallach an den Grauen des jungen Burschen heran.

»He, Jab! Wie sieht’s aus?«

Der Bursche blickte wie erschreckt hoch. Der Alte hatte ihn aus tiefen Gedanken aufgeschreckt.

Jab Trask sah den Alten nicht an. »Wie weit ist es noch?« fragte er mit heiserer Stimme.

»Siebzehn Meilen«, antwortete der andere so bestimmt, als habe er die Entfernung gerade von einem Meilenstein ablesen können. Jim

Soundy kannte den alten Santa-Fé-Trail so genau wie seinen Hut. Zahllose Male war er als Treiber über diese staubige Höllenstrecke geritten.

Jab war heute zum erstenmal dabei.

Soundy und die anderen hatten runde Augen gemacht, als sich der Bursche unten am Pecos bei Gul Bradley für den Trail meldete.

Bradley, der Trailboß, war ein riesiger Bursche mit Gesichtszügen, die an die Felssteine seiner texanischen Heimat erinnerten.

»So, du willst also den großen Trail mitmachen, Jab?« hatte er gesagt. Well, er kannte den Burschen ja. Jabs älterer Bruder Con war im vergangenem Jahr dabeigewesen – und nicht zurückgekommen.

»Weshalb willst du mit?« hatte der Tailboß den ungebärdig dreinblickenden Burschen gefragt.

»Ich will mit.« Mehr hatte Jab nicht gesagt. Und weil Gul Bradley ihn kannte, hatte er ihn angeworben.

Jab hatte seine Arbeit ordentlich getan. Er war ein guter Treiber, und Bradley hatte seine anfänglichen Befürchtungen, daß den Burschen etwas anderes auf den Trail gebracht haben könnte, schnell begraben können. Jab war ein prächtiger Treiber, aber ein verdammt einsilbiger Kamerad.

Eigentlich konnte sich niemand erinnern, daß er mal von sich aus ein Gespräch begonnen hätte.

»Siebzehn Meilen«, wiederholte er jetzt langsam.

»Yeah«, gab der alte Cowboy zurück, »dann sind wir am Arkansas.«

Der Bursche warf mit einer unbeherrschten Bewegung den Kopf herum. »Am Arkansas, auch in Dodge?«

Die Augenbrauen des alten Treibers wanderten hoch unter den zerfledderten Hutrand. »Yeah, auch in Dodge, Jab.«

Soundy gab seinem Gaul die Sporen und fegte im Galopp zwei ausbrechenden Rindern hinterher. Während dieser kleinen Jagd, die den eintönigen Trott des Trails immer wieder unterbrach, dachte er über Jab nach.

Soundy hatte den Trailboß unten am Pecos gewarnt: »Laß den Jungen hier. Ich weiß, was ihn auf den Trail gebracht hat…«

Aber Bradley hatte dringend noch ein paar gute Treiber gebraucht.

Jim dachte über die Sache mit Con nach. Wie war das damals gewesen?

Con war ein wilder Geselle gewesen. Groß, breit und bärenstark. Er konnte für zwei Männer arbeiten und für drei essen. Die Mädchen in den Cowtowns hatten an dem blondhaarigen Burschen mehr Gefallen, als dem Trailboß lieb war. So war es nicht selten vorgekommen, daß Con Trask erst einen halben Tag nach dem Aufbruch aus einem der großen Corrals in Santa Fé dem Trail folgte.

War er wirklich nur ein wilder Geselle gewesen? Der alte Soundy erinnerte sich recht gut daran, daß Con oft in Schlägereien verwickelt gewesen war.

Dann war der regengraue Tag in Dodge gekommen. Der Alte erinnerte sich noch so daran, als sei es erst gestern gewesen. Er erinnerte sich an den Tag, an den Morgen. Was dann kam, hatte sich auf eine seltsame Art in seinem Schädel verworren. Nur das Ende sah er dann wieder klar und deutlich vor sich. Den toten Mann im Sand.

Lang ausgestreckt hatte er im Staub der Frontstreet mit dem Gesicht nach oben gelegen.

*

Jim Soundy war wieder zur Herde zurückgeritten. Ohne den Kopf zu wenden, warf er einen Seitenblick zu Jab hinüber.

Der Bursche blickte starr geradeaus.

Siebzehn Meilen noch, hämmerte es in seinem Schädel. Siebzehn Meilen, dann würde er in Dodge sein.

In der Stadt, wo er war.

Der Mörder!

Der Mörder, der einen Namen trug, den jedermann in den Staaten kannte.

Wyatt Earp.

Von seiner Kugel war Con gefallen.

Der so berühmte und gleichermaßen verfluchte Buntline Special hatte den Bruder in den Straßenstaub gestreckt.

