Terror am Juan River - William Mark - E-Book

Terror am Juan River E-Book

William Mark

0,0

Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Er hatte ein bärtiges wetterbraunes von zahllosen Falten zerrissenes Gesicht und pulvergraue Augen. Tief saß ihm der wellige Schlapphut in der Stirn. Das graue Kattunhemd war verblichen und von vielen Flicken besetzt. Die kurze Lederweste mußte mehrere Jahrzehnte auf ihrem blankgescheuerten Rücken mit sich herumtragen, und die gestreifte enge Hose schien auch nicht gerade neu zu sein. An den Hacken der abgetretenen Stiefel saßen riesige stark verrostete Sternradsporen. Der Waffengurt war abgewetzt und trug im tiefhängenden Halfter rechts einen Frontier-Single-Action-Colt vom Kaliber 45. Der Mann hatte kein gutes Gesicht. Unstet flogen seine harten Augen hin und her. Der Schnurrbart war ungepflegt und hing über die Oberlippe herab. Das weit vorgeschobene Kinn war in der Mitte gespalten und wirkte brutal. Die Hände, die den Zügel hielten, waren erdbraun und kantig. Dieser Mann war Cass Gossip. Hier unten im südöstlichen Utah kannte ihn kaum jemand unter diesem Namen. Als Cherokee-Cass war er zweifelsohne bekannter. Es gab kaum einen Sheriff in den Middleweststaaten, der ihn nicht kannte. Cass Gossip war ein Bandit. Das Pferd, das er ritt, war ein starkknochiger, hochbeiniger Brauner, dem auch nur der Pferdekenner ansah, daß er etwas taugte. Sattelzeug und Zaumzeug mußten schon zu der Zeit der großen Indianerkriege in Gebrauch gewesen sein. Fünf Yards hinter Cass Gossip ritt ein junger Mann, der irgendwie eine verteufelte Ähnlichkeit mit dem Alten hatte. Es muß hier wohl erwähnt werden, daß Cass Gossip nicht direkt ein alter Mann war.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 149

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wyatt Earp – 291 –

Terror am Juan River

William Mark

Er hatte ein bärtiges wetterbraunes von zahllosen Falten zerrissenes Gesicht und pulvergraue Augen. Tief saß ihm der wellige Schlapphut in der Stirn. Das graue Kattunhemd war verblichen und von vielen Flicken besetzt. Die kurze Lederweste mußte mehrere Jahrzehnte auf ihrem blankgescheuerten Rücken mit sich herumtragen, und die gestreifte enge Hose schien auch nicht gerade neu zu sein. An den Hacken der abgetretenen Stiefel saßen riesige stark verrostete Sternradsporen. Der Waffengurt war abgewetzt und trug im tiefhängenden Halfter rechts einen Frontier-Single-Action-Colt vom Kaliber 45.

Der Mann hatte kein gutes Gesicht. Unstet flogen seine harten Augen hin und her. Der Schnurrbart war ungepflegt und hing über die Oberlippe herab. Das weit vorgeschobene Kinn war in der Mitte gespalten und wirkte brutal.

Die Hände, die den Zügel hielten, waren erdbraun und kantig.

Dieser Mann war Cass Gossip. Hier unten im südöstlichen Utah kannte ihn kaum jemand unter diesem Namen. Als Cherokee-Cass war er zweifelsohne bekannter. Es gab kaum einen Sheriff in den Middleweststaaten, der ihn nicht kannte.

Cass Gossip war ein Bandit.

Das Pferd, das er ritt, war ein starkknochiger, hochbeiniger Brauner, dem auch nur der Pferdekenner ansah, daß er etwas taugte. Sattelzeug und Zaumzeug mußten schon zu der Zeit der großen Indianerkriege in Gebrauch gewesen sein.

Fünf Yards hinter Cass Gossip ritt ein junger Mann, der irgendwie eine verteufelte Ähnlichkeit mit dem Alten hatte.

Es muß hier wohl erwähnt werden, daß Cass Gossip nicht direkt ein alter Mann war. Er zählte damals siebenundfünfzig – und man sah sie ihm nicht unbedingt an. Er hatte breite Schultern und eine mächtige Brust.

