Zahlen lügen nicht - Vaclav Smil - E-Book

Zahlen lügen nicht E-Book

Vaclav Smil

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Beschreibung

Vaclav Smil ist ein Zahlenkünstler. Er beschreibt unsere Welt in Zahlen und beleuchtet sie dadurch auf überraschende Weise neu. Smil berechnet, ob ein Auto oder ein Smartphone mehr Energie benötigt oder wie viele Menschen es brauchte, um die Pyramiden zu bauen. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern räumt auch mit manchen Irrtümern und falschen Vorstellungen darüber auf, wie unsere Welt wirklich funktioniert. Denn am Ende sind es die Zahlen, die uns den wahren Zustand der Welt enthüllen. Vaclav Smil hat die Fähigkeit, praktisch alles auf Zahlen herunterzubrechen und berechenbar zu machen. In seinem globalen Bestseller «Zahlen lügen nicht» führt er leicht zugänglich in eine Vielzahl von Themen ein: Bevölkerungsentwicklung und Krankheiten, Ernährung und Landwirtschaft, Energie und Umwelt, technologische Innovationen sowie die Maschinen und Geräte, die unsere moderne Zivilisation ermöglichen. So bietet das Buch auch eine Summe all der Themen, die Vaclav Smil seit den 1970er Jahren erforscht und in über 40 Büchern bearbeitet hat. Dabei geht sein Blick sowohl in die Vergangenheit als auch zu den Streitfragen der aktuellen Politik. Er enthüllt die Einzigartigkeit unserer Spezies, ihre Erfindergabe und Lernbegier. Er nimmt aber auch mit auf eine Art fact-finding-mission, die faszinierende Informationen und überraschende Einsichten bereithält.

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Vaclav Smil

Zahlen lügen nicht

71 Geschichten, um die Welt besser zu verstehen

Aus dem Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber

C.H.Beck

Zum Buch

Vaclav Smil ist ein Zahlenkünstler. Er beschreibt unsere Welt in Zahlen und beleuchtet sie dadurch auf überraschende Weise neu. Smil berechnet, ob ein Auto oder ein Smartphone mehr Energie benötigt oder wie viele Menschen es brauchte, um die Pyramiden zu bauen. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern räumt auch mit manchen Irrtümern und falschen Vorstellungen darüber auf, wie unsere Welt wirklich funktioniert. Denn am Ende sind es die Zahlen, die uns den wahren Zustand der Welt enthüllen.

Vaclav Smil hat die Fähigkeit, praktisch alles auf Zahlen herunterzubrechen und berechenbar zu machen. In seinem globalen Bestseller «Zahlen lügen nicht» führt er leicht zugänglich in eine Vielzahl von Themen ein: Bevölkerungsentwicklung und Krankheiten, Ernährung und Landwirtschaft, Energie und Umwelt, technologische Innovationen sowie die Maschinen und Geräte, die unsere moderne Zivilisation ermöglichen. So bietet das Buch auch eine Summe all der Themen, die Vaclav Smil seit den 1970er Jahren erforscht und in über 40 Büchern bearbeitet hat. Dabei geht sein Blick sowohl in die Vergangenheit als auch zu den Streitfragen der aktuellen Politik. Er enthüllt die Einzigartigkeit unserer Spezies, ihre Erfindergabe und Lernbegier. Er nimmt aber auch mit auf eine Art fact-finding-mission, die faszinierende Informationen und überraschende Einsichten bereithält.

Vita

Vaclav Smil ist Professor em. für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Er ist Autor von über 40 Büchern. Von keinem anderen lebenden Wissenschaftler wurden mehr Bücher in «Nature» besprochen. Smil gilt als Bill Gates , Lieblingswissenschaftler und wurde 2010 von «Foreign Policy» unter die «Top 100 Global Thinkers» gezählt. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen: «Wie die Welt wirklich funktioniert» (2023).

Inhalt

Einleitung

MENSCHEN – Die Bewohner unserer Welt

KAPITEL 1: Was passiert, wenn wir weniger Kinder bekommen?

KAPITEL 2: Was ist der beste Indikator für Lebensqualität? Wie wäre es mit der Säuglingssterblichkeit?

KAPITEL 3: Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis: die Impfung

KAPITEL 4: Warum es so schwierig ist, die Schwere einer Pandemie vorauszusagen, solange sie andauert

KAPITEL 5: Wir werden größer

KAPITEL 6: Hat die Lebenserwartung ihren Höhepunkt erreicht?

KAPITEL 7: Wie wir durchs Schwitzen zu besseren Jägern geworden sind

KAPITEL 8: Wie viele Menschen erforderte der Bau der großen Pyramiden?

KAPITEL 9: Warum Arbeitslosenzahlen nicht die ganze Geschichte erzählen

KAPITEL 10: Was macht Menschen glücklich?

KAPITEL 11: Aufstieg der Megastädte

LÄNDER – Die Nation im Zeitalter der Globalisierung

KAPITEL 12: Die folgenreichen Tragödien des Ersten Weltkriegs

KAPITEL 13: Sind die Vereinigten Staaten wirklich einzigartig?

KAPITEL 14: Warum Europa zufriedener mit sich sein sollte

KAPITEL 15: Brexit: Die wirklich wichtigen Gegebenheiten werden sich nicht ändern

KAPITEL 16: Sorgen um Japans Zukunft

KAPITEL 17: Wie weit kann China es bringen?

KAPITEL 18: Indien versus China

KAPITEL 19: Warum die Güterproduktion wichtig bleibt

KAPITEL 20: Russland und die USA: Wie sich Dinge nie verändern

KAPITEL 21: Schrumpfende Imperien: Nichts Neues unter der Sonne

MASCHINEN, DESIGNS, GERÄTE – Erfindungen, die unsere moderne Welt geformt haben

KAPITEL 22: Wie die 1880er Jahre unsere moderne Welt geschaffen haben

KAPITEL 23: Wie Elektromotoren die moderne Zivilisation vorantreiben

KAPITEL 24: Transformatoren – die unbesungenen stillen, passiven Geräte

KAPITEL 25: Warum wir den Dieselmotor noch nicht abschreiben sollten

KAPITEL 26: Bewegung einfangen – vom Pferd zum Elektron

KAPITEL 27: Vom Phonographen zum Streaming

KAPITEL 28: Die Erfindung integrierter Schaltkreise

KAPITEL 29: Moores Fluch: Warum der technische Fortschritt mehr Zeit braucht, als Sie denken

KAPITEL 30: Der Aufstieg der Daten: zu viel zu schnell

KAPITEL 31: Innovation realistisch betrachten

BRENNSTOFFE UND ELEKTRISCHER STROM – Wie wir unsere Gesellschaften mit Energie versorgen

KAPITEL 32: Warum die Gasturbine die beste Wahl ist

KAPITEL 33: Atomstrom – ein unerfüllt gebliebenes Versprechen

KAPITEL 34: Warum man fossile Brennstoffe braucht, um aus Wind elektrischen Strom zu gewinnen

KAPITEL 35: Wie groß können Windräder werden?