*

Meile um Meile schob sich der Rindertreck dem breiten Arkansasstrom entgegen.

Als sie die letzten Hügel hinter sich hatten, hob der voranreitende Bradley den rechten Arm.

Die Cowboys trieben ihre schnellen Renner um die Herde herum, und endlich kam der gewaltige Treck in einer Wolke von Staub zum Stehen.

Jab, der ziemlich am Schluß der Herde geritten war, gab seinem Wallach die Sporen und trieb ihn vorwärts. Noch vom weiten Hang der letzten Anhöhe aus hatte er einen weiten Blick über das Arkansastal. Drüben, am jenseitigen Ufer des Flusses, lag die Stadt.

Mit brennenden Augen blickte der junge Mann auf die Dächer der Häuser.

Das war also das berühmte Dodge City.

Soundy hatte seinen Gaul neben Jab gedrängt. Mit besorgten Blicken sah er in das Gesicht des Kameraden.

»Eine schöne Stadt, nicht wahr?« fragte er sanft.

Jab starrte auf den Fluß und auf die Häuser. »Yeah, es ist eine schöne Stadt.« Düster hatte er es über die Lippen gepreßt.

Eine schöne Stadt!

Bald würde es in ihr einen Toten geben.

Morgen vielleicht schon.

Er, der Cowboy Jab Trask, würde den Mörder seines Bruders genau dahin schicken, wo Con gelegen hatte; in den Staub der großen Straße.

Soundy versuchte, die Gedanken des Burschen abzulenken. »Es gibt da eine Menge Saloons, Boy. Du wirst Augen machen. Dancing-Halls, Bars, Spielsaloons, wie du sie noch nirgends gesehen hast. Eine Teufelsstadt, dieses Dodge. Hal Navarry behauptet, daß es dort die schönsten Mädchen des Westens gibt. Und das stimmt auch.«

Er erzählte noch mehr, der alte Cowpuncher, aber der junge Texaner blickte an ihm vorbei auf die Stadt und den Fluß.

Die Worte des Alten interessierten ihn nicht im mindesten. In seinem Schädel kreisten andere Gedanken. Sie konzentrierten sich um einen Mann, der einen übergroßen Revolver an der linken Hüftseite trug und an dessen linker Brustseite ein Stern blinkte.

Es gab keinen Mann im Westen, der noch nichts von Wyatt Earp gehört hatte. Längst hatte der Dodger Marshal die Namen früherer »Berühmtheiten« des Westens überstrahlt. Die Kämpfe in den Straßen von Ellwoth, Witchita und Dodge, die zahllosen Stories von Banditenjagden in anderen Staaten wie Colorado, Nebraska, Utah, Arizona, Wyoming, Montana und nicht zuletzt auch Texas waren auch an die Ohren des Jab Trask gedrungen.

Aber heute wollte er sich nicht mehr an die Zeit erinnern, in der auch er wie die anderen Jungs für den heroischen Wyatt Earp geschwärmt hatte.

Er hatte sich als zwölfjähriger Bursche brennend gewünscht, Wyatt Earp einmal sehen zu dürfen. Er hatte sich sogar vorgenommen, viel später einmal nach Kansas zu reiten, um den König aller Sheriffs einmal aufzusuchen.

Wie anders war nun alles gekommen.

Der Texaner Jab Trask war auf dem Weg nach Dodge.

Da unten lag die Stadt vor ihm.

Einer verdammte Kistenholzstadt, wie all die anderen auch, die er bisher gesehen hatte, nur größer und lärmerfüllter. In den Straßen herrschte lebhafter Betrieb. Von Osten her rollte mit lautem Donnergetöse und scheußlich schwarzgrauer, langer Rauchfahne ein Zug heran. Das Kreischen der Bremsen drang bis über den Fluß hinüber zu den Männern, die mit der Herde an den Hügelhängen hielten.

Da gab Gul Bradley das Zeichen.

Die kurze letzte Rast war beendet.

Der Trailboß führte die Herde über den Fluß.

Und noch ehe sie das erste Haus erreicht hatten, machte sich die Gegenwart Marshal Earps bemerkbar.

Links am Weg war ein großes Schild an einen halbabgesägten Baumstamm genagelt worden.

The carrying of

fire arms strictly

prohibited!

Wyatt Earp, Marshal

Das Tragen von Feuerwaffen war in der Stadt also verboten.

Mit weiten, starren Augen blickte Jab auf das Schild.

Unwillkürlich hatte er seinen Wallach angehalten.

Was bildete sich der Marshal ein? Wie konnte er sich herausnehmen, einem freien Bürger etwas zu verbieten?

Jabs Augen hafteten gebannt an dem verhaßten Namen.

Zum erstenmal in seinem Leben sah er ihn geschrieben.

Wyatt Earp.

