Zack (Carolina Cold Fury-Team Teil 3) - Sawyer Bennett - E-Book

Zack (Carolina Cold Fury-Team Teil 3) E-Book

Sawyer Bennett

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Beschreibung

Der aufstrebende Eishockeystar Zack Grantham steckt in einer Abwärtsspirale der Trauer fest, die seine Karriere auf Eis gelegt hat. Er ist wieder mit dem Carolina Cold Fury-Eishockeyteam unterwegs, hat aber immer noch emotionale Probleme, ist jetzt alleinerziehender Vater und braucht dringend Unterstützung bei der Erziehung seines Sohnes. Doch während das kauzige neue Kindermädchen das Herz seines Sohnes schnell erobert, ist Zack nicht sicher, ob er für die Berührungen einer anderen Frau bereit ist - selbst nachdem er einen Blick auf die mörderischen Kurven geworfen hat, die sie unter ihren Schlabberklamotten versteckt. Kate Francis hält Männer wie Zack normalerweise auf Distanz. Obwohl er einen perfekten Athletenkörper hat, weigert er sich, sein Leben weiter zu leben - und außerdem ist er ihr Boss. Doch die Funken zwischen ihnen sprühen unübersehbar und verleiten Kate dazu, ihre berufliche Beziehung zu Zack in eine persönliche verwandeln zu wollen. Aber bevor sie ein Machtspiel um Zacks verwundetes Herz spielen kann, muss Kate zuerst Zacks Mauern einreißen und ihm zeigen, dass die Liebe den Kampf wert ist. Sawyer Bennett entführt euch in die Welt des Eishockeysports. Mit viel Leidenschaft und Spannung erzählt sie von der Macht der Liebe, die selbst die tiefsten Wunden heilen kann. Ein absolutes Muss für alle Fans von Liebesromanen und Sportgeschichten, denn Sawyer Bennett beweist erneut ihr Talent für packende Geschichten und lässt euch mitfiebern, hoffen und träumen.

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Beliebtheit




Sawyer Bennett

Carolina Cold Fury-Team Teil 3: Zack

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Joy Fraser

© 2015 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Zack: A Cold Fury Hockey Novel“

© 2024 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-664-5

ISBN eBook: 978-3-86495-665-2

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Autorin

Prolog

Zack

Die Deckenlampen gehen aus, und der Club läge in völliger Dunkelheit, wären da nicht die eingelassenen Lampen am Rand der Bühne. Ich lasse mich auf meinem Stuhl nieder und ziehe die Mütze tief in die Stirn. Dadurch muss ich den Kopf etwas weiter nach hinten neigen, um die Show noch zu sehen, aber mein Gesicht bleibt verdeckt. Der Bart, den ich mir in den vergangenen vier Monaten habe wachsen lassen, trägt sicher auch dazu bei, meine Berühmtheit zu verbergen.

Ich möchte nicht erkannt werden.

Ich will nicht, dass mich jemand sieht und erkennt, wie tief Zack Grantham gesunken ist.

Ein netter Techno-Beat dröhnt vor sich hin und wird langsam lauter. Pfiffe durchdringen die Luft und ein Hinterwäldler ruft der Frau auf der Bühne etwas zu. Künstlicher Nebel gleitet über die schwarz lackierte Bühne, und dann beginnen sich Scheinwerfer in den Ecken des Clubs zu drehen. Ein leichtes Flattern der pechschwarzen Vorhänge, die zugezogen sind, ist der einzige Hinweis darauf, dass gleich etwas passieren wird.

Ein kurzer Blick auf mein Handy, das vor mir auf dem Tisch liegt, zeigt mir, dass es fast Mitternacht ist. Zeit für das große Finale des Abends. Der Moment, auf den alle betrunkenen und geilen Gäste des Golden Box gewartet haben.

Ich ignoriere das Telefon, kippe den Tequila ab, der vor mir steht, und schaue zur Bühne, während ich das Glas wieder abstelle. Als die Musik ihren Höhepunkt erreicht, lugt ein schlankes, durchtrainiertes nacktes Bein mit einem obszön hochhackigen roten Schuh in Cancan-Manier durch den Schlitz des Vorhangs. Die Pfiffe und Jubel werden lauter, doch ich schaue teilnahmslos zu. Die Besitzerin des nackten Beins hebt ihr Knie, streckt es dann ganz aus … anmutig, und hält es dort, während die Musik langsamer wird. So verharrt sie nur kurz. Alle warten gespannt ab, was jetzt gleich passiert.

Die Vorhänge fliegen auf, der Bass dröhnt, und eine umwerfend schöne Frau mit wunderbar lockigem blonden Haar betritt die Bühne. Mein Gehirn erkennt ein gestärktes weißes Oberhemd und einen schwarzen Filzhut auf ihrem Kopf. Dann erkennt mein Hirn ebenso schnell, dass sie sich an die Brust greift und das Hemd aufreißt. Schöne, runde – und anscheinend echte – Brüste kommen zum Vorschein. Sie hüpfen spektakulär auf und ab.

Hundert geile Männer fangen an zu jubeln, und ich bin sicher, dass die meisten Schwänze auf Hochtouren sind.

Die Stripperin, von der ich zufällig weiß, dass sie Candi Apple heißt, stützt sich selbstbewusst auf die silberne Stange, die am Rand der Bühne steht. Die Hüften schwingen, die Zunge leckt über ihre volle Unterlippe, das Haar weht wild wegen der kitschigen Windmaschine, die in den Bühnenboden eingebaut ist.

Ihre rechte Hand greift nach der Stange, sie geht in die Hocke, bis ihr Hintern fast auf den Boden aufsetzt. Ihre Beine sind gespreizt und die rotierenden Stroboskoplichter bringen die silbernen Pailletten, die den Stofffetzen zwischen ihren Beinen bedecken, zum Glitzern. Candi lässt die Hüften kreisen und trockenfickt die Stange direkt vor mir. Ihre dunklen Augen mustern die Männer, die die Bühne umringen, und sie überlegt bestimmt, wer der größte Trinkgeldgeber sein könnte. Ihr Blick geht an mir vorbei, denn ich habe keine Scheine in der Hand, mit denen ich winken könnte, um sie in ihren Stringtanga zu stecken.

Die Show geht weiter und ich schaue mir alles an. Ich will, dass mein Körper etwas spürt. Ich habe auf einen Steifen gehofft, um zu beweisen, dass ich nicht tot bin, und selbst ein leichtes Flattern der Lust tief in meinen Leisten wäre willkommen. Verdammt, ich würde wahrscheinlich für ein Glucksen in meinen Gedärmen töten – irgendetwas, um zu zeigen, dass ich noch auf etwas reagiere.

Aber nichts geschieht.

Der leichte Schmerz in meinem rechten Handgelenk lenkt meine Aufmerksamkeit von den Titten und dem Arsch ab, und ich öffne und schließe die Faust, um den Krampf zu lösen, und schüttele die Hand schließlich aus. Insgesamt gesehen ist mein Handgelenk in den vergangenen vier Monaten gut verheilt. Die Platten und Schrauben sind entfernt worden, die Physiotherapie ist abgeschlossen und ich fühle mich körperlich stark. Mein Handgelenk schmerzt im Moment nur, weil ich die Armlehnen des Stuhls zu fest umklammert habe, während ich darauf wartete, dass Candi Apple diejenige ist, die mich zurück ins Leben holt.

Zum Glück ist es nur ein Schmerz und sicherlich nichts, was mich beunruhigen sollte. Der Orthopäde der Mannschaft, Mark Godson, hat mir die Spielfreigabe erteilt, und auch Coach Pretore. Ab nächster Woche werde ich wieder mit der Mannschaft trainieren, und wenn ich Glück habe, dauert es nicht mehr lange, bis ich wieder im Spiel bin. Als Left Winger in der Second Line der Cold Fury.

Mein Inneres fühlt sich tot an, meine Fähigkeit, mich für irgendetwas zu interessieren, scheint verloren, aber es gibt zwei Dinge, die mich noch funktionieren lassen. Die Aussicht, wieder Eishockey spielen zu können, und, was noch wichtiger ist, mein Sohn Ben.

Ein Lichtblitz erregt meine Aufmerksamkeit und ich sehe mein Handy-Display aufleuchten. Ich greife danach und zucke bei der wütenden Nachricht meiner Schwester Delaney zusammen.

