Xmas Horror - Cid Mattausch - E-Book

Xmas Horror E-Book

Cid Mattausch

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Beschreibung

Klappentext zur Hauptgeschichte: Xmas Horror - Schatten der Stille Pia freut sich auf Weihnachten bei ihrer Oma - trotz des Hausarrests, den ihre Eltern ihr als Strafe auferlegt haben. Doch die friedliche Idylle des Dorfes bricht jäh zusammen, als jeden Tag ein Kind verschwindet. Was geht in der Gemeinde vor und wer ist dafür verantwortlich? Schwebt sie selbst in Gefahr? Klappentext zur Bonusgeschichte: Xmas Horror - Schneemann Er sollte verschwunden sein. Nach der Zerstörung durch ihre Cousinen blieb nur ein Haufen Schnee zurück. Doch am nächsten Morgen steht der Schneemann wieder da – größer, furchteinflößender, mit Augen, die sie zu verfolgen scheinen. Ist er nur ein Trugbild, oder erwacht etwas Unheimliches zum Leben?

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Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Content Notes
Xmas Horror Schatten der Stille
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Epilog
Bonusgeschichte Xmas Horror Schneemann
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Danksagung
Impressum

Xmas Horror

Schatten der Stille

Cid Mattausch

Content Notes

Xmas Horror enthält Leichen, verschwundene Kinder, Erbrochenes und Tod.

Xmas Horror Schatten der Stille

Cid Mattausch

1

Warum?! Noch zwölf Tage bis Weihnachten. Warum durfte sie die Zeit nicht zuhause verbringen? Stattdessen musste sie bis nach Weihnachten bei ihrer Oma bleiben. Es war nicht so, dass Pia ihre Oma nicht mochte. Aber viel lieber wäre sie daheimgeblieben.

Vor allem wollte sie nicht im Rahmen einer Strafe abgeschoben werden. Dabei war nicht einmal sie die Schuldige. Nicht sie hatte ihrer Lehrerin einen Streich gespielt. Sie hatte die Anderen auch nicht dazu angefeuert. Sie befand sich in der Nähe, aber sie hatte nichts damit zu tun gehabt.

Die Lehrerin mochte sie einfach nur nicht. Im Gegensatz zu den anderen Mädchen innerhalb ihrer achten Klasse galt sie als Störfaktor. Mehrere Stunden nacheinander still sitzen und zuhören war für Pia viel zu langweilig. Viel lieber mochte sie den Unterricht, in dem sie etwas Praktisches machen durfte.

Gleichgültig blickte Pia aus dem Fenster des Autos und sah auf die schneebedeckte Landschaft, die langsam an ihr vorbeizog. Es kostete sie viel Mühe, so desinteressiert zu wirken. Viel zu sehr ärgerte sie sich darüber, dass ihr dieser Streich in die Schuhe geschoben wurde und ihre Eltern dies einfach so glaubten. Nur deswegen wurde sie für eine längere Zeit der Schule verwiesen, bis geklärt werden konnte, wie man weiter mit ihr verfahren sollte. Als wäre sie ein Stück undefinierbarer Müll, von dem man nicht wusste, ob er in den gelben Sack oder den Restmüll gehörte.

»Die Tage bei Oma werden dir guttun«, prophezeite ihre Mutter, drehte sich zu ihr um und lächelte ermutigend. Was wusste sie schon?! Aber natürlich würde es ihr helfen, den ganzen Mist etwas zu verdrängen. Aber was war danach? Musste sie die Schule verlassen? Dass der Streich so sehr schiefging, dass ihre Lehrerin ins Krankenhaus musste und wahrscheinlich danach zu einem Psychiater, war doch nicht ihre Schuld! Sie wollte nicht die Schule wechseln müssen für etwas, womit sie gar nichts zu tun gehabt hatte.

Ihre Mutter musterte sie noch einen weiteren Augenblick, bis sie erneut versuchte, ein Gespräch zu beginnen. »Nimm es positiv. Du bist nicht nur bei Oma, sondern kannst auch noch mehr als einen Tag mit deinen Freunden aus dem Dorf verbringen. Das ist doch etwas.«

»Ja, sicher«, antwortete Pia weiterhin desinteressiert. Tatsächlich gab es diesen einen weiteren guten Aspekt ihrer Abschiebung. Lena und Christoph lebten im selben Dorf, in dem der Hof ihrer Oma stand. Ihre Eltern hatten Pia in ihrer Kindheit oft zu Oma gebracht, damit sie die Ferien an der frischen Luft verbringen konnte. Sie war mit den beiden befreundet, seitdem sie acht Jahre alt war. Diese Freundschaft bestand noch immer. Trotz der Distanz. Ihr Vater betitelte es immer als weite Strecke. Ihre Oma sah es anders. Pia selbst empfand eine einstündige Autofahrt als recht kurzlebig.