KAPITEL 36: Der langsame Aufstieg der Photovoltaik

KAPITEL 37: Warum das Sonnenlicht noch immer die Nummer 1 ist

KAPITEL 38: Warum wir größere Batterien brauchen

KAPITEL 39: Warum elektrisch angetriebene Containerschiffe ein Ladungsproblem haben

KAPITEL 40: Die wirklichen Kosten des elektrischen Stroms

KAPITEL 41: Die unvermeidliche Langsamkeit der Energie-Transformation

TRANSPORT – Wie wir uns fortbewegen

KAPITEL 42: Immer schneller über den Atlantik

KAPITEL 43: Motoren sind älter als Fahrräder!

KAPITEL 44: Die erstaunliche Geschichte des aufblasbaren Reifens

KAPITEL 45: Wann begann das Zeitalter des Automobils?

KAPITEL 46: Moderne Autos haben eine katastrophale Nutzlastquote

KAPITEL 47: Warum Elektroautos (noch) nicht so toll sind, wie wir glauben

KAPITEL 48: Wann begann das Düsenzeitalter?

KAPITEL 49: Warum Kerosin unschlagbar ist

KAPITEL 50: Wie sicher ist das Fliegen?

KAPITEL 51: Welches Verkehrsmittel hat die höchste Energieeffizienz – Flugzeug, Zug oder Automobil?

ERNÄHRUNG – Unsere persönliche Energieversorgung

KAPITEL 52: Die Welt ohne synthetischen Ammoniak

KAPITEL 53: Die Vervielfachung der Weizenerträge

KAPITEL 54: Das unentschuldbare Ausmaß der weltweiten Lebensmittelverschwendung

KAPITEL 55: Der langsame Abschied von der mediterranen Ernährungsweise

KAPITEL 56: Der Rote Thun: auf dem Weg zur Ausrottung

KAPITEL 57: Warum das Huhn König ist

KAPITEL 58: Wein oder nicht Wein

KAPITEL 59: Vernünftiger Fleischkonsum

KAPITEL 60: Die japanische Ernährungsweise

KAPITEL 61: Molkereiprodukte – die Gegentrends

UMWELT – Wie wir unsere Welt schädigen und schützen

KAPITEL 62: Tiere versus Artefakte – wo herrscht größere Diversität?

KAPITEL 63: Planet der Kühe

KAPITEL 64: Der Tod der Elefanten

KAPITEL 65: Weshalb die Ausrufung des Anthropozäns voreilig sein könnte

KAPITEL 66: Tatsachen aus Beton

KAPITEL 67: Was ist schlimmer für die Umwelt – Ihr Auto oder Ihr Handy?

KAPITEL 68: Wer hat die bessere Isolierung?

KAPITEL 69: Dreifachverglasung: eine durchsichtige Energiesparlösung

KAPITEL 70: Wie sich die Effizienz der Wohnraum-Heizung verbessern lässt

KAPITEL 71: Zusammenstoß mit dem Kohlenstoff

Nachwort

Dank

Anmerkungen zur Einleitung

Weiterführende Literatur

MENSCHEN — Die Bewohner unserer Welt

1. Was passiert, wenn wir weniger Kinder bekommen?

2. Was ist der beste Indikator für Lebensqualität? Wie wäre es mit der Säuglingssterblichkeit?

3. Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis: die Impfung

4. Warum es so schwierig ist, die Schwere einer Pandemie vorauszusagen, solange sie andauert

5. Wir werden größer

6. Hat die Lebenserwartung ihren Höhepunkt erreicht?

7. Wie wir durchs Schwitzen zu besseren Jägern geworden sind

8. Wie viele Menschen erforderte der Bau der großen Pyramiden?

9. Warum Arbeitslosenzahlen nicht die ganze Geschichte erzählen

10. Was macht Menschen glücklich?

11. Aufstieg der Megastädte

LÄNDER — Die Nation im Zeitalter der Globalisierung

12. Die folgenreichen Tragödien des Ersten Weltkriegs

13. Sind die Vereinigten Staaten wirklich einzigartig?

14. Warum Europa zufriedener mit sich sein sollte

15. Brexit: Die wirklich wichtigen Gegebenheiten werden sich nicht ändern

16. Sorgen um Japans Zukunft

17. Wie weit kann China es bringen?

18. Indien versus China

19. Warum die Güterproduktion wichtig bleibt

20. Russland und die USA: Wie sich Dinge nie verändern

21. Schrumpfende Imperien: Nichts Neues unter der Sonne

MASCHINEN, DESIGNS, GERÄTE — Erfindungen, die unsere moderne Welt geformt haben

22. Wie die 1880er Jahre unsere moderne Welt geschaffen haben

23. Wie Elektromotoren die moderne Zivilisation vorantreiben

24. Transformatoren – die unbesungenen stillen, passiven Geräte

25. Warum wir den Dieselmotor noch nicht abschreiben sollten

26. Bewegung einfangen – vom Pferd zum Elektron

27. Vom Phonographen zum Streaming

28. Die Erfindung integrierter Schaltkreise

29. Moores Fluch: Warum der technische Fortschritt mehr Zeit braucht, als Sie denken

30. Der Aufstieg der Daten: zu viel zu schnell

31. Innovation realistisch betrachten

BRENNSTOFFE UND ELEKTRISCHER STROM — Wie wir unsere Gesellschaften mit Energie versorgen

