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Mit diesem Arbeitsbuch bekommen YogatherapeutInnen und -lehrerInnen einen wertvollen Ratgeber im Bereich psychosozialen Wissens an die Hand, mithilfe dessen sie die Yogatherapie und den Yogaunterricht noch kompetenter und effektiver gestalten können. Das Buch zielt darauf ab, Wissen, Tools und Kompetenzen beider Richtungen - Yoga und psychosoziale Beratung - synergetisch zu verbinden. Schnittstellen werden aufgezeigt, wechselseitige Bereicherungen komplementär und anwendungsorientiert verknüpft. Die Kombination aus dem personenzentrierten Beratungsansatz und Yoga schafft damit ein wertvolles Bindeglied beider Welten. Im Fokus steht dabei neben der Vermittlung von Fähigkeiten zur empathischen Gesprächsführung auch die Kompetenz zur erfolgreichen Beziehungsarbeit, welche die Förderung des Wohlbefindens der Menschen bezweckt.
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Seitenzahl: 198
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Über den Autor
Marc Probst ist Lehrer, psychosozialer Berater, Yogalehrer und -therapeut und Dozent der ausdrucksorientierten Kunst. Marc ist davon überzeugt, dass die Verbindung von Yoga und psychosozialer Beratung hilft, sich stärker mich sich selbst, anderen Menschen und seiner Umwelt verbunden zu fühlen und dadurch ein zufriedenes und achtsames Leben möglich ist.
Vorwort von Remo Rittiner
Einleitung
Kapitel 1: Personenzentrierte Beratung
Carl R. Rogers und der Humanismus
Die humanistische Psychologie
Persönliche Weiterentwicklung als Ideal
Die humanistischen Kernaussagen Carl R. Rogers
Das Konzept der psychosozialen Beratung
Die personenzentrierte Gesprächstherapie nach Carl R. Rogers
Selbstaktualisierung als Grundaxiom
Empathie im therapeutischen Prozess
Vertrauen aufbauen – 6 personenzentrierte Bedingungen
Kongruenz und ihre Wirkung
Wachstumsprozesse fördern
Die personenzentrierten Gesprächselemente nach Carl R. Rogers
Die Rolle der Selbstreflexion/-exploration
Werk und Würdigung Carl R. Rogers
Anwendungsfelder der personenzentrierten Gesprächstherapie
Was macht die personenzentrierte Therapie einzigartig?
Wissenschaftliche Evidenz für Rogers’ Ideen
Kapitel 2: Yoga und Yogapsychologie
Was ist Yoga?
Yogapsychologie – Überblick
Weltbild und Persönlichkeitstheorie des Yoga
Das yogische Menschenbild
Die vier menschlichen Grundbedürfnisse
Gesundheit und Störungen nach der Yogapsychologie
Die yogischen Lösungsansätze
Die Rolle der Selbstwahrnehmung
Selbststudium und Selbstmanagement
Persönlichkeitsentwicklung / persönliches Wachstum – »Yogaansatz«
Kapitel 3: Yoga und personenzentrierter Ansatz – psychosoziale Yogakompetenz
Parallelen zwischen Yoga und personenzentriertem Ansatz
Die 3 personenzentrierten Grundhaltungen der Yogaberaterin/ -therapeutin/-lehrerin
Die 3 Phasen der wachstumsorientierten Gesprächsführung nach Carl R. Rogers
Personenzentrierter Yogaunterricht
Personenzentrierte Yogaberatung und Yogatherapie
Persönliches Wachstum: Wahrnehmungsschulung und Änderung von Gewohnheiten
Selbstreflexion, Persönlichkeitsentwicklung und emotionale Akzeptanz
Toolbox zur personenzentrierten Yogaberatung
Praxistipps zur Gesprächsführung mit 5 »schwierigen« Klientinnen-Typen
Schlüsselqualifikationen einer erfolgreichen Lehrerin / Beraterin / Therapeutin
Was spricht für Yoga – seine Anwendung in Beratung und Therapie?