»Bist du sicher, dass wir es ihr erlauben sollten, sich mit anderen Kindern zu treffen? Eigentlich soll es eine Strafe sein und kein Urlaub«, hörte sie ihren Vater murmeln. Er hielt seinen Blick starr auf die Straße gerichtet, als er offen seine Zweifel äußerte.

»Und wie willst du das kontrollieren?«, hinterfragte ihre Mutter und drehte sich schließlich wieder nach vorne.

»Vielleicht kannst du deine Mutter darum bitten.«

Die Diskussion, die daraufhin entbrannte, blendete Pia aus. Sie war froh, dass sie bereits die Ortseinfahrt ihres Ziels erreicht hatten. Im Gegensatz zu ihrem Vater vertrat ihre Mutter nicht die Meinung, dass man sie von allem Lebenden abschotten sollte.

Die späte Mittagssonne schien auf den frischen Schnee. Das Licht, das dadurch reflektiert wurde, war so grell, dass sich Pia eine Hand als Sichtschutz vor das Gesicht halten musste. Er war nicht tief, bedeckte jedoch bereits jede einst unberührte Fläche.

Pia war immer der Meinung gewesen, dass das Dorf aus nur einer Hauptstraße und maximal drei Nebenstraßen bestand. Ihr Vater sah das anders. Für ihn gab es nur eine Hauptstraße. Alles andere deutete er als lange Auffahrten.

Er ließ das Auto langsam um eine enge Kurve fahren, die in eine der Nebenstraßen führte. Wenn Pia der Logik ihres Vaters folgte, wäre dies bereits die Auffahrt zum Hof ihrer Oma gewesen. Eine Zufahrt, die sich seltsamerweise fünf andere Höfe teilten und die in einem Wendehammer endete.

Pias Blick fiel auf einen Strommast, der an der Kurve stand. Schlagartig verließ sie ihre Lümmelhaltung auf dem Rücksitz und begutachtete konzentriert, was sie entdeckt hatte. Am Mast klebte ein Vermisstenplakat. Ein Kind, wenn sie es richtig erkannt hatte. Auf dem Foto konnte sie einen Jungen erkennen, dessen Kopf recht groß war. Wahrscheinlich war er noch sehr jung. Besaßen Kinder nicht bis zu einem gewissen Alter etwas seltsame Proportionen?

»Hing da gerade ein Plakat, auf dem stand, dass ein Kind vermisst wird?«, fragte Pia laut. Ihre Mutter wandte sich ihr zu, zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, Schatz. Vielleicht geht es da auch nur um eine entlaufene Katze.«

Katze? Natürlich verschwanden Haustiere in Dörfern genauso oft wie in Städten. Aber eine Katze? Wenn das, was sie als Kopf identifiziert hatte, der Körper des Tieres gewesen sein sollte, hätte sie sich überhaupt noch bewegen können? Wie hätte eine so fette Katze noch leben können? Und wie hätte sie überhaupt wegrennen können? Sie warf ihrer Mutter einen ungläubigen Blick zu, der nonverbal so viel bedeutete wie Willst du mich verarschen?

Doch sie wusste es nicht und war sich nicht sicher. Sobald ihre Eltern wieder weg waren, würde sie ihre Oma fragen. Sie war nicht der Typ Mensch, der sie in Watte einpackte und ihr Geschichten von entlaufenen Haustieren erzählte. Wenn es ein Kind war, würde sie es ihr sagen. Wahrscheinlich würde sie ihr auch sagen können, wie es hieß, wie alt es war und was es gefrühstückt hatte, als es verschwand.

Der Hof hatte nichts Weihnachtliches an sich. Das lag vor allem daran, dass ihre Oma es für zu mühselig hielt, etwas stimmungsvolle Dekoration aufzuhängen oder das Haus festlich zu schmücken. Oft stellte sie nur drinnen einen kleinen dekorierten Tannenbaum auf. Es störte Pia nicht. Wenn sie Lust dazu hatte, konnte sie das Haus weiter schmücken.