Delaney: WTF, Zack? Du bist vor einer Stunde losgezogen, um Milch zu holen, und noch nicht zurück. Wo bist du?

Schuldgefühle durchdringen mich, und es ist mir nicht entgangen, dass ich tatsächlich etwas empfinde. Andererseits ist mir das Eingeständnis von Schuld in den vergangenen vier Monaten nicht schwergefallen. Ich frage mich, was Delaney sagen würde, wenn ich ihr zurückschreiben würde, dass ich in einem Stripclub bin und hoffe, dass Candi Apple mich anmacht.

Delaney würde ausrasten, so viel ist sicher.

Ich stehe auf und ignoriere Ms. Apple auf der Bühne. Ich fische einen Fünf-Dollar-Schein aus meiner Tasche und werfe ihn für die Kellnerin auf den Tisch. Ich hatte ihr schon Trinkgeld gegeben, als sie mir den Tequila brachte, denn sie war schnell und nett, und Mann, sie hat außerdem einen tollen Vorbau, also kann ich ihr ruhig noch ein Trinkgeld geben. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, lasse ich die Lichter, die Musik und die wippenden Brüste hinter mir und fühle absolut nichts von dieser Erfahrung, außer einem kleinen Brennen im Magen von dem Schnaps.

Sobald ich aus dem Club und in die Stille meines Autos komme, rufe ich Delaney an.

Sie antwortet nach dem ersten Klingeln. „Du hast mich zu Tode erschreckt. Geht es dir gut?“

„Ja“, murmele ich, während ich den Motor starte und darauf warte, dass Bluetooth sich verbindet. Als ich das leise Klicken höre, ist sie auf der Freisprechanlage. Ich lege den Gang ein und sage: „Ich fahre nur herum und denke nach.“

Ich höre, wie sie einen Hauch von mitfühlender Frustration ausstößt, aber ihre Stimme ist sanft. „Okay. Geh einfach nach Hause.“

„Geht es Ben gut?“

„Ja. Er schläft. Hast du die Bewerberinnen durchgesehen, die ich für dich ausgesucht habe?“

Meine Hände krampfen sich um das Lenkrad, und ein winziger Schmerz schießt durch mein Handgelenk, was ich den Teamärzten gegenüber nie gestehen würde. Ich ignoriere das Stechen. „Noch nicht.“

„Morgen“, sagt Delaney streng. „Du musst morgen eine Entscheidung treffen.“

„Ich weiß.“ Ich spüre, dass die Zeit des Zauderns und Zögerns vorbei ist. „Ich verspreche es. Morgen.“

„Okay“, sagt sie leise. „Das ist gut.“

Ich sage nichts mehr, da mein Verstand bereits anfängt, abzuschalten. Ich verabscheue den Gedanken, ihre Empfehlungen für ein Kindermädchen für Ben durchzugehen. Denn das bedeutet, dass es endgültig ist. Dass Gina wirklich tot ist und Bens Mom definitiv nicht mehr zurückkommt. Das schlägt den letzten Nagel in ihren Sarg.

„Ich liebe dich“, sagt Delaney fast verzweifelt.

Ich beiße mir auf die Lippe und spüre, wie sich mein Zahn in die Haut bohrt. „Dito“, sage ich mit rauer Stimme.

Worte der Liebe an meine ältere Schwester – die Frau, die in den letzten vier Monaten seit Ginas Tod mein felsenfester Rückhalt war – kann ich einfach nicht herausbringen. Ich beende den Anruf und starre durch die Windschutzscheibe ins Leere. Auf der Heimfahrt bin ich praktisch auf Autopilot.

In der Stille meines Wagens dringt ein unaufgefordertes, sarkastisches Schnauben aus mir, und dann kichere ich.

Zuhause.

Was für ein beschissener Witz. Mein Haus mit fünf Zimmern in der Marchand Street fühlt sich wie ein Gefängnis an, dessen Wände mich einschnüren und mich dazu bringen, um Mitternacht Stripperinnen namens Candi Apple aufzusuchen. Ich kann den Erinnerungen dort nicht entfliehen, Schuldgefühle fressen mich auf, wenn ich Ginas Fotos im Haus sehe, und jeden Tag werde ich ein bisschen tiefer vom Schmerz verschluckt, anstatt mich daraus zu erheben. Ich hasse dieses verdammte Haus und habe mir fest vorgenommen, es zu verkaufen. Vielleicht wird ein Umzug helfen, die Geister hinter mir zu lassen und Ben und mir einen Neuanfang zu ermöglichen.

Wenn Ben nicht wäre …

Der schöne, blonde, blauäugige dreijährige Ben.

Das Ebenbild von Gina.

Mein kleiner Junge, der sich anscheinend gut angepasst hat, nachdem er seine Mutter verloren hat, grinst mich an und kuschelt abends mit mir auf der Couch.

Wenn er nicht wäre…

Nein, ich will gar nicht daran denken, was ohne Ben wäre. Ich genieße, dass ich das wunderbarste Kind der Welt habe, und nur seinetwegen habe ich zumindest den Wunsch, wieder etwas fühlen zu wollen.

Obwohl ich nichts außerhalb der Grenzen der reinen und bedingungslosen Liebe für mein Kind fühlen kann, bedeutet das nicht, dass ich so bleiben will. Ich bin klug genug, um zu wissen, dass Ben mich um Rat fragen wird, wie er ohne Mutter leben soll. Und ich weiß, wenn ich meinen Scheiß nicht auf die Reihe kriege, besteht die Gefahr, dass mein Sohn seelisch verkrüppelt. Also versuche ich es auf die einzige Art, die ich kenne: indem ich die Candi Apples dieser Welt aufspüre und tief in mir nach etwas suche, das mich in diesem Leben interessiert außer meinem Kind und Eishockey.

Ich atme tief ein, fahre auf die Umgehungsstraße um Raleigh, und atme langsam wieder aus. Ja, morgen muss ich damit beginnen, den Kopf aus dem Sand zu ziehen. Ich weiß auch, dass der erste Schritt darin besteht, das zu tun, was Delaney verlangt. Aus den Bewerberinnen eine Auswahl treffen und ein Kindermädchen für Ben einstellen. Wenn ich nächste Woche wieder mit dem Training anfange, brauche ich jemanden, der immer für ihn da ist.

Delaney war in der letzten Woche hier in Raleigh, um Vorstellungsgespräche zu führen und Referenzen zu prüfen. Sie hat die Auswahl auf drei Personen eingegrenzt, und obwohl es mir eigentlich egal ist, für wen ich mich entscheide, muss ich meinem Sohn zuliebe sicher sein, dass die Person die richtige für den Job ist. Ich vertraue Delaney voll und ganz, aber ich weiß auch, dass ich ein gewisses Interesse zeigen muss. Zumindest, damit sie beruhigt ist. Übermorgen wird sie nach Manhattan zurückkehren, wo sie als Finanzanalystin arbeitet, und ich kann nicht zulassen, dass sie mit übermäßigen Sorgen um mich und Ben abreist.

Es macht mich wütend, dass ich ein Kindermädchen einstellen muss. Es fühlt sich an, als würde ich Gina ersetzen und eine neue Mom für meinen Jungen anheuern. Natürlich weiß die rationale Seite von mir, dass das Blödsinn ist. Während ich in den letzten vier Monaten, in denen ich mich von meiner Handgelenksverletzung erholt habe, gut allein mit Ben zurechtgekommen bin, kann ich auf keinen Fall alleinerziehend für Ben sein, wenn ich einen Großteil meiner Zeit unterwegs bin. Ich werde jemanden brauchen, der sich ganztägig um ihn kümmert, wenn ich weg bin, und es muss jemand sein, dem ich vertrauen kann. Ich werde also morgen meine Pflicht tun und die Bewerberinnen gründlich prüfen. Dann treffe ich eine Entscheidung und beginne den Prozess der Einführung einer neuen Frau, die meinem Sohn eine Vertrauensperson und Mutterfigur sein wird.

Kapitel 1

Zack

Es klingelt, als ich gerade versuche, mit einer Hand einen Pfannkuchen zu wenden und mit der anderen den Speck von der Grillplatte zu ziehen. Der Pfannkuchen bleibt kleben, klappt dann in der Mitte zusammen und mein Unterarm berührt den Rand der Grillplatte. Ich schwöre, dass ich meine Haut brutzeln höre.

