Young Agents – New Generation (Band 3) – Im Visier der Hacker - Andreas Schlüter - E-Book

Young Agents – New Generation (Band 3) – Im Visier der Hacker E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Ein Gartenhäuschen explodiert – und führt die Young Agents auf die Spur einer Schutzgeldbande, die nicht nur den Thai-Imbiss von Tims Adoptiveltern , sondern auch die Tarnung des neuen Young-Agents-Hauptquartiers bedroht. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: mit Hilfe von Computerviren sollen auch internationale Unternehmen und Banken erpresst werden. Auf einem Gamer-Event schleusen die Young Agents ihr Tech-Genie Balu als Hacker in die Bande ein. Zu spät erkennen sie, dass die jungen Nerds in einem Kellerloch eingesperrt und zur Mitarbeit gezwungen werden. Balus Kontakt zu den Young Agents ist abgeschnitten. Wird es Tim und Abena gelingen, ihren Freund zu befreien?

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Seitenzahl: 252

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Young Agents – New Generation

Im Visier der Hacker

Band 3

eISBN 978-3-96129-257-8

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Verlagsgruppe

Copyright © Edel Verlagsgruppe GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Text: Andreas Schlüter

Coverillustration: Max Meinzold

Covergestaltung: Antje Warnecke, www.nordendesign.de

unter Verwendung von Illustration und Gestaltung von

© Max Meinzold

Lektorat: Sarah Heidelberger

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

INHALT

Explosiv!

Ein neuer Auftrag

Zwei finstere Typen

Verfolgungsjagd

Eine böse Überraschung

Auf der Lauer

Geheimtreff in Gefahr!

Flucht in den Gully

Eine geheimnisvolle Baracke

Undercover Kuchen essen

Ein gefährlicher Zwischenfall

Hacker gesucht!

Neues von Maria

Balu geht undercover

Wo ist Balu?

Arbeit im Untergrund

Gamer-Treff

Notruf!

Spur zu Balu

Die Falle schnappt zu

Shiona muss helfen

Balus Flucht

Zugriff!

Angriff auf die Hacker-Zentrale

EXPLOSIV!

Was ist das? Mit einem Mal habe ich ein ungutes Gefühl. Keine Ahnung, woher es kommt. Denn ich habe eine Verabredung, wie sie harmloser nicht sein könnte. Unvorstellbar, dass dabei irgendetwas Schlimmes passieren könnte. Und doch beschleicht mich mit einem Mal das seltsame Gefühl akuter Gefahr. Eine dumpfe, dunkle Vorahnung, von der ich überhaupt nicht weiß, woher sie kommen könnte.

Ich stehe einfach nur vor Marias Haus, um sie zum Lernen abzuholen. Maria will mit mir in das nahe gelegene kleine Gartenhäuschen ihrer Eltern gehen, wo wir in Ruhe für die Mathearbeit büffeln können.

»Hallo, Tim!« Da kommt sie schon aus der Haustür des vierstöckigen Mietshauses, in dem sie nur ein paar Straßen entfernt von mir wohnt. Sie lächelt mich strahlend an. Wie immer. Ich habe zuvor noch nie ein Mädchen erlebt, das ein derart strahlendes Lächeln hat. In den zwei Wochen, die wir uns nun kennen, habe ich sie noch kein einziges Mal mit traurigem oder mies gelauntem Gesichtsausdruck gesehen. Maria schaut entweder äußerst neugierig und interessiert, oder sie lächelt strahlend. So wie jetzt. »Hast du alles dabei?«, fragt sie.

Nachdem ich vor zwei Jahren aus einem Kinderheim in München abgehauen war und mich die YOUNG AGENTS aufgenommen, ausgebildet und hier in Hamburg stationiert hatten, war ja klar, dass ich recht bald wieder ein »normales« Leben führen musste; eben wie alle anderen Kinder in diesem Land auch. Also mit einem festen Wohnsitz, ordentlichen Erziehungsberechtigten und normalem Schulunterricht. Das hat auch sehr gut geklappt. Nach meinem ersten Fall hier in Hamburg hat die Zentrale mir neue Pflegeeltern besorgt, bei denen ich seit einiger Zeit in meinem eigenen Zimmer wohne und bei denen ich mich sehr wohlfühle: Anyamanee und Chanchai sind ein thailändisches Ehepaar mit deutscher Staatsbürgerschaft, das gemeinsam einen sehr guten thailändischen Imbiss führt. Das hat den Vorteil, dass ich nicht nur ein gemütliches Zuhause habe, sondern seitdem auch immer sehr, sehr leckeres Essen bekomme! Was bis vor Kurzem fehlte, war der Schulunterricht.