Der Bursche hinter ihm war sein Sohn Jubal.

Er war auch groß und breit wie der Vater, hatte dessen graue stechende Augen, die gleiche wetterbraune Hautfarbe und auch die harten kantigen schaufelartigen Hände des Alten.

Nur seine stolze Haltung hatte er nicht. Auch fehlte in seinen Augen der selbstbewußte Blick, den der Alte besaß.

Jube – wie der Alte ihn nannte, saß auf einem staubgepuderten Fuchs. Er hatte den schmalen Kopf zwischen die breiten Schultern gezogen und starrte, wie meistens beim Reiten, auf den Sattelknauf. Zu was hätte er auch nach vorn sehen sollen?

Der Vater bestimmte die Richtung, gab das Tempo an und ritt immer voran.

Wie überhaupt bei den beiden Gossips ausschließlich das getan wurde, was der Alte bestimmte.

Jetzt hielt Cass seinen Braunen an, beschattete die Augen mit seiner Rechten und blickte auf die weite Ebene, die plötzlich nach einer Wegbiegung vor ihnen lag.

Es war das staubige ausgedörrte Land des Juan Rivers, unten im Süden Utahs an der Grenze Arizonas.

Nichts unterschied dieses Land hier von den sonndurchglühten ausgedörrten Landstrichen Arizonas oder New Mexicos. Das Gras war zwar hoch, aber dürr und verursachte ein knisterndes Geräusch beim Reiten.

Weit am westlichen Horizont blauten die Straight Cliffs, und davor zogen sich die scharfen Konturen der Clay Hills durch das gelbgrüne Land.

Der Fluß schlängelte sich wie ein blau-silbernes Band durch die Ebene.

Und etwa fünf Meilen entfernt am rechten Ufer lag die Stadt.

War es eine Stadt? Dreizehn Häuser und ein paar Scheunen, die allesamt auf der rechten Seite der Straße standen, damit die Bewohner nur ja nicht auf die Aussicht auf den Fluß verzichten mußten.

Es war ein sonderbares Bild, das diese kleine Stadt bot. Ein Bild, das mehr Trostlosigkeit und Einsamkeit vermittelte als sonst irgend etwas.

So stellten sich die Menschen drüben im Osten und in den Küstenstädten eine Westernstadt vor.

Gossip setzte seinen Gaul wieder in Bewegung. Jube, der ebenfalls angehalten hatte, folgte dem Alten.

Je näher sie der Stadt kamen, desto skurriler wurde der Anblick, den sie bot. Die auf der rechten Straßenseite stehenden Häuser erweckten den Eindruck, als wollten sie auf den Fluß zulaufen, um zu flüchten, für ihre hölzernen, ein wenig nach vorn geneigten Giebel schienen die Vorbauten als Stützen unentbehrlich zu sein.

Rechts vor dem ersten Haus war an einem großen Pfahl ein Schild angenagelt worden, das den Ortsnamen trug.

Bluff.

Yeah, es stand da – und es steht auch heute noch da. Allerdings vor der Stadt auf einem sauberen Schild, und auf der Bahnstation – und auf den Briefköpfen der Gemeinde, der besseren Bürger und der Polizei.

Bluff.

Nicht die beiden Feuersbrünste, nicht die Indianerüberfälle und auch nicht die Angriffe weißer Banditen hatten die kleine Stadt am Juan River vernichten können.

Aber es war einer der schwärzesten Tage Bluffs, als Cass Gossip und sein Sohn von Osten her in die Mainstreet ritten.

Mainstreet?

Yeah, es war eine Mainstreet, die Leute von Bluff nannten sie jedenfalls so.

Der alte Bandit hielt vor dem dritten Haus, musterte die Fassade, das breite, quergehängte Schild, das die Aufschrift »Saloon« trug, und warf dann den Blick seiner stechenden Augen auf einen Mann, der an einem Vorbaupfeiler lehnte und angelegentlich nach Osten schaute.

Es war ein Mann in den Dreißigern, mittelgroß, drahtig, in der Kleidung eines Weidereiters. Er hatte den weißgrauen Hut tief bis über die Augenbrauen gezogen. Seine Hände steckten in einem patronengespickten Waffengurt.