Fazit
Literaturverzeichnis
die wahrnehmung
kreiert unser sein.
dieses sein verdeckt,
was ich wirklich bin.
es ist an mir,
verantwortung zu übernehmen,
in verbindung
mit dem wahren ich
zu sein und bleiben.
ich beobachte, untersuche,
reflektiere, gebe mich hin,
lasse los, nehme an.
ich akzeptiere mich und alles,
was ist.
ich schätze mich und alles,
was ist, wert.
ich strebe danach
zu sein, was ich bin.
jeden tag. jeden moment.
Marc Probst
Mit grosser Freude schreibe ich ein Vorwort über dieses wertvolle Buch, in dem der psychosoziale Berater und Yogatherapeut, Marc Probst, Yoga und die personenzentrierte Beratung miteinander verbindet. Als erfahrener Yogatherapeut und Experte der personenzentrierten Beratung beginnt er im ersten Teil des Buches mit einer tiefgründigen Einführung in Carl R. Rogers humanistische Psychologie, die auf Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Verantwortung und der Wertschätzung der Vielfalt aufbaut. Gerade in der aktuellen Zeit sind das Themen, die uns alle sehr beschäftigen und aus denen wir viel Inspiration und Zuversicht schöpfen können, wenn wir uns darauf tiefgründiger einlassen.
Die typischen Merkmale der humanistischen Psychologie, wie zum Beispiel der Fokus auf den gegenwärtigen Moment und das Vertrauen in die Wachstumsfähigkeit, erinnern an die klassische Yogaphilosophie des Weisen Patañjali. Dem Autor gelingt es auf wunderbare Weise, die wichtigsten Kernaussagen von Carl Rogers auf den Punkt zu bringen und lädt ein, mit Reflexionsübungen diese gleich bei sich selbst anzuwenden. Die personenzentrierte Gesprächstherapie ist weniger ein problemorientierter Ansatz, sondern verfolgt das Ziel, Klienten bei der Mobilisierung eigener Ressourcen zu unterstützen, so dass ein individueller Umgang mit den Herausforderungen gefunden werden kann. In der Therapie werden günstige Rahmenbedingungen geschaffen, die KlientInnen helfen, wieder in die Selbstaktualisierung zu kommen und daraus handlungsfähig zu sein.
In meiner langjährigen Erfahrung als Yogatherapeut und Yogaausbildner konnte ich lernen, wie wichtig es ist, diesen vertrauensvollen Rahmen zu schaffen, in dem es KlientInnen gelingt, wieder bei sich anzukommen und die passenden Antworten in sich selbst zu finden. Die Reflexionsübungen über das eigene Verhalten, Empathie und Wertschätzung bringen die LeserInnen in Kontakt mit sich selbst und ermöglichen tiefe Erfahrungen der Heilung und Bewusstwerdung sowie den eigenen Möglichkeiten zur positiven Veränderung. Sehr inspirierend sind die vielen Gesprächstechniken, die dazu anregen, die eigene Kommunikation bewusster und achtsamer zu gestalten. Von den offenen Fragen zu den hypothetischen und rhetorischen, wird eine Vielzahl wertvoller Fragetechniken vermittelt, die jeder Therapeut, jede Therapeutin mit ihren KlientInnen einsetzen kann. Was mich besonders anspricht, sind Fragen wie «Was wünschen Sie sich von der Beratung?», in denen KlientInnen aktiv werden können.
Spannend sind auch die Forschungen und viele Studien zu Rogers Ideen, die darauf hinweisen, dass die Empathie von TherapeutInnen alleine noch nicht reicht. Seine Ideen gelten als wirksam, Widerstände der KlientInnen zu verringern, was die Effektivität der Therapie wesentlich verbessert.
Im zweiten Kapitel wird Yoga und Yogapsychologie in einer klaren und leicht verständlichen Weise vorgestellt. Das Weltbild und die Persönlichkeitstheorie des Yoga beziehen sich auf die drei Gunas Sattva, Rajas und Tamas, die sich ständig verändern können und bestimmen, wie wir uns selbst und die Welt wahrnehmen. Schon die alten Yogis wussten, wie wichtig es ist, im Geist achtsam und klar zu sein und entwickelten Techniken, wie wir mit Yogaübungen diesen Zustand erreichen können. Die indische Samkyha Philosophie hat eine faszinierende Evolutionstheorie, die im Buch sehr klar und hilfreich vermittelt wird. Das yogische Menschenbild beschreibt den Menschen als ein Wesen, das auf der Suche nach sich selbst ist. Durch die ständige Stimulierung und Ausrichtung auf die Aussenwelt ist es nicht einfach, bei sich zu sein und so verlieren wir unsere Mitte sehr häufig, was zu vielen leidvollen Erfahrungen führen kann.