Vor zwei Wochen war es so weit: Die Zentrale wies mir meine neue Schule zu.

Zum Glück bin ich in dieselbe Schule gekommen wie Billy und Abena, allerdings zwei Klassenstufen tiefer. In meiner Klasse habe ich auch schnell guten Kontakt gefunden. Vor allem zu Maria. Sie ist mit ihren elf Jahren genauso alt wie ich und meine Sitznachbarin. Denn unsere Sitzordnung sieht vor, dass immer ein Mädchen und ein Junge abwechselnd nebeneinandersitzen müssen. Marias Eltern kommen ursprünglich aus Mailand und führen seit 15 Jahren hier in Hamburg ein gut gehendes italienisches Restaurant. Das passt natürlich super zu meinen Pflegeeltern mit dem thailändischen Imbiss. Als »Gastronomie«-Kinder hatten wir uns gleich eine Menge zu erzählen.

Mit Maria bin ich jetzt zum ersten Mal außerhalb der Schulzeit verabredet. Wir wollen gemeinsam für unseren Mathetest morgen üben.

»Hallo? Träumst du?«, holt mich Maria aus meinen Gedanken.

Wieso habe ich Angst, dass eine unmittelbare Gefahr droht? Verfolgt mich jemand? Das kann eigentlich nicht sein. Niemand weiß, dass ich ein Kinderagent bin. Es weiß nicht mal jemand, dass es uns Kinderagenten überhaupt gibt. Also fast niemand. Und doch werde ich das mulmige Gefühl nicht los, dass Maria und ich uns in höchster Gefahr befinden.

»Tim? Ich habe gefragt, ob du alles dabeihast«, hakt Maria nach.

»Äh. Wie? Ja klar«, antworte ich. Obwohl ich gar nicht weiß, was sie meint. Ich habe mein Schulheft dabei, einen Stift und unser Mathebuch. Das wird ja wohl reichen. Okay, dazu habe ich noch mein Smartphone mit zahlreichen Geheimdienstfunktionen, meinen gut getarnten Multifunktionsgürtel und meine feuerfesten Spezial-Sneakers mit eingebauter GPS-Funktion und trittfester Sohle, mit denen ich auch über Nägel oder durchs Feuer laufen könnte. Nach unserem letzten gefährlichen Einsatz haben wir etwas aufgerüstet, die Zentrale hat uns mit neuer Technik und Schutzfunktionen ausgestattet. Aber das alles kann Maria natürlich nicht gemeint haben, denn davon weiß sie nichts. Und natürlich auch nichts davon, dass ich ein Agent bin.

Wir steigen auf unsere Räder und fahren los. Bis zum Garten brauchen wir nur fünf Minuten. So hat es mir Maria jedenfalls heute Morgen in der Schule gesagt.

»Eigentlich ist es ja ganz leicht«, ruft Maria mir zu.

»Ja«, antworte ich, frage aber lieber noch mal nach: »Äh, was genau?«

»Na, unser Mathetest!«, antwortet Maria. »Was sonst? Flächeninhalte berechnen. Ist doch Babykram.«

»Na ja …«, antworte ich zögerlich. Ich habe so viel Zeit in der normalen Schule versäumt, dass mir Mathe und die Flächeninhalte eigentlich gar nicht leichtfallen. Auf der Agentenakademie haben wir vieles von unserem Agentenwissen durch eine neue »Autosuggestionsmethode« gelernt, zum Beispiel Fremdsprachen. Die wurden uns im wahrsten Sinn »im Schlaf« beigebracht. Aber für Schulaufgaben wird uns diese Methode von der Zentrale leider nicht zur Verfügung gestellt. Das finde ich echt blöd.

»Da vorn ist es!«, ruft Maria und zeigt rüber zur anderen Straßenseite auf die Schrebergartenkolonie.

»Super«, sage ich.

Als die Fußgängerampel auf Grün schaltet, düst Maria unbeschwert los, um die große Hauptstraße zu überqueren. Ich hingegen schaue erst noch mal zusätzlich nach links und rechts, aber nicht wegen der Verkehrssicherheit, sondern wegen einer möglichen lauernden Gefahr. Die Warnsignale in meinem Kopf verstummen einfach nicht. Ich sehe sogar in die Autos hinein, die in der ersten Reihe an der Haltelinie stehen. Ich will abschätzen, welchen Eindruck die Fahrer auf mich machen. Sitzt vielleicht in einem der Autos jemand, der es auf mich abgesehen hat? Auch wenn niemand etwas von uns YOUNG AGENTS ahnt, bin ich dennoch ständig sehr wachsam und vorsichtig. Und heute erst recht. Denn dieses Gefühl, unmittelbar auf eine Gefahr zuzulaufen, kenne ich sonst überhaupt nicht von mir.

