Young Guardians (Band 1) – Eine gefährliche Spur - Andreas Schlüter - E-Book

Young Guardians (Band 1) – Eine gefährliche Spur E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Seit dem Unfalltod seiner Eltern ist Robin im Kinderheim aufgewachsen. Doch dann entdeckt er, dass sein Vater gar nicht tot, sondern nur verschollen ist. Robin flieht aus dem Heim und macht sich auf die Suche. Die Spur führt ihn in den Hafen, doch bald schon findet er sich in einer Großstadt-Parallelwelt aus zwielichtigen Gestalten, Korruption und allen möglichen Gefahren wieder. Nachdem er auch noch von einer vermeintlichen Helferin übers Ohr gehauen wird, steht er ohne Geld, Nahrung oder Hilfe da. Einzig ein Straßenhund, den er nach Robin Hoods Gefährten "Little John" nennt, leistet ihm noch Gesellschaft. Dann trifft er zufällig auf Ronja, eine Tochter aus gutem Hause. Sie hat ein Herz für Streuner, nimmt sich Robins und Little Johns an und verschafft ihnen einen geheimen Unterschlupf. Gemeinsam forschen die beiden Jugendlichen weiter und finden heraus, dass Robins Vater Journalist war und kurz davorstand, einen Umweltskandal aufzudecken. Ein Naturschutzgebiet ist in Gefahr, und sie sind entschlossen, für die Natur und ihre Lebewesen einzustehen. Der Kampf der Young Guardians beginnt.

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Seitenzahl: 247

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INHALT

Ein besonderes Datum

Eine brisante Akte

Auferstanden von den Toten

Ein erster Hinweis

Ein neuer Gefährte

Die erste Nacht

Alles weg!

Die zweite Nacht

Endlich eine Spur!

Rettung in letzter Sekunde

Eine überraschende Theorie

Eine spannende neue Bekanntschaft

Eine verrückte Idee

Eine neue Bleibe

Eine unerwartete Fährte

Ein geheimnisvoller Verfolger

Es wird gefährlich

Eine unheimliche Begegnung

EIN BESONDERES DATUM

Robin zurrte die prallvolle Mülltüte zu, zerrte sie aus dem Metalleimer und gab seinem besten Freund Jonas Bescheid, der am Spülbecken stand und gerade die erste von vier großen Pfannen auswusch: »Bin gleich zurück.«

»Okay«, antwortete Jonas.

Aber Robin sah seiner Miene an, dass nichts okay war. Jonas’ Augen flatterten nervös, sein Blick huschte immer wieder zu allen Seiten, als würde er jeden Moment ein großes Unheil erwarten.

»Ist irgendwas?«, fragte Robin besorgt.

Jonas schüttelte den Kopf und wischte sich, die Spülbürste noch in der Hand, mit dem Handrücken etwas unter den Augen fort.

»Weinst du?«, fragte Robin.

»Quatsch!«, wiegelte Jonas ab. »Ich hab einen Spritzer Spülwasser ins Auge bekommen.«

Robin nickte ihm zwar zu, aber er glaubte Jonas nicht. Auch er sah sich nun noch mal um. Auf der gegenüberliegenden Seite der Küche stand Fred, ihr Heimleiter, vor den großen Schränken und half, die Spülmaschine auszuräumen.

Nicht nur Robin, sondern alle 14 Kinder, die hier in diesem Kinderheim lebten, rechneten es Fred hoch an, dass er die Kinder ihren Küchendienst nie allein machen ließ, sondern immer mit anpackte, als wäre er einer von ihnen. Das war er natürlich nicht. Aber Fred sagte immer: »Ich habe mit euch gegessen, dann kann ich auch mit euch abspülen.«

Andererseits war es wirklich die einzige Arbeit, bei der Fred mithalf, wozu er als Leiter des Kinderheims aber auch gar nicht verpflichtet war. Das Aufräumen ihrer Zimmer war allein Sache der Kinder. Auch von der Gartenarbeit vor der Haustür hielt Fred sich fern. Ebenso von den allgemeinen Putzdiensten in den Waschräumen, den Toiletten, dem Treppenhaus und den Fluren. Anders als in der nahe gelegenen Schule gab es hier keinen professionellen Reinigungsdienst. Die Bewohner des Heimes mussten selbst für »Klarschiff« sorgen, wie Fred immer sagte. Und so meinte er es tatsächlich auch: »Wie auf einem Schiff, wo die Matrosen ihr Schiff auch sauber halten müssen.«

Und auf dem »Schiff« Kinderheim war Fred eben der Kapitän, und die Kinder waren die Matrosen.

Robin gab sich zufrieden. Er ahnte, wovor Jonas sich fürchtete, aber solange Fred im Raum war, würde nichts passieren.

»Bis gleich dann«, sagte Robin.

»Bis gleich«, antwortete Jonas knapp.