„Scheiße!“ Ich zucke zurück, lasse sowohl die Gabel in der einen als auch den Pfannenwender in der anderen Hand fallen und bin dankbar, dass Ben in seinem Zimmer spielt und mich nicht fluchen hört. Es ist ein ständiger Kampf, in der Nähe des Jungen auf meinen Ausdruck zu achten.

Ich schalte die Hitze der elektrischen Grillplatte ab und reibe mir vorsichtig die Brandstelle am Arm. Dann gehe ich zur Haustür. Als ich um die Ecke von der Küche ins Wohnzimmer biege, stoße ich mit meinem nackten Fuß gegen Bens Spielzeug-Kipplaster, was dazu führt, dass eine Reihe von Flüchen aus meinem Mund kommt, während ich zur Tür humpele. Meine Haustür ist aus honigfarbener Eiche und hat einen großen ovalen Glaseinsatz mit floralen Intarsien. Gina hat ihn ausgesucht und einbauen lassen, weil sie meinte, dass dadurch mehr Licht in den Flur käme. Ich fand das etwas zu weiblich, aber ich habe ihr nicht widersprochen. Das Haus war ihre Domäne.

Durch das Glas kann ich meinen Besucher sehen, aber wegen der Muster, die teilweise die Person verzerren, sind keine Details erkennbar. Ich weiß trotzdem, wer es ist.

Bens neues Kindermädchen.

Roberta Francis.

Sie war Delaneys erste Wahl, und nachdem ich ihre Bewerbung kurz überflogen hatte, musste ich mir anhören, wie meine Schwester von ihr schwärmte. Delaney fand, dass sie in jeder Hinsicht perfekt für die Stelle ist. Sie kann fantastisch mit Kindern umgehen, da sie bei der Erziehung ihrer drei Neffen geholfen hat. Außerdem ist sie eine Studentin mit einem flexiblen Zeitplan. Delaney redete ununterbrochen über diese spezielle Situation, aber ich schaltete ab und dachte über alles nach, was ich tun muss, um das Haus für den Verkauf vorzubereiten. Vielleicht ziehe ich weiter raus aufs Land, wo wir ein großes Grundstück haben können und Ben einen Hund.

Schließlich unterbrach ich Delaney einfach und sagte: „Sie klingt perfekt. Ich nehme sie.“

Und jetzt, wo ich dabei bin, die Tür zu öffnen, um eine Frau in mein Haus zu lassen, die die wichtigste aller Aufgaben, nämlich die Betreuung meines Sohnes, übernehmen wird, wird mir plötzlich klar, dass ich nichts über sie weiß. Außer ihrem Namen und einer vagen Erinnerung daran, dass sie eine Studentin ist, die bei der Erziehung ihrer Neffen geholfen hat.

Na toll. Du bist wirklich ein engagierter und verantwortungsvoller Elternteil, Zack.

Die einzige Rettung in diesem Moment ist, dass Delaney diese Frau gründlich interviewt hat, ihre Referenzen überprüft hat und von ihr begeistert war. Ich vertraue Delaney, also wird es schon gut gehen. Sie wird sicherlich großartig sein.

Ich wünschte, ich könnte mir selbst glauben.

Ich schwinge die Tür auf und werfe einen ersten Blick auf die Frau, die in mein Haus einziehen und sich um meinen Sohn kümmern wird. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber das nicht. Nach Delaneys Einschätzung hätte ich erwartet, dass sie einen Superheldenumhang trägt oder dass sie zumindest einen goldenen Heiligenschein und Engelsflügel hat.

Stattdessen ist sie irgendwie unauffällig.

Sie sieht mich mit runden, kristallblauen Augen an, die ungeschminkt sind und von einer braunen Hornbrille umrahmt werden. Ihr dunkles Haar ist mit einem Stirnband zurückgehalten und hochgesteckt, sodass ich nicht weiß, wie lang es ist. Sie ist klein, reicht mir kaum bis zur Schulter und trägt ein übergroßes, extrem verblasstes, rotes NC-State-Sweatshirt und Jeans, die ihr etwa zwei Nummern zu groß sind. Ein alter Rucksack, den sie sich über die Schulter gehängt hat, und abgenutzte Tennisschuhe vervollständigen ihr Outfit.

„Roberta?“, frage ich zögernd, denn plötzlich denke ich, dass es sich um eine Bettlerin handeln könnte. Oder vielleicht sogar um eine Obdachlose, die nach einer Mahlzeit fragt. So wie ihre Klamotten schlabbern, könnte es sein, dass sie unter all dem Stoff halb verhungert aussieht.

Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln und streckt eine kleine Hand aus. Ihr Sweatshirt ist so groß, dass die Ärmel um ihre Handgelenke hochgekrempelt sind.

„Eigentlich nennt man mich Kate. Mein erster Name ist Roberta, nach meinem Vater Robert, aber mal ehrlich, wer würde diesen Namen nicht hassen? Also nenne ich mich mit meinem zweiten Vornamen, der eigentlich Kathryn lautet. Ich habe ihn zu Kate abgekürzt, weil Kathryn einfach so … keine Ahnung … wie eine katholische Heilige oder so klingt, und ich bin nicht katholisch. Ich bin baptistisch erzogen worden, aber ich gehe nicht mehr in die Kirche, also …“ Schließlich hält sie inne und atmet tief ein. Ihr Lächeln wechselt von höflich-ernst zu einem verlegenen Grinsen und sie zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Sorry, ich bin nervös, und wenn ich nervös bin, neige ich zum Plappern.“

Ich blinzele, irritiert und sprachlos. Ich habe keine Ahnung, was ich von dieser seltsamen Frau halten soll. Nein, von dem Mädchen, weil sie so verdammt jung aussieht.

„Wie alt bist du?“, frage ich und schaue misstrauisch auf ihre Hand, die sie mir immer noch entgegenstreckt.

„Dreiundzwanzig. Hat Delaney dir nicht von mir erzählt? Du wusstest doch, dass ich heute komme, oder?“

„Ähm … ja. Aber ich glaube, ich habe nicht gehört, dass sie dein Alter erwähnt hat.“

Kate macht einen kleinen Schritt nach vorn und hält mir erneut ihre Hand hin. „Freut mich, dich kennenzulernen.“

Ihre Stimme ist weich, mit einem leichten Südstaaten-Akzent. Ich weiß nicht mehr, ob Delaney mir gesagt hat, woher sie kommt, oder nicht. Fuck. Ich kann mich an nichts erinnern.

Zögernd strecke ich die Hand aus und schüttele Kates. Sie ist winzig und ihre Knochen fühlen sich klein an, aber sie ergreift mich fest. „Ja … äh, freut mich auch, dich kennenzulernen.“

Unsere Hände lösen sich und wir starren uns an. Ihre Augen sind von einer gewissen Neugierde erfüllt. Ich frage mich, worauf sie wohl neugierig sein könnte. Ich bin sicher, Delaney hat sie über meine Situation aufgeklärt und darüber, wozu ich sie brauche.

Verdammt, dieses Mädchen – okay, Frau – ist einfach seltsam. Sie sieht ein bisschen wie ein Geek aus, hat aber keine Schüchternheit oder Unbeholfenheit, die man normalerweise mit Geeks verbindet. Sie sieht aus, als würde sie lieber in einem Informatiklabor sitzen, mit Klebeband auf dem Brillensteg und einem Kugelschreiberetui in der Brusttasche, und über Quantenphysik oder etwas ähnlich Langweiliges diskutieren. Was zum Teufel hat sich Delaney dabei gedacht? Ich schätze, ich habe eine eher matronenhafte Person erwartet, die eine Schürze trägt und jeden Tag Kekse backt.

„Alles okay?“, fragt sie.

Ich blinzele, ohne zu wissen, was sie meinen könnte. „Ja, warum?“, frage ich verwirrt.

„Du starrst mich an, als ob mir ein Geweih aus dem Kopf ragen würde oder so. Ich weiß, ich bin kein schöner Anblick, aber ich verspreche, dass ich die richtige Person für diesen Job bin.“

Sie gehört eindeutig zu der Sorte Mensch, die alles sagt, was ihr durch den Kopf geht, und das bringt mich noch mehr in Verlegenheit. Ich habe mich von den Menschen im Allgemeinen so weit entfernt – und die, mit denen ich zu tun habe, fassen mich mit Samthandschuhen an –, dass ich nicht weiß, wie ich mit jemandem umgehen soll, der so direkt ist wie sie.