»Wo bleibst du denn?«, ruft Maria mir zu.

Ich wende den Blick wieder nach vorn und versuche, meine inneren Warnsignale abzuschalten. Alles scheint mir ruhig und normal zu sein. Ich kann nichts Verdächtiges erkennen. Und doch werde ich das ungute Gefühl nicht los.

In einem der beiden Fahrzeuge in der ersten Reihe sitzt eine junge Frau. Während ihrer Rotphase schaut sie in den Innenspiegel. Mit der rechten Hand zieht sie ihre Lippen mit Lippenstift nach. Gleichzeitig umklammert sie mit der linken Hand ihr Handy, aus dem offenbar jemand mit ihr spricht. Einen Wagen weiter sitzt ein älterer Herr am Lenkrad und popelt sich gelangweilt in der Nase.

Also alles gut. Keine Gefahr.

Ich überquere die Straße und denke trotzdem immer noch, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich komme mir schon fast vor wie Spider-Man, dessen »Spinnensinn« ihn ja auch immer vor Gefahren warnt. Oder wie Abena, deren Vorahnungen wir alle an ihr bewundern. Abena ahnt oder spürt Gefahren fast so gut wie Spider-Man in den Comics, und manchmal haben wir den Eindruck, Abena könnte sogar Gedanken lesen oder hätte telepathische Kräfte, so perfekt kann sie manchmal andere Menschen und Situationen einschätzen. Ich kann das nicht. Doch heute ahne auch ich, dass irgendwo in der Nähe etwas oder jemand auf mich lauert. Je näher wir unserem Ziel kommen, desto stärker melden sich meine inneren Warnsignale.

»Wieso trödelst du so?«, fragt Maria, als ich bei ihr ankomme.

»Hast du es eilig?«, frage ich zurück.

»Nö, überhaupt nicht«, antwortet Maria und gesteht: »Aber Trödeln nervt trotzdem. Ich warte nicht so gern.«

Sie tritt in die Pedale und fährt los.

Soll ich sie zurückhalten, um umzukehren? Aber aus welchem Grund? Soll ich sie warnen? Aber wovor?

Ein paar Meter später schaut sie sich kurz um, ob ich ihr nachfolge oder sie schon wieder warten muss. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck registriert sie, dass ich dicht hinter ihr bin. Ich werde mich hüten, sie zu verärgern, indem ich mich noch mal abhängen lasse. Aber alle meine Sinne sind aufs Äußerste geschärft und angespannt.

Wir biegen in einen schmalen Sandweg ein, der uns in die Kleingartensiedlung führt.

»Ein Stück geradeaus, dann die nächste links«, ruft Maria mir zu. »Dort dann der dritte Garten auf der linken Seite. Erkennst du am Baumhaus.«

»Du hast ein Baumhaus?«, frage ich.

»Ja«, antwortet Maria, fast entschuldigend. Vielleicht denkt sie, ich halte Baumhäuser für Kleinkinderkram. Weit gefehlt! Ein Baumhaus hätte ich mir immer gewünscht – wenn ich in einer normalen Familie aufgewachsen wäre statt in einem Kinderheim. Aber wir hatten weder einen Garten, noch kenne ich meinen Vater, und auf meine Mutter musste ich schon früh mehr aufpassen als sie auf mich.

»Find ich super!«, rufe ich Maria zu. »Ich liiiieeeebe Baumhäuser! Können wir nicht darin lernen?«

Für einen Moment vergesse ich sogar jeglichen Gedanken an eine mögliche Gefahr. Was bitte schön soll in einem friedlichen Kleingarten schon passieren?

Maria hält an und wartet, bis ich neben ihr zum Stehen komme.

»Wirklich?«, fragt sie nach. »Du willst lieber im Baumhaus hocken als im gemütlichen Gartenhaus? Darin ist es sehr klein und eng. Man kann gerade so eben aufrecht sitzen.«

»Auf jeden Fall!«, versichere ich ihr und wiederhole mich: »Ich …«

Gerade war ich drauf und dran, ihr von zu Hause, meinem Leben mit meiner alleinerziehenden Mutter und dem anschließenden Kinderheim zu erzählen. Aber es ist nicht gut für Agenten, irgendjemandem mehr von sich zu erzählen als unbedingt nötig. Also breche ich ab und beende meinen Satz einfach nur mit einer Wiederholung: »Ich … liiiiebe Baumhäuser!«

»Das sagtest du schon«, stellt Maria lächelnd fest.