32. Warum die Gasturbine die beste Wahl ist

33. Atomstrom – ein unerfüllt gebliebenes Versprechen

34. Warum man fossile Brennstoffe braucht, um aus Wind elektrischen Strom zu gewinnen

35. Wie groß können Windräder werden?

36. Der langsame Aufstieg der Photovoltaik

37. Warum das Sonnenlicht noch immer die Nummer 1 ist

38. Warum wir größere Batterien brauchen

39. Warum elektrisch angetriebene Containerschiffe ein Ladungsproblem haben

40. Die wirklichen Kosten des elektrischen Stroms

41. Die unvermeidliche Langsamkeit der Energie-Transformation

TRANSPORT — Wie wir uns fortbewegen

42. Immer schneller über den Atlantik

43. Motoren sind älter als Fahrräder!

44. Die erstaunliche Geschichte des aufblasbaren Reifens

45. Wann begann das Zeitalter des Automobils?

46. Moderne Autos haben eine katastrophale Nutzlastquote

47. Warum Elektroautos (noch) nicht so toll sind, wie wir glauben

48. Wann begann das Düsenzeitalter?

49. Warum Kerosin unschlagbar ist

50. Wie sicher ist das Fliegen?

51. Welches Verkehrsmittel hat die höchste Energieeffizienz – Flugzeug, Zug oder Automobil?

ERNÄHRUNG — Unsere persönliche Energieversorgung

52. Die Welt ohne synthetischen Ammoniak

53. Die Vervielfachung der Weizenerträge

54. Das unentschuldbare Ausmaß der weltweiten Lebensmittelverschwendung

55. Der langsame Abschied von der mediterranen Ernährungsweise

56. Der Rote Thun: auf dem Weg zur Ausrottung

57. Warum das Huhn König ist

58. Wein oder nicht Wein

59. Vernünftiger Fleischkonsum

60. Die japanische Ernährungsweise

61. Molkereiprodukte – die Gegentrends

UMWELT — Wie wir unsere Welt schädigen und schützen

62. Tiere versus Artefakte – wo herrscht größere Diversität?

63. Planet der Kühe

64. Der Tod der Elefanten

65. Weshalb die Ausrufung des Anthropozäns voreilig sein könnte

66. Tatsachen aus Beton

67. Was ist schlimmer für die Umwelt – Ihr Auto oder Ihr Handy?

68. Wer hat die bessere Isolierung?

69. Dreifachverglasung: eine durchsichtige Energiesparlösung

70. Wie sich die Effizienz der Wohnraum-Heizung verbessern lässt

71. Zusammenstoß mit dem Kohlenstoff

Register

Einleitung

Zahlen lügen nicht ist ein eklektisches Buch, zusammengestückelt aus Themen, die ein breites Spektrum abdecken: von Menschen, Bevölkerungen und Ländern über Energieverbrauch und technische Innovationen bis zu den Maschinen und Geräten, die unsere moderne Zivilisation definieren. Obendrein liefert es am Ende noch einen faktenbasierten Ausblick auf unsere Nahrungsversorgung und unsere Essgewohnheiten sowie auf den Zustand und Niedergang unserer Umwelt. Somit sind in dem Buch die großen Themen versammelt, die ich seit den 1970er Jahren in vielen meiner Bücher behandelt habe.

Zuerst und vor allem ist es ein Anliegen dieses Buches, die Fakten zu klären. Das ist nicht so leicht, wie es scheinen mag: Im World Wide Web wimmelt es von Zahlen, aber allzu viele von ihnen stammen aus undokumentierter zweiter Hand, und oft weisen sie Mängel in Bezug auf Maßeinheiten und Bezugsgrößen auf. So kann man zum Beispiel im Internet lesen, Frankreich habe im Jahr 2010 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,6 Billionen $ gehabt. Frage: Ist diese Angabe inflationsbereinigt oder statisch, und ist bei der Umrechnung von Euro in Dollar nur der reine Wechselkurs angesetzt worden oder auch die Kaufkraft? Und wie kann man das je herausfinden?

Dagegen stammen alle in diesem Buch genannten Zahlen aus Primärquellen, die sich in vier Sorten einteilen lassen: von weltweit agierenden Organisationen veröffentlichte globale Statistiken,[1] von Einzelstaaten herausgegebene Jahrbücher,[2] von nationalen Behörden oder Agenturen zusammengestellte historische Statistiken,[3] ferner einschlägige Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften.[4]

Einen kleinen Teil der Zahlen habe ich aus sekundären Quellen geschöpft: aus wissenschaftlichen Monographien, aus Studien großer Unternehmensberatungen (die für die Zuverlässigkeit ihrer Analysen bekannt sind) oder aus öffentlichen Umfragen anerkannter und bewährter Meinungsforschungsinstitute wie Gallup oder des Pew Research Center.

Um verstehen zu können, was in unserer Welt wirklich vor sich geht, müssen wir im nächsten Schritt die Zahlen in den jeweils zugehörigen historischen und internationalen Kontext einbetten. Um ein Beispiel zum historischen Kontext zu geben: Die wissenschaftliche Maßeinheit für Energie ist das Joule (abgekürzt J), und in wohlhabenden Volkswirtschaften liegt der durchschnittliche jährliche Primärenergieverbrauch heute bei rund 150 Milliarden J (150 Gigajoule oder GJ) pro Kopf (zum Vergleich: 1 Tonne Rohöl hat einen Energiegehalt von 42 GJ). Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas (mit reichen Erdöl- und Erdgasvorkommen), kommt auf einen Durchschnitt von lediglich 35 GJ pro Kopf und Jahr. Die Diskrepanz ist beeindruckend: Länder wie Frankreich oder Japan verbrauchen heute fast fünfmal so viel Energie pro Einwohner, wobei jedoch erst der historische Abgleich zeigt, wie groß die Kluft tatsächlich ist: Japan war auf dem Stand, auf dem sich heute Nigeria befindet, bereits 1958 (nach afrikanischen Maßstäben vor einem ganzen Lebensalter), Frankreich erreichte einen Durchschnittsverbrauch von 35 GJ bereits 1880, also zwei volle menschliche Lebensalter vor Nigeria.

Auch bei der Betrachtung heutiger Verhältnisse stößt man auf eindrucksvolle Kontraste. Vergleicht man etwa die Säuglingssterblichkeit in den USA mit der in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, zeigt sich eine breite, allerdings nicht unerwartbare Kluft. Dass die Vereinigten Staaten nicht zu den zehn Ländern mit der niedrigsten Säuglingssterblichkeit gehören, ist dabei nicht einmal sonderlich überraschend, bedenkt man die bunte Vielfalt ihrer Bevölkerung und den hohen Anteil an Einwanderern aus weniger entwickelten Ländern. Doch würden wohl nur die Wenigsten von uns auf die Idee kommen, dass die USA nicht einmal unter den 30 «besten» Ländern in dieser Kategorie rangieren![5] Dieser überraschende Befund führt zwangsläufig zu der Frage, woran das liegt, und diese Frage wiederum öffnet einen Springquell soziologischer und ökonomischer Erwägungen. Bei vielen Zahlen (seien es Einzelgänger oder Bestandteile einer komplexen Statistik) bedarf es für ein echtes Verständnis einer Kombination aus einem naturwissenschaftlichen Grundwissen und einem geübten Umgang mit Zahlen.