Die ganzheitliche Gesundheit ist gemäss der Yogaphilosophie nur möglich, wenn wir mit dem wahren Selbst in uns verbunden sind. Der Autor fasst die yogischen Lösungsansätze zusammen, die Hindernisse im Geist erfolgreich zu überwinden und ganz aus der eigenen Mitte heraus zu leben. Sehr hilfreich sind hier die zahlreichen praktischen Übungen, wie die Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit oder die Reflexion darüber, welche Qualitäten im Leben aktuell am wichtigsten sind. Die wahre Natur des Menschen ist seine innere Vollkommenheit und eine innewohnende Gelassenheit und Zufriedenheit, die nicht von den äusseren Dingen abhängig ist.
Im dritten Kapitel sind Yoga und der personenzentriete Ansatz miteinander verbunden und wichtige Parallelen, wie das Bestreben den Menschen wieder zu sich zurückzuführen, werden sehr fundiert erläutert. Kernwerte von Rogers wie Empathie, Akzeptanz und Kongruenz sind sehr ähnlich wie die vier Bhavanas (Gefühlsqualitäten), die im traditionellen Yoga nach Patañjali kultiviert werden. Was mich besonders begeistert an diesem Buch, ist die Integration des personenzentrierten Ansatzes in die Yogaberatung, die Yogatherapie und in den Yogagruppenunterricht.
Aus meiner langjährigen Erfahrung als Yogatherapeut kann ich nur bestätigen, dass Empathie, bedingungslose Annahme und Wertschätzung wesentlich sind für eine nachhaltige positive Veränderung von KlientInnen. Mit vielen Übungen zur Wahrnehmung, Wertschätzung und Kongruenz und den Kernfragen können die beiden Ansätze vertieft und integriert werden. Sehr inspirierend finde ich die vielen Tipps für eine gelungene Gesprächsführung, die für jeden Menschen ein Segen sind. Sehr differenziert werden die verschiedenen Phasen der Gesprächsführung erläutert und es wird einem beim Lesen bewusst, wie hilfreich es ist, noch bewusster in Gesprächen bei sich und beim anderen zu sein.
Mit vielen Tipps und Anregungen für die Yogatherapie und dem Yogagruppenuntericht gelingt es Marc Probst, den Nutzen und Mehrwert der Verbindung von Yoga und dem personenzentrierten Ansatz klar zu vermitteln. Sehr wertvoll finde ich auch die Ausführungen und Übungen wie es gelingen kann, aus Gewohnheitsmustern in eine positive Verhaltensänderung zu kommen. Spannend und sehr hilfreich sind die Tipps, wie man mit sogenannt schwierigen KlientInnen, wie zum Beispiel eines emotional abhängigen Klienten, der zu allem Ja und Amen sagt, umgehen kann.
Zusammenfassend erklärt der Autor nochmals, was die Schlüsselqualifikationen von erfolgreichen Lehrenden und TherapeutInnen sind und wie es gelingt, die beiden Ansätze effektiv miteinander zu verbinden. Es ist ihm gelungen, sein grosses Wissen in einer einfühlsamen, differenzierten Form zu vermitteln, welche die Leserin, den Leser mit vielen praktischen Übungen einlädt, eigene Erfahrungen zu machen. Dieses Buch kann ich allen TherapeutInnen und YogalehrerInnen von Herzen empfehlen. Es eignet sich auch für Menschen, die offen sind, die Verantwortung für die Gesundheit, Heilung und Transformation wahrzunehmen. Das Buch ist eine Einladung, ganz bei sich anzukommen, gesund und voller Freude im Leben zu sein.