Auch wenn nur wenig Schnee lag, hatte ihre Oma die Einfahrt geräumt und überall lag Streugut verteilt. Der Boden knirschte unter den Autoreifen, als ihr Vater den Wagen in der Einfahrt zum Stehen brachte.

Kaum war das Auto zum Stillstand gekommen, sprang Pia aus ihrem Gefangenentransporter und rannte zum Haus. Sie mochte das Grundstück. Es war groß und das Haus nicht klein. Einst war es ein Hof gewesen, in dem ihre Oma in jüngeren Jahren noch Hühner und ein Pferd gehalten hatte. Die Ställe grenzten direkt ans Haus. Auch die Werkstatt ihres verstorbenen Opas lag direkt an der Garage, die wiederum mit den Ställen verbunden war. Man musste das Haus nicht verlassen, wenn man vom Wohnzimmer in die Werkstatt wollte. In manchen Sommern durften Lena und Christoph ebenfalls ins Haus und dann spielten sie dort Verstecken. Pias Favorit für dieses Spiel war der Heuboden, der direkt über den Ställen lag. Christoph versteckte sich immer gerne im Kohlenkeller, während es Lena gelang ,sich im Nähzimmer unsichtbar zu machen.

Es war lange her, dass sie Verstecken im Haus spielen konnten. Jetzt, wo sie alle älter waren, wollte es ihre Oma nicht mehr. Pia hatte den Eindruck, dass sie generell etwas feindseliger eingestellt war, als früher. Es wäre das Alter, hatte ihr Vater ihr erzählt. Einige wurden leichtgläubiger, aber nicht Christel. Sie wurde verschlossener.

Während Pias Eltern ihren Koffer und Rucksack aus dem Auto hievten, stand sie auf den Füßen auf und ab wippend vor der Haustür, als sie klingelte. Ihre Mutter hatte einen Schlüssel. Doch sie wollte nicht warten, bis die beiden ihre Diskussion, die sie begonnen hatten, für ergebnislos erachteten.

Die Tür öffnete sich zaghaft. Zunächst blickte ihre Oma sie aus einem kleinen Spalt heraus misstrauisch an, bis sie ihre Enkelin erkannte. Sofort lächelte sie breit, riss die Tür vollständig auf und begrüßte Pia mit der herzlichsten Umarmung, die je ein Mensch hätte geben können.

»Ich dachte ihr kommt erst später.« Christel ließ von Pia ab und begutachtete sie einen Moment lang weiterhin lächelnd.

»Papa wollte eher losfahren. Er hat heute wohl noch Termine«, entschuldigte sich Pia für ihre verfrühte Ankunft. Christel sah sie wissend an. Sie wusste genau, wie beschäftigt ihr Vater war und manchmal hatte sie darüber auch in Pias Gegenwart geflucht.

»Hallo, Mama.« Ihre Mutter wirkte außer Atem, als sie mit Pias Rucksack und ihrer Tasche zu den beiden aufschloss und sie ebenfalls mit einer Umarmung begrüßte.

»Und der Andere?«

Pia musste grinsen. Damit hatte sie ihren Vater angesprochen, der am Wagen stand und telefonierte. Ihre Mutter folgte Omas Blick in Richtung des Autos. Sie seufzte. »Wird dringend sein. Lass uns schonmal reingehen. Wir können die Tür ja ein Stück anlehnen.«

»Anlehnen?«, empörte sich Christel. »Dann entweicht mir ja die ganze Wärme. Der soll klingeln, wenn er fertig ist.« Keine Widerrede. Ihre Mutter signalisierte nur, dass sie damit einverstanden sei. Zu dritt betraten sie die Diele.

Pia und ihre Mutter zogen dort ihre dreckigen Schuhe aus und schlüpften in Hausschuhe, die immer in diesem Vorraum auf sie warteten, sollten sie zu Besuch sein. Danach betraten sie den hinteren Teil der Diele. Vor der Treppe zum Obergeschoss stellte Pias Mutter die beiden Packstücke ab und sah sich um. Es war dunkel im Flur, da nur ein stark gedimmtes Licht brannte.

»Wollt ihr euch mit einer heißen Schokolade aufwärmen?«, fragte Christel, als sie die Tür zur Küche öffnete.

»Ja, gerne.« Pia freute sich darauf. Sie wusste nicht wieso, aber sie war der Meinung, dass ihre Oma die beste Trinkschokolade auf der Welt zauberte.