Robin wollte die Mülltüte nun hinausbringen, doch auf der Türschwelle blieb er noch einmal stehen und sah zurück zu Jonas.

»Geht das noch klar nachher mit Kunst?«, fragte er.

»Natürlich!«, rief Jonas zurück, legte die nun saubere Pfanne auf die rechte Seite der Spüle und nahm von links die nächste. »Kein Problem!«

Robin verließ die Küche Richtung Hinterhof, wo die Müllkästen standen.

Nee, kein Problem! dachte er. Für Jonas wirklich nicht. Er selbst allerdings verzweifelte an der Hausaufgabe: Bildinterpretation! Robin hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Ihre Kunstlehrerin Frau Schmalfeld hatte ihnen die Kopie eines Gemäldes mit »nach Hause« – also ins Kinderheim – gegeben. Nun sollten sie bis morgen etwas dazu schreiben, »was sie in dem Bild sahen«. Hä? Was sollten sie da sehen? Das war doch klar: irgendeine komisch gemalte Figur vor bunten Wellen, die sich die Ohren zuhielt. Punkt. Aber Jonas hatte gemeint, das genüge nicht und vor allem sei das ein total berühmtes Gemälde.

Robin war gespannt auf Jonas’ Erläuterungen – obwohl ihn Kunst eigentlich überhaupt nicht interessierte. Die einzigen Fächer, in denen Robin ganz gut war, waren Natur und Technik sowie Sport.

Am Ende des Flurs wartete Hausmeister Donner. Der hieß wirklich so. Robin hatte sich schon mehrfach darüber gewundert, wie bei manchen Leuten offenbar schon bei der Geburt feststand, was für Menschen sie später mal werden würden. Anders ließ sich nicht erklären, dass jemand wie Donner einen so passenden Namen erhalten hatte.

Bei ihm selbst war das auch nicht anders: Robin war fest überzeugt, dass Robin Hood als Vorbild für seinen Vornamen gedient hatte. Denn er fühlte sich genau so: als ausgestoßener Kämpfer für die Gerechtigkeit, Beschützer der Schwachen. Zwar bestahl er keine Reichen, um das Geld dann den Armen zu geben. Aber erstens war das heutzutage viel schwieriger als damals zu Robin Hoods Zeiten. Und außerdem: Er war ja erst zwölf Jahre alt. Vielleicht kam das später noch, dass er den Reichen etwas nahm, um es den Ärmsten zu geben. Leider würde Robin niemals seine Eltern fragen können, wie sie auf seinen Namen gekommen waren. Denn seine Mutter und sein Vater waren bei einem Autounfall gestorben, als Robin noch sehr klein war. Seither wuchs er im Kinderheim auf.

Herr Donner aber hatte schon als Neugeborenes gleich das volle Namens-Belastungs-Programm von seinen Eltern auf die Schultern geladen bekommen, indem sie ihn ausgerechnet noch auf den Vornamen »Fürchtegott« getauft hatten. Fürchtegott Donner! Der Name passte zwar überhaupt nicht zu seiner schmächtigen Figur, seiner fahlen blassen Haut und seinen schlecht frisierten, zu einem Vogelnest auf dem Kopf zusammengebundenen Haaren, aber leider sehr zu seinem Wesen.

»Ist der Müll getrennt?«, fragte Herr Donner.

»Selbstverständlich«, antwortete Robin und hielt ihm die pralle Mülltüte entgegen. Es durften nur transparente Tüten verwendet werden, damit Hausmeister Donner den Inhalt kontrollieren konnte. Wie jetzt: Er kniff die Augen zusammen, rückte mit seinem Oberkörper nah an die Tüte heran und berichtete: »Vorgestern lagen zwei Joghurtbecher im Restmüll!«

»Vorgestern hatte ich keinen Küchendienst«, stellte Robin hastig klar.

»Ich weiß«, sagte Herr Donner und ließ Robin passieren, als wäre er Pförtner eines Parkhauses.

Robin warf die Tüte in die Mülltonne, kehrte zurück in die Küche und …

»Verdammt!«, fluchte er. Es war genau das passiert, was er befürchtet hatte. Heimleiter Fred war nicht mehr in der Küche. Stattdessen war Bernd Ross aufgetaucht, hatte Jonas von hinten gepackt und drückte ihm gerade den Kopf in das Schmutzwasser im Spülbecken.

»HEY!«, brüllte Robin. »Lass ihn los!«

Ohne weiter nachzudenken, stürzte er auf Ross los, um ihn von Jonas fortzureißen. Doch Bernd Ross hielt Robins Rettungsversuchen stand und drückte den zappelnden Jonas weiter unter Wasser. Obwohl Robin wusste, dass Ross zwei Jahre älter und entsprechend größer und kräftiger war als er, hatte er es sich leichter vorgestellt, ihn von Jonas wegzuziehen. Da Jonas immer panischer zappelte und Bernd Ross trotzdem gar nicht daran dachte, ihn von seiner Pein zu erlösen, sah Robin nur noch eine Möglichkeit. Er schnappte sich eine der abgewaschenen Pfannen und zog sie Bernd Ross über den Schädel.