Cass Gossip nahm den Blick von dem jungen Mann und ließ ihn dafür forschend über den hölzernen Hausgiebel gleiten.

Über den okerfarbenen Bau, der über den Aststellen in der glühenden Sonne große Blasen zog und schon ziemlich alt zu sein schien.

Vielleicht wäre der Tag für Bluff bedeutungslos geblieben, wie er es bis zu diesem Augenblick war. Vielleicht wäre Cass Gossip weitergeritten, nachdem er einen Drink genommen hatte.

Aber in diesem Augenblick geschah es.

Unten in einem kleinen grauen Haus flog die Tür auf, und ein Mädchen lief auf den Vorbau. Mit hastigen Schritten überquerte es den Vorbau des Saloons und verschwand im dahinterliegenden Haus, das einen Store beherbergte.

Cass war den anmutigen schnellen Bewegungen des Mädchens gefolgt.

Auch der sonst fast immer etwas träge Jube hatte den Vorgang genau beobachtet. Seine schmalen Augen hafteten auf der Tür, hinter der das Mädchen verschwunden war.

Da sah der Alte sich nach ihm um.

»Komm zu dir, Jube!«

Der Bursche riß sich herum, wischte sich über die staubtrockenen Lippen und knurrte: »Heavens, war das ein Weib!«

Wenngleich dieser Anruf auch nicht gerade schön war, so war er doch verständlich.

Das Mädchen, das die beiden Männer da für einige Sekunden gesehen hatten, war so hübsch, daß es auch dem Alten nicht entgangen war. Ihr perlschwarzes langes Haar war bei dem schnellen Gang in weiten Locken um ihr frisches Gesicht geflogen. Blau schimmerten die großen Augen und streiften die beiden Reiter für einen kurzen Augenblick.

Jube rutschte langsam aus dem Sattel und stakste mit hölzernen Bewegungen auf den Store zu.

»He!« fauchte der Alte.

Jube blieb stehen und wandte sich um. Er zog die Brauen zusammen, legte den Kopf ein wenig zur Seite und fletschte die Oberreihe seiner gelblichen Pferdezähne.

»Was gibt’s, Dad?«

»Wo willst du hin?«

»Ich –?«

»Hör zu, sprich nicht so einfältig mit mir. Natürlich meine ich dich und nicht Geronimo oder Abe Lincoln. – Wo willst du hin?«

»Ich – wollte…« Jube kratzte sich hinter dem rechten Ohr, warf einen unsicheren Blick auf den Alten und schlenderte dann mit gesenktem Kopf wieder auf seinen Gaul zu.

»Bleib unten«, knurrte der Alte, als er sah, daß der Bursche nach dem Sattelhorn griff.

Gossip warf seine Zügelleinen über den Querholm, der vor dem Saloonvorbau angebracht war. Dann stampfte er mit schweren Schritten die drei Vorbaustufen hinauf. Erst, als er schon vor den plumpgefertigten hölzernen Schwingarmen der Wirtshaustür war, wandte er sich noch einmal nach seinem Sohn um.

Jube stand noch am Zügelholm und blickte starr zum Store hinüber.

»Kommst du?«

Es war mehr eine Aufforderung, ein Befehl als eine Frage, die da über die Lippen des Alten kam.

Jube war sechsundzwanzig Jahre alt. Er war somit alt genug, über sich selbst bestimmen zu können. Aber der Bursche kam gegen die starke Persönlichkeit des Vaters nicht auf.

Jetzt setzte er sich langsam in Bewegung und hielt auf den Schankhauseingang zu, hinter dessen schwingender Pendeltür Cass Gossip soeben verschwunden war.

Der Bandit starrte in den halbdunklen Raum.

Als er die Theke und den dahinterstehenden Mann erkannte, kam er näher.