Sie überlegt noch mal kurz.

Dann stimmt sie zu: »Also schön. Wir werden aber wohl erst ein bisschen sauber machen müssen. Ich bin ewig nicht in dem Baumhaus gewesen.«

»Wieso nicht?«, frage ich.

Aber Maria hat sich schon wieder auf ihren Sattel geschwungen und fährt voraus.

Ich folge ihr das letzte Stück zum Garten ihrer Eltern.

Maria hat nicht übertrieben. Das Baumhaus ist ein Traum! Auf den ersten Blick erkenne ich: Das ist kein gekaufter Bausatz, sondern das ganze Haus ist Brett für Brett selbst gebaut und maßgeschneidert in die Krone des uralten, knorrigen Apfelbaums eingepasst worden. Es hat sogar eine kleine Terrasse!

»Wow«, rufe ich aus. »Das sieht toll aus!«

Ich bin mir sicher, dass meine innere Unruhe reinster Fehlalarm war. Wir sind unversehrt in der kleinen, grünen Idylle angekommen. Hier sind wir sicher.

Maria lacht wieder ihr strahlendes Lächeln.

»Na, erst einmal schauen, wie es von innen aussieht«, warnt sie. »Vielleicht haben darin Eichhörnchen und Mäuse Party gefeiert!«

Sie drückt das kleine Gartentor auf, schiebt ihr Rad hindurch, wartet, bis ich mit meinem Rad nachgekommen bin, und schließt es wieder hinter mir.

Wir lehnen unsere Räder an den Stamm des Apfelbaums, genau neben die Leiter, die etwa drei Meter hinauf ins Baumhaus führt.

»Wollen wir?«, frage ich und zeige hinauf.

Maria zieht die Schultern hoch.

»Warum nicht?« Sie wollte zwar eigentlich vorher das Gartenhaus aufschließen, doch stattdessen schlägt sie vor: »Wir können ja erst einmal nachschauen, wie der Zustand innen ist.«

Ich lasse mich nicht zweimal bitten und steige blitzschnell die Leiter hinauf. Ich muss zugeben, ich kann es gar nicht abwarten, mir das Häuschen von innen anzusehen. Wie aufregend! Ich in einem Baumhaus, wie ich es mir schon als ganz kleines Kind immer gewünscht habe.

»Ist es abgeschlossen?«, frage ich von oben.

Maria lacht zu mir hinauf. »Nein! Warum sollte es? Außer Mäuseköttel wirst du darin nichts finden.«

Ich betrete also das Baumhaus. Es ist keineswegs leer, wie ich dachte. Sondern in der Mitte des Raumes steht ein niedriger, viereckiger Tisch. Drum herum sind vier Sitzkissen drapiert. Und an einer Seite gibt es sogar ein kleines, ebenfalls selbst gebautes Holzregal, in dem ein kleiner Bluetooth-Lautsprecher steht, außerdem noch ein paar reine Deko-Sachen wie Steine, Muscheln und ein vertrockneter Blumenstrauß, auf den Maria sofort naserümpfend zueilt, sobald sie nachgekommen ist.

»Puh! Das alte Blumenwasser stinkt«, ruft sie aus. »Das hab ich wohl vergessen zu entsorgen. Ich bringe das gleich weg.«

Sie schnappt sich die Blumenvase und steigt die Leiter wieder hinunter.

Kurz darauf ertönt ein furchtbarer

KNALL!

Ich höre ihn nicht nur, sondern spüre ihn auch.

Das ganze Baumhaus wackelt kurz! Instinktiv werfe ich mich zu Boden.

Gleichzeitig höre ich Maria grell aufschreien.

Heftig atmend schaue ich mich um. Was ist passiert?

Durch die offene Tür des Baumhauses sehe ich draußen Flammen auflodern.

Ich hechte zur Tür. Das Gartenhaus brennt lichterloh! Zumindest die untere Hälfte. Mehr ist nämlich nicht mehr da. Das Dach wurde weggesprengt und in Hunderten Trümmerteilen quer über den Garten verstreut.

Mittendrin liegt die zitternde Maria.

»MARIA!«, brülle ich.