Der schrie auf, hielt sich den Hinterkopf, sackte in die Knie und brüllte vor Schmerz wie ein angeschossenes Tier.

Robin erschrak. So stark hatte er gar nicht zugeschlagen. Oder etwa doch? Und hatte er nicht mehr auf den Nacken als auf den Kopf gezielt?

Jonas zog seinen Kopf aus dem Wasser und hechelte nach Luft, die er unter einem lauten Geräusch tief in sich einsog.

Durch das laute Geschrei alarmiert, kam Heimleiter Fred in die Küche gestürzt.

»Was ist denn hier …?«, begann er.

Dann sah er Bernd Ross, der sich den Schädel hielt und noch immer brüllte, in gekrümmter Haltung auf dem Boden liegen. Wimmernd antwortete er, bevor Robin sich rechtfertigen konnte: »Robin hat mich angegriffen und mir mit der Pfanne auf den Kopf geschlagen. Er wollte mich umbringen!«

»Ich …«, wollte Robin widersprechen.

Doch dazu kam er nicht.

»Ab in mein Büro«, befahl Fred. »Und dort warten!«

Dann kniete er sich hinunter zu Bernd Ross, um dessen Kopf zu untersuchen.

Nach einem ersten Blick sagte er: »Blutet schon mal nicht.«

Nun strich er mit zwei Fingern über die getroffene Stelle am Kopf.

»Jonas, hol ein paar Eiswürfel aus dem Kühlschrank, wickle sie in ein sauberes Geschirrtuch und bring es mir. Wir müssen die Stelle kühlen, damit er keine Riesenbeule bekommt.«

Jonas atmete immer noch schwer und wollte protestieren. Schließlich war nicht Bernd Ross, sondern er das Opfer gewesen. Doch Fred ließ jetzt keine Erklärungen zu.

»Wird’s bald!«, herrschte er erst Jonas an und dann Robin: »Und du: Raus hier! Ab in mein Büro, hab ich gesagt. Wir sprechen uns gleich!«

Robin war wütend. Aber er sagte nichts, sondern senkte den Kopf und stellte sich auf eine Standpauke im Büro ein. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen besten Freund Jonas beschützte und hinterher Ärger bekam, weil sie Ross’ Angriffe nicht wirklich belegen konnten oder Ross dem Heimleiter abenteuerliche Lügen auftischte oder vielleicht auch nur, weil es für Fred die einfachste Art war, Streit und Schlägereien zu beenden. Robin stellte sich also darauf ein, dass es auch dieses Mal so sein würde. Er würde den Rüffel über sich ergehen lassen, vielleicht sogar die Strafe von ein oder zwei zusätzlichen Küchendiensten hinnehmen und dann weitermachen wie bisher. Denn er wusste, Bernd Ross würde nicht aufhören, Jonas zu drangsalieren. Einfach nur, weil Jonas ein außerordentlich guter Schüler war und so wohl ständig Ross’ Eifersucht weckte. Bernd Ross hielt sich für den Größten, Schönsten und Coolsten. Wer das infrage stellte, war fällig und wurde zu seinem Opfer.

Nur Robin stellte sich ihm immer wieder erfolgreich in den Weg, aber zu dem Preis, stets aufs Neue von Fred falsch beschuldigt zu werden.

Robin also senkte den Kopf und wollte gerade aus der Küche zu Freds Büro gehen, als er etwas Glitzerndes auf dem Küchenfußboden entdeckte. Sofort griff er sich an den Hals. Wie er befürchtet hatte: Seine silberne Halskette war im Gerangel mit Bernd Ross abgerissen worden und lag nun vor ihm auf dem Boden. Wo aber war der Ring geblieben? Robin kniete sich auf den Boden und begann, auf allen vieren nach dem Ring zu suchen.

»Was suchst du?«, fragte Jonas, der allmählich wieder ruhig atmete.

»Meinen Ring«, antwortete Robin.

Jonas wusste, wovon sein Freund sprach: vom Ehering seiner Mutter, den er seit ihrem Tod wie einen Anhänger an seiner Halskette trug, weil der Ring für seine Finger zu groß war.

»Hier!«, rief Jonas plötzlich.

Der Ring war fast unter die Spüle gerollt.

Robin bedankte sich erleichtert, sammelte seine Kette auf, nahm den Ring entgegen und wollte nun zum Büro gehen.

Doch da kam Julia in die Küche, eine der Sozialpädagoginnen, die die Kinder hier im Heim betreuten.

»Fred, kommst du mal?«, rief sie ihn.

»Gleich«, antwortete Fred und fragte Bernd Ross: »Geht’s wieder?«

Der nickte. Fred versprach ihm, nachher noch mal nach ihm zu sehen. Dann wandte er sich an Robin: »Wir sprechen uns später!«

Robin sagte nichts. Sah aber, wie Bernd Ross grinste, kaum, dass Fred ihnen den Rücken zugekehrt hatte.