Wes Hardman war ein kleiner dürrer Bursche mit struppigem Schädel und zerknittertem Gesicht. Er hatte jahrelang geschuftet, um sich die Schenke hier bauen und einrichten zu können. Aber sie lohnte es ihm nicht allzusehr. Zu wenig Geld war in der Stadt. Die Leute hielten es zusammen. Es wurde hier am Juan River zu mühselig verdient. Well, zuweilen kamen ein paar Viehtrecks am Fluß entlang, und die

Cowboys machten dann hier Rast. Das warf etwas ab, und mit der Zeit hatte es sich dann so eingespielt, daß Hardman auf diese Trecks rechnete. Sie brachten ihm mehr ein als die »Kundschaft« aus der Stadt in mehreren Monaten.

Das mit den Trecks wurde jedoch immer sparsamer. Die Boys nahmen seit einem Jahr eine andere Route – und nur ganz durstige Burschen trieben wegen der Schenke den Umweg zum Fluß hinunter.

No, der Salooner hatte kein leichtes Leben. Damals, als er vor fünfzehn Jahren hierher gekommen war, hatte er sich noch alles ganz anders vorgestellt. Aber es war eben nicht so einfach, im alten Westen Geld zu machen. Und was man sich drüben in den Städten an Wunderdingen darüber erzählte, war meist erfunden.

Zudem war Hardman in den Jahren hier magerkrank geworden. Das hatte ihn noch mehr verbittert. Vor einem Jahr war ihm die Frau gestorben. Sie hatte sich an einer Flaschenscherbe hinten im Hof verletzt; anfangs schien das nicht besonders schlimm zu sein, dann aber wurde die Hand dicker und dicker. Und als er sich endlich aufgeschwungen hatte, mit ihr die sechzig Meilen hinüber nach Oljata zu fahren, war es zu spät gewesen…

Mit wenig einladenden Blicken sah er dem Mann entgegen, der eben die Schwingtür aufgestoßen hatte.

Wes Hardman ahnte sicher nicht, daß dieser zerzauste Geselle ihm den Tod bringen würde. Niemand in Bluff ahnte, daß dieser alte bärtige Geselle mehr Unglück über die Stadt bringen sollte, als es alle Indianerstürme und Bandenüberfälle, alle Naturkatastrophen und Feuersbrünste bisher vermocht hatten.

Wenn Jake Halbot es geahnt hätte, der lange hemdsärmelige Bursche, der jetzt vorn an der Theke lehnte, hätte er ganz sicher den Eindringling jetzt in diesem Augenblick niedergeschossen.

Jake Halbot war übrigens der einzige Mann, der an der Theke lehnte.

Drüben im Halbdämmer hinter den beiden schummerigen Lampen saßen noch drei Männer um einen Tisch herum und pokerten.

Tom Brewster, Ed Flanagan und Jeffrey Tompson.

Auch sie hätten wahrscheinlich jetzt losgefeuert, wenn sie in diesem Augenblick schon geahnt hätten, was ihnen dieser Mann da bringen würde…

Gossip hielt auf die Theke zu, stemmte seine Unterarme auf und schob den Kopf vor.

»Whisky!«

Wieder war es kein Wunsch, sondern ein klarer Befehl.

Wes Hardman liebte diese Art nicht sehr, aber schließlich war er auf jeden Gast angewiesen.

Er nickte, langte unter die Theke, angelte eine Flasche hervor und goß ein Glas voll.

Gossip nahm es, setzte es an den Mund – wandte sich dann aber plötzlich zum Eingang um.

Oben über dem hellen Fleck über den hölzernen Schwingarmen der Tür sah er die Schultern und den Kopf seines Sohnes. Unten die langen Beine, die zu kurzen Hosen, die hochhackigen Stiefel und die verrosteten Sternradsporen.

Plötzlich war das alles verschwunden.

Gossip stellte sein Glas ab und stampfte zur Tür, stieß sie auf und brüllte:

»Jube!«

Der Bursche, der auf dem Weg zum Store nebenan gewesen war, hielt inne und blieb wie angenagelt stehen.

Er wandte sich um.

»Jube!«

Wie ein Peitschenschlag fuhr der Ruf hinter dem Burschen her.

Ganz langsam wandte der sich um und kam mit gesenktem Kopf heran.

Der Alte hatte das gar nicht erst abgewartet. Er war wieder im Saloon, stand an der Theke und sagte rauh:

»Noch ein Glas!«

Hardman schob ein zweites Glas über die Theke.

Gossip nahm die Flasche und goß für seinen Sohn ein.

Langsam kam Jube heran. Er trank das Glas aus und lehnte sich dann mit dem Rücken gegen die Theke.

Der Alte nahm seinen Tabaksbeutel aus der Tasche, riß die Verschnürung mit den Zähnen auf, kippte eine Prise des Blättchentabaks auf ein braunes Papierstück und rollte sich eine Zigarette.

Jube starrte düster vor sich hin.

Plötzlich stieß er sich von der Theke ab und stampfte hinaus. So schnell, daß Gossip entgeistert hinter ihm her starrte.

Jube hielt auf den Store zu.

Der Alte ließ die brennende Zigarette aus dem Mund fallen und folgte ihm. Diesmal allerdings langsam und mit eingezogenem Kinn. Nur wer Cherokee-Cass kannte, wußte, daß jetzt ein Gewitter in der Luft lag.

Jube hatte inzwischen den Store erreicht.

Er öffnete die Tür und blickte auf das Mädchen.

Es stand an einem Stoffballen und sah der hochgewachsenen hageren Mrs. Ellen zu, wie sie mit einer großen Schere ein Stück Stoff von dem Ballen trennte.

Jube war an der Tür stehen geblieben. Mit weit offenen Augen und geöffnetem Mund stierte er auf das Mädchen, verschlang dessen Gestalt förmlich mit den Augen.

Und dann ging er auf sie zu.

Zuerst hatte ihn die Frau gesehen. Sie zog die harten geraden Brauen streng zusammen.

»Sie wünschen?« fragte sie scharf.

Aber Jube betrachtete sie gar nicht. Er starrte auf den weißen Nacken des Mädchens, der zwischen zwei auseinanderfallenden Locken hervorblickte.

»Was wollen Sie?« fragte Mrs. Ellen, einen Ton ärgerlicher.

Da wandte sich das Mädchen um.

Mit geweiteten Augen betrachtete es den Mann.

Himmel, welch ein Mensch! Mit vorgestrecktem schmalem Kopf, geöffnetem Mund und stieren Augen kam er auf sie zu.

Katleen Ray stieß einen kleinen Schreckensruf aus.

Da war der Mann schon heran.

Er starrte sie aus flimmernden grauen Augen an und schob plötzlich seine Arme vor, legte seine klobigen Hände auf ihre schmalen Schultern.

Das Mädchen erschauerte vor Schreck.

Da stieß die Storebesitzerin den Mann derb in die Seite.

»He, was ist mit Ihnen, Mann, wer sind Sie, was wollen…«

Jubes rechte Hand flog – nicht einmal zur Faust geballt – zur Seite.

Suzy Ellen bekam den Backhander mitten ins Gesicht, taumelte zurück, stürzte über eine Drahtrolle und schlug hart auf die weißgescheuerten Dielen auf.

Aus ihrem linken Mundwinkel zog sich ein Blutfaden.

Entsetzt starrte Katleen auf die Frau am Boden. Da spürte sie die Pranken des Mannes auf ihren Schultern und stieß im gleichen Augenblick einen gellenden Schrei aus.

Vorn flog die Tür auf.

Gossips massige Gestalt füllte fast den Rahmen.

»Jube!«

Der Bursche stand steif da und rührte sich nicht.

»Jube!«

Da erst ließ er das Mädchen los und wandte sich um.

»Was willst du?«

Der Alte legte den Kopf auf die Seite und fragte heiser und gefährlich leise:

»Was hast du eben gesagt, Jube?«

»Ich habe gefragt…« Der Bursche senkte den Kopf. »Nichts habe ich, Vater, gar nichts.«

»Komm raus!«

Langsam, ohne Katleen noch einen Blick zuzuwerfen, verließ Jubel den Store.

Er mußte sich in der Tür an dem Alten vorbeizwängen.

Da packte ihn Gossip plötzlich an der linken Schulter und riß ihn zu sich herum.