Herzlichst
Remo Rittiner
Yoga – die jahrtausendealte Wissenschaft des Geistes – strebt eine Vereinigung zwischen Geist, Gefühl und Körper an, aber auch eine kongruente, wertschätzende und einfühlende Lebensweise. Yoga unterstützt die Lebensfunktionen des Körpers sowie der Psyche und schafft eine positive Lebenskraft, die einen inneren Zustand der Homöostase fördert – ein Befinden in perfekter Harmonie. Dabei wird ein Gleichgewicht erreicht und aufrechterhalten zwischen den psychischen, physischen und sozialen Ressourcen des Menschen und den psychischen, physischen und sozialen Herausforderungen des täglichen Lebens. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert diese Balance als »Gesundheit« im Sinne von vollkommenem körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden.
Wohlbefinden auf allen Ebenen zu entdecken gilt als ein, wenn nicht als das grundlegende Ziel des Menschen. Leider ist es ein Zeichen der heutigen Zeit, dass dieses auf allen Ebenen durch Stress, chronische Schmerzen, emotionale und mentale Herausforderungen negativ beeinflusst wird. Zu viel Stress ist beispielsweise einer der Hauptgründe für negative Gefühle, Überlastung und zahlreiche körperliche wie auch psychische Beschwerden. Im schlimmsten Fall kann dies zu Depressionen oder Burnout mit all seinen Folgen führen.
Hier setzen die positive Wirkung und das gesundheitsfördernde Potenzial von Yoga an. Denn eine yogische Lebensweise mit regelmäßiger Yogapraxis kann effektiv Stress abbauen und stressbedingten Krankheiten vorbeugen. Die positive Wirkung von Yoga auf die psychische und körperliche Gesundheit ist mittlerweile unumstritten und wird dank stetiger Forschung zunehmend wissenschaftlich belegt. Viele der heute noch praktizierten Yogaübungen sind bereits Jahrtausende alt. Als diese Techniken entstanden sind, waren wissenschaftliche Beweisführungen nach westlichen Kriterien noch nicht bekannt. Stattdessen verließen sich die Menschen auf Überlieferungen und eigene Erfahrungen. Schon immer erforschten jedoch Yoginis die Geheimnisse des Geistes sowie des Bewusstseins und einige ihrer Entdeckungen werden heute durch aktuelle Forschung bestätigt. Die zunehmende Popularität des Yoga hat inzwischen dazu geführt, dass auch die Wissenschaft immer mehr an den Ideen des Yoga interessiert ist. Atem-, Meditations- und Körperübungen werden bezüglich ihres Beitrags für die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden untersucht. So haben inzwischen mehrere Studien gezeigt, dass die Praxis des Yoga das Risiko von Angstzuständen und Depressionen deutlich reduzieren kann. Andere Forschungsarbeiten konnten nachweisen, dass die Ausübung von Yoga einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit hat, aber auch die körperliche Verfassung verbessert. Studien zu Atem- und Meditationsübungen belegen positive Wirkungen bei Menschen mittleren Alters mit metabolischem Syndrom, bei Bluthochdruck, hinsichtlich der Förderung der Konzentration, der Reduktion des Blutzuckerspiegels und der Unterstützung des Immunsystems.
Mit gezielten Übungen und Techniken kann das präventive und therapeutische Potenzial von Yoga in seiner Gänze entfaltet werden. Viele Yogalehrerinnen, Yogaberaterinnen oder Yogatherapeutinnen1 werden in ihrem Beruf zu körperlichen wie auch psychosozialen Themen um Rat gebeten. Und so sind sie beratend unterwegs. Die Wissenschaft des Yoga bietet einen reichen Fundus an Methoden und Übungen, die empfohlen werden können, sofern sie auf die Person und deren Leiden abgestimmt sind. Dabei spielt das Wissen und Verständnis von den Yogatechniken und der Yogapsychologie eine wichtige Rolle. Letztere wurde in einem anderen kulturellen Kontext geschrieben. Sie ist nicht einfach zu verstehen und zu vermitteln und sie wird teilweise von Menschen im westlichen kulturellen Kontext abgelehnt oder missverstanden. Daraus leitet sich ein hoher Stellenwert von psychosozialen (Beratungs-)Kompetenzen – insbesondere zur empathischen Gesprächsführung – für Personen mit lehrender, beratender oder therapeutischer Tätigkeit ab.