Längenangaben (Entfernungen) sind unter allen messbaren Größen die eingängigsten. Die meisten Menschen haben eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie lang 10 Zentimeter sind (etwas mehr als die Breite der Handfläche eines Erwachsenen), desgleichen für 1 Meter (in etwa der Abstand meines Hosenbundes zum Boden) oder 1 Kilometer (die Entfernung, die ich im fließenden Stadtverkehr in 1 Minute zurücklege). Auch alltäglich vorkommende Geschwindigkeiten (Strecke pro Zeiteinheit) kann man sich leicht einprägen: Ein flotter Fußgänger schafft 6 km/h, ein ICE 300 km/h, ein Verkehrsflugzeug mit Unterstützung eines kräftigen Jetstreams 1000 km/h. Nicht so leicht gefühlsmäßig einschätzen lassen sich Gewichte: Ein neugeborenes Kind wiegt in der Regel weniger als fünf Kilo, ein kleines Reh weniger als 50 Kilo; manche Schützenpanzer wiegen weniger als 50 Tonnen, und das maximale Startgewicht eines Airbus 380 liegt bei über 500 Tonnen. Auch Volumenangaben (Hohlmaße) können knifflig sein: Der Benzintank eines Kleinwagens fasst gewöhnlich weniger als 40 Liter; ein typisches kleines US-amerikanisches Wohnhaus weist gewöhnlich einen umbauten Raum von weniger als 400 Kubikmeter (m³) auf. Ein intuitives Gefühl für die «Größe» von Energien und elektrischen Strömen (Joule und Watt) oder für Stromstärke und Widerstand (Ampère und Ohm) kann man sich schwerlich aneignen, ohne regelmäßig mit diesen Maßeinheiten zu arbeiten – leichter tut man sich mit Relationen und Vergleichen, etwa der Diskrepanz zwischen dem Energieverbrauch Afrikas und dem von Europa.

Herausforderungen anderer Art stellen sich beim Geld. Die meisten Menschen können den relativen Wert ihrer Einkünfte oder Ersparnisse einschätzen, doch wenn man historische Vergleiche auf nationaler und internationaler Ebene anstellt, muss man die Geldentwertung berücksichtigen und einrechnen, ebenso bei Ländervergleichen die jeweiligen Wechselkurs-Fluktuationen und die Kaufkraft der betreffenden Währungen.

Und dann gibt es qualitative Unterschiede, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lassen und die besonders dann ins Gewicht fallen, wenn man etwa Ernährungsprobleme und Ernährungsgewohnheiten vergleicht. So kann beispielsweise der Kohlenhydrat- und Eiweißgehalt zweier Lebensmittel, die man vergleicht, weitgehend identisch sein, doch was in einem Supermarkt in Atlanta als Brot verkauft wird (ein in Kunststofffolie gefüllter Stapel schwammig-weicher Toastscheiben), ist im wahrsten Sinne des Wortes eine halbe Welt entfernt von den Produkten, die ein maître boulanger in Lyon oder ein Bäckermeister in Stuttgart im Regal liegen hat.

Wenn Zahlen groß und größer werden, erhalten Multiplikatoren wie etwa Zehnerpotenzen eine höhere Aussagekraft als die zugrunde liegenden Zahlen: Ein Airbus A 380 ist um eine Zehnerpotenz schwerer als ein Schützenpanzer; ein Passagierflieger ist um eine Zehnerpotenz schneller als ein Pkw auf der Autobahn; und ein Reh wiegt eine Zehnerpotenz mehr als ein neugeborenes Kind. Oder man benutzt Hochzahlen (Potenzen) und Präfixe nach den Regeln des internationalen Einheitensystems und gibt das Durchschnittsgewicht eines neugeborenen Kindes mit 5×10³ g oder 5 kg an, das eines Airbus 380 als 5×108 g oder 500 Millionen g. Wo es um richtig große Zahlen geht, ist es nicht hilfreich, dass die Europäer, dem französischen Beispiel folgend, vom Zahlenvokabular der übrigen Welt abweichen und 109 nicht eine «Billion» nennen, sondern (vive la difference!) eine Milliarde, mit dem Resultat einer confusion fréquente. Unsere Erde wird 8 Milliarden (8×109) Menschen zählen, ihre Wirtschaftsproduktion belief sich 2019 auf (nominal) 90 Billionen (9×1013) Dollar, ihr Energieverbrauch auf mehr als 500 Milliarden Milliarden Joule (500×1018 oder 5×1020). Die gute Nachricht ist die, dass es gar nicht so schwer ist, wie die meisten Leute denken, den Umgang mit diesen Zahlen und Größenordnungen zu erlernen. Stellen Sie sich vor, Sie legen Ihr Mobiltelefon (ich habe nie eines besessen und nie das Gefühl gehabt, dadurch etwas verpasst zu haben) jeden Tag für ein paar Minuten weg und schätzen die Längen und Abstände um sich herum, vielleicht mit Ihrer (wie weiter oben gesagt, rund 10 cm breiten) Hand oder mit Hilfe von GPS (nachdem Sie Ihr Handy wieder zur Hand genommen haben). Machen Sie sich auch den Spaß, das Volumen von Objekten, die Ihnen begegnen, zu berechnen (wobei man das Volumen großer, aber dünner Objekte immer zu unterschätzen neigt); es ist wirklich ein unterhaltsamer Zeitvertreib, die Größenordnungen zu berechnen (ohne elektronische Hilfe), die zwischen dem Einkommen eines Milliardärs und dem Lohn eines Lageristen bei Amazon besteht (wie viele Zehnerpotenzen liegen dazwischen?); dieselbe Übung können Sie machen, wenn Sie einem Vergleich zwischen dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt Großbritanniens und dem Ugandas begegnen. Wie viele Zehnerpotenzen liegen dazwischen? Rechenspiele dieser Art helfen Ihnen, mit den physischen Realitäten Ihrer Umwelt in Kontakt zu kommen und zugleich Ihre Synapsen zu trainieren. Zahlen zu verstehen, erfordert nicht viel mehr als ein wenig Anstrengung. Es ist meine Hoffnung, dass dieses Buch seinen Lesern dabei hilft, die wirkliche Verfasstheit unserer Welt zu verstehen. Ich hoffe, es hält Überraschungen für Sie bereit, animiert Sie, sich zu erfreuen an der Einzigartigkeit unserer Spezies, an unserer Erfindergabe und unserer Lernbegier. Es ist mein Anliegen, nicht nur zu zeigen, dass Zahlen nicht lügen, sondern auch herauszufinden, welche Wahrheiten sie uns überbringen.

Eine Schlussbemerkung zu den vielen Zahlen in den folgenden Kapiteln: Alle Dollarbeträge sind, sofern nicht anders angegeben, auf US-Dollar gemünzt, und für alle Maße nutze ich das metrische System, abgesehen von einigen wenigen sachlich gebotenen Ausnahmen wie «Zoll» («Inch») für amerikanisches Bauholz und «Seemeilen» für von Schiffen auf dem Meer zurückgelegte Entfernungen.

Vaclav Smil

Winnipeg 2020

MENSCHEN

Die Bewohner unserer Welt

KAPITEL 1

Was passiert, wenn wir weniger Kinder bekommen?