»Das gibt Ärger!«, frohlockte Bernd gegenüber Robin und drohte: »Wir sprechen uns auch noch!«

»Gern!«, nahm Robin sofort die Herausforderung an. Er war einer der wenigen, ja, vielleicht sogar der Einzige, der keinerlei Angst vor Bernd Ross zeigte. Was diesen zwar einerseits maßlos ärgerte, ihm andererseits aber so viel Respekt einflößte, dass er es nie wagte, Robin direkt anzugreifen.

Robin rieb sich demonstrativ kampfbereit die Fäuste.

»Ich zieh dir gern noch mal eine Pfanne über den Schädel, wenn du die Hände nicht von Jonas lässt«, versprach er. »Aber dann kommst du nicht so glimpflich davon.«

Bernd Ross erschrak über die drastische Drohung, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schlich er sich aus der Küche.

»Danke«, sagte Jonas. »Aber war das nicht ein bisschen derb?«

Robin schaute Jonas entschlossen an: »Eine andere Sprache versteht der nicht.«

Jonas begriff, versicherte sich aber vorsichthalber: »Aber das war nur eine Drohung, oder? Du würdest nicht wirklich …?«

»An seiner Stelle würde ich es nicht drauf ankommen lassen«, antwortete Robin.

Dann besah er sich die zerrissene Kette. »Mist. Die ist voll im Arsch!«

Jonas schüttelte den Kopf. »Gib mal her!«

Er nahm seinem Freund Kette und Ring ab, betrachtete beides und kam schließlich zu dem Schluss: »Das krieg ich wieder hin. Da ist der Verschluss abgerissen. Das kann ich löten.«

»Du kannst löten?«, fragte Robin verwundert.

Jonas nickte. »In der Schule. Im Werkraum. Die haben alles da, was man braucht. Ich repariere dir das morgen.«

»Danke«, sagte Robin.

Jonas reichte ihm den Ring. »Steck den bis dahin gut weg.«

Robin wollte den Ring gerade entgegennehmen, da zog Jonas ihn überraschend wieder zurück.

»Moment mal! Hast du das gesehen?« Er betrachtete den Ring genauer und streckte ihn Robin dann abermals entgegen. »Die Gravur innen. Das Hochzeitsdatum deiner Eltern! 3. September. Das ist Samstag. Am Samstag wären sie genau 15 Jahre verheiratet.«

»Ach ja?« Robin nahm den Ring entgegen und las die Innengravur.

»Das nennt man Gläserne Hochzeit. Oder auch Kristallhochzeit«, wusste Jonas.

»Ach ja?«, sagte Robin wieder nur.

»Vielleicht willst du deinen Eltern Blumen bringen?«, schlug Jonas vor.

»Blumen?« Robin schaute ihn verwundert an. Wie kam sein Freund auf Blumen?

»Na, zum Grab!«, erläuterte Jonas. »Der 15. Hochzeitstag wäre doch ein guter Anlass, mal wieder das Grab deiner Eltern zu besuchen.«

Robin sah Jonas mit großen Augen an. »Da bin ich noch nie gewesen.«

»Noch nie?« Das erstaunte nun wieder Jonas. »Wieso nicht?«

Robin zuckte mit den Schultern. »Ich weiß gar nicht, wo das ist.«

»Hä?«, machte Jonas und wiederholte seine Frage: »Wieso nicht?«

Robin wusste es nicht. Wenn er ehrlich war, er hatte noch nie drüber nachgedacht.

»Besuchst du deine Eltern denn regelmäßig?«, fragte er.

Jonas schüttelte den Kopf.

»Meine Eltern sind nicht tot, soweit ich weiß«, antwortete er. »Sie …« Er stockte ein wenig und suchte nach den richtigen Worten. »Sie konnten nur nicht richtig für mich sorgen. Ich kenne sie gar nicht und weiß nicht, wo sie sind.«

Robin wusste, dass Jonas kurz nach seiner Geburt in eine Babyklappe gelegt worden war und sein ganzes bisheriges Leben im Heim verbracht hatte.

Jonas winkte ab. »Reden wir nicht darüber, sondern über den Hochzeitstag deiner Eltern. Sie würden sich bestimmt freuen, wenn du ihnen zum Hochzeitstag Blumen bringst. Wenn du willst, komme ich mit.«

Ein leichtes Lächeln huschte über Robins Gesicht. »Keine schlechte Idee. Ich werde Fred fragen, wo das Grab ist.«

Und das tat er. Noch am selben Abend.

Am darauffolgenden Morgen.

Mittags nach der Schule.

Dann wieder am Abend.

Und am darauffolgenden Morgen.

Doch jedes Mal hatte Fred keine Zeit, wiegelte ab, vertröstete Robin auf später, hatte dann wieder gerade keine Zeit, musste unbedingt dringend telefonieren oder, oder, oder.