Für Yogalehrerinnen und -therapeutinnen ist es wichtig, auch Expertise zur psychosozialen Beratung zu haben. Diese wird – im Gegensatz zur Psychotherapie – nicht für therapeutische, sondern für beratende Zwecke eingesetzt. Psychosoziale Beratungskompetenzen ermöglichen Yogatherapeutinnen eine kombinierte Herangehensweise aus kurativen therapeutischen Maßnahmen und präventiver Beratung. Diese kann vor allem in der psychosozialen Begleitung von Veränderungsprozessen erfolgreich eingesetzt werden.
Mit diesem Arbeitsbuch bekommen Yogatherapeutinnen und -lehrerinnen einen wertvollen Ratgeber im Bereich psychosozialen Wissens an die Hand, mithilfe dessen sie die Yogatherapie und den Yogaunterricht noch kompetenter und effektiver gestalten können. Es vermittelt Yogalehrerinnen und -therapeutinnen Sicherheit, wenn es um Fragen geht wie: »Wie handle ich, wenn eine Schülerin oder eine Klientin über Angstzustände berichtet? Wie gehe ich als Yogalehrerin oder Yogatherapeutin mit solchen Anfragen und Themen um, damit ich keinen Schaden anrichte? Wann muss ich solche Personen an eine Fachspezialistin überweisen?« Die psychosoziale Beratung stärkt die Kompetenzen von Therapeutinnen und Lehrenden zur empathischen Gesprächsführung, welche nicht nur bei der Gestaltung eines Gespräches, sondern auch für eine Yogastunde wertvoll eingesetzt werden können. Die Vermittlung diesbezüglicher Kenntnisse – Kompetenzen im Bereich der professionellen Gesprächsführung, aber auch allgemeine psychosoziale Ansätze und Modelle sowie die Reflexion eigener Kompetenzen diesbezüglich – kommt in vielen Ausbildungen (sei es zur Yogalehrerin oder zur Yogatherapeutin) zu kurz.
Das vorliegende Buch füllt diese Lücke. Es zielt darauf ab, Wissen, Tools und Kompetenzen beider Richtungen – Yoga und psychosoziale Beratung – synergetisch zu verbinden. Schnittstellen werden aufgezeigt, wechselseitige Bereicherungen komplementär und anwendungsorientiert verknüpft. Die Kombination aus dem personenzentrierten Beratungsansatz und Yoga schafft damit ein wertvolles Bindeglied beider Welten. Im Fokus steht dabei neben der Vermittlung von Fähigkeiten zur empathischen Gesprächsführung auch die Kompetenz zur erfolgreichen Beziehungsarbeit, welche die Förderung des Wohlbefindens der Menschen bezweckt. Denn gerade in der für persönliches Wachstum und Veränderungsprozesse förderlichen »heilsamen« Beziehung und empathischen Atmosphäre liegt die Stärke des personenzentrierten Ansatzes. Durch seine Anwendung kann die therapeutische und unterrichtende Arbeit verbessert und ihre Effektivität gesteigert werden. In der personenzentrierten Yogaberatung ist das synergetische Potenzial aus Yoga und psychosozialer Arbeit für die präventive Arbeit eine Bereicherung. Beratende Maßnahmen können auch im Rahmen der Yogatherapie und im Yogaunterricht angewendet werden.
Das Handbuch richtet sich also in erster Linie an Yogalehrerinnen und -therapeutinnen, die mehr über psychosoziale Beratung, insbesondere den personenzentrierten Ansatz nach Carl R. Rogers, lernen und ihre Kompetenzen dazu stärken wollen. Es richtet sich aber auch an psychosoziale Berater, Psychologen und andere Personen in beratenden oder therapeutischen Berufen, welche sich für Yoga und die Schnittstelle zwischen Yoga und personenzentrierter Beratung interessieren.
Die bereichernde Kombination des Wissens über Yoga mit dem personenzentrierten Ansatz gibt Yogalehrerinnen und -therapeutinnen Sicherheit und Vertrauen; ein Werkzeug, das sie darin unterstützt, einfacher Zugang zu Klientinnen zu finden und ihnen sicherer und effektiver helfen zu können. Der Hauptnutzen der Integration des personenzentrierten Ansatzes in die Yogatherapie und den Yogaunterricht liegt insbesondere auf empathischer Ebene: Vermittelt wird eine einfühlsame, personenzentrierte und für das Wohlempfinden der Klientinnen so förderliche empathische Grundhaltung sowie die erforderlichen Fähigkeiten zur empathischen Gesprächsführung. Dies schafft Vertrauen und Verbindung und steht damit ganz im Sinne der Ziele des Yoga – dem Weg der Verbindung.