Die ‹Gesamtfruchtbarkeitsrate› gibt die Zahl der pro weiblichem Mitglied einer Bevölkerung im Verlauf ihrer Lebenszeit geborenen Kinder an. Die offenkundigste physische Einschränkung hierfür setzt hier die Länge der weiblichen Fruchtbarkeitsperiode (Menarche bis Menopause). Das Alter, in dem die erste Monatsblutung auftritt, hat sich von rund 17 Jahren in den vorindustriellen Gesellschaften auf weniger als 13 Jahre in der westlichen Welt von heute verringert, während der Beginn der Menopause sich ein wenig nach hinten verschoben hat auf heute knapp über 50; demzufolge haben wir es heute mit einer Fruchtbarkeitsperiode von rund 38 Jahren zu tun, gegenüber rund 30 Jahren in traditionellen Gesellschaften.

Im Verlauf der Fruchtbarkeitsperiode einer Frau finden 300 bis 400 Eisprünge statt. Weil jede Schwangerschaft 5 bis 6 Eisprünge verhindert und man pro ausgetragenem Kind weitere 5 bis 6 Eisprünge abziehen muss, weil während der traditionell eher langen Stillzeit die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung reduziert ist, kann man die maximale Gesamtfruchtbarkeitsrate mit rund zwei Dutzend Schwangerschaften ansetzen. Rechnet man die Möglichkeit von Mehrlingsgeburten ein, ergibt sich, dass eine Frau mehr als 24 Kinder zur Welt bringen kann, und tatsächlich finden wir in historischen Urkunden Hinweise auf Frauen, die mehr als 30 Kinder geboren haben sollen.

Freilich war die maximale Fruchtbarkeitsrate historisch auch in Gesellschaften, die keine Geburtenkontrolle praktizierten, immer sehr viel niedriger; dafür sorgten im Zusammenwirken Faktoren wie Abgänge, Fehlgeburten, Totgeburten, Unfruchtbarkeit und das erhöhte Sterberisiko gebärender Frauen.

Diese Realitäten reduzieren die bevölkerungsweite maximale Fruchtbarkeitsrate auf 7–​8; solche Fruchtbarkeitsraten waren bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in allen Erdteilen die Regel, in manchen asiatischen Ländern auch noch bis vor zwei Generationen. In etlichen afrikanischen Ländern südlich der Sahara trifft man sie heute noch an, etwa in Niger mit einer Fruchtbarkeitsrate von 7,5 (die schon ein Stück weit unter der erwünschten Familiengröße liegt – Frauen aus Niger geben bei Befragungen durchschnittlich 9,1 als bevorzugte Kinderzahl an!). Doch auch in dieser Region ist die Gesamtfruchtbarkeitsrate gesunken (auf 5–​6 in den meisten der dortigen Länder), und in der übrigen Welt haben sich inzwischen mäßige, niedrige und teils auch extrem niedrige Geburtenraten durchgesetzt.

Der Aufbruch in diese neue Welt begann zu unterschiedlichen Zeitpunkten, mit Ungleichzeitigkeiten nicht nur zwischen den Weltregionen, sondern auch innerhalb derselben: Frankreich war sehr viel früher dran als Italien, Japan sehr viel früher als China – und das kommunistische China ergriff schließlich die drastische Maßnahme, die Kinderzahl pro Familie auf 1 zu begrenzen. Das Bedürfnis, weniger Kinder zu haben, resultierte aus einem oft stark synergetischen Zusammenwirken zahlreicher Faktoren: eines allmählich steigenden Lebensstandards, der Mechanisierung der Agrarproduktion, der Ersetzung von Nutztieren und menschlichen Arbeitskräften durch Maschinen, der um sich greifenden Industrialisierung und Verstädterung, dem zunehmenden Einsatz weiblicher Arbeitskräfte in der Industrieproduktion, dem Anstieg des Bildungsniveaus, den Fortschritten im Gesundheitswesen, dem Rückgang der Säuglingssterblichkeit und der Einführung staatlich garantierter Renten.

Dass Quantität in Qualität umschlägt – manchmal sehr schnell –, ist ein bekanntes historisches Phänomen: Die Vorteile einer hohen Fruchtbarkeitsrate (Sicherung des Fortbestandes trotz hoher Säuglingssterblichkeit, Herbeischaffung von mehr Arbeitskräften, Vorsorge fürs eigene Alter) begannen irgendwann zu schrumpfen und schließlich zu verschwinden; die kleiner werdenden Familien investierten mehr in ihre Kinder und boten diesen eine bessere Lebensqualität, angefangen mit einer gesünderen und besseren Ernährung (mehr Fleisch und Obst, mehr Restaurantbesuche) und gekrönt von Zuschüssen für den ersten SUV oder die Flugreise in den fernen tropischen Strandurlaub.

Wie es bei gesellschaftlichen und technischen Transformationsprozessen oft vorkommt, brauchten auch hier die Wegbereiter lange Zeit, bis der Wandel vollzogen war, während viele Späteinsteiger nur zwei Generationen brauchten, um denselben Wandel zu schaffen. Der Übergang von einer hohen zu einer niedrigen Fruchtbarkeitsrate dauerte in Dänemark rund zwei Jahrhunderte, in Schweden rund 170 Jahre. In Südkorea dagegen sank die Fruchtbarkeitsrate innerhalb von nur 30 Jahren von mehr als sechs auf ein Level unterhalb der Bestandserhaltung, und in China war die Fruchtbarkeitsrate schon vor Einführung der Ein-Kind-Politik von 6,4 im Jahr 1962 auf 2,6 im Jahr 1980 gesunken. Doch den Rekord stellte überraschenderweise der Iran auf. Als 1979 die iranische Monarchie beseitigt wurde und der Ajatollah Khomeini aus dem Exil zurückkehrte, um eine Theokratie zu errichten, lag die Fruchtbarkeitsrate des Landes bei durchschnittlich 6,5. Im Jahr 2000 war sie auf das ‹Bestandserhaltungslevel› abgesunken und ist seither noch weiter gefallen.

Unter dem Bestandserhaltungslevel versteht man die Fruchtbarkeitsrate, die gerade ausreicht, die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Er liegt rechnerisch bei rund 2,1, wobei die Nachkommastelle als Ausgleich dafür gebraucht wird, dass nicht alle Mädchen das gebärfähige Alter erreichen. Kein Land ist je in der Lage gewesen, einen Rückgang seiner Fruchtbarkeitsrate an der ‹Bestandserhaltungsschwelle› zu stoppen und seine Bevölkerungszahl stabil zu halten. Ein zunehmender Teil der Menschheit lebt in Gesellschaften, deren Fruchtbarkeitsrate unter das Erhaltungslevel gesunken ist. Noch 1950 lebten 40 Prozent aller Menschen auf der Erde in Ländern mit Fruchtbarkeitsraten von mehr als 6, und die globale Durchschnittsrate lag bei rund 5. An der Wende zum 21. Jahrhundert lebten nur noch 5 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern mit einer Fruchtbarkeitsrate von mehr als 6, und die globale Durchschnittsrate war mit 2,6 nicht mehr weit vom Bestandserhaltungslevel entfernt. Spätestens im Jahr 2050 werden knapp drei Viertel aller Menschen in Ländern mit einer Fruchtbarkeitsrate unter dem Erhaltungslevel leben.