Ich rutsche die Leiter hinunter. In diesem Moment achte ich nicht darauf, ob jemand meine antrainierten Fähigkeiten erkennen könnte. Ich will nur so schnell wie möglich zu Maria, um sie eventuell zu retten. Also steige ich die Leiter nicht hinunter, sondern rutsche abwärts, fast wie ein Feuerwehrmann die Stange.

Nach zwei, drei Schritten bin ich bei Maria.

Sie liegt auf dem Bauch und hat ihr Gesicht in ihren Armen vergraben.

»MARIA!«, rufe ich und versuche, sie sanft zu mir umzudrehen.

Sie schaut hoch und mich an.

Ich sehe, wie ihre Stirn blutet. Aber es scheint nur eine kleine Wunde zu sein, hervorgerufen wohl durch einen herumfliegenden Glassplitter von einer zerborstenen Scheibe.

»Ist alles okay mit dir?«, frage ich und scanne sie mit meinem geschulten Blick vom Scheitel bis zur Sohle ab. Ich kann keine schlimmeren Verletzungen erkennen.

Entsetzt starrt Maria zu dem brennenden Gartenhaus.

»Was war das?«, fragt sie verstört.

Bevor ich etwas antworten kann, schaut schon der Nachbar vom Garten nebenan über die Hecke auf das brennende, halb weggesprengte Gartenhaus.

»Um Himmels willen!«, ruft er. Das pure Entsetzen steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Ich handle geistesgegenwärtiger. Schon habe ich mein Smartphone in der Hand und rufe über den Notruf die Feuerwehr.

Der Nachbar hat seine Sprache wiedergefunden. »Ist euch etwas passiert?«, fragt er besorgt.

Ein zweiter Nachbar kommt hinzu. Vom Weg aus betrachtet er den Unfallort und glaubt sofort, Bescheid zu wissen. »Ich sag’s ja immer wieder. Mit diesen Gasflaschen muss man umgehen können. Sonst geht das böse aus. Da hattet ihr ja wohl mehr Glück als Verstand!«

Ich will gerade protestieren und antworten, dass wir überhaupt noch nicht im Haus gewesen waren, doch ich halte mich zurück. Für die Kleingärtner scheint die Sache klar zu sein: Eine undichte Gasflasche muss explodiert sein. Aber ich frage mich, wie es dazu gekommen sein soll. Selbst wenn Gas ausgeströmt sein sollte, hätte nur ein Funken das Gas-Sauerstoffgemisch zur Explosion bringen können. Wo soll der hergekommen sein?

Maria setzt sich aufrecht. Ich lege meinen Arm schützend um sie.

»Kommt weg von hier!«, weist uns einer der beiden Kleingärtner an.

Da hören wir schon die herannahende Sirene eines Löschfahrzeugs. Maria und ich verlassen den Garten.

Ich sehe, wie sich in der kleinen Gasse schon einige weitere Nachbarn zum Glotzen versammelt haben. Von der Seite zwängt sich das große Löschfahrzeug durch die enge Gasse und rasiert die zumeist akkurat geschnittenen Hecken noch mal ordentlich ab. Ich hab keine Ahnung, wie und weshalb es zu dieser Explosion gekommen ist, die uns beiden das Leben hätte kosten können. Intuitiv aber bin ich mir sicher: Ein zufälliger Unfall mit einer undichten Gasflasche war es nicht.

EIN NEUER AUFTRAG

Eine irre und irgendwie auch beängstigende Geschichte, die Tim uns da erzählt hat.

Er, Balu, Billy und ich, Abena, sitzen zusammen im Büro unseres Chefs, der »Prof«, wie wir ihn als Abkürzung für »Professor« einfach immer nur nennen. Unser neues Geheimquartier ist gemütlicher als das alte. Obwohl es sich um einen uralten Bunker handelt, der sich unter einer Imbissbude befindet, die unseren Eingang tarnt. Die Einrichtung aber ist fast dieselbe geblieben wie im alten Quartier unterhalb einer Tankstelle. An der Stirnseite des Raums steht wieder der große Massivholz-Schreibtisch im englischen Kolonialstil, hinter dem nur und ausschließlich der Prof Platz nehmen darf. Ich habe schon im alten Quartier nicht verstanden, wieso der eigentlich in unserem Quartier stehen muss. Denn das eigentliche Büro, in dem der Prof arbeitet, befindet sich ganz woanders. Dieser Ort hier existiert nur für die geheimen Treffen von uns YOUNG AGENTS. Immerhin ist der neue Raum größer als der alte, und so müssen wir Kinder endlich nicht mehr irgendwie verkrümmt auf dem Boden vor dem Schreibtisch hocken, weil zu wenig Besucherstühle da sind, sondern sitzen nun – wie erwachsene Agenten auch – an einem großen Sitzungstisch auf schicken, lederbezogenen, gut gefederten Bürostühlen.