„Ähm … komm rein. Ich muss kurz telefonieren und dann können wir reden.“

„Okay“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln, und es irritiert mich, wie fröhlich sie ist.

Ich trete zurück, lasse sie ins Foyer gehen und schließe die Tür hinter ihr.

Sie schaut sich interessiert um. „Das ist ein schönes Haus.“

Ich antworte nicht, denn dieses Haus ist für mich kein bisschen schön. Stattdessen zeige ich auf die Stelle, wo sie steht, und sage: „Warte hier. Ich bin gleich wieder da.“

Ich wende mich ab und gehe die Treppe rechts vom Eingang hinauf. Ich laufe an Bens Schlafzimmer vorbei und sehe, dass er in ein Spiel auf seinem iPad vertieft ist. Gut. Ich will nicht, dass er die Treppe runterkommt, denn ich weiß nicht, was ich mit dem Mädchen da unten machen soll.

Ich schleiche in mein Büro, das eigentlich eins der Gästezimmer ist, schließe die Tür und ziehe mein Handy aus der Tasche. Ich rufe Delaneys Nummer auf.

„Ich bin auf dem Weg zu einer Besprechung. Mach es kurz.“

„Was zum Teufel, Delaney? Ich glaube, du hast einen schrecklichen Fehler gemacht, als du dieses Mädchen eingestellt hast.“

Sie seufzt ins Telefon, aber ihre Stimme ist fest. „Sie ist eine Frau.“

„Wie auch immer. Sie ist seltsam.“

„Sie ist bezaubernd.“

„Das ist aber keine verdammte Qualifikation für ein Kindermädchen“, zische ich, wobei mein Blick zur Tür geht, um zu prüfen, dass ich sie auch wirklich hinter mir geschlossen habe. Bezaubernd? Wie kommt sie denn darauf?

Delaneys Stimme ist voller Herablassung. „Wie lautet ihr Nachname?“

„Was?“, frage ich dümmlich.

„Wie lautet Kates Nachname?“, fragt sie und spricht jedes Wort sorgfältig aus.

„Scheiß drauf“, knurre ich und mein Verstand wird leer. Vor zwei Minuten wusste ich noch, wie der Name war, aber jetzt fällt es mir nicht mehr ein.

„Und was ist ihr Bildungshintergrund?“

Ich schweige und zerbreche mir den Kopf darüber.

„Und ihr beruflicher Werdegang?“, fragt sie.

Wiederum Schweigen von mir.

„Oh, und was ist mit ihren Referenzen? Was sagen die über sie aus?“

„Ich weiß es verdammt noch mal nicht, okay?“

„Das ist der springende Punkt. Du hast mir neulich kein bisschen zugehört, was ich über sie gesagt habe. Also musst du jetzt einfach darauf vertrauen, dass ich die richtige Entscheidung für dich getroffen habe. Sie ist absolut perfekt für diesen Job und außerdem mochte Ben sie viel lieber als die anderen Bewerberinnen. Sie war fantastisch zu ihm.“

„Sie ist seltsam“, sage ich lahm und vergeblich, ich weiß.

„Finde dich damit ab. Du hast keine Zeit mehr und brauchst sofort jemanden, weil du nächste Woche mit dem Training beginnst. Ich habe mir wochenlang den Arsch aufgerissen, um dich in die Entscheidung einzubeziehen, und du hast mich nur ignoriert. Also Pech gehabt … sie hat den Job und du wirst ihr eine Chance geben, hörst du?“

Verdammt. Manchmal kann ich meine ältere Schwester nicht ausstehen. Ich habe den plötzlichen Drang, ihr am Telefon die Zunge rauszustrecken, aber tief im Inneren weiß ich, dass sie recht hat. Ich bin seit dem Unfall geistig am Arsch und habe mich viel zu sehr auf sie verlassen, um mit dieser Scheiße fertig zu werden. Jetzt stecke ich in einer Sackgasse.

„Gut“, brumme ich, während ich mir das Kinn reibe. Ich habe mich erst heute Morgen entschlossen, meinen Bart abzurasieren, und mein Gesicht fühlt sich nackt an.

„Prima“, sagt sie selbstzufrieden. „Ich muss jetzt aufhören. Ich liebe dich.“

„Dito“, murmele ich und lege auf, wohl wissend, dass sie ein Grinsen im Gesicht hat.

Ich stecke das Handy in die Gesäßtasche, verlasse das Büro und mache mich auf den Weg nach unten. Als ich ankomme, ist Kate nirgends zu sehen. Für einen Moment durchströmt mich Erleichterung, da ich denke, dass sie die Botschaft verstanden hat, dass ich mich mit ihr nicht wohlfühle, und gegangen ist. Aber dann höre ich Geräusche in der Küche und gehe mit Schrecken dorthin.

Als ich um die Ecke komme, steht sie an der Grillplatte, wendet lässig den Speck, und zwei neue Pfannkuchen brutzeln daneben.

Sie sieht mich kurz an. „Ich dachte, ich mache das Frühstück für dich fertig. Du siehst aus wie ein Sechs-Pfannkuchen-Typ. Wenn ich mit deinen fertig bin, mache ich noch einen Mickey-Mouse-Pfannkuchen für Ben.“

Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich sie wie selbstverständlich kochen sehe. Sie ist gerade mal fünf Minuten hier und schon macht sie in meiner Küche Frühstück. In Ginas Küche, um genau zu sein. Das war nie meine Domäne, wie die Brandwunde an meinem Arm beweist. Wut blubbert in mir hoch, und ich habe den plötzlichen und wahnsinnigen Drang, sie vom Herd wegzuziehen. Ich möchte sie anschreien, dass dies Ginas Aufgabe ist, nicht ihre, und dass es völlig unfair ist, dass sie jetzt in dieser Position ist.

Stattdessen höre ich, wie Ben die Treppe hinunterhüpft, die von der anderen Seite des ersten Stocks in die Küche führt.

„Ist das Frühstück fertig, Dad?“, fragt er, als er um die Insel herumgeht. Seine Augen sind auf mich gerichtet, aber dann bemerkt er Kate.

Sie dreht sich um, lächelt ihn an und sagt: „Hi, Kumpel. Kennst du mich noch?“

Bens Augen leuchten vor Erkennen auf, und dann bricht es mir fast das Herz, als sich seine Lippen zu einem breiten, wahnsinnig glücklichen Grinsen verziehen.

„Kate“, schreit er förmlich und stürzt sich auf sie. Er presst sich an ihren Oberschenkel, und seine kurzen Arme schlingen sich um ihre Beine. „Tante Delaney hat gesagt, dass du wiederkommst.“

Sie nimmt ihn sofort auf den Arm und geht einen halben Meter von der heißen Grillplatte weg, nachdem sie diese abgeschaltet hat. „Wow, kleiner Mann. Du kannst dich doch nicht in der Nähe der heißen Platte so verrückt aufführen“, schimpft sie sanft und kitzelt ihn.

Ich starre die beiden, die völlig voneinander eingenommen sind, dümmlich an. Sie ist offensichtlich ein verdammtes Naturtalent im Umgang mit Kindern, achtet offenbar sorgfältig auf die Sicherheit und ist in der Lage, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Sie erinnert mich so sehr an Gina und die ruhige Art, mit der sie alles im Griff hatte, dass mich ein sehnsüchtiger Schmerz tief in der Brust quält.

Und es bringt mich dazu, sie nicht zu mögen, weil sie sich in meine Erinnerungen an Gina einmischt.

Ich atme tief durch, denn mein Bedürfnis, ihr meinen Sohn aus den Armen zu reißen und sie aus dem Haus zu werfen, wird überwältigend. Sie steht da und lacht mit Ben, während er seine kleinen Hände auf ihre Schultern legt und über ein ferngesteuertes Auto plappert, das ich ihm vor ein paar Tagen gekauft habe. Er fühlt sich bei ihr wohl, was ich seit Ginas Tod nicht mehr bei ihm gesehen habe. Mit mir und Delaney kommt er gut zurecht, ebenso wie mit unserer Nachbarin Michelle, die mit Gina gut befreundet war. Michelle hat einen vierjährigen Sohn namens Beau, und so haben sie, Gina, Ben und Beau viel Zeit miteinander verbracht. Aber seit Ginas Tod ist er Fremden gegenüber misstrauisch, und es dauert eine Weile, bis er sich öffnet.

Aber nicht bei dieser Frau.

Er scheint sie schon verdammt zu lieben.