Diese fast weltweit zu beobachtende Tendenz hat enorme demographische, wirtschaftliche und strategische Implikationen. Europa hat an Bedeutung verloren: Während der Kontinent im Jahr 1900 rund 18 Prozent der Weltbevölkerung stellte, waren es 2020 nur noch 9,5 Prozent. Komplementär dazu hat Asien zugelegt (auf 60 Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2020), doch lassen regionale hohe Fruchtbarkeitsraten den sicheren Schluss zu, dass in den 50 Jahren zwischen 2020 und 2070 fast 75 Prozent aller Kindsgeburten in Afrika stattfinden werden.

Und was hält die Zukunft für die Länder bereit, deren Fruchtbarkeitsrate unter den Erhaltungslevel gefallen ist? In Ländern, die nur knapp unterhalb des Erhaltungslevels rangieren (nicht unter 1,7 – Frankreich und Schweden standen 2019 bei 1,8), besteht eine reelle Chance auf eine Trendumkehr in der Zukunft. Sinkt ein Land erst einmal unter 1,5, erscheinen die Aussichten auf eine Trendumkehr zunehmend unwahrscheinlich. Im Jahr 2019 haben wir in Spanien, Italien und Rumänien Rekord-Tiefstände von 1,3, in Japan, der Ukraine, Griechenland und Kroatien von 1,4 gesehen. Ein allmählicher Bevölkerungsschwund (mit allen daraus erwachsenden sozialen, wirtschaftlichen und strategischen Implikationen) scheint Japan und vielen europäischen Ländern bevorzustehen. Keine staatlichen Maßnahmen zur Geburtenförderung haben bisher eine nachhaltige Trendumkehr bewirkt, sodass offenbar das einzige probate Mittel gegen eine Entvölkerung die Öffnung der Pforten für Einwanderer wäre – eine Option mit einer allerdings eher geringen Eintrittswahrscheinlichkeit.

KAPITEL 2

Was ist der beste Indikator für Lebensqualität? Wie wäre es mit der Säuglingssterblichkeit?

Wenn Wirtschaftswissenschaftler – die stets dazu neigen, alles in Geld umzurechnen und auf Geld zu reduzieren – darüber nachdenken, welches die aussagekräftigsten Kriterien für die menschliche Lebensqualität sind, stützen sie sich vorzugsweise auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung oder die Höhe des frei verfügbaren Einkommens. Beide Messgrößen sind offensichtlich fragwürdig. Das BIP geht in die Höhe, wenn eine Gesellschaft etwa wegen wachsender Gewaltkriminalität ihre Polizeikräfte aufstockt, mehr Geld in Sicherheitsvorkehrungen investieren muss und eine wachsende Zahl von Krankenhauspatienten verzeichnet. Die Ermittlung des durchschnittlich verfügbaren freien Haushaltseinkommens verrät uns nichts über den Grad der wirtschaftlichen Ungleichheit, der in einer Gesellschaft herrscht, oder über die Verfügbarkeit eines sozialen Netzes, das sozial Schwache auffängt. Immerhin eignen sich die genannten Kriterien einigermaßen zur Aufstellung von Länder-Ranglisten. Es wird wohl kaum viele Menschen geben, die lieber im Irak (nominales BIP pro Kopf 2018: 6000 $) leben würden als in Dänemark (nominales BIP pro Kopf 2018: rund 60.000 $). Und niemand wird bezweifeln, dass die durchschnittliche Lebensqualität in Dänemark höher ist als in Rumänien: Beide Länder gehören der EU an, doch liegt das durchschnittliche frei verfügbare Einkommen in Dänemark um 75 Prozent höher.

Zur beliebtesten alternativen Messgröße hat sich seit 1990 der Human Development Index (HDI) entwickelt, eine aus mehreren Variablen kombinierte Maßeinheit, die eine bessere Richtschnur dafür liefern soll, was wir unter Lebensqualität verstehen. In den HDI fließen sowohl Faktoren wie die durchschnittliche Lebenserwartung und das Ausbildungsniveau (durchschnittliche und erwartbare Dauer des Schul- und Hochschulbesuchs) ein als auch ökonomische Parameter wie das BIP pro Kopf der Bevölkerung. Wie sich allerdings zeigt, korreliert der HDI zu einem hohen Grad mit dem Durchschnitts-BIP pro Kopf, was bedeutet, dass Letzteres als Maßstab für die Lebensqualität offenbar genauso gute Dienste leistet wie der aufwendige ‹Human Development Index›.

Auf der Suche nach einer singulären Variable, die sich als Maß für leicht und schnell erstellte Lebensqualitätsvergleiche eignet, habe ich mich für die Säuglingssterblichkeit entschieden: die Zahl der Neugeborenen pro 1000 Lebendgeburten, die vor der Vollendung ihres ersten Lebensjahres sterben.

Dass die Säuglingssterblichkeit ein so aussagekräftiger Indikator ist, liegt daran, dass ein niedriger Wert keinesfalls erreichbar ist ohne das Vorhandensein mehrerer notwendiger Voraussetzungen, die wir mit einer guten Lebensqualität assoziieren: eines funktionierenden Gesundheitswesens im Allgemeinen und einer zeitgemäßen pränatalen, perinatalen und neonatalen Diagnostik und Fürsorge im Besonderen; einer gesunden Ernährung sowohl der Mutter als auch des Säuglings; einer hygienischen Ansprüchen genügenden Wohnsituation und ausreichender sozialer Hilfen für benachteiligte Familien. Einige dieser Voraussetzungen fußen auf der Bereitstellung einschlägiger Finanzmittel durch den Staat und Privathaushalte bzw. private Einrichtungen sowie auf Infrastrukturen, die so bewirtschaftet werden, dass sie genug Erträge für Instandhaltung und Gebrauchsfähigkeit generieren. So gesehen, bündeln sich in einer einzigen Variablen also eine Reihe von Voraussetzungen dafür, dass ein Mensch die kritischste Phase seines irdischen Daseins überlebt: das erste Lebensjahr.