Am Freitagmittag hatte Robin die Nase voll.

Als er nach der Schule gemeinsam mit Jonas im Heim ankam, traf er Fred auf dem Flur, der gerade – noch früher als sonst – Feierabend machte.

Robin rannte auf ihn zu und fragte erneut nach der Grabstelle seiner Eltern.

Fred seufzte, verdrehte die Augen und antwortete: »Die Grabstelle deiner Eltern ist uns leider nicht bekannt, Robin.«

Robin glaubte ihm kein Wort. Wie konnte eine Grabstelle unbekannt sein?

»Da muss doch etwas in den Unterlagen stehen«, behauptete er.

Doch Fred winkte ab. »Da ist nichts. Glaub mir. Es tut mir leid. Aber ich muss jetzt leider los.«

Fred ließ Robin stehen und verließ das Heim. Durch die offene Haustür sah Robin, wie Fred von seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern zum Wochenende abgeholt wurde. Wütend trat Robin gegen den Papierkorb, der auf dem Flur stand.

»Digga, der kann mich mal!«, schimpfte er. »Er hat ja seine Familie. Der Rest ist ihm egal. Faule Sau! Aber nicht mit mir!«

Wütend stampfte Robin zu seinem Zimmer..

Jonas folgte ihm.

»Dann besorge ich mir die Adresse eben selbst! Morgen ist der Hochzeitstag meiner Eltern. Und da gehe ich hin. Auf jeden Fall!«, schwor Robin.

»Was hast du vor?«, wunderte sich Jonas.

Robin polterte in das Zimmer, das er sich mit Jonas teilte, und schloss die Tür, nachdem sie beide eingetreten waren. Er legte kurz sein Ohr an die Tür, um zu horchen, ob vielleicht jemand lauschte. Als er glaubte, die Luft sei rein, verkündete er: »Ganz einfach: Fred ist weg, vor Montag kommt der nicht wieder. Ich gehe in sein Büro, schnappe mir meine Akte und sehe selbst nach. Ich bin sicher, Fred lügt, und in meiner Akte steht, wo meine Eltern begraben sind. Oder? Was meinst du?«

Jonas dachte einen Moment nach, kam dann aber zum selben Schluss.

»Ich denke schon«, stimmte er zu. »Mir kommt es auch komisch vor, dass die Grabstelle unbekannt sein soll. Aber Freds Büro ist abgeschlossen. Und die Akten liegen in einem Stahlschrank, der ebenfalls abgeschlossen ist. Wie willst du da drankommen?«

»Keine Sorge, ich hab einen Plan«, antwortete Robin. »Und du wirst mir dabei helfen.«

EINE BRISANTE AKTE

Hausmeister Donner besaß selbstverständlich Schlüssel für alle Räume des Heims. Ebenso die Putzkräfte, die die Büros einmal pro Woche reinigten. Aber die kamen immer nur montags. So lange konnte Robin nicht warten, denn der Hochzeitstag seiner Eltern war bereits morgen. Zum Glück trug Hausmeister Donner seine ganzen Schlüssel nie bei sich, sondern hatte sie ähnlich wie in manchen Hotels an einem großen Schlüsselbrett hinter sich am Schreibtisch hängen. Unmöglich, unbemerkt an sie heranzukommen, wenn Herr Donner in seinem Büro saß. Da saß er im Moment aber nicht, sondern mähte hinten im Hof das kleine Rasenstück, auf dem zwei Sitzbänke standen. Auch das tat Herr Donner regelmäßig am Freitagnachmittag, wenn es nicht gerade regnete – immer kurz, nachdem Fred sich ins Wochenende verabschiedet hatte. Durch diese Regelmäßigkeit war es fast ein Kinderspiel, sich den Schlüssel für Freds Büro auszuborgen. Schwieriger würde es da vermutlich schon werden, den Schlüssel zurückzubringen. Das sollte Jonas’ Aufgabe sein, erläuterte Robin. Sollte der Hausmeister unverhofft auftauchen oder bereits zurück vom Mähen an seinem Tisch sitzen, wenn Robin wiederkam, würde Jonas ihn ablenken beziehungsweise von seinem Platz fortlocken.

»So weit ist alles klar«, stimmte Jonas zu. »Aber wie kommst du an den Aktenschrank heran?«

Robin lächelte. »Ich war so oft wegen irgendwelcher Fragen oder Bitten in Freds Büro oder auch, um mir eine Standpauke abzuholen, dass ich genau weiß, wo er den Schlüssel für den Aktenschrank versteckt. Das heißt, Versteck kann man das gar nicht nennen. Der Schlüssel liegt immer rechts in der oberen Schreibtischschublade.«

Jonas zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

»Interessant!«, murmelte er. »Fred ist so ein Chaot. Ich hätte nicht gedacht, dass der für irgendetwas einen festen Platz hat.«

Robin lachte auf. »Da hast du recht. Vermutlich macht er mit dem Schlüssel eine Ausnahme, weil die Akten so wichtig sind, dass er ihn auf gar keinen Fall verlieren darf.«

Sie hatten ihre Schultaschen im Zimmer abgelegt. Nun tranken beide noch die restlichen Schlucke Wasser aus ihren Trinkflaschen.