Meine Niederlage macht sich breit, und ich weiß, dass Kate nun immer hier sein wird. Ich unterdrücke meine Verbitterung, schiebe die Wut beiseite und atme noch einmal tief durch. Um Bens willen werde ich es versuchen. Um Bens willen werde ich Kate tolerieren.

Zumindest im Moment.

Kapitel 2

Kate

Mein Herz fühlt sich an, als würde es mir aus der Brust springen wollen, als ich an der Spüle stehe und die Grillplatte sauber mache. Es ist eigentlich ein Vergnügen, in so einer Küche aufzuräumen. Ich war noch nie in einem so schönen Haus, und es fällt schwer, nicht staunend auf all den Luxus zu starren. Seine Küche ist supermodern, mit glatten Schränken aus hellem Eichenholz und Griffen aus Edelstahl. Die Arbeitsflächen sind aus schwarzem Granit mit grauen Sprenkeln, und das Waschbecken ist aus massivem Stein.

Zack sitzt mit Ben am Tisch auf der gegenüberliegenden Seite der L-förmigen Küchentheke, während sie ihr Frühstück essen. Seine Augen bleiben auf mich gerichtet und darin liegt eine Mischung aus Wut und Verwirrung. Er kann mich eindeutig nicht leiden, und ich habe keine Ahnung, warum. Ich erwarte jeden Moment, dass er mich feuert. Ich kann es in seinen Augen sehen. Das ist es, was er tun will.

Als der kleine Ben sich auf mich stürzte, habe ich einen kurzen Blick auf Zack geworfen und gesehen, wie ihn Wut überkam. Das hat mich so erschreckt, dass ich fast aus dem Haus gerannt wäre. Aber ich tat es nicht, weil ich diesen Job dringend brauche. Ohne ihn bin ich nur eine Busfahrkarte davon entfernt, nach Hause zurückzukehren, um mit Daddy in unserem schäbigen Trailer bei den Hinterwäldlern von North Carolina zu leben. Als ich vor fünf Jahren von zu Hause wegging, habe ich mir geschworen, dass ich das niemals zulassen werde, sosehr ich Daddy auch liebe.

Also nahm ich all mein vorhandenes Selbstvertrauen, das ich im Laufe der Jahre aufgebaut hatte, und meinen schieren Überlebenswillen zusammen, ignorierte Zack und seine bösen Blicke und begann, seine Küche aufzuräumen. Er sagte kein Wort, sah mir nur zu, während ich arbeitete, und unterhielt sich manchmal mit Ben.

Ich bin gerade dabei, die Oberflächen abzuwischen, als Zack die leeren Teller in den Geschirrspüler stellt. Als er fertig ist, wendet er sich an Ben.

„Geh in dein Zimmer spielen. Ich muss mit Kate ein paar Dinge besprechen.“

„Darf ich fernsehen?“

„Klar.“

Ben springt vom Stuhl und stürmt die Treppe hinauf.

Ich wringe den Lappen aus und lege ihn über den Wasserhahn. Als ich mich zu Zack umdrehe, lehnt er mit der Hüfte am Tresen und hat die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt. Sein Blick ist eisig.

„Was genau hat Delaney gesagt, was der Job umfasst?“

Mann, er schüchtert mich höllisch ein. Er überragt mich, und obwohl er das Gesicht eines Engels mit dunkelbraunem Haar und whiskeyfarbenen Augen hat sowie ein kantiges Gesicht, strahlt er so viel Feindseligkeit aus, dass ich glaube, er könnte der Teufel sein. Ich weiß alles über Zack Grantham. Das liegt daran, dass ich Sport liebe. Alle Arten von Sport, aber ganz besonders das Eishockey der Cold Fury. Als North Carolina sein erstes professionelles Eishockeyteam bekam, war ich gerade in die sechste Klasse gekommen. Aber ich erinnere mich daran, wie wir auf der klapprigen, mit grünem Cord bezogenen Couch in unserem Trailer saßen und Daddy und ich die Cold Fury anfeuerten. Natürlich war er oft betrunken und wurde im dritten Drittel bewusstlos, aber zumindest für zwei Drittel hatten wir Spaß, indem wir uns über unsere gemeinsame Liebe zu diesem Sport austauschten.

Seitdem verfolge ich die Mannschaft aufmerksam. Natürlich war ich noch nie live bei einem Spiel, das wäre ein absoluter Luxus, den ich mir nicht leisten kann, aber da jedes Spiel auf dem Lokalsender übertragen wird, verpasse ich selten eins, es sei denn, ich lerne für eine wichtige Prüfung oder so. Und weil ich die Mannschaft so genau verfolge, weiß ich, wer Zack Grantham ist.

Er ist ein großartiger Spieler, und um ehrlich zu sein, wenn ich mir ein Trikot leisten könnte, würde ich mir wahrscheinlich eins mit seinem Namen kaufen. Oder vielleicht das von Alex Crossman. Oder sogar das von Garrett Samuelson. Vor etwa vier Monaten hatte Zack einen schrecklichen Autounfall, bei dem Bens Mutter Gina ums Leben kam und der dazu führte, dass er die erste Hälfte der Saison mit einem gebrochenen Handgelenk aussetzen musste. Der Bruch ist anscheinend so weit verheilt, dass er wieder ins Team zurückkehren kann, sodass ein Kindermädchen für Ben benötigt wird.

Ich war verblüfft, als ich einen Anruf von seiner Schwester Delaney erhielt, die mich um ein Vorstellungsgespräch bat. Ich hatte mein Profil auf einer Website für Kindermädchen eingestellt, obwohl ich wusste, dass ich keine Chance haben würde, weil ich lediglich meiner Schwester Kelly mit ihren drei Kindern geholfen und verschiedene Babysitterjobs ausgeübt hatte. Aber ich brauchte Arbeit, und so bewarb ich mich bei jeder Stelle, die mir über den Weg lief.

„Jetzt hast du anscheinend nichts mehr zu sagen“, knurrt Zack.

Bei der Aggressivität in seiner Stimme zucke ich zusammen. „Tut mir leid. Delaney sagte, du brauchst für Ben ein Kindermädchen, das bei euch wohnt. Die Stelle sei eine Vollzeitstelle, bis er im Herbst in den Kindergarten kommt, und danach eine Teilzeitstelle. Sie sagte, ich sei für seine Betreuung verantwortlich, wenn du nicht hier bist, und dass ich grundlegende Aufgaben im Haushalt und so erledigen müsse.“

Zack nickt, verschränkt seine Arme vor der Brust und reibt sich nachdenklich das Kinn. „Delaney glaubt, dass du die Richtige für diesen Job bist. Da muss ich ihr wohl vertrauen.“

„Stimmt. Ich werde mich sehr gut um Ben kümmern.“

„Das solltest du auch“, knurrt er so bedrohlich, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurücktrete. „Wenn du meinem Kind auch nur ein Haar krümmst, wirst du es bereuen. Hast du das verstanden?“

Das verängstigte Landmädchen in mir möchte sich am liebsten zusammenrollen und vor der Drohung zurückschrecken. Aber ich bin nicht mehr dieses junge Mädchen. Ich habe mich aus beschissenen Verhältnissen herausgearbeitet und mir ein neues Leben aufgebaut. Ich habe im Laufe der Jahre hart daran gearbeitet, mein Selbstwertgefühl zu stärken, und ich werde nicht zulassen, dass dieser Mann es zerstört.

Ich straffe die Schultern und sehe ihn streng an. „Ich verstehe, dass du Ben beschützen willst, und ich würde bei meinem eigenen Kind genauso empfinden. Ich kann dir versichern, dass du dir keine Sorgen machen musst. Aber ich muss darauf bestehen, dass du mich mit Respekt behandelst. Du willst doch deinem Sohn nicht beibringen, dass es in Ordnung ist, Frauen zu bedrohen und einzuschüchtern, oder?“

Zack starrt mich an, seine bernsteinfarbenen Augen werden fast dunkelbraun. Er blinzelt und schüttelt den Kopf. „Bist du immer so unverblümt?“

„Ich bin immer so ehrlich, ja.“

Er starrt mich noch kurz an, und schließlich sehe ich, wie sich Akzeptanz einstellt. „Verstanden. Brauchst du Hilfe, um deine Sachen reinzutragen? Ich zeige dir dein Zimmer.“

„Ähm, ich habe sie nicht dabei, weil ich mit dem Bus gekommen bin. Ich dachte, wenn es für dich in Ordnung ist, ziehe ich morgen ein. Ich habe einen Freund, der mich fahren kann.“

„Du hast kein Auto?“

„Ich kann mir keins leisten. Daher der Bus.“

„Dir ist schon klar, dass du Ben fahren musst? Ich will ihn auf keinen Fall im Bus haben“, sagt er grimmig.