In allen vorindustriellen Gesellschaften gab es eine erschreckend hohe Säuglingssterblichkeit: Sogar noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts lag der Anteil der Kinder, die ihr erstes Jahr nicht überlebten, selbst in Westeuropa und den Vereinigten Staaten, bei 200 bis 300 pro 1000, also bei einem Fünftel bis fast einem Drittel aller Neugeborenen. 100 Jahre später, 1950, hatte sich der Mittelwert auf 35–​65 reduziert – es starb also nur noch rund jedes 20. Neugeborene vor Vollendung des ersten Lebensjahres. Heute liegen die niedrigsten Quoten in den wohlhabenden Ländern bei unter 5 von 1000 (es stirbt also eines von 200 Neugeborenen vor seinem ersten Geburtstag). Lässt man Zwergstaaten wie Andorra, Anguilla, Monaco oder San Marino außer Acht, gehören dieser sich durch eine niedrige Säuglingssterblichkeit (weniger als 5 pro 1000) auszeichnenden Gruppe rund 35 Länder an, von Japan (mit der Quote 2) bis Serbien (mit einer Quote knapp unter 5), und ein Blick auf die Spitzenreiter in dieser Rangliste zeigt auf, weshalb man die Säuglingssterblichkeit nicht als eindimensionales Kriterium nutzen kann, ohne es mit einem breiteren Spektrum demographischer Faktoren zu verknüpfen.

Die Länder mit der geringsten Säuglingssterblichkeit sind in der Mehrzahl klein (mit einer Gesamtbevölkerung von weniger als 10 Millionen, oft sogar weniger als 5 Millionen), und unter ihnen befinden sich die Länder mit der weltweit homogensten Bevölkerung, nämlich Japan und Südkorea in Asien, Island, Finnland und Norwegen in Europa. Die meisten von ihnen weisen eine sehr niedrige Geburtenrate auf. Dass es in größeren Ländern mit einer heterogenen Gesellschaft und einer starken Zuwanderung aus weniger wohlhabenden Ländern schwieriger ist, eine geringe Säuglingssterblichkeit zu erreichen und beizubehalten, liegt auf der Hand und gilt auch für Länder mit hoher Geburtenrate. So gesehen, würde es meinem Heimatland Kanada (Säuglingssterblichkeit 5 von 1000) schwerfallen, die isländische Quote (3 auf 1000) zu erreichen, hat Kanada doch eine um mehr als den Faktor 100 größere Bevölkerung und bürgert jedes Jahr in etwa so viele Zuwanderer ein (aus Dutzenden überwiegend einkommensschwachen Ländern in Asien), wie Island Einwohner hat. Dieselben Realitäten gelten für die Vereinigten Staaten, wobei deren relativ hohe Säuglingssterblichkeit (6 auf 1000) zweifellos auch der ausgeprägteren wirtschaftlichen Ungleichheit der US-Gesellschaft geschuldet ist (ein Faktor, der natürlich auch in Kanada eine Rolle spielt, wenngleich eine weniger dominante).

So verstanden, ist die Säuglingssterblichkeit ein trennschärferer Indikator der Lebensqualität als das schlichte Pro-Kopf-BIP oder der Human Development Index, doch muss auch sie mit Einschränkungen versehen werden: Keine einzelne Messgröße liefert ein zufriedenstellendes Abbild der Lebensqualität einer Gesellschaft. Was nicht in Zweifel steht, ist, dass in einem Dutzend afrikanischer Länder südlich der Sahara die Säuglingssterblichkeit bis heute inakzeptabel hoch ist. Die Quoten (60 und mehr pro 1000 Lebendgeburten) entsprechen in diesen Ländern den Größenordnungen, die in Westeuropa vor rund 100 Jahren üblich waren, eine Zeitdifferenz, die auf die Entwicklungskluft verweist, die diese Länder noch überwinden müssen, um zu den wohlhabenderen Volkswirtschaften aufzuschließen.

KAPITEL 3

Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis: die Impfung

Der Tod eines Säuglings oder Kindes aufgrund einer Infektionskrankheit ist und bleibt vielleicht das Schlimmste, was einem in der Welt von heute widerfahren kann, und gehört zugleich zu den Unglücksfällen, die sich am ehesten verhüten lassen. Die Dinge, die getan werden müssen, um die Zahl solcher unzeitigen Todesfälle zu minimieren, lassen sich nicht in eine Rangfolge der Wichtigkeit bringen: Sauberes Trinkwasser und gesunde Ernährung sind genauso wichtig wie das Verhüten von Krankheiten und eine angemessene Hygiene. Wenn man das Kosten-Nutzen-Verhältnis aller dieser Präventionsmaßnahmen betrachtet, ist die Impfung der klare Sieger.

Impfungen, wie wir sie heute kennen, sind eine Errungenschaft des 18. Jahrhunderts, und der Pionier war Edward Jenner mit der von ihm entwickelten Blattern-Impfung. Impfungen gegen die Cholera und die Pest wurden vor dem Ersten Weltkrieg eingeführt, solche gegen Tuberkulose, Tetanus und Diphtherie vor dem Zweiten. Zu den Großtaten der Impfmedizin nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten die Impfungen gegen Pertussis (Keuchhusten) und Kinderlähmung. Heute ist es überall zur Standardprozedur geworden, Kinder mit einem Mehrfach-Vakzin zu impfen, das nicht nur gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung immunisiert, sondern auch gegen Meningitis, Otitis und Pneumonie/Lungenentzündung, drei durch das Virus Haemophilus influenzae Typ B verursachte Infektionskrankheiten. Die erste Dosis wird sechs Wochen nach der Geburt gegeben, die beiden anderen im Alter von 10 und 14 Wochen. Eine Dosis dieses Mehrfach-Impfstoffs kostet weniger als einen Dollar, und mit jedem zusätzlich geimpften Kind sinkt die Ansteckungsgefahr für ungeimpfte Altersgenossen.

Angesichts dieser Tatsachen konnte nie ein Zweifel darüber bestehen, dass Impfungen ein außerordentlich günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen, das sich allerdings nicht leicht quantifizieren lässt. Doch dank einer 2016 mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Stiftung in Baltimore, Boston und Seattle durchgeführten wissenschaftlichen Studie können wir den Nutzen nun doch messen. Was die Studie vor allem herausarbeiten wollte, war der zu erwartende Nutzen (definiert als Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag) verschiedener angenommener Durchimpfungsraten in fast 100 Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommensniveau im Verlauf des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts, das man das Jahrzehnt der Impfstoffe nennen könnte. Berechnet wurde das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag auf der Basis einerseits der Ausgaben für die Beschaffung der Impfstoffe und andererseits der vermiedenen volkswirtschaftlichen Schäden durch Krankheit und Tod. Das Ergebnis war, dass mit jedem in Impfungen investierten Dollar nicht weniger als 16 Dollar Verlust in Form von Behandlungskosten, entgangenen Lohnzahlungen und nicht realisierter Produktivität infolge von Krankheit und Tod vermieden wird.