Kaum aber, dass wir dieses Quartier bezogen haben, sind Charles und Naomi in ihre Heimatstädte zurückgeflogen, und nun wirkt der neue, moderne Sitzungsraum viel zu groß und fast schon verlassen leer. Das kann aber auch einfach nur daran liegen, dass ich die beiden sehr vermisse; besonders Naomi, die ja meine Mentorin war.

Während wir auf den Prof noch warten, diskutieren wir untereinander, was der wahre Grund für die Explosion gewesen sein könnte. Denn an die Version des zufälligen Unfalls glaubt keiner von uns. Dafür sind wir alle zu sehr Agenten.

Eigentlich bleibt für uns als logische Ursache nur: ein geplanter Anschlag auf Tim. Obwohl alle möglichen Indizien dagegensprechen. Erstens: Wieso ausgerechnet gegen Tim? Wen hat er wann so verärgert, dass ein Anschlag auf ihn verübt wird? Zweitens: Woher wussten die Attentäter, dass Tim genau an diesem Tag zu diesem Zeitpunkt mit Maria verabredet war und in den Garten gehen würde? Drittens: Wieso machten es sich die Attentäter überhaupt so umständlich, gleich das ganze Gartenhaus in die Luft zu sprengen, mit dem Risiko, ein unbeteiligtes Mädchen wie Maria schwer zu verletzen oder gar zu töten, verbunden mit dem Risiko, Tim dennoch nicht zu erwischen? Viertens: Wer sollte überhaupt je darauf gekommen sein, dass es uns YOUNG AGENTS überhaupt gibt und Tim einer von uns ist?

Nein, je mehr wir darüber nachdenken, desto weniger glauben wir an einen Anschlag auf Tim. Was aber sonst? Ein Anschlag auf Marias Familie? Absurd! Warum sollte das jemand tun? Marias Eltern sind brave und fleißige Bürger, die ein gutes Restaurant führen. Also doch ein Unfall, wie auch die Feuerwehr nach eingehender Untersuchung glaubt?

Sogar Marias Eltern behaupten, dass eine defekte Gasflasche die Ursache war. So hat Tim es uns jedenfalls berichtet. Die Eltern waren natürlich bestürzt, gleichzeitig aber heilfroh, dass ihrer Tochter und Tim nichts passiert ist. Was mir dabei allerdings schon wieder merkwürdig vorkommt: Angeblich hätten Marias Eltern als erste Reaktion nicht etwa angekündigt, dass sie den kleinen Gasherd rauswerfen und künftig auf eine Elektroherdplatte umstellen, sondern sofort entschieden, ihren Garten aufzugeben! So ein tolles Erholungsparadies mitten in einer Großstadt wie Hamburg, auf das andere jahrelang warten müssen, von heute auf morgen aufgeben? Statt einfach nur den Gasherd stillzulegen? Das kann ich nicht verstehen. Irgendetwas stimmt da nicht.

Obwohl es ja eigentlich zu meinen Stärken gehört, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu ahnen, was sie umtreibt, bleibt mir dieses Mal die Reaktion der Eltern ein großes Rätsel. Und ich habe nicht die kleinste Idee, wer und vor allem warum irgendjemand das harmlose kleine Gartenhäuschen in die Luft gejagt hat.

Endlich kommt der Prof zur Tür hinein. Wie immer marschiert er mit strammem Schritt auf seinen Platz zu, grüßt so knapp, wie es knapper gar nicht geht, pflanzt sich in seinen dicken, weichen Chefsessel und kommt ohne Umschweife sofort zur Sache. Er fragt nicht einmal bei Tim nach, wie es ihm geht. Gut, er weiß, dass Tim unversehrt geblieben ist und nicht einmal eine Schramme davongetragen hat. Aber ein kleines »Hallo, Tim. Wie geht es dir?« hätte ihm ja nun auch keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wie man hier in Deutschland sagt. Schließlich wird auch auf einen Agenten nicht alle Tage ein Sprengstoff-Anschlag verübt. Das kann einen psychisch schon ganz schön aus der Bahn werfen. Aber ich befürchte, von Psychologie hat unser Chef noch nie etwas verstanden.

»So«, beginnt der Prof. »Ich denke, uns allen ist klar, womit wir es hier zu tun haben.«

Billy, Balu, Tim und ich schauen uns ratlos an. Niemandem von uns ist klar, womit wir es hier zu tun haben. Nicht einmal annähernd.