Dann ging es los.

»Bereit?«, fragte Robin.

»Klar!«, antwortete Jonas.

Sie gingen aus dem Zimmer und – prallten gegen Bernd Ross, der vor ihrer Tür stand und offenbar auf die beiden gewartet hatte.

Mist!, fluchte Robin innerlich. Das würde ihn wertvolle Zeit kosten.

Jonas wich sofort ängstlich einen Schritt zurück und stellte sich halb hinter Robin.

»Da seid ihr ja, ihr beiden Petzen!«, empfing Bernd sie. »Ihr habt mich bei Fred angeschwärzt.«

»Erstens stimmt das nicht. Und zweitens haben wir gerade keine Zeit. Tschüss!«, sagte Robin und wollte Bernd sachte beiseiteschieben, weil er den Weg versperrte.

Doch Bernd ließ sich nicht abdrängen, sondern blieb stehen wie ein Fels im Flur.

»Mach keinen Ärger und lass uns durch!«, forderte Robin.

»Sonst was?«, fragte Bernd provozierend. »Schlägst du wieder mit einer Pfanne zu?«

»Wenn es sein muss«, drohte Robin.

»Dann kriegst du aber ganz besonderen Ärger«, prophezeite Bernd. »Wer weiß? Vielleicht wirst du dann in ein geschlossenes Heim verlegt? Eines für jugendliche Gewalttäter!«

Robin begriff: Mit dieser Drohung wollte Bernd ihn einschüchtern. Dabei war höchst fragwürdig, ob es solche Verlegungen überhaupt gab. Robin jedenfalls hatte noch nie davon gehört. Und er nahm sich vor, nicht auf Bernd Ross hereinzufallen.

»Fred hat mich nicht mal zur Rede gestellt wegen der letzten Sache«, stellte er klar.

Bernd war sichtbar überrascht. Sein Einschüchterungsversuch gründete offenbar auf der Annahme, dass Robin einen wirklich großen Anschiss vom Heimleiter bekommen hatte. Und jetzt sollte er Robin deshalb nicht einmal angesprochen haben?

»Wie … Was? Du lügst!«, stotterte Bernd.

»Frag ihn doch!«, konterte Robin. »Damit musst du aber leider bis Montag warten. Also tschüss, Berni.«

Diese verniedlichende Form seines Namens mochte Bernd überhaupt nicht leiden. Ganz im Gegenteil: Für gewöhnlich stellte er sich vor als »Bernd Ross mein Name. Ross wie Boss«.

»Wie war das?«, fragte Bernd und packte Robin am Kragen.

»Lass mich los. Oder dich trifft irgendwann, wenn du gar nicht damit rechnest, die Bratpfanne. Ich schwör!«, drohte Robin und hob zwei Finger zum Schwur.

Bernd Ross-wie-Boss ließ Robin verunsichert los, weil er ihm diese Attacke jederzeit zutraute. Robin war im Heim für zweierlei bekannt: erstens seinen Dickschädel. Wenn er sich etwas vorgenommen hatte, dann setzte er es auch um. Koste es, was es wolle. Und so machte er auch jede Drohung wahr. Und zweitens galt Robin als jemand, der äußerst jähzornig werden konnte. Beide Eigenschaften hatten ihm das Ansehen eingebracht, nach Bernd Ross möglicherweise der gefährlichste Heimbewohner zu sein. Niemand wagte es, sich mit Bernd Ross anzulegen. Aber mit Robin eben auch nicht, weil er der Einzige war, der sich Ross-wie-Boss entgegenstellte.

»Komm«, sagte Robin zu Jonas und schob sich an Bernd Ross vorbei, ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen.

Als die beiden außer Hörweite waren, flüsterte Jonas: »Das wird noch richtig Ärger mit ihm geben. Der lässt einfach nicht locker.«

»Keine Angst«, beschwichtigte Robin. »Ich auch nicht.«

Sie stiegen die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wo die Küche, der Speisesaal, der Aufenthaltsraum und die Büros lagen.

Unten angekommen stoppte Robin. Und lauschte.

Zufrieden hörte er den Rasenmäher vom Hof. Herr Donner war also noch beschäftigt.

»Jetzt schnell!«, gab Robin das Kommando.

Sie rannten zu Donners Büro, das zumindest während der Dienstzeiten nie abgeschlossen war. Niemand würde es wagen, aus dem Hausmeisterbüro etwas zu stehlen. Ganz abgesehen davon, dass es dort auch gar nichts zu stehlen gab. Außer die Schlüssel.