Dort, wo die Analyse über den engen Ansatz der Berechnung der Kosten von Krankheit und Tod hinausging und die weiter gefassten wirtschaftlichen Vorteile von Impfungen in den Blick nahm, ergab sich ein fast doppelt so günstiges Ertrag-zu-Aufwand-Verhältnis von bis zu 44, mit einem Unsicherheitsintervall von 27 bis 67. Als die lohnendste Impfung erwies sich die gegen Masern mit einem Faktor von 58.

Die Gates-Stiftung wählte für die Bekanntmachung des Studienergebnisses – den Nutzenfaktor 44 – den Weg eines Briefes an Warren Buffett, den bedeutendsten Geldgeber der Stiftung neben Bill und Melinda Gates. Selbst ihn dürfte eine solche Ertragsmarge beeindruckt haben!

Ein Stück Weges liegt noch vor uns. Nach Fortschritten über Generationen hinweg liegt die Abdeckung mit grundlegenden Impfungen in Ländern mit hohem Lebensstandard inzwischen bei rund 96 Prozent, und auch in ärmeren Ländern sind die Impfraten von nur 50 Prozent im Jahr 2000 auf 80 Prozent im Jahr 2016 gestiegen.

Die größte Herausforderung besteht wohl darin, die Bedrohung von Infektionskrankheiten voll und ganz zu eliminieren. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist, lässt sich vielleicht am besten an der Kinderlähmung illustrieren. Die Polio-Infektionsrate weltweit ging von rund 400.000 Fällen 1985 auf weniger als 100 Fälle im Jahr 2000 zurück, aber 2016 wurden noch immer 37 Fälle registriert, und zwar in gewaltgeplagten Regionen in Afghanistan, Pakistan und im nördlichen Nigeria. Dazu kommt, dass, wie in jüngerer Zeit das Auftauchen des Ebola-, des Zika- und des Covid-19-Virus gezeigt hat, immer wieder neue Infektionsrisiken auf den Plan treten können. Impfungen bleiben das beste Mittel, sie unter Kontrolle zu bekommen.

KAPITEL 4

Warum es so schwierig ist, die Schwere einer Pandemie vorauszusagen, solange sie andauert

Die erste Fassung dieses Kapitels schrieb ich Ende März 2020 nieder, als die Covid-19-Pandemie gerade mit exponentiellen Ausbreitungsraten über Europa und Nordamerika schwappte. Anstatt den vielen kursierenden Prognosen eine weitere hinzuzufügen (mit dem Risiko, dass das Kapitel ganz schnell obsolet würde), beschloss ich, lieber die Ungewissheiten zu erläutern, die in solchen angespannten Situationen immer gegeben sind und unser Urteil und unsere Deutung von Statistiken erschweren.

Angst löst eine virale Pandemie aus, wenn sie mit einer relativ hohen Sterblichkeitsrate einhergeht; es ist aber unmöglich, diese Rate zu beziffern, solange die Infektion sich noch ausbreitet – und es bleibt schwierig, selbst noch nach dem Ende der Pandemie. Der übliche epidemiologische Ansatz besteht darin, das Fallsterblichkeitsrisiko zu berechnen. Man teilt hierfür die Zahl der bestätigten vom Virus verursachten Todesfälle durch die Zahl der bestätigten Fälle. Der Zähler ergibt sich unstrittig aus den Totenscheinen, die die Virusinfektion als Todesursache vermerken – in den meisten Ländern sind diese Angaben einigermaßen zuverlässig. Dagegen unterliegt die Bezifferung des Nenners vielen Unsicherheiten. Wie genau sind «Fälle» definiert? Werden nur laborbestätigte Infektionen gezählt oder alle symptomatischen Fälle (also einschließlich derer, bei denen nicht getestet, sondern die Diagnose aus den einschlägigen Symptomen abgeleitet wurde) oder die Gesamtzahl der Infektionen einschließlich der asymptomatischen Fälle? Die Zahl der positiv Getesteten weist eine hohe Genauigkeit auf, während man die Gesamtzahl der Infektionen nur schätzen kann, wobei man sich entweder auf postpandemische serologische Studien stützen kann (um die Präsenz einschlägiger Antikörper im Blut zu bestimmen) oder die Verbreitung der Pandemie rückblickend anhand diverser Wachstumsformeln modelliert oder sich auf einen möglichst plausiblen Multiplikator festlegt: Auf jeden an der Infektion Verstorbenen kommen x Infizierte.

Eine eingehende Beschäftigung mit den Fallsterblichkeiten im Zuge der Influenza-Pandemie von 2009 – die in den USA im Januar 2009 begann, mancherorts bis in den August 2010 hinein andauerte und von einem neuen H1N1-Virus ausgelöst wurde – illustriert die Bandbreite der aufgetretenen Unsicherheiten. Im Zähler standen immer die bestätigten Todesfälle, doch für den Nenner boten sich drei unterschiedliche Falldefinitionen an: Zahl der laborbestätigten Fälle, geschätzte Zahl der symptomatischen Fälle und geschätzte Zahl der Infektionen (basierend auf serologischen Erhebungen oder auf der vermuteten Gesamtzahl asymptomatischer Infektionen). Die Resultate wiesen ein extremes Spektrum auf, lagen zwischen weniger als einem und mehr als 10.000 Toten pro 100.000 Personen.

Wie nicht anders zu erwarten, lieferte der auf die laborbestätigten Fälle abhebende Ansatz das höchste Risikopotenzial (in den meisten Fällen zwischen 100 und 5000 Toten), während beim symptomatischen Ansatz Ergebnisse zwischen 5 und 50 Toten herauskamen; die Formeln, bei denen die geschätzte Zahl der Infektionen insgesamt im Nenner stand, lieferten Ergebnisse zwischen 1 und 10 Toten pro 100.000 Personen. Somit erbrachte der erste Ansatz eine bis zu 500-mal höhere Sterblichkeitsrate als der letzte!

Mit denselben Unsicherheiten sahen wir uns 2020 konfrontiert, als sich die Infektionskrankheit Covid-19 (ausgelöst von einem Corona-Virus namens SARS-CoV-2) ausbreitete. Die Covid-19-Pandemie ging von Wuhan aus, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei. Am 30. März 2020, als in China das Schlimmste vorbei zu sein schien, führten die amtlichen chinesischen Statistiken 50.006 Fälle und 2547 Covid-19-Tote in Wuhan auf. Am 17. April veröffentlichten sie eine um etwas mehr als 50 Prozent höhere Zahl und sprachen nun von 3869 Sterbefällen, doch danach wurden bis November 2020 keine neuen Todesfälle mehr gemeldet, und die Fallzahl