Der Prof sieht es unseren Gesichtern an. Sein Blick himmelt zur Decke. Mit einem lauten Seufzer lässt er sich in die Rückenlehne seines Sessels fallen und stöhnt: »Ach, Leute. Wo lebt ihr denn? Ich denke, ihr wollt Agenten sein?«

Wir sind Agenten! Aber das spielt der Prof immer gern herunter, wenn wir mal etwas nicht so schnell kapieren, wie er es gern hätte.

Der Prof lehnt sich wieder vor, beugt sich nun weit über seinen Schreibtisch, sieht uns in die Augen und fragt: »Schon mal etwas von Schutzgelderpressung gehört?«

Wieder sehen wir uns verwundert an. Schutzgeld? Darauf war von uns eben in der Diskussion wirklich niemand gekommen.

Zum Glück ist es Tim, der nachfragt. Dann muss ich es nicht tun.

»Schutzgeld?«, wiederholt er. »Wer? Wie? Marias Eltern werden erpresst?«

»Das ist es ja gerade«, antwortet der Prof. »Das kann man bei Schutzgeld so gut wie nie nachweisen. Die Betroffenen schweigen aus Angst vor … na ja, zum Beispiel Explosionen im Gartenhaus. Beweise findet man so gut wie nie. Und genau deshalb sitzen wir jetzt alle hier.«

Ich ahne, was unser nächster Auftrag sein wird.

»Das Landeskriminalamt hat vor Kurzem mitgeteilt, dass in unserer Stadt die Kriminalität mit Schutzgeld-Erpressung sprunghaft angestiegen ist.«

»Schutzgeld?«, fragt Balu dazwischen, der zwar wesentlich besser Deutsch spricht, als Charles aus London es je gelernt hat, aber mit bestimmten Begriffen trotzdem noch so seine Schwierigkeiten hat. »Ist das …?«

»Ja«, unterbricht ihn Tim, um es zu erklären. »Ein paar Gauner kommen einfach in dein Lokal und verlangen die regelmäßige Zahlung einer gewissen Geldsumme, damit sie dein Lokal nicht in Schutt und Asche legen. Sie nennen das ›Sicherheitsservice‹ und verlangen dafür eine Monatsgebühr. So als würden sie dich tatsächlich vor Überfällen schützen. In Wahrheit aber sind sie ja selbst die Täter und kassieren einfach nur dafür ab, dass sie dich nicht überfallen.«

Der Prof nickt. »Genau. Und da sich die Opfer aus Angst vor der angedrohten Gewalt nicht trauen, die Verbrecher anzuzeigen oder auch nur gegen sie auszusagen, zahlen sie und schweigen. Obwohl die hohen Summen, die sie zahlen müssen, manche bis an den Rand des Ruins treiben.«

»Und wenn du nicht zahlst, dann kommen halt die Geldeintreiber und machen deinen Laden kaputt«, ergänze ich. »Oder eben als Warnung erst mal deinen Garten.«

»Aber dabei wäre Maria um ein Haar schwer verletzt oder getötet worden!«, wendet Tim ein. »Nur wegen Schutzgeld?«

»Das war vermutlich ein unglücklicher Zufall«, erklärt der Prof. »Die Gangster konnten ja nicht wissen, dass Maria ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in den Garten kommt. Die Explosion muss durch einen Fern- oder Zeitzünder ausgelöst worden sein. Auch wenn die Feuerwehr angeblich nichts dergleichen gefunden hat. Aber wer weiß, ob sie überhaupt danach gesucht hat.«

»Ich verstehe«, sagt Balu. »Und um gegen solche Leute vorzugehen, braucht man Beweise.«

»Ganz genau«, bestätigt der Prof. »Die ihr beschaffen müsst. Die Polizei kommt da nicht weiter. Und will es gar nicht weiter untersuchen, weil für sie der Fall abgeschlossen zu sein scheint: Unfall durch eine explodierte Gasflasche. Wir brauchen den Geheimdienst. Kurzum: Wir brauchen euch.«

»Aber wir sind Kinder!«, wende ich ein.

»Eben!«, sagt der Prof.

Das verstehe ich nicht.

»Die Beweise zu beschaffen, geht doch nur, wenn wir uns in ein Lokal heimlich einschleusen«, wende ich ein. »Am besten, indem man dort anfängt zu arbeiten. Als Kellnerin oder so.«

Wieder nickt der Prof mir zu. »Genau!«

Ich verstehe es noch immer nicht. »Aber das geht doch nicht. Kinder dürfen dort nicht arbeiten.«

»Wieso nicht?«, fragt Balu.