Jonas blieb vor der Tür stehen, um Robin gegebenenfalls warnen zu können. Robin huschte ins Büro, nahm den Schlüssel für Freds Büro vom Haken und hängte dann den Schlüssel für den Speisesaal, der eigentlich zwei Reihen tiefer hing, an dessen Stelle, damit die Lücke nicht sofort auffiel.

Dann liefen beide den Flur entlang zu Freds Büro.

Robin hatte recht. Sofort fand er den Schlüssel für den Aktenschrank, zog ihn heraus, schloss den Schrank auf und suchte in den Hängemappen nach seiner Akte. Als er sie gefunden hatte, stieß Jonas einen kurzen schrillen Pfiff aus. Das hieß: Warnung! Es kam jemand!

Robin hatte also keine Zeit mehr, die Akte durchzulesen. Zumal Lesen ohnehin nicht seine Stärke war. Er brauchte viel zu lange, um eine Seite flüssig zu lesen und auch zu verstehen. Mal eben ein paar Seiten überfliegen, um sie blitzschnell nach wichtigen Informationen zu durchsuchen, das konnte er nicht.

Also schob er sich den vollen Aktendeckel unters Shirt, presste ihn flach auf den Bauch und stopfte sich das Shirt in den Hosenbund, damit er unterwegs die Akte nicht verlor.

Zusätzlich hielt er sie mit einer Hand fest. Von außen wirkte es, als hätte er Bauchschmerzen. So präpariert, eilte Robin aus dem Büro wieder heraus und schaute sich um. Wo steckte Jonas?

»Pssst!«, machte Robin. »Jonas!«

Nichts zu sehen oder zu hören von ihm.

Stattdessen kam der Hausmeister den Flur entlang.

»Du etwa auch?«, fragte er schon, obwohl er Robin noch gar nicht ganz erreicht hatte.

»Ich auch was?«, fragte Robin.

»Klopapier!«, antwortete Herr Donner. »Jonas brauchte neues. Ich hab ihm gerade zwei Rollen aus dem Keller geholt. Reicht das nicht? Ihr seid doch gemeinsam auf einem Zimmer.«

»Ach so«, stotterte Robin und versuchte, sich währenddessen zusammenzureimen, was gerade passiert sein musste. »Nein, nein. Alles gut.«

Herr Donner wollte schon zufrieden zurück in sein Büro gehen, da fragte Robin: »Hat Jonas auch das Shampoo erwähnt?«

»Was?« Herr Donner blieb stehen und wandte sich wieder zu Robin um.

»Shampoo!«, antwortete Robin. »Wir sollen in der Schule jetzt nach dem Sport immer duschen.«

»Wieso das denn?«, fragte Herr Donner. »Das könnt ihr doch hier!«

Robin zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht. Einige aus der Klasse duschen wohl zu Hause zu selten. Energiekosten und so, wissen Sie? Da hat unser Sportlehrer gesagt, dann sollten einfach alle in der Schule duschen. Spart Strom und Warmwasser zu Hause.«

Herr Donner verzog das Gesicht. »Und?«

»Und dazu brauchen Jonas und ich Shampoo. Für den Sportunterricht. Unseres im Bad ist fast alle«, schwindelte Robin munter weiter.

In Wahrheit waren die Duschen in seiner Schule seit Wochen kaputt. Was aber niemanden aus seiner Klasse störte, da sie kaum jemand nutzte. Dazu waren die Pausenzeiten viel zu knapp.

Herr Donner grummelte: »Noch etwas? Überleg gut! Zahnpasta? Seife?«

Robin schüttelte den Kopf.

»Warte hier!«, befahl Herr Donner und zog missmutig zurück in den Keller.

Die perfekte Gelegenheit für Robin, den Schlüssel zurück ans Brett im Hausmeisterbüro zu hängen.

Dann wartete er brav vor der Tür, nahm schließlich die Shampoo-Flasche in Empfang und rannte hinauf in sein Zimmer, wo Jonas schon gespannt wartete.

»Ich hab Herrn Donner abgelenkt«, begann er zu erzählen.

Robin unterbrach ihn. »Ich weiß. Hab ihn getroffen. Alles geregelt.«

Er warf Jonas die Shampoo-Flasche zu.

Jonas wollte sie fangen, griff daneben, und die Flasche landete auf dem Boden.

Robin zog die Akte unter dem Shirt hervor und setzte sich damit auf sein Bett.

Jonas glaubte, nicht richtig zu sehen. »Du hast sie mitgenommen? Bist du irre?«

»Ich konnte sie nicht so schnell lesen«, rechtfertigte sich Robin. »Keine Panik. Ich leg sie bald zurück. Das merkt Fred gar nicht. Und selbst wenn: Ist mir auch egal. Er hätte ja längst für mich nachgucken können!«

Jonas setzte sich rüber zu Robin aufs Bett. Der schlug die Akte auf und blätterte langsam Seite für Seite durch den Hefter.