„Delaney sagt, du hast zwei Autos und dass ich mir eins ausleihen kann, wenn du mich brauchst, um Besorgungen zu machen oder Ben irgendwo hinzubringen.“ An seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass das für ihn eine Neuigkeit ist. „Aber es spricht nichts dagegen, mit dem Bus zu fahren.“

Zack sieht aus, als wollte er mit mir darüber streiten, aber stattdessen sagt er: „Wir holen deine Sachen jetzt gleich. Ich habe morgen früh einen Termin und du musst auf Ben aufpassen, also wäre es mir lieber, wenn du dich schon heute hier einrichten würdest.“

„Okay. Möchtest du, dass ich Ben fertig mache?“

„Nein. Ich mache das schon. Du kannst einfach an der Garagentür da drüben warten.“

Ich drehe mich um und sehe, dass er auf eine Tür neben der Küche zeigt, die wahrscheinlich in die Waschküche führt und von dort aus in die Garage. Ich drehe mich zurück, um zu nicken, aber er ist schon weg.

„Hier wohnst du also?“, fragt Zack überrascht, als ich ihn auf die Einfahrt zum Haus meines Freundes Mark lotse. „Ich dachte, Delaney hätte gesagt, du wärst Studentin. Ich ging von einem Wohnheim oder so aus.“

„Ich habe vor ein paar Wochen, zum Ende des Wintersemesters, meinen Abschluss gemacht, und das bedeutet leider, dass man aus dem Wohnheim geworfen wird. Seitdem schlafe ich bei einem Freund auf der Couch.“

Zack sieht mich an. „Du hast gesagt, du wärst dreiundzwanzig. Bist du nicht ein bisschen zu alt für einen Abschluss?“

Ich zucke mit den Schultern, schnappe mir meinen Rucksack vom Fußraum und greife nach dem Türgriff. „Ich konnte es mir nicht leisten, direkt durchzugehen. Ich musste ein paar Semester aussetzen, um zu arbeiten und Geld für die Studiengebühren zu sparen.“

„Hat Delaney nicht gesagt, dass du im Herbst wieder zur Uni gehst?“, fragt er zögernd, fast so, als würde er der Erinnerung nicht trauen.

Ich drehe mich wieder zu ihm um. „Ja. Ich will meinen Master machen. Mit diesem Job und deiner Unterbringung und Verpflegung sollte ich in der Lage sein, genug für das erste Semester zu sparen. Im zweiten Semester muss ich mir wahrscheinlich freinehmen und eine zusätzliche Arbeit finden, um mehr Geld anzusparen. Ein langwieriger Prozess.“

Zack nickt, wendet sich kurz ab und schaut dann wieder zurück. „Worin hast du deinen Abschluss gemacht?“

„Nun, eigentlich ist es noch kein richtiger Abschluss“, sage ich mit einem Lächeln und dem Einsatz von Anführungszeichen mit meinen Fingern bei dem Wort Abschluss. „Die feierliche Zeremonie ist nächste Woche, aber dann bin ich stolze Besitzerin eines Diploms in Kinderpsychologie.“

Irgendetwas verändert sich an Zacks Blick. Vielleicht ist es ein bisschen Respekt, oder nur die plötzliche Erkenntnis, dass ich nicht irgendeine Verrückte bin, die er gerade als Kindermädchen eingestellt hat. Ich drehe mich wieder weg, um die Autotür zu öffnen.

„An welchem Tag ist die Abschlusszeremonie? Wir müssen sichergehen, dass Ben versorgt ist, und ich kann notfalls meine Nachbarin bitten, auf ihn aufzupassen.“

Ich antworte nicht sofort und öffne schließlich die Tür, denn so, wie er weiter Fragen stellt, schaffe ich es in diesem Jahrhundert vielleicht nicht mehr in Marks Haus. Als ich ausgestiegen bin, drehe ich mich zu ihm um. „Ich gehe nicht zu der Zeremonie, also keine Sorge. Ich bin in einer Sekunde wieder da. Es sind nur ein Koffer und ein paar Kartons, also werde ich ein paarmal gehen müssen. Warte einfach hier.“

Ich schließe die Tür, bevor er mich weiter aufhalten kann, dann drehe ich mich um und gehe den maroden Bürgersteig entlang, der mit von der Winterkälte gebräuntem Unkraut übersät ist. Mark ist bei der Arbeit und sein Mitbewohner Dave schläft wahrscheinlich noch. Er ist Musiker und bleibt bis in die frühen Morgenstunden auf.

Mark war ein Studienkollege von mir, der letzten Sommer seinen Abschluss gemacht hat. Wir waren ziemlich eng befreundet, und als ich aus dem Wohnheim geflogen bin, hat er mir seine Couch zur Verfügung gestellt, bis ich wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Ich bin so dankbar, dass ich diesen Job bekommen habe, denn ich fühle mich schuldig, weil ich in Marks Haus hocke, ohne Miete zu zahlen. Ich hatte nur noch etwa zweihundert Dollar auf meinem Bankkonto, die ich in den letzten Wochen nur für Lebensmittel ausgegeben habe. Da ich nun aber diesen Job habe, will ich Mark fünfzig Dollar als Dankeschön für seine Gastfreundschaft geben.

Ich öffne die Tür. Sofort gehe ich durch das kleine Wohnzimmer, wo mein Koffer gepackt neben dem Fernseher steht. Meine einzigen anderen Habseligkeiten sind zwei mittelgroße Kartons, in denen sich meine alten Mitschriften aus den Psychologiekursen befinden, die mir während meines Masterstudiums helfen könnten, und ein paar gerahmte Fotos von meiner Familie.

„Was soll alles mitkommen?“, höre ich von hinten und drehe mich um, um Zack und Ben in der Tür stehen zu sehen.

„Wohnst du hier, Kate?“, fragt Ben, während er zum Couchtisch hinüberläuft und sich den Xbox-Controller schnappt. „Können wir ein Spiel spielen?“

„Nicht jetzt, Kumpel“, antwortet Zack. „Kate wird für eine Weile bei uns wohnen, also sind wir nur hier, um ihre Sachen zu holen.“

Ich gehe zum Koffer hinüber und ziehe den Griff hoch. Er ist groß und hat zum Glück Räder, sodass ich ihn leicht bewegen kann. „Nur diese beiden Kartons“, sage ich und zeige darauf. „Wenn du einen nimmst, komme ich zurück und hole den anderen.“

Zack würdigt mich keines Blickes, sondern geht hinüber und hebt mit Leichtigkeit beide Kartons hoch. Er trägt einen langärmeligen schwarzen Pullover, der ihm wie eine zweite Haut passt, und ich sehe, wie sich die Muskeln in seiner Brust bei der Anstrengung anspannen. Wow … ähm … einfach wow.

Er dreht sich zur Tür und sagt zu Ben: „Komm, gehen wir.“

Ben trottet ihm hinterher und ich krame kurz in meinem Rucksack nach meinem Scheckbuch. Ich stelle Mark einen Scheck aus und schreibe ihm ein kurzes Dankeschön. Ich verspreche ihm, dass wir uns bald auf ein Bier treffen werden, um ihm zu berichten, wie es mit dem Job läuft.

Als ich zum Range Rover zurückkehre, ist Ben hinten angeschnallt und Zack steht neben der geöffneten Heckklappe. Ich ziehe meinen Koffer zu ihm hinüber, er nimmt ihn mir ab und hebt ihn mühelos hinein. „Danke“, sage ich und drehe mich in Richtung Beifahrertür.

„Wie kommt es, dass du nicht zu deiner Abschlussfeier gehst?“, fragt er.

Das überrascht mich. Bisher hat er nicht einmal angedeutet, dass er auch nur im Entferntesten neugierig auf mich ist. Als ich ihn wieder anschaue, sind seine Augen teilnahmslos, als ob ihn die Antwort nicht wirklich interessiert.