Der personenzentrierte Ansatz ist daher als grundlegender Ansatz der psychosozialen Beratung eine perfekte Ergänzung zur Arbeit als Yogalehrerin oder Yogatherapeutin. Entwickelt wurde die personenzentrierte Therapie von dem amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl R. Rogers (1902–1987), der damit die humanistische Psychologie wesentlich prägte. In seinem Ansatz geht es darum, das Gegenüber anzunehmen, wertzuschätzen und kongruent zu sein. Der personenzentrierte Ansatz ist mehr eine Haltung als eine Technik. Er wurde ausgewählt, da er starke Parallelen zu den Gedanken der Yogaphilosophie aufweist, aber in »westlicher« Sprache formuliert ist und sich die beiden Disziplinen daher sehr gut ergänzen. Dem Yogaansatz haftet nicht selten ein esoterischer Beigeschmack an bzw. muss sich das Yoga andererseits oftmals der Kritik der Techniklastigkeit stellen. Die Lehren dieser »Wissenschaft des Geistes« beinhalten jedoch ein umfangreiches psychologisches Wissen und effektive, alltagserprobte Methoden für deren Umsetzung in der westlichen Welt der personenzentrierte Ansatz eine förderliche und ergänzende Hilfestellung darstellt. Er erleichtert es, emphatischer und verbindender zu arbeiten.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird die personenzentrierte Beratung vorgestellt. Im zweiten Teil legt es allgemeine Gedanken zur Yogapsychologie dar. Das abschließende Kapitel dreht sich ganz darum, wie personenzentrierte Beratung in Yogastunden, in der Yogaberatung und in der Yogatherapie eingesetzt werden kann. Dabei werden die beiden Ansätze mit Tools und Methoden aus verschiedenen anderen Therapierichtungen ergänzt. Das Buch ist ein anwendungsorientiertes Arbeitsbuch und enthält daher praktische Übungen und Reflexionen über das Gelesene.
1 Der Lesbarkeit halber wird in diesem Buch immer nur die weibliche Form verwendet. Natürlich sind auch männliche Yogalehrer, -berater und -therapeuten angesprochen.
alles ist vorhanden.
von anfang an.
vertrauen in das, was ist.
werden durch das
bewusste sein.
werden durch das
still sein.
sein ist werden.
werden ist sein.
alles ist vorhanden.
von anfang an.
vertrauen in das, was ist.
Marc Probst
Carl R. Rogers ist neben Virginia Satir und Abraham Maslow einer der wesentlichen Begründer der humanistischen Psychologie – einer in den 1950er-Jahren entstandenen, ursprünglich amerikanischen Bewegung, die auch in Europa viel Einfluss entwickeln konnte. Die Wurzeln dieser psychologischen Schule gehen weit zurück und gründen auf dem philosophischen Humanismus, der als intellektuelle, literarische und wissenschaftliche Bewegung im fünfzehnten Jahrhundert an die Kultur der Antike anknüpfte.
Der Humanismus ist eine offene Weltanschauung, die sich auf Reflexion und Dialog konzentriert. Er stellt eine kritische und innovative Bewegung dar, die davon ausgeht, dass Menschen eine autonome und verantwortungsvolle Rolle bei der Gestaltung ihres Lebens spielen. Die philosophische Strömung des Humanismus befürwortet ein politisches und moralisches Streben nach einer humaneren Gesellschaft. Dabei baut der moderne Humanismus auf eine reiche Tradition von Ideen und Werten. Er steht für Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Verantwortung und die Wertschätzung von Vielfalt. Die philosophische Denkweise des Humanismus verfolgt zudem auch ein ästhetisches Ziel: die Kunst, die schönen, subtilen und attraktiven Aspekte des Menschseins zu entwickeln. Der Humanismus ist die Lebensphilosophie, in der Menschen ihrer eigenen Existenz Sinn und Form geben und gleichzeitig das Recht auf Selbstbestimmung anderer respektieren können. Selbstbestimmung, Gleichbehandlung, Toleranz und Eigenverantwortung sind demnach zentral für das Leben humanistisch orientierter Individuen, werden aber auch den anderen zugestanden. Die Freiheit einer Person soll die Freiheit anderer nicht einschränken.