»Da!«, sagte Robin plötzlich und zeigte auf die Mitte der aufgeschlagenen Seite 4. »Die Grabstelle meiner Mutter: Ohlsdorfer Friedhof. Na also!«

»Zum Glück stehen auch die Kapelle und die Parzelle dabei«, ergänzte Jonas. »Sonst hätten wir keine Chance. Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof der Welt!«

»Echt?«, fragte Robin beeindruckt. »Und was ist ein Parkfriedhof?«

»Na ja«, erklärte Jonas. »Ein Friedhof, der angelegt ist wie ein Park, eben. Mit Seen, Wiesen, großem Baumbestand und so.«

»Aha«, sagte Robin. »Und wo ist der?«

»Na, in Ohlsdorf!«, antwortete Jonas.

»Wo ist denn das?«, hakte Robin nach.

Soweit er sich erinnerte, war er noch nie über den Bezirk Altona, den Stadtteil St. Pauli, in dem sein Heim und seine Schule lagen, und den Hamburger Hafen hinausgekommen.

»Da fährt ’ne S-Bahn hin«, erklärte Jonas. »Gute 30 Minuten von der Reeperbahn aus.«

»Okay«, sagte Robin zufrieden. Er hatte es geschafft, herauszufinden, wo sich die Grabstätte seiner Eltern befand. Und morgen würde er anlässlich ihres Hochzeitstages gemeinsam mit Jonas dort Blumen niederlegen. Glücklich wollte er die Akte gerade wieder schließen.

»Warte!« Jonas hielt die Hand zwischen die Aktendeckel.

»Was?«

»Wo ist das Grab deines Vaters?«, fragte Jonas.

»Was meinst du?«, fragte Robin verwundert. »Das ist natürlich da, wo meine Mutter liegt. Die sind zusammen ums Leben gekommen. Also liegen sie auch zusammen im Grab. Ist doch logisch!«

»Nein«, widersprach Jonas.

»Hä? Was meinst du mit Nein?«

»Dein Vater ist nicht aufgeführt«, erläuterte Jonas. »Lies doch mal genau. Es ist nur vom Grab deiner Mutter die Rede. Von deinem Vater steht da nichts.«

Robin runzelte die Stirn. »Aber … Digga … Ich meine …«

Jonas zog die gesamte Akte an sich und blätterte sie weiter durch. Ein paar Seiten weiter wurde er fündig.

»Ich glaub es nicht!«, rief er.

»Was?«

»Lies selbst!«

AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN

Robin war ein langsamer Leser. Aber das hatte er schnell erfasst. Nur so richtig glauben konnte er nicht, was er da las. In der Akte stand der Name seiner Mutter. Stefanie Winkler, geborene Häusler, ihr Geburts- und ihr Todesdatum. Und sogar die Todesursache: Autounfall. Also genau das, was Robin schon wusste. Darunter der Name ihres Mannes, Martin Winkler – Robins Vater –, ebenfalls mit Geburts-, aber ohne Todesdatum! Folglich auch ohne Todesursache.

Robin sah vom Text auf und seinen Freund Jonas an.

»Was bedeutet denn das?«, fragte er unsicher, obwohl er die Antwort schon ahnte.

Jonas bestätigte ihn in seiner Annahme. »Das bedeutet, dein Vater ist gar nicht tot. Er lebt noch!«

Robin musste tief Luft holen. Ein paar Mal hintereinander atmete er tief durch.

Wie war das möglich? Und wenn es wirklich stimmte, dass er noch lebte, wieso wusste Robin davon nichts? Wieso musste er dann in einem Heim leben? Wieso hatte sein Vater sich nie bei ihm gemeldet? Und vor allem: Wo war er?

»Lies weiter!«, forderte Jonas ihn auf.

Robin las. Offenbar hatte sein Vater den dramatischen Unfall überlebt, bei dem Robins Mutter ums Leben gekommen war, galt seither aber als verschwunden.

»Verschwunden?« fragte er. »Wie meinen die das? Wie kann denn jemand verschwinden? Erst recht bei einem Autounfall?«

Jonas wusste es auch nicht.

In der Akte wurde gemutmaßt, dass Robins Vater möglicherweise schuld am Unfall gewesen sein könnte. Vielleicht wegen Trunkenheit am Steuer? Die Polizei ging laut Akte von Fahrerflucht aus, weil der Vater wohl beide, seine Frau sowie seinen dreijährigen Sohn, für tot hielt. Und sich vor einer Gefängnisstrafe fürchtete.

Wieder stoppte Robin.

»Dein Vater hielt auch dich für tot!«, wiederholte Jonas. »Das erklärt natürlich, weshalb er sich nie gemeldet hat!«

Robin musste erst einmal schlucken und sich mehrfach räuspern, ehe er einen Ton herausbekam.

»Du meinst«, begann er zögerlich, »mein Vater lebt, aber denkt, ich sei tot?«

Jonas nickte stumm.