„Das kann ich mir nicht leisten“, sage ich achselzuckend. „Zu teuer für eine Kappe und einen Talar. Sie werden mein Diplom einfach per Post nach Hause zu meinem Dad schicken, wo es aufbewahrt wird. Ich nehme an, dass ich es eines Tages rahmen und aufhängen werde, sobald ich in eine eigene Wohnung gezogen bin.“

Zack nickt, seine Augen sind betrübt. Ich zucke innerlich mit den Schultern und gehe um den Geländewagen herum, um einzusteigen. Ich weiß nicht, was an meiner Geschichte seltsam sein soll. Sie ist nicht ungewöhnlich. Armes Kind aus einer armen Familie. Leute wie mich gibt es wie Sand am Meer, aber ich nehme an, dass Zack in Kreisen verkehrt, die nicht viel mit meiner Art zu tun haben.

Zack rutscht auf den Fahrersitz, während ich in den hohen Wagen klettern muss. Die Unterschiede zwischen uns sind offensichtlich. Er ist ein Profisportler, der sich diesen teuren Geländewagen, Designerklamotten und einen Haarschnitt leisten kann, der wahrscheinlich mehr kostet als mein Lebensmittelbudget für einen Monat. Ich trage Marks abgetragenes Sweatshirt, weil ich keine Winterjacke besitze, und Jeans, die entweder von meiner Schwester Kelly oder aus einem Secondhandladen stammt; ich weiß es nicht mehr genau, aber sie ist mindestens fünf Jahre alt. Ich schätze, es könnte schwer für ihn sein, mich und meine gesellschaftliche Herkunft zu verstehen.

Ich kann ihn allerdings gut verstehen. Er ist ein Mann, der trauert, das sehe ich. Ich nehme an, dass ich in sein Leben eindringe, das einen Riss bekommen hat und auf den Kopf gestellt worden ist. Außerdem soll ich eine wichtige Rolle für seinen Sohn spielen, und das muss ihm ebenfalls Angst machen. Dazu kommt noch, dass ich ein ziemlich seltsamer Vogel bin und immer klar meine Meinung sage. Ich weiß, dass dies eine ungewöhnliche Kombination ist. Ich verstehe definitiv, warum Zack wahrscheinlich nicht sehr scharf darauf ist, dass ich in sein Leben trete.

Kapitel 3

Zack

„Und was fühlen Sie dabei, Zack?“

Verdammter klischeehafter Wichser.

Ich wünschte, ich müsste das nicht nur denken, doch ich glaube, es wäre nicht förderlich, das laut auszusprechen, wenn ich wieder aufs Eis will.

Ich sitze im gemütlichen Büro von Dr. Armand Pannaker in der Innenstadt von Raleigh. Die Wände sind hellblau gestrichen und mit gerahmten Diplomen und Auszeichnungen geschmückt. Ich bin nicht freiwillig hier, sondern auf Drängen des Managements der Cold Fury, das sichergehen will, dass meine Seele genauso gut verheilt ist wie mein Handgelenk. Ein Besuch bei einem Psychologen sei nötig, sagten sie, damit sie sicher sein können, dass ich einsatzbereit bin.

Ich brauche keinen verdammten Seelenklempner, um zu wissen, dass ich mehr als bereit bin, das Loch der Traurigkeit zu überwinden, in das ich eingefallen bin, und ich bin mehr als bereit, wieder ins Spiel zu kommen. Ich glaube sogar, dass die Rückkehr in die Mannschaft mir helfen wird, meinen Verstand zu retten, weil ich mich dann auf etwas Positives konzentrieren kann. Unter Garantie wird Eishockey die allgegenwärtige Gefühllosigkeit lindern, die mich vollständig verschluckt hat.

„Zack“, sagt Dr. Pannaker wieder, „wie fühlen Sie sich dabei?“

Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück und lege den rechten Fuß auf das linke Knie. Ich stütze mein Kinn auf die Handfläche und antworte ganz offen. „Wie ich mich fühle, wenn ich hier sitzen und mit Ihnen reden muss, bevor die Leitung mich für gesund genug hält, um wieder zu spielen? Es kotzt mich an, so fühle ich mich.“

Der Mann reagiert nicht beleidigt, und ich nehme an, ich bin nicht der einzige unwillige Patient.

Er nickt. „Ich verstehe. Bin ich der erste professionelle Psychologe, den Sie seit dem Unfall besucht haben?“

„Ja“, antworte ich ohne Umschweife und hoffe, dass er versteht, dass ich nicht näher auf die Gründe eingehen möchte, warum ich nicht das Bedürfnis hatte, mit jemandem von Berufs wegen zu sprechen. Eigentlich hatte ich nicht das Bedürfnis, mit irgendjemandem darüber zu sprechen.

Aber er ist nicht nachsichtig mit mir. „Warum ist das so?“

„Weil ich alles allein aufarbeite.“

„Was genau arbeiten Sie auf?“

Ich atme tief durch, setze mich aufrecht und nehme das Bein vom Knie. Ich beuge mich vor und schaue ihm direkt in die Augen. „Ich arbeite mich durch mein schlechtes Gewissen. Schuldgefühle, dass Gina gestorben ist und ich nicht. Schuldgefühle, weil sie nicht angeschnallt war. Schuldgefühle, dass ich keine andere Route nach Hause genommen habe. Schuldgefühle, dass ich keine Gelegenheit hatte, ihr noch einmal zu sagen, dass ich sie liebe …“ Meine Worte geraten ins Stocken, schweben in der Luft und verflüchtigen sich dann, bevor ich zu dem komme, was mich wirklich bedrückt. Etwas, das ich noch nicht verarbeitet habe.

„Da ist noch etwas anderes“, hakt Dr. Pannaker nach. „Was ist es?“

Ich zucke mit den Schultern, weil ich nicht bereit bin, laut zuzugeben, dass es mir immer noch schwerfällt, überhaupt darüber nachzudenken. Dr. Pannaker wartet geduldig, und als ich nichts mehr sage, schlägt er einen anderen Weg ein.

„Sie und Gina waren nicht verheiratet, nicht wahr?“

Ich spanne mich an. „Nein.“

„Warum nicht?“

Unwillkürlich löse ich den Blickkontakt. „Es schien einfach nie der richtige Zeitpunkt zu sein. Ich war immer beschäftigt mit Eishockey, und sie war beschäftigt mit Ben und unserem Haus.“

„Waren Sie verlobt?“

„Nein.“

„Wollten Sie sich verloben?“

„Nein.“

„Hatten Sie Pläne gefasst, sich zu verloben?“

„Nein“, platze ich heraus und das Wort schmeckt bitter auf meiner Zunge.

„Warum nicht?“

Ich atme tief ein, wische die verschwitzten Handflächen an meiner Jeans ab und atme langsam aus. Das ist vertraulich. Niemand außer uns beiden wird je erfahren, was hier drin gesagt wird, und ich habe nicht vor, jemals wiederzukommen. Also beschließe ich, einfach loszulegen, denn je eher ich das tue, desto schneller kann ich hier raus. „Weil ich nicht sicher war, ob sie die Person war, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte.“

„Dieses Eingeständnis scheint Sie zu belasten.“

„Ja, es belastet mich schwer. Sie war die Mutter meines Kindes. Was, wenn ich mich geirrt habe?“

Dr. Pannaker zieht überrascht die Augenbrauen hoch. „Viele Paare heiraten heutzutage nicht mehr. Sie haben eine solide Beziehung, teilen alles rechtlich und ziehen sogar Kinder zusammen auf. All das tun sie mit viel Liebe und ohne ein Stück Papier, das dies bestätigt.“

Ich knirsche mit den Zähnen und versuche, die durch dieses Thema verursachte Steifheit zu lockern. Er bringt mich dazu, über Dinge nachzudenken, die ich verdrängt und unter Verleugnung und Angst vergraben habe. Es ist schon schlimm genug, dass ich mich schuldig fühle, dass Gina tot ist, aber ich glaube nicht, dass ich mit den zusätzlichen Gewissensbissen umgehen kann, die mir auferlegt werden, wenn ich diesen unterdrückten Gefühlen Bedeutung beimesse. Ich neige den Kopf und starre auf den beigen Teppich, bevor ich wieder zu Dr. Pannaker aufschaue.