Im 15. und 16. Jahrhundert ersetzte der Humanismus als Philosophie und Wirklichkeitskonzept das übernatürliche Erklärungsmodell der Kirche durch das Konzept des Menschen als Maß aller Dinge. Die humanistische Strömung markiert den Beginn der Moderne und die damit verbundene Dominanz der Vernunft sowie die Idee, dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück hat – nicht in einem zukünftigen versprochenen Paradies, sondern im Hier und Jetzt, in einer selbst gestalteten Realität. Eine Lebensphilosophie, die sich nicht auf göttliche Offenbarung beruft, sondern auf die Fähigkeit des Menschen, sein eigenes Leben zu verstehen, basierend auf Werten wie Menschenwürde, Ermächtigung, Freiheit, Toleranz und Verantwortung. Der Humanismus steht zwar nicht gänzlich im Widerspruch zur kirchlichen Lehre, wendet sich aber insofern von der christlichen Dogmatik und dem Vertrösten der Menschen auf ein Jenseits ab, als dass er die Menschen dazu aufruft, auch in der Gegenwart eigene Wünsche zu verwirklichen.
Die Wurzeln der westlichen Zivilisation werden traditionell in der jüdisch-christlichen Tradition gesucht, der griechischen Kultur und dem jahrhundertelangen Einfluss des Römischen Reiches. Sie prägten die Ideale des Humanismus. Weitere philosophische Denkströmungen wie der Existentialismus (Fokussierung auf die menschliche Existenz) und die Phänomenologie (es wird vorurteilsfrei von den Dingen ausgegangen) sind wichtige Einflussfaktoren des Humanismus.
Im 19. und 20. Jahrhundert besannen sich Menschen ebenso auf die humanistischen Ideale und verbanden diese mit der Idee der Aufklärung. Als philosophische Strömung wirkt der Humanismus bis in die heutige Zeit hinein und hat Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen, Beraterinnen und viele andere Berufsgruppen inspiriert – darunter Carl R. Rogers, der eine eigene Beratungstradition gründete.
Die humanistische Psychologie
Der Humanismus war nicht nur eine philosophische oder künstlerische Strömung, sondern beeinflusste auch die Wissenschaft – so auch die Psychologie. Auch die humanistische Psychologie stellt den Menschen in den Mittelpunkt – seine bewussten Erfahrungen und die Selbstbestimmung der Einzelnen. Für Carl R. Rogers und andere Vertreterinnen des humanistischen Ansatzes sind Menschen grundsätzlich gut. Sie entwickeln sich immer positiv, wenn sie ihren eigenen Erfahrungen folgen und die Konditionierung, die ihre Freiheit einschränkt, beseitigen. Negative Verhaltensweisen sind Früchte der Verzweiflung und keineswegs eine Verhaltenswahl, die von Leichtigkeit oder dem Prinzip des Vergnügens bestimmt wird. In dieser Hinsicht schließt sich die humanistische Psychologie der humanistischen Philosophie an.
Der humanistische Ansatz ist damit eine psychologische Bewegung, die auf einer positiven Sichtweise des Menschen basiert. Hieraus entwickelte sich auch ein Modell der Beratung (wie auch der Psychotherapie), das auf der angeborenen Tendenz des Menschen aufbaut, sich selbst verwirklichen zu wollen, das heißt, die Kräfte des psychologischen Wachstums zu mobilisieren und das eigene Potenzial zu entwickeln.
Typische Merkmale der humanistischen Psychologie:
positive Vision des Menschen,
Ziel der Förderung der Entwicklungs- und Wachstumswünsche der Klientin
Betonung der emotionalen Ausdrucksweise und der nonverbalen Kommunikation
Vertrauen in die Wachstumsfähigkeit des Menschen, und
Fokus auf der gegenwärtigen Erfahrung (im Hier und Jetzt sein).