»Jab!«

Der Ruf schreckte den Cowboy aus seinen düsteren Gedanken auf.

Als er sich umwandte, blickte er in das harte Gesicht Gul Bradleys.

Der Trailboß hielt hinter ihm, fast mitten auf der Straße. Die Rinder zwängten sich blökend an ihm vorbei.

»Gefällt dir das Schild nicht?«

Jab zog die Schultern hoch. Aber er sagte nichts.

Bradley war eine rauher Bursche, aber grundehrlich. Er hiel es für seine Pflicht, einige Worte mit dem Jungen zu sprechen.

»Das Schild ist gut, Jab. Es ist Gold wert. Wenn es nicht da hinge, gäbe es mehr tote Cowpuncher in der Stadt, als der Boot Hill fassen kann.«

Jabs Gesicht war verschlossen.

»Wir tränken jetzt die Rinder, und dann geht es hinüber in die Corrals.«

Mit einer eckigen Handbewegung deutete er auf sein Sattelhorn.

Erst jetzt bemerkte Jab die Waffengurte, die der Trailboß um das Horn hängen hatte.

Es waren die Gurte der anderen Treiber.

Jab erkannte sofort Jim Soundys alten Colt.

Langsam drängte Bradley seinen Gaul durch die Herde und kam dicht auf Jab zu.

Er streckte ihm die Rechte entgegen.

Der Bursche stierte ihn fassungslos an. Dann senkte er plötzlich den Kopf. Breit und wuchtig saß er im Sattel. Ein Bild urwüchsiger Manneskraft. Aber aus seinen Augen starrte der Trotz.

In diesem Augenblick begriff Gul Bradley alles. Er wußte, daß Jim

Soundy recht gehabt hatte, er wußte, weshalb der junge Trask mit auf den Trail gekommen war.

»Gib mir deinen Revolver, Jab.«

Rauh und spröde kam es von den Lippen des Trailbosses.

Jabs Gesicht war eine Maske der Ablehnung. Erst nach Sekunden öffnete er die Lippen. »Nein, Mr. Bradley.«

Jab erschrak über seine eigenen Worte, als sie aus der Kehle waren.

Dann senkte er den Kopf unter dem unnachgiebigen Blick der Herdenführers.

Mit langen, mechanischen Bewegungen schnallte er den Waffengurt ab, zog das Schloß wieder zu, packte das Revolverhalfter und reichte Bradley den Gurt hinüber.

Wortlos nahm der hünenhafte

Cowpuncher den Gurt, hängte ihn zu den anderen über den Sattelknauf, nahm die Zügel hoch und trabte vorwärts.

Jab blickte ihm mit brennenden Augen nach.

In seinem Kopf dröhnte und hämmerts es.

Er begriff das alles nicht.

Da hatte er nun den fürchterlichen Trail vom Pecos herauf gemacht, hatte den Staub von mehr als zweitausend Rindern wochenlang geschluckt, und nun…

Der Bursche wischte sich mit dem rechten Unterarm über die Lippen.

Dann nahm er den Hut ab und fuhr sich mit der Hand durch das lange flachsblonde, strähnige Haar.

So sah das also aus.

Langsam glitten seine beiden Hände am Körper hinunter und blieben da liegen, wo vor Minuten noch die Colts in den Halftern gesteckt hatten.

Die großen erdbraunen Hände des Texaners ballten sich zu Fäusten.

Da schlug Soundys besänftigende Stimme an das Ohr des Burschen: »Komm, Jab, es geht weiter. Wir können die Rinder nicht allzulange im Fluß lassen.«

*

Als der Tag sich seinem Ende zuneigte, war die Arbeit getan. Eine Arbeit, die viel Kraft, Nerven und Reitkunst von einem Mann verlangte.

Jab wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus der vom Staub verklebten Stirn.

Seit einer Woche schon hatte er einen Mann bemerkt, der ganz in seiner Nähe gearbeitet hatte. Es war ein sehr großer Mensch mit schwarzem Haar, tiefblauen Augen, staubbedecktem schwarzem Stetson und schwarzem Lederzeug. Er trug ein rotes Hemd und saß auf einem Schrecken.

Jab kannte ihn nicht. Zur Crew gehörte er nicht. Er mußte einer von den Corral-Leuten sein. Wenn jemand dem Texaner gesagt hätte, wer dieser Mann wirklich war, wäre er vielleicht zur Salzsäule erstarrt.

Als das letzte Tier in den Pferch getrieben war, in dem Jab gewesen war, warf der hünenhafte Mann das Gatter donnernd zu.

Für den Bruchteil einer Sekundde streifte sein Blick den jungen Trailmann.

Jab hatte ein tiefblaues, von langen Wimpern umschattetes Augenpaar gesehen.