»Ich nehme auch eine, danke.« Ihre Mutter zog die Jacke aus und entblößte dabei ihren Babybauch. Danach ließ sie sich Pias Jacke geben und hing beide an die Garderobe. Beide folgten der Gastgeberin daraufhin in die Küche.

»Setzt euch«, bat ihre Oma, wies auf den Küchentisch und stellte sofort zwei Tassen ab, in denen köstliche Schokolade dampfte. Ihre Oma war Meisterin darin, Dinge vorzubereiten. Selbst die heiße Schokolade hatte sie bereits vorab schon zubereitet. So spielte es keine Rolle, wann ihr Besuch eintraf. Ihre Mutter schnappte sich eine Tasse, blieb stehen und lehnte sich an das Fenster, um nach draußen zu ihrem Ehemann zu sehen. Er telefonierte noch immer. Pia befolgte die Einladung ihrer Oma brav und setzte sich auf einen der Stühle. Dabei fiel ihr die Milchpackung einer kleinen Molkerei auf, die sich nicht weit weg von diesem Dorf befand. Neugierig griff sie danach und sah sich die Packung genauer an. Das, was sie interessierte, nahm beinahe zwei volle Flächen des Quaders an. Es war eine Vermisstenmeldung. Ein kleiner Junge. Sie war sich sicher, dass es nicht dasselbe Kind war wie auf dem Plakat.

»Oma?« Erwartungsvoll sah Pia zu ihr auf und trank einen kleinen Schluck.

»Was ist, mein Schatz?«

»Der Junge hier. Im Dorf gab es noch ein Plakat, auf dem ein Kind vermisst wurde. Das war ein anderes Kind, oder?«, fragte Pia und hielt die Milchpackung so, dass ihre Oma das Bild des pausbäckigen, kleinen Jungen sehen konnte. Sie öffnete bereits den Mund, um zu antworten, als Pias Mutter kam und ihr die Schachtel aus der Hand riss. Sie sah sich die Meldung nur kurz an und erklärte dann: »Er ist aus dem Nachbardorf, oder?«

»Ja. War aber auch immer mal hier im Dorf.«

»Muss man sich Sorgen machen?« Ihre Mutter trank ebenfalls einen Schluck und warf Christel einen detektivischen Blick zu.

»Das weiß ich nicht. Der Postbote meinte, der Junge sei weggelaufen.« Ihre Mutter nickte zufrieden. Dass es sich dabei nur um ein Gerücht handelte, war ihr anscheinend egal.

»Und das Kind auf dem Plakat?«, hakte Pia nach.

»Pia, Schatz. Gehst du bitte deine Sachen nach oben bringen?«, befahl ihre Mutter. Sie hatte es als Bitte formuliert, doch Pia erkannte, wann es besser war, nicht zu widersprechen. Mitleidig sah ihre Oma zu ihr.

»Na gut.« Schnell trank sie ihre Tasse aus und ging nach draußen. Dabei warf sie einen Blick in die Einfahrt. Ihr Vater stand nicht mehr am Auto. Er hatte es bis kurz vor die Haustür geschafft.

Sie summte ein Weihnachtslied, als sie sich ihre Taschen schnappte und nach oben trug. Direkt neben dem Schlafzimmer ihrer Oma gab es ein kleines Gästezimmer. Eigentlich war es bereits ihr Reich geworden. Es roch immer nach feuchtem Holz, aber es war ihr Zimmer! Einige ihrer Bücher standen in einem Regal und warteten darauf, erneut gelesen zu werden. Das Bett war alt und sein Metallgestell quietschte, wenn sie sich im Schlaf drehte. Die Tür des Kleiderschrankes hing schief und ließ sich nicht mehr schließen. Nur der Schreibtisch war noch gut in Schuss. Ihre Oma hatte ihn gekauft, damit Pia bei längeren Aufenthalten und schlechtem Wetter dort in Ruhe Hausaufgaben machen konnte. Ihren Rucksack stellte sie auf dem Stuhl ab, der wackelte, da eines der Beine ein paar Millimeter kürzer war. Ihre Tasche stellte sie auf den Boden ab und begann sogleich damit, sie auszupacken und alles sorgsam in den Schränken zu verteilen. Den Rucksack ließ sie verschlossen.

Gut gelaunt wollte sie wieder nach unten gehen. Doch auf dem Treppenabsatz hielt sie inne, als sie hörte, dass ihr Vater es in die Küche geschafft hatte. Langsam und vorsichtig schlich sie ein paar Stufen nach unten und hockte sich auf die Treppe, um die drei zu belauschen. Sie waren bereits mitten im Gespräch, aber sie wusste auch so, worum es ging.