„Ich habe Gina sehr geliebt. Und damit meine ich, dass ich alles, was ich in meinem Herzen hatte, zu hundert Prozent an sie weitergegeben habe. Ich vermisse sie heute genauso sehr wie am Tag nach ihrem Tod. Das hat sich nicht vermindert. Aber was mich beunruhigt … weswegen ich mich wirklich beschissen fühle, ist, dass ich mir im Herzen nicht sicher war …“ Ich halte inne und schlage mir mit der Faust auf die Brust. „… ob sie die Eine für mich war. Ich meine diesen einen Seelenpartner, den man auf der ganzen Welt haben sollte. Deshalb habe ich sie nicht geheiratet.“

So, jetzt habe ich es ausgesprochen. Es ist raus. Ich habe endlich gesagt, was in meinem Herzen los war und was ich mich nie getraut habe, Gina zu sagen, aus Angst, sie zu verletzen.

Zum ersten Mal seit Beginn dieser Sitzung sieht mich Dr. Pannaker tatsächlich mitfühlend an. Er versteht genau, was ich sage. „Es ist nicht ungewöhnlich, solche Zweifel zu haben. Viele Paare fragen sich in ihrer Beziehung genau das Gleiche. Gina hatte vielleicht sogar auch diese Zweifel.“

Ich schüttele den Kopf. „Nein, sie hatte diese Zweifel nicht. Sie war sich sicher.“

„Dennoch bedeutet das nicht, dass es falsch war, so zu fühlen. Die Ehe ist heilig. Sie sollte nicht leichtfertig eingegangen werden.“

Ich nicke, denn was er gerade gesagt hat, ist die verdammte Wahrheit. Es war etwas, das ich nicht auf die leichte Schulter genommen oder mit mangelndem Respekt behandelt habe. Es war mir sogar so ernst, dass ich mich einfach nicht dazu durchringen konnte, das Ehegelübde abzulegen, obwohl ich wusste, dass Gina es wollte.

Und genau darin liegt die wahre Schuld. Dass ich Gina etwas vorenthalten habe, das sie glücklicher gemacht hätte als alles andere auf der Welt. Sie war eine wunderbare Mutter, eine schöne Frau, eine fantastische Geliebte und eine vertrauenswürdige Freundin. Sie war alles, was sich ein Mann von einer Frau wünschen könnte, und sie hatte es verdient, dass sich ihr jemand ganz hingab. Gina starb in dem Glauben, dass ich sie nicht genug geliebt habe, um ihr das zu geben, was sie verdiente, und ich fühle mich elend, weil sie vielleicht recht hatte.

Schlimmer noch, ich zweifele jetzt an mir selbst und an all den Vorbehalten, die ich hatte. Wenn ich an mein Leben mit Gina zurückdenke, fällt mir nicht eine einzige Sache ein, die mich hätte zögern lassen sollen, sie zu heiraten. Nicht eine einzige Sache, die sie in unserer Beziehung falsch gemacht hätte. Sicher, wir hatten unsere Streitereien, aber wer hat die nicht? Abgesehen davon war unsere Beziehung so perfekt, wie sie nur sein konnte, und ich habe beim besten Willen keine Ahnung, warum mein Bauchgefühl eine Heirat mit ihr verhindern wollte.

Ich spreche das aber nicht laut aus, und wenn Dr. Pannaker darauf drängt, werde ich nicht darauf eingehen. Dies ist meine Last, die ich zu tragen habe, und ich werde sie bei mir behalten. Ich werde sie auf dem Gewissen haben als Erinnerung daran, wie ich die Frau, die ich liebte, und die Mutter meines Sohnes enttäuscht habe.

Als ich meinen Geländewagen in die Doppelgarage meines Hauses fahre, werfe ich einen Blick auf Ginas Mercedes. Es ist ein zweisitziges Cabrio und völlig unpraktisch. Seit Ginas Tod habe ich es nicht mehr gefahren, und ich muss mich darum kümmern, es zu verkaufen. Aber vielleicht will Delaney es haben; ich würde es ihr gern schenken, nach allem, was sie seit dem Unfall für mich getan hat.

Ohne Delaney wäre ich nach Ginas Tod höchstwahrscheinlich völlig zusammengebrochen. Meine Eltern konnten nach Ginas Tod eine Woche lang bei mir und Ben bleiben, aber dann mussten sie zurück zur Arbeit nach Nova Scotia. Delaney hat die Freiheit, in ihrem Job an der Wall Street im Homeoffice zu arbeiten, und so blieb sie den ersten Monat nach dem Unfall bei mir. Sie half mir, eine neue Routine zu entwickeln und mit Ben und meinem gebrochenen Handgelenk mit Metallplatten und Schrauben darin. Danach pendelte sie regelmäßig zwischen Raleigh und New York, um mir zu helfen, das Leben als alleinerziehender Vater mit gebrochenem Herzen zu meistern. Ich kann ihr nie und nimmer vergelten, was sie getan hat.

Ich steige aus dem Auto und gehe durch die Innentür in die Waschküche, wo ich das leise Tuckern des Trockners höre. Ich habe mich noch nicht mit Kate zusammengesetzt, um über ihre Aufgaben zu sprechen, aber so wie sie gestern das Frühstück gemacht hat, hat sie kein Problem damit, die Hausarbeit auch so zu übernehmen.

Die Küche ist leer, aber ich rieche einen leckeren Duft, der aus einem Kochtopf auf dem Herd kommt. Ich gehe hinüber, werfe einen Blick hinein und stelle erfreut fest, dass ein Schmorbraten darin brodelt. Ich bin zwar kompetent genug, um mir und Ben keine Lebensmittelvergiftung zuzufügen, aber ich hasse Kochen. Ich muss also sagen, dass das eine Sache ist, die bei Kate auf die Vorteil-Seite kommt. Dass ich Mahlzeiten serviert bekomme, ohne dass ich mich anstrengen muss, und, was noch wichtiger ist, ohne dass sie anbrennen oder verkochen.

Im ersten Stock ist es still, also gehe ich die Treppe hinauf. Sofort höre ich Bens Lachen, das aus seinem Spielzimmer kommt, das eigentlich das zusätzliche Zimmer über der Garage ist, das wir umgebaut haben.

„Noch mal singen, Kate!“, ruft er.

Als ich durch die Tür schaue, sitzt Ben mit dem Rücken zu mir im Schneidersitz auf dem Boden, mit Blick auf eine kleine Couch, die an einer Wand stand. Kate hat sie etwas vorgerückt und versteckt sich dahinter. Ich sehe ihre Hand, die ein Stofftier hält. Ein Stinktier, das er schon als Baby hatte. Gina hat das Ding gehasst, aber ich fand es irgendwie süß.

„Okay, bist du so weit?“ Ich höre Kates Stimme von hinter der Couch, während sie das Stinktier auf der Kante auf und ab hüpfen lässt.

„Ja!“, ruft Ben und klatscht aufgeregt in die Hände.

Ich lehne mich an den Türrahmen, verschränke die Arme vor der Brust und reibe mit dem Daumen zuerst ein Mal kräftig über die Mitte. Wenn ich sehe, wie Kate mit Ben spielt, werden Erinnerungen an Gina wach, die mit ihm gespielt hat, und das macht mir das Herz schwer. Sie war Hausfrau und widmete Ben ihre ganze Zeit. Oft stand ich genau hier und beobachtete Mutter und Sohn, wie sie Spiele spielten, Bücher auf genau dieser Couch lasen oder Lieder sangen. Es tut verdammt weh, zuzusehen, wie jemand anderes das jetzt mit ihm macht, aber ich bleibe ruhig, weil er sich amüsiert, und das hat der Junge in höchstem Maße verdient.

Das Stinktier fängt an, sich auf der Couchlehne hin und her zu bewegen; Kate lässt es herumtanzen, was Ben zum Gackern bringt.

Dann singt sie mit nasaler Stimme. „Oh, ich steckte meinen Kopf in das Loch eines kleinen Stinktiers, und das kleine Stinktier sagte: ‚Ach du meine Güte!‘ Und was hat das Stinktier noch gesagt, Ben?“, ruft sie mit ihrer normalen Stimme.

„Nimm ihn raus, nimm ihn raus, nimm ihn raus, nimm ihn raus“, singt er.

Kate lacht und beginnt wieder zu singen, während sie das Stinktier tanzen lässt. „Ich habe ihn nicht rausgenommen und das kleine Stinktier sagte: ‚Wenn du ihn nicht rausnimmst, wirst du dir noch wünschen, du hättest es getan.‘“

„Nimm ihn raus, nimm ihn raus, nimm ihn raus, nimm ihn raus“, singt Ben aus voller Kehle.