Der Mann nickte ihm kurz zu, nahm seinen Schecken und ritt hinüber zu Bradley. Er sprach kurz mit ihm und ritt dann zur breiten Frontstreet hinüber.

Jab nahm sein kariertes Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.

Auf der obersten Sprosse des nebenanliegenden Corrals hockte ein etwa fünfundzwanzigjähriger Mann. Mit ganz ausdruckslosem Gesicht blickte er auf die vollgestaubten Tierleiber.

Vielleicht hätte Jab ihn gar nicht beachtet, wenn nicht plötzlich etwas Blinkendes auf der Brust des Mannes all seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätte.

Ein fünfzackiger Stern in einem Wappenkreis eingefaßt.

Jab hatte plötzlich ein Würgen in der Kehle.

Was der Mann da auf der Brust trug, war ein Sheriffstern. Es war sogar ein Marshalstern, ein Zeichen, das Jab genau kannte.

Der Stern, den Wyatt Earp trug.

Jab rutschte langsam aus dem Sattel, lehnte sich gegen den heißen staubigen Leib seines Wallachs und starrte den Mann an.

Der wandte langsam den Kopf.

Ein frisches, jugendliches Gesicht mit wasserhellen Augen sah ihn an.

Jab schluckte.

Sollte das Wyatt Earp sein? Dieser grüne Bursche?

Der Mann mit dem Stern nahm ein Tabakpäckchen aus der Tasche, öffnete die Verschnürung, schüttelte eine Prise der goldgelben Blättchen in ein braunes Papier, rollte es zusammen, netzte es mit der Zunge an und schob es zwischen die Lippen.

Das Zündholz riß er am Gatter an.

Nach dem ersten Zug spie der Sternenträger eine Tabakfaser aus. Dabei bemerkte er den starren Blick des Cowpunchers.

»He, Brother, schlecht gefrühstückt?«

Jab schluckte.

Wut stieg in ihm auf. Er schob die Unterlippe hoch und stieß die Luft prustend durch die Nase aus.

Der Sternenträger rutschte vom Gatter und ging auf ihn zu.

»Bist du zum erstenmal hier?«

Jabs Augen wurden eng wie Striche. »Yeah«, kam es krächzend aus seiner Kehle.

»Aha.« Der Mann mit dem Stern reichte ihm die Hand.

»Ich bin Ham Bell.«

Jab blickte auf die ihm dargebotene Hand, hob dann den Blick zum Gesicht des Mannes, heftete ihn schließlich auf den Stern.

Dann wandte er sich mit einem Ruck um, zog sich in seinen Sattel und ritt zu den anderen hinüber.

*

Bradley teilte die Männer ein, die die Herdenwache für die kommende Nacht zu übernehmen hatten.

Jabs Gesicht wurde um einen Schein blasser, als er erfuhr, daß er zur Wache gehörte.

Der Alte machte sich an seinem Pferd zu schaffen. Er spürte die Blicke des Burschen auf sich ruhen. Was in Jabs Hirn jetzt vor sich ging, wußte der alte Trailmann genau. Er würde mit ihm tauschen wollen.

Aber der Bursche brachte die Lippen nicht auseinander.

Soundy, der schon einen Fuß in den Steigbügel gesetzt hatte, blickte zu Kid Farhid hinüber, zu einem der Treiber, der auch für die Wache der kommenden Nacht eingeteilt worden war.

Farhid lehnte am Gatter, hatte den Hut ins Genick geschoben und verzog den Mund.

Da nahm Soundy den Fuß aus dem Steigbügel und ging auf ihn zu. »He, Kid!«

Der Cowboy knurrte: »Laß mich in Ruhe, alte Nebelkrähe.«

Der Alte feixte: »Kann mir vorstellen, daß du einen ziemlich trockenen Hals hast, Kid. Und der Whisky in Allisons Bar ist nicht schlecht. Bei Chalk Beeson gibt’s sogar drei Pariserinnen zu sehen, sie tanzen heute abend. Luke Short war eben hier und hat es erzählt.«

Da riß Farhid die Hände aus den Taschen. »Halt den Mund, Jim, sonst klebe ich dir eine.«

Soundy grinste. »Weshalb regst du dich so auf? Ich habe weder Durst auf den Long Branch Saloon, noch Hunger auf die Beeson-Girls.« Er zwirbelte seinen Bart und blickte zu den Rindern hinüber. »Mir wäre es völlig einerlei, ob ich heute oder morgen in die Stadt käme.«

Farhids Gesicht verändert sich augenblicklich. Das Mürrische verschwand daraus. Hoffnungsvoll blitzten seine Augen, als er ein große Silberstück aus der Tasche nahm und es dem Alten vor die Nase hielt.

»Du willst doch nicht sagen, daß du mit mir tauschen willst?«