»Das hier ist kein Weihnachtsurlaub«, appellierte ihr Vater.

»Und darum soll ich sie einsperren? Das hier ist kein Straflager.« Ihrer Oma klang bereits wütend. Egal, was er vorher gesagt hatte. Es hatte sie erzürnt.

»Christel bitte. Die Frau musste ins Krankenhaus und wird vielleicht ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Das wurde als Video ins Internet gestellt! Das hier soll kein Spaß werden!«

Die nachfolgende Diskussion hörte sie nicht mehr. Irgendeiner der drei hatte die Tür geschlossen, sodass sie nur noch Fragmente hören konnte. Pia beschloss, ein paar Minuten auf der Treppe zu sitzen und zu warten. Sie hatte keine Armbanduhr und musste die Sekunden mitzählen. Hätte sie ihr Smartphone noch gehabt, hätte sie sich so die Wartezeit vertreiben können. Doch nachdem der Vorfall in der Schule passiert war, hatte ihr Vater es eingezogen. Bei ihrer Oma brauchte sie es seiner Meinung nach nicht.

Als ein paar Minuten vergangen waren, öffnete sich die Tür. Ihre Eltern traten heraus; ihr Vater wirkte genervt und ihre Mutter resigniert.

Pia sprang ein paar Stufen nach unten und folgte ihnen zur Tür. Die Verabschiedung fiel kurz aus. Ihre Mutter hatte noch gesagt, dass sie täglich anrufen würde, um zu fragen, wie es ihr ging.

Zusammen mit ihrer Oma sah sie zu, wie das Auto den kleinen Hof verließ. Sie legte ihr die Hand auf die Schulter und sprach stur: »Mir egal, was er sagt. Das hier ist kein Straflager. Geh raus, wenn du willst. Spiel mit deinen Freunden. Genießt den Schnee. Passt nur auf, wenn ihr draußen seid. Es sind in letzter Zeit viele Kinder verschwunden. Redet mit keinem Fremden.«

2

Ihre Oma war die Beste! Dass ihre Eltern den Aufenthalt als Arrest festgelegt hatten, interessierte sie nicht. Auch am nächsten Tag hatte sie diese Meinung nicht geändert. Pia sollte ihr vormittags nur mit dem Haushalt helfen und schon durfte sie am Nachmittag nach draußen und sich mit ihren Kindheitsfreunden treffen.

Sie hatte Lena und Christoph schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Die Herbstferien lagen gefühlt eine Ewigkeit in der Vergangenheit. Umso mehr freute es sie, dass sie die beiden nicht erst in den Winterferien wiedersah, die erst im nächsten Jahr sein würden.

Lena strahlte bis über beide Ohren, als Pia sie am Schultor der kleinen Dorfschule abholte. Beide sprachen angeregt miteinander, als sie ein Schneeball mitten ins Gesicht traf.

»Volltreffer!«, rief Christoph und rannte mit einem Gewinnerlächeln auf die beiden Mädchen zu.

»Muss das sein?«, meckerte Lena und warf ihrem Kumpel einen verständnislosen Blick zu, während sie sich mit dem Handschuh das eiskalte Wasser von ihrer Wange wischte.

»Was denn? War doch eine astreine Begrüßung.« Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte er noch die letzten Meter zu den beiden. Lena ignorierte ihn sofort und griff wieder den Satz auf, den sie zuletzt gesagt hatte, während Christoph ihr die Zunge herausstreckte.

»Ich versteh es gut, wenn ihr quatschen wollt, aber wollen wir dafür nicht lieber runter zum Teich gehen? Ich meine: Vor der Schule? Ernsthaft? Kann es kaum erwarten, hier wegzukommen.« Pia kicherte. Sie mochte seine Ausdrucksweise, auch wenn er ziemlich gemein werden konnte. Lena sah ihn genervt an, nickte jedoch schließlich und zu dritt liefen sie zum Dorfteich. Er war zugefroren, was Christoph nicht daran hinderte, an dessen Ufern herumzuspringen, um das Eis zum Splittern zu bringen. Währenddessen standen Lena und Pia etwas abseits und beobachteten ihn dabei. Meist wetteten sie, wie viele Sprünge er noch schaffen würde, bevor er ausrutschte.