ÜBUNG & REFLEXION
Humanismus und humanistische Psychologie
Überlegen Sie sich, welches die Grundpfeiler des Humanismus und der humanistischen Psychologie sind. Schreiben Sie Ihr eigenes Welt- und Menschenbild, Ihre Werte auf und vergleichen Sie, wo es Übereinstimmungen und Differenzen gibt. Überlegen Sie sich auch Parallelen zwischen dem Humanismus, der humanistischen Psychologie, Ihrem Welt- und Menschenbild und demjenigen des Yoga (wenn Sie sich bereits mit Yoga auskennen).
Wertvorstellungen haben viel damit zu tun, was jemandem im Leben wichtig ist. Auch der Humanismus gibt bestimmte Wertvorstellungen vor, wie das Berücksichtigen der Einzigartigkeit des Menschen. Wertvorstellungen prägen seine Pläne und Ziele. Ein Wert ist ein moralisches Ziel, das Menschen verfolgen, schätzen und das sie inspiriert. Es ist eine Richtlinie für ein gewünschtes Verhalten und unterscheidet sich von einer Regel. Eine Regel wird auferlegt und muss eingehalten werden, während die Formulierung persönlicher Kernwerte etwas ist, an das man sich freiwillig halten möchte. Beispiele für Werte sind: Authentizität, Inspiration, Vertrauen, Wachstum, Freiheit, Liebe, Respekt, Gerechtigkeit, Status oder Kreativität.
Oftmals ist es selbstverständlich, Pläne für ein neues Jahr zu machen, darüber nachzudenken, was man noch erreichen möchte und dies mit seinen Lieben zu teilen. Versuchen Sie, Ihre eigenen Werte zu ergründen. Was möchten Sie tun und warum? Wer möchten Sie sein? Welche Werte schätzen Sie? Welche Art von Botschaft möchten Sie der Welt hinterlassen? Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie sich diese Dinge auf.
Die humanistischen Grundhaltungen prägen die beratende Arbeit humanistischer Psychologinnen. Stil und Haltung der Beraterin sind bei diesem Ansatz ausschlaggebend. Es ist unerlässlich, dass die humanistischen Grundhaltungen von der Beraterin im Hinblick auf ihren Beratungsstil und ihrer Haltung verinnerlicht werden. Ihre Fähigkeit, im Rahmen des Beratungsgesprächs mit dem kreativen Potenzial der Klientin in Kontakt zu kommen, ist die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Beratung, welche darauf abzielt, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Aufbauend auf den humanistischen Grundhaltungen erfolgt die Strukturierung der Beratung. In einer ersten Phase der humanistisch geprägten Beratung ermutigt die Beraterin (in einer emphatischen Art und Weise) ihre Klientin zum freien Ausdrücken ihrer Anliegen, um eine klare Manifestation und Ausdrucksform der Interpretationssysteme der Klientin zu erhalten. Die Beraterin möchte erfahren, was die Klientin beschäftigt, wo sie steht, was sie erreichen möchte und welche Probleme oder Chancen sie damit assoziiert.
In einer zweiten Phase fokussiert der Austausch die Befragung und Dekonstruktion – die Interpretation und das sensorische Erfahrungssystem der Klientin. Es geht hier nicht mehr nur darum, was sie wahrnimmt oder was sie ändern möchte, sondern welche Gefühle sie damit verbindet, etwa mit der gegenwärtigen oder der zukünftigen (erwünschten) Situation. In einer dritten Phase zielt die Beratung darauf ab, starre und redundante Interpretationssysteme zu schwächen, um die Entwicklung innovativer und kreativer Interpretationssysteme für die Klientin zu ermöglichen. Anders ausgedrückt: Wenn Klientinnen deswegen mit ihrer gegenwärtigen Situation unzufrieden sind, weil sie in immer gleichen Schemata denken (z.B., dass sie keiner mag, dass sie immer alles falsch machen, dass sie nie etwas erreichen werden), dann beeinflusst das ihre Gefühle und Verhaltensweisen negativ (wer glaubt, nichts erreichen zu können, bemüht sich gar nicht erst). Ein Anstoß, diese Sichtweisen zu überdenken und über andere Interpretationsmuster zu neuen Verhaltensimpulsen zu gelangen, kann der Klientin helfen, ihre Ziele zu erreichen.
Persönliche Weiterentwicklung als Ideal