»Kinder dürfen eigentlich überhaupt nicht arbeiten«, erläutere ich ihm.

»Wirklich? Wer sagt das?«, fragt Balu. »Bei uns in Indien arbeiten rund 13 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren.«

»Ich weiß«, sage ich. »Bei uns in Ghana müssen auch Millionen Kinder arbeiten. Aber hier in Deutschland ist es verboten. Nur mit Ausnahmegenehmigungen dürfen hier Kinder unter strengen Auflagen zum Beispiel beim Film als Schauspieler oder in der Werbung arbeiten. Man könnte auch sagen: In Ghana müssen die Kinder die Kakaobohnen auf der Plantage ernten, für die die Kinder in Europa dann Fernsehwerbung machen.«

»Bitter!«, kommentiert Tim.

»Das finde ich gut, dass es hier verboten ist«, sagt Balu. Schränkt dann aber ein: »Und wir YOUNG AGENTS? Wir sind doch auch Kinder, arbeiten als Agenten und bekommen dafür Geld. Dürfen wir das gar nicht?«

»Wir haben niemanden gefragt«, gibt der Prof zu.

»Uns gibt es doch eigentlich gar nicht«, ergänzt Billy.

Balu versteht. Und lächelt: »Gut. Ich bin nämlich gern Agent! Aber dass Kinderarbeit an sich verboten ist, finde ich trotzdem prima.«

Ich stimme ihm zu, allerdings: »Für uns ist es aber gerade blöd. Wir kommen nicht in ein Restaurant hinein als Arbeitskraft.«

»Nein«, bestätigt der Prof. »Das hat aber den Vorteil, dass niemand Verdacht schöpft und euch für Spitzel hält, wenn ihr euch dort aufhaltet und Beweise sammelt.«

»Aber wie sollen wir das denn, wenn wir nicht hineinkommen?« Irgendwie habe ich das Gefühl, der Prof hat mich immer noch nicht verstanden.

»Wer sagt denn, dass ihr nicht hineinkommt?«, entgegnet der Prof. »Nur halt nicht als Arbeitskraft. Aber …«

Der Prof zeigt auf Tim. »Seine Pflegeeltern führen einen asiatischen Imbiss. Und das jüngst betroffene Gastronomen-Ehepaar sind die Eltern von Tims neuer Schulfreundin Maria.«

»Zahlen meine Pflegeeltern auch Schutzgeld?«, fragt Tim, gleichermaßen überrascht und betroffen. »Davon habe ich bisher noch nichts mitbekommen.«

»Keine Ahnung. Könnte zumindest gut sein«, sagt der Prof.

Balu, Tim, Billy und ich schauen uns an.

»Aber wie könnten wir das angehen?«, frage ich. Der Plan ist mir noch gänzlich unklar.

Balu hat einen Vorschlag.

»Um alles mitzuhören, muss man ja nicht anwesend sein«, sagt er und grinst verschmitzt.

Ich begreife, was er meint. Balu ist unser Technik-Genie. Deshalb schlägt er auch sofort eine technische Lösung vor. Balu will im italienischen Restaurant von Marias Eltern Abhörgeräte verstecken, damit uns nichts entgeht, was dort – auch hinter vorgehaltener Hand – gesprochen wird.

Der Prof ist voll und ganz mit Balus Vorschlag einverstanden.

»Gut. Aber das reine Abhören hätte der normale Geheimdienst natürlich auch erledigen können. Doch das kann man vor Gericht nicht verwenden. Als Beweise brauchen wir etwas anderes. Am besten Zeugen. Vergesst das nicht.«

»Gut, wir denken dran«, verspreche ich. Obwohl ich mir nach wie vor nicht vorstellen kann, wie wir das hinkriegen sollen. Aber diesen Einwand behalte ich für mich.

»Also dann«, sagt der Prof. »Ihr habt verstanden, worum es geht. Tim und Abena übernehmen es, das Restaurant zu verwanzen. Balu bleibt am Computer, um die Operation technisch zu überwachen. Billy hält sich im Hintergrund bereit, falls ihr Hilfe braucht. Auf geht’s.«

Der Prof erhebt sich und verlässt ohne Verabschiedung den Raum, so wie er ihn auch schon ohne Begrüßung betreten hatte.

Und wir YOUNG AGENTS haben einen neuen Auftrag.

ZWEI FINSTERE TYPEN