Lena lachte laut, als sie ihre Wette gewann und er mit dem Hintern nicht nur auf das Eis fiel, sondern es auch durchbrach.

»Du, sag mal. Mir ist da was aufgefallen«, lenkte Pia auf ein unangenehmeres Thema.

»Oh, was denn?« Neugierig sah Lena zu ihr.

»Im Dorf ist mir ein Vermisstenplakat aufgefallen und auf der Milchpackung ist noch eine weitere Meldung. Sind gerade wirklich zwei Kinder verschwunden?«

Als hätte sie den Tod ihres Haustiers angesprochen, erstarb Lenas Lächeln. Sie wandte den Blick auf den Teich, als sie niedergeschlagen sagte: »Nicht nur zwei. Es sind jetzt dreizehn Kinder verschwunden. Heute früh kam eine neue Meldung rein.«

»Dreizehn?« Pia wollte es kaum glauben. Dreizehn Kinder waren verschwunden? Es war der dreizehnte Dezember! War das ein Zufall?

»Jepp. Mein Vater meint, dass das irgendein Verrückter sein muss«, kommentierte Christoph und versuchte, sich die durchnässte Hose trocken zu reiben.

»Aber ich denke«, sprach er und hob einen Zeigefinger, »das hat Methode. Dreizehn Kinder. Dreizehnter des Monats. Irgendein Serienkiller wird sich jeden Tag ein Kind schnappen, als wäre dies sein Adventskalender.«

»Das ist so abartig.« Lena wandte sich angewidert um, während Pia Christoph ansah, als hätte er etwas äußerst Schlüssiges erzählt.

»Aber so wird es sein«, rechtfertigte er sich und stemmte beleidigt die Arme in die Hüfte.

»Und, kanntet ihr welche davon?«

»Machst du Witze? Das hier ist eine kleine Gemeinde. Wir kannten jeden davon! Am dritten ist mein Banknachbar verschwunden. Er war ein Meister der Streiche.«

»Und die Polizei ist ratlos?« Pia wollte nicht glauben, dass täglich ein Kind verschwand und es keine Hinweise gab.

Lena zuckte mit den Achseln, während Christoph eine Schnute zog und meinte: »Ist dein Vater nicht ein Bulle?«

Sie verdrehte die Augen. »Ja, und? Denkst du, dass wir am Tisch über nichts anderes reden? Ich habe Glück, dass er mich noch in die Schule gehen lässt und ich danach nicht sofort nach Hause kommen muss.«

Lena drehte sich Pia zu und sah sie entschuldigend an: »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich das Thema gerne meiden.«

»Oh. Ja, klar. Entschuldige.«

Tatsächlich hatte es Pia geschafft, die Vermisstenfälle nicht mehr anzusprechen, solange Lena in der Nähe war. Bevor es dunkel wurde, hatte sie sich bereits nach Hause begeben und da Christoph sehr nah an Pias offenem Strafvollzug wohnte, begleitete er sie ein Stück.

»Du darfst das Lena nicht übelnehmen«, leitete er das Gespräch ein.

»Wie? Oh, tue ich nicht. Weißt du, warum sie so reagiert hat?«

»Ja. Das erste Mädchen, das verschwand, war eine gute Freundin von ihr. Sie hat anderen Mädchen immer gerne Kaugummi in die Haare geklebt. Na ja, egal. Jedenfalls fehlt jede Spur von ihr und sofort hieß es, dass sie weggelaufen sei. Es wurde auch noch keine Leiche gefunden.«

Pia sah ihn nachdenklich an.

»Und wurde bis jetzt irgendein Vermisster wiedergefunden oder gab es Hinweise, dass sie weggelaufen sind?«

Christoph blieb stehen und legte den Kopf schief.

»Nein. Weder das eine noch das andere. Es gibt auch keine richtige Gemeinsamkeit, außer dass es Kinder waren.«

Während er etwas Schnee nahm und ihn zu einer sauberen Kugel formte, bemerkte Pia den Van, der immer langsamer wurde und schließlich neben ihnen hielt. Dreck klebte überall an dem Fahrzeug und auch der Rost war bereits dabei, es in seine Einzelteile zu zerlegen. Das Gesicht des Mannes, der daraufhin das Fenster herunterkurbelte und die beiden musterte, gefiel ihr nicht. Den Geruch, der aus dem Auto herausströmte, empfand sie als ekelerregend. Es roch nach Alkohol und als hätte jemand in den Innenraum gekotzt.