Eine schallende Ohrfeige klatschte in das Gesicht des Burschen.

»Bravo!« schrie Mrs. Ellen.

Gossips Kopf fuhr herum.

»Halt’s Maul, alte Heuschrecke. Den Klaps hat er bekommen, weil er nicht hören kann – nicht etwa wegen dir.«

Entgeistert blickte die Storeinhaberin den alten Gauner an. Sie konnte ja nicht ahnen, mit wem sie es da zu tun hatte.

Und der Bushsneaker hatte seinen Sohn auch keineswegs wegen seiner brutalen Dreistigkeit den beiden Frauen gegenüber geohrfeigt, sondern ausschließlich deshalb, weil Jube gewagt hatte, einmal etwas zu unternehmen, das ihm der Vater nicht befohlen hatte.

Sie gingen zurück in Hardmans Schenke.

All dies wäre vielleicht nicht geschehen, wenn Jube nicht das Mädchen gesehen hätte. Sicher hätte der Alte längst seine drei Gläser getrunken, die er in einer Schenke zu verkonsumieren pflegte, und wäre weitergeritten. Denn Bluff war kein Ort für ihn. Hier war ja nichts zu holen. Die Leute hier waren ja ärmer als er selber.

Nun aber gärte der Zorn über die Eigenwilligkeit des Burschen in dem Alten.

Er trank noch ein Glas – und noch eines.

Schweigend lehnte er an der Theke, hatte den Kopf in die Hände gestützt und starrte in sein Glas.

Da stand einer der Pokerspieler auf, warf ein Geldstück in das alte Orchestrion, und gleich darauf ertönte der Red-Han-Doodle. Ein schauerliches wenig melodiöses Tongemisch quoll aus dem alten hämmernden Kasten.

Jube fuhr herum, riß den Colt aus dem Halfter, stieß ihn vor, und gleich darauf klatschte die Kugel in das Spielwerk.

Mit einem jämmerlichen fürchterlichen Gekreisch kam die Orgel zum Stehen.

Im Schankraum herrschte absolute Stille.

Denn immerhin waren hier zwei Dinge geschehen, die weder zu übersehen noch zu überhören waren.

Der lange schmalgesichtige Bursche drüben neben dem Alten an der Theke hatte das Spielwerk des Orchestrions zerschossen. Das war das eine, nämlich der so plötzlich zum Schweigen gebrachte Apparat. Das zweite war die Tatsache, daß der Mann es mit einem einzigen Schuß aus sieben Xards Entfernung getan hatte.

Eine Tatsache, die wohl an keinem Ort in diesem Lande übersehen worden wäre.

Diejenigen, die nicht nur diesen Meisterschuß bewerteten, sondern darüber hinaus auch noch fachkundige Gedanken darüber anstellten, daß kein Mensch mit einem einzigen Schuß aus sieben Yards Entfernung ein Orchestrion zum Schweigen bringen kann, ohne darin eine große Übung zu besitzen, verspürten ein Kribbeln hinten überm Kragen.

Heavens! Dieser Bursche hatte nicht zum erstenmal auf ein Ordchestrion geschossen! Die Kugel saß genau im Herzen der Apparatur.

Es gab im Augenblick niemanden im Saloon, der die einzig interessante Frage zu stellen gewagt hätte: Weshalb hatte der Fremde überhaupt auf den Musikapparat geschossen?

Jube hatte den Colt ins Halfter gleiten lassen, wischte sich übers Kinn und wandte sich wieder um.

Sein Vater hatte nicht aufgeblickt. Ja, er war nicht einmal erschrocken oder gar zusammengezuckt, als der Schuß losbrüllte.

Er schien solche Dinge also gewohnt zu sein. Darüber war man sich also auch im klaren.

Jedenfalls, was den Spieltisch betraf.

Der Salooner war leider kein allzu großer Menschenkenner. Hinzu kam seine Verbitterung. Er war außerdem immer schon ein zum Jähzorn neigender Mann gewesen.

Jetzt ließ er seine rechte Faust auf das Thekenblech fallen und fauchte:

»He, Mann, den Apparat bezahlst du mir!«

Jube hob langsam den Kopf.