Sescattewa - William Mark - E-Book

Sescattewa E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Weit ragten die weißen Schneegipfel mit ihren bizarren Konturen in den stahlblauen Coloradohimmel hinein. Strahlender Sonnenschein lag über der ansteigenden Weide, die zu der Ranch hinaufführte. Der Mann, der auf der Wagenspur ritt, hatte ein junges Gesicht. Und doch war es von einer Härte gezeichnet, die es irgendwie alt erscheinen ließ. Die grauen Augen waren von langen Wimpern halb verdeckt. Unter der kurzen Nase lag ein schmaler, strichdünner Mund. Das Kinn sprang weit vor und war in der Mitte gespalten. Der Mann mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, hatte flachsblondes Haar, das strähnig unter dem breiten grauen Hut hervorsah, trug Weidereiterkleidung und in den beiden Halftern seines Kreuzgurtes je einen großen fünfundvierziger Colt. Jake Halbot war ein langer Bursche, wenigstens einsfünfundachtzig hoch. Etwas zurückgelehnt saß er im Sattel und lenkte mit lässiger Hand seinen Wallach bergan. Die ersten Bauten der Ranch hatte er schon seit einer Meile im Blickfeld. Als er jetzt beim Hoftor angekommen war, sah er einen grauhaarigen Mann im offenen blauen Hemd, mit hochgezogener, von Trägern gehaltener Levishose auf sich zukommen. Der Alte hob die Hand und grüßte. »Wen suchen Sie, Mister?« Halbots Gesicht blieb unbewegt. Es schien, als rühre sich nicht einmal sein Unterkiefer, als er jetzt schnarrend fragte: »Ist der Rancher da?« Der Alte kratzte sich den Schädel. »No, der Boß ist beim Vorwerk.« »Und der Vormann?« »Yeah, der ist drüben im Corral.

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Wyatt Earp – 292 –

Sescattewa

William Mark

Weit ragten die weißen Schneegipfel mit ihren bizarren Konturen in den stahlblauen Coloradohimmel hinein.

Strahlender Sonnenschein lag über der ansteigenden Weide, die zu der Ranch hinaufführte.

Der Mann, der auf der Wagenspur ritt, hatte ein junges Gesicht. Und doch war es von einer Härte gezeichnet, die es irgendwie alt erscheinen ließ. Die grauen Augen waren von langen Wimpern halb verdeckt. Unter der kurzen Nase lag ein schmaler, strichdünner Mund. Das Kinn sprang weit vor und war in der Mitte gespalten. Der Mann mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, hatte flachsblondes Haar, das strähnig unter dem breiten grauen Hut hervorsah, trug Weidereiterkleidung und in den beiden Halftern seines Kreuzgurtes je einen großen fünfundvierziger Colt.

Jake Halbot war ein langer Bursche, wenigstens einsfünfundachtzig hoch. Etwas zurückgelehnt saß er im Sattel und lenkte mit lässiger Hand seinen Wallach bergan.

Die ersten Bauten der Ranch hatte er schon seit einer Meile im Blickfeld.

Als er jetzt beim Hoftor angekommen war, sah er einen grauhaarigen Mann im offenen blauen Hemd, mit hochgezogener, von Trägern gehaltener Levishose auf sich zukommen.

Der Alte hob die Hand und grüßte. »Wen suchen Sie, Mister?«

Halbots Gesicht blieb unbewegt. Es schien, als rühre sich nicht einmal sein Unterkiefer, als er jetzt schnarrend fragte: »Ist der Rancher da?«

Der Alte kratzte sich den Schädel. »No, der Boß ist beim Vorwerk.«

»Und der Vormann?«

»Yeah, der ist drüben im Corral. Sie machen ein neues Gatter…«

Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, ritt Halbot vorwärts, an dem Alten vorbei.

Hinter der großen Scheune erblickte er den Corral.

Er ritt darauf zu.

Schon von weitem sah er drei Männer an dem Holzlattenzaun arbeiten.

Halbot ritt heran und fragte den Mann, der ihm am nächsten stand: »Wo ist der Vormann?«

Der herrische Ton schien dem arbeitenden Cowboy nicht sehr zu behagen. Er wandte sich um, wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der zerfurchten, sonnverbrannten Stirn und schob sich den Hut ins Genickt. »Von einem Gruß halten Sie anscheinend nichts, Mister?«

Halbots Brauen zogen sich düster über den Augen zusammen. »Dafür scheinst du schlecht zu hören, Brother«, gab er schroff zurück. »Ich habe dich nach dem Vormann gefragt.«

Der Cowboy war ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern, kantigem Gesicht und hellen Augen. Er trug ein graues Hemd, eine Lederweste, enge Reiterhosen und einen abgeschabten Waffengurt, der rechts über dem Oberschenkel einen alten Parker-Colt im Halfter hielt. Fünfunddreißig Jahre mochte der Mann sein.

Jetzt zog er die Brauen verblüfft hoch und warf einen Blick auf seine beiden Kameraden, die auf der anderen Seite des Zauns standen. »Was haltet ihr davon, Boys?«

Die beiden lachten schallend los.

Bis sich einer von ihnen verpustet hatte und zu Halbot gewandt erklärte: »Du sprichst schon eine Weile mit dem Vormann, Stranger!«

Halbot rutschte aus dem Sattel.

Sieben Yards trennten ihn von dem Vormann.

Es war genau die Entfernung, über die nach kaum einer weiteren Minute das tödliche Blei aus seinem Revolver jagen würde.

Jake Halbot war schon immer ein wilder, unberechenbarer Bursche gewesen. Den Colt hatte er schon mit sechzehn Jahren geschwungen. Auch dann, wenn es nicht notwendig gewesen wäre. Unten in Texas, auf der Ranch seines Vaters, hatte es oft Schießereien gegeben, und die Cowboys hatten nicht wenig Mühe gehabt, den ungebärdigen Burschen aus den Gunfights herauszureißen, in die er sich blindlings gestürzt hatte.

Sieben Mal hatte er beweisen können, daß er nicht zuerst gezogen hatte.

Sieben Mal hatte Jake mit dem Revolver in der Hand einem Gegner gegenübergestanden.

Im großen Flußknie des Arkansas-River hatte er auf einer Ranch Arbeit gefunden. Einen so großen, kräftigen Burschen hatte man brauchen können. Aber sehr bald war er in eine Schießerei verwickelt, aus der ihn der Rancher nur mit Gewalt herausbringen konnte.

Seitdem war Jake auf dem großen Trail.

Bis Cheyenne Wells hatte sein Geld gereicht. In dieser Stadt hatte er seinen letzten Dollar vertrunken.

Dann hatte er von der Wilkins-Ranch gehört. Es sollte eine gewaltige Viehranch sein, die oben vor den Wäldern lag.

Jake Halbot war hierhergekommen, weil er einen Job brauchte.

»Bleib ruhig im Sattel, Brother«, versetzte der Vormann abweisend, »hier hat niemand Zeit, sich mit dir zu unterhalten.«

»Wie meinst du das?« fragte Halbot.

»Wie ich es gesagt habe. Leute, die wie Tramps reden, sind hier verdammt unwillkommen.«

Tramps! Dieses Wort hätte nicht kommen dürfen. Es brachte den Texaner augenblicklich in Weißglut. Er spreizte die Beine und hatte die Arme steif herunterhängen.

»Hast du Tramp gesagt, Dreckskerl?«

Ein Zucken fuhr durch den Körper des Vormanns.

Halbot deutete es falsch.

Blitzschnell fuhr seine Rechte zum Colt. Brüllend fauchte der Schuß von seiner Hüfte los.

Die beiden anderen Weidereiter standen wie erstarrt, als sie ihren Vormann schwer gegen das Gatter stürzen sahen.

Halbot hatte den Revolver noch in der Faust. »Keine Bewegung!« zischte er.

Da brüllte vom Hof her der Alte: »Sind Sie wahnsinnig, Mensch!«

Der Texaner riß auch den zweiten Colt aus dem Halfter.

Dann schnellte er mit einem tausendmal geübten Federsprung in den Sattel und ließ sein Pferd zurücktänzeln.

Da brüllte der grauköpfige Cattleman: »Er darf nicht weg, Leute! Holt ihn aus dem Sattel! Er hat den Vormann erschossen…«

Als Antwort spien die Colts des Texaners Feuer.

Aber der wildtänzelnde Wallach verhütete ein weiteres Unglück.

Die Kugeln fegten dicht an den Männern vorbei.

Halbot riß sein Pferd herum und preschte tief über die Mähne gebeugt davon.

Wie wilde Hornissen surrten die Kugeln, die die erbosten Cowboys ihm nachschickten, um ihn herum.

*

Blutüberströmt lag Jonny Tucker vor dem untersten Gatterbrett.

Hilflos umstanden ihn die Männer.

Drüben aus dem Ranchhaus kam ein Mädchen angelaufen. Es mochte vielleicht sechzehn Jahre alt sein, hatte

dunkles Haar, blaue Augen, ein frisches Gesicht und rote Wangen. Es trug die gleiche Kleidung, die auch die Männer trugen.

Es war Judy Wilkins, die Tochter des Ranchers.

Ungestüm stieß sie die Cowboys auseinander und beugte sich über den Niedergeschossenen.

Mit fliegenden Händen riß sie ihm das blutdurchtränkte Hemd über der Brust auf.

Dann stockten die Finger.

Entsetzt starrte sie auf die große Wunde in der Brust des Vormannes; ihre Augen flogen zu seinem wächsernen Gesicht.

»Er ist tot«, kam es tonlos von ihren Lippen.

Die Cowboys sahen sie unbehaglich an.

»Yeah«, knurrte der jüngste von ihnen.

Das Mädchen sprang auf die Füße. »Und ihr Schläfer habt den Mörder entkommen lassen!«

Die Cowboys kraulten sich die Köpfe.

Judy Wilkins stieß einen von ihnen an. »Wenn Vater zurückkommt, wird er euch zum Teufel jagen!«

»Aber –«

»Was aber? Holt eure Pferde, wir müssen dem Banditen folgen.«

Die Weidereiter und das Mädchen sattelten ihre Tiere und sprangen auf.

Oben im Ranchhaus stand eine weißhaarige Frau und schrie erschrocken: »Judy! Du bleibst hier!«

Aber die Rancherstochter flog auf ihrem schnellen Fuchs bereits aus dem Tor vor den Cowboys her.

Wie der Sturmwind ging es über die Savanne nach Norden, dahin, wo die frische Spur des Mörders durch das hohe Gras führte.

Spät am Abend kamen sie mit hängenden Köpfen und mißmutigen Gesichtern zurück.

*

Jake Halbot war entkommen.

Er stieg im gleichen Augenblick, als seine Verfolger auf die Ranch zurückkehrten, in einer Waldschlucht aus dem Sattel und ließ sich ins kniehohe Gras fallen.

Auch er war erschöpft.

Er und der Wallach.

Aber Halbot kümmerte sich nicht um das Tier, er dachte nicht daran, es abzureiben.

Halbot dachte auch nicht an den Toten.

Was ihn berührte und unruhig machte, war nur die Tatsache, daß er kein Geld mehr hatte. Er wußte, daß er sich nach neuen Bucks umsehen mußte.

Dieses Bewußtsein war in Jake Halbot noch mit dem Gedanken an Arbeit verbunden. Er mußte sich irgendwo auf einer Ranch einen Job beschaffen.

Das war hier oben vor den Bergen Colorados nicht leicht. Die großen

Ranchs waren dünn gesät. Unter Umständen konnte es ihm passieren, daß er tagelang reiten mußte, bis er irgendwo auf eine Ansiedlung traf.

Aber das hinderte ihn nicht, sich in seine Schlafdecke zu wickeln und seelenruhig in den kommenden Morgen hineinzuschlafen.

Es war schon Vormittag, als er erwachte.

Aus seinen letzten Vorräten bereitete er sich eine Mahlzeit, dann schnallte er den Sattel auf seinen Wallach und ritt weiter.

Wie so oft in seinem Leben sollte er auch jetzt wieder Glück haben. Anstatt, wie er es vorgehabt hatte, scharf nach Norden zu reiten, hielt er sich nordwestlich und traf schon am Nachmittag an einem Flußlauf auf die Spuren einer kleineren Herde.

Halbot folgte der Fährte und sah am späten Nachmittag die flachen Dächer einer Ranch.

Ein langaufgeschossener knorriger Mann arbeitete an der Brunnenwinde, als der Reiter in den Hof ritt. Mürrisch blickte er auf und ließ von seiner Arbeit ab.

Halbot stieg nicht erst ab, lehnte sich über das Sattelhorn und erkundigte sich nach einem Job.

Der Mann zog verwundert die Brauen hoch.

Einen Job? Ja, den könne er kriegen, meinte er.

Und dann erfuhr der Texaner, daß er mit Jonathan Cadd, dem Rancher, selber sprach.

Die beiden Männer waren sich schnell einig.

Jake brachte seinen Gaul in den Corral und wurde dann von dem Rancher ins Haus geführt.

In der Küche war eine junge Frau damit beschäftigt, das Abendbrot vorzubereiten.

Sie war groß und schlank, hatte ein ernstes Gesicht und blaue Augen.

Jake blickte ihr forschend entgegen. Fast hätte er – nach alter Gewohnheit – einen halblauten Pfiff durch die Zähne gestoßen.

»Das ist Jake Halbot, er kommt aus Texas – und das ist meine Tochter Susan«, erklärte der Rancher einfach.

Jake nahm seine Blicke nicht von der Frau. Auch nicht, als der Rancher ihm seine Arbeit erklärte.

»Geht schon in Ordnung, Boß. Ich stamme von einer Ranch. Mein Vater hat mehrere tausend Rinder auf der Weide…«

Dann lernte der Texaner die anderen Cowboys kennen. Sie kamen vor Einbruch der Dunkelheit von der Weide. Sechs hartgesichtige, ganz staubige Burschen.

Einer von ihnen war Dan Carey, der Vormann. Ein großer, vierkantiger Mann mit hölzernem Gesicht, schiefergrauen Augen und dunklem Haar. Er trug ein rotes Hemd und zerschlissene Yearninghosen.

Nach dem Abendessen verzogen sich die Cowboys hinüber ins Bunkhaus.

Nur Jake blieb auf der Veranda und starrte ins offene Küchenfenster. »Hallo, Miß Susan!«

Die junge Frau blickte sich um. »Mister Halbot –? Ihr Gesicht war ernst.

»Ist es nicht langweilig für ein so hübsches Mädchen auf so einer entlegenen Ranch?«

»Nein.« Sie wandte sich ab und arbeitete weiter.

Halbot lehnte sich über die Fensterbrüstung und sah ihr zu.

Plötzlich waren Schritte auf dem Vorbau.

Der Texaner wandte sich um und sah in das Gesicht des Vormannes.

»Wenn du das Bunkhaus suchst, Jake – das ist drüben.«

Der harte Ton reizte den Texaner augenblicklich. Wild schoß das Blut zu seinem heißen Herzen. »Ich suche es nicht, Dan.«

Der Vormann zog die Brauen zusammen. »Ich möchte nicht, daß du dich hier am Ranchhaus herumtreibst.«

Jake spürte die Warnung nicht. Er richtete sich auf und reckte den Kopf. Herausfordernd meinte er: »Vielleicht ist das nur dir erlaubt, he?«

»Kann schon sein.«

Da schlug der unbeherrschte Mann zu.

Carey schlug zurück.

Ein wilder, harter Männerkampf tobte quer über die Veranda.

Jake merkte sofort, daß er hier einen starken Gegner vor sich hatte. Carey stammte aus den Bergen oben, aus einem winzigen Nest, wo schon die Kinder bei der Arbeit helfen müssen. Er verstand zu kämpfen, seine Fäuste zu gebrauchen. Hart und krachend fielen seine Schläge.

Der Texaner war wendiger, schneller und traf genauer.

Carey hatte eben einen fürchterlichen Backhander am Jochbein eingefangen. Er schwankte – aber er stand und schlug augenblicklich zurück.

Ungedeckt traf der Schlag den Tex am Kinnwinkel.

Jake ging in die Knie.

Carey wartete.

Dann kam Halbot wieder hoch, duckte sich, unterlief den Gegner und wuchtete ihm eine wilde Doublette in die Rippen, der er einen fürchterlichen Uppercut folgen ließ.

Carey prallte so hart gegen einen Vorbaupfosten, daß das Holz in seinem Gefüge erzitterte.

Der Faustkampf ging weiter.

Bis der Rancher plötzlich in der Tür stand.

»Aufhören!« brüllte er.

Carey nahm die Arme herunter.

Da holte der Texaner noch einmal aus und hämmerte dem freistehenden Mann einen knallharten rechten Haken ins Gesicht.

Dan Carey stürzte über die Verandatreppe in den Staub des Hofes.

Langsam stand er auf, schoß dem Texaner einen vernichtenden Blick zu und wandte sich ab.

Jake wischte sich durchs Gesicht. »Der hat sein Fett.«

Jonathan Cadds Gesicht war starr wie ein indianischer Holzschnitt. »Ich brauche einen Cowboy, Halbot – keinen Schläger!«

Der Tex wies mit dem Kopf auf den Davonschreitenden. »Und er, was ist er?«

»Ein guter Cowboy«, versetzte der Rancher und ging zurück ins Haus.

Der unter so unseligen Umständen begonnene Job wurde ihm nicht abgenommen. Er konnte bleiben.

Und Dan Carey war anständig genug, den unsauberen Fight zu vergessen.

Nur einer vergaß nicht – Jake Halbot.

Er hatte dem Vormann Rache geschworen. Und die Tatsache, daß Susan sich nichts aus ihm – dem Texaner – machte, bestärkte ihn in seiner Absicht. Er würde diesen starren Coloradoman zertrümmern.

*

Eine knappe Woche war vergangen.

Sie hatten einen Teil der Herde auf ein anderes Weidestück gebracht. Halbot hatte nur drei Tage auf der Weide gearbeitet. Dann erklärte er dem Vormann, daß ihm die Sattelarbeit nicht allzuviel Spaß mache.

Carey war harmlos genug, ihn auf der Ranch zu beschäftigen.

Jake arbeitete mit einem älteren Cowboy an einem morschen Scheunentor, reparierte einen Planwagen und sägte Holz.

Immer wieder zog es ihn zum Ranchhaus, auf die Veranda, an das Küchenfenster.

Wenn Susan über den Hof ging, hörte er mit der Arbeit sofort auf und folgte ihr.

So auch an jenem Morgen.

Susan hatte das Haus verlassen und war zum Brunnen hinübergegangen.

Jake hatte es gesehen. Er ließ die Säge los, scherte sich nicht um den ärgerlichen Ruf Frank Genans, der am anderen Ende der Säge stand, stakste über den Hof und blieb neben dem Mädchen am Brunnen stehen.

»Hallo, Susan.«

Das Mädchen wandte sich um. In seinen Augen stand Ablehnung. »Was wollen Sie, Mister Halbot? Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, daß Sie mich in Ruhe lassen sollen. Ich habe eine Menge Arbeit.«

»Sicher«, versetzte der Cowboy lässig.

Da kam ein Reiter in den Hof.

Dan Carey.

Neben dem Texaner rutschte er aus dem Sattel.

»Habe ich es mir doch gedacht«, knurrte er dumpf, »vorwärts, hinüber in den Corral. Es gibt da eine Menge Latten auszubessern.«

Halbot wandte sich dem Vormann zu, lehnte den Oberkörper zurück, spreizte die Beine und schob die Hände hinten in den Waffengurt.

»So, gibt es das?« fragte er gallig.

»Yeah!« herrschte ihn der Vormann an. »Außerdem habe ich dir gesagt, daß wir keine Waffengurte tragen. Wir leben hier nicht in einer verrückten Stadt, in der jeder eine Kanone trägt. Bei uns wird nicht geschossen, sondern hart gearbeitet.«

»Was du nicht sagst, Carey«, antwortete Halbot spöttisch.

»Leg den Gurt mit den Revolvern ab!« befahl der Vormann.

»Ich denke nicht daran.«

Halbots Hände waren pötzlich neben die Coltkolben gerutscht.

»Du hast gehört, was ich gesagt habe«, versetzte der Vormann drohend.

Da trat die Frau zwischen die beiden Männer. Sie sah Dan Carey an. »Was soll das geben? Eine Schießerei?«

»Nein, Miß. Aber Ihr Vater will nicht, daß die Leute Schußwaffen tragen.«

»Ich weiß.«

»Well!« mischte sich da der Texaner ein, nahm seinen Gurt ab und drückte ihn der Frau in die Hand. Dann schob er sie beiseite und trat mit glimmenden Augen auf den Vormann zu. »Das wäre erledigt, aber etwas anderes noch nicht. Dieser dreckige Bursche aus den Bergen hat ein zu großes Maul.«

Und schon flog ein schwerer rechter Haken gegen den Schädel des Vormannes.

Im nächsten Augenblick war eine wilde Schlägerei im Gange.

Susan blickte entsetzt auf sie nieder. Plötzlich wandte sie sich um, nahm den gefüllten Wassereimer und leerte ihn über den beiden Kämpfenden aus.

Die Männer ließen sofort voneinander ab und erhoben sich fluchend.

Der Rancher stand plötzlich hinter ihnen. »Halbot, es ist das beste, wenn Sie sich Ihr Geld bei mir abholen und dann in den Sattel steigen…«

*

Er bekam sein Geld, einen guten Proviant und machte sich grußlos davon.

Sein Gewissen war in keiner Weise belastet. Im Gegenteil, er ritt pfeifend aus dem Hof.

Es war ein klarer, sonniger Tag.

Der Mann ritt nach Westen, über hügeliges Land.

Zu seiner größten Verwunderung sah er bereits nach siebzehn Meilen die Häuser einer Stadt vor sich auftauchen.

Die Bergriesen waren hier schon näher und schienen das andere Ende der breiten Mainstreet abzuschließen.

Halbot sah sich nach einem Mietstall um, stellte seinen Wallach unter und schlenderte mitten über die Straße.

Da entdeckte er auf der rechten Seite mitten in einer kleinen Häuserzeile einen Saloon.

›Bills Saloon‹ stand in großen Lettern über dem Eingang.

Jake schlenderte auf die Schenke zu, stieß die hölzernen Schwingarme der Pendeltür auseinander und betrat den im Halbdämmer des Nachmittags liegenden Schankraum.

Der Saloon war leer – bis auf einen Tisch. Da saßen drei ältere, schnauzbärtige Männer und pokerten.

Halbot hielt auf die Theke zu, schnipste mit den Fingern und verlangte eine Flasche Kentucky-Gold.

Der Wirt, ein kleiner Mann mit saurem, kränklichem Gesicht, musterte ihn kurz und stellte ihm dann den Whisky hin. »Gezahlt wird gleich«, meinte er mit dünner Fistelstimme.

Der Texaner zog die Brauen zusammen. »Dafür sollte ich dir eine langen, alte Schleiereule.«

Aber er zog dann doch das Geld aus dem Beutel und warf es klimpernd auf das Thekenblech.

Dann wandte er sich um und blickte unternehmungslustig auf die drei Spieler. »Wie sieht’s aus, Gents, kann ich mithalten?«

Die drei Alten sahen auf, blickten den Frager an, tauschten einen kurzen Blick untereinander und spielten dann weiter.

Das war genau das, was Jake Halbot nicht vertragen konnte. Er schob sich an den Tisch der drei heran, zog die Winkel seines schmallippigen, wenig angenehm wirkenden Mundes nach unten und musterte jeden einzelnen der drei Kartenspieler. »Bin euch wohl nicht elegant genug, he?« schnarrte er.

Der Mann, der ihm am nächsten stand, wandte seinen grauen Kopf und grinste. »No, Mister, das ist es nicht, aber wir brauchen keinen Partner, verstehen Sie?«

»Nein!«

»Wir spielen jeden Morgen hier ein Stündchen miteinander, schon seit Jahren – und…«

»Was geht das mich an? Ich will mitspielen!« Halbot zog sich einen Stuhl heran und setzte sich rittlings darauf. Dann riß er den Korken von der Flasche und trank. Glucksend lief das scharfe Getränk aus der Flasche in seine Kehle.

Angeekelt wandten die Spieler sich ab.

Halbot hatte ein Viertel des Flascheninhalts in sich hineingekippt. »So, Leute, und nun rückt zusammen. Jake Halbot spielt mit!« rief er grölend.

Er spielte mit.

Den dreien blieb nichts anderes übrig.

Und Halbot gewann.

Auch dagegen vermochten die Männer nichts zu unternehmen.

Er gewann, weil er falschspielte.

Es gab jedoch jemanden, der etwas dagegen unternehmen wollte: der Salooner.

Langsam hatte er sich an den Spieltisch herangemacht und zugesehen.

Plötzlich schoß seine Hand vor und legte sich auf den linken Unterarm des Texaners. »Stop, Mister, so läuft das nicht. Hier wird nicht falschgespielt. Diese Gents sind Gäste, die jeden Tag bei mir verkehren. Ich habe kein Interesse daran, sie wegen eines Falschspielers zu verlieren.«

Halbot saß drei Sekunden steif da, dann riß er sich von dem Griff des Wirts los, warf den Kopf herum und bellte: »Was fällt dir ein, dreckiger Schnapspanscher!«

Er war aufgesprungen. Geschickt hatte er bei dieser Bewegung eine Karte aus seinem Ärmel gezogen und unter den Tisch fallen lassen.

Der Salooner war blaß geworden. »Ich habe deutlich gesehen, daß Sie falschgespielt haben, Mister!«

»So?« knurrte ihn der Cowboy an. »Dann beweisen Sie mir das gefälligst.«

»Das kann ich.«

Der Wirt griff nach dem linken Ärmel des Mannes, öffnete den Knopf – und starrte auf den behaarten Unterarm des Banditen. »Aber…«

»Was aber?« herrschte ihn Halbot an. »Was haben Sie gesucht? Eine Karte?«

»Aber da war doch eben noch eine Karte. Ich habe doch deutlich gesehen…«

»Was haben Sie gesehen?« Halbot schleuderte den Salooner so brutal zurück, daß der Mann zwei Stühle mit umriß. »Verschwinden Sie, Alter, sonst raucht’s!«

Die drei älteren Männer saßen wie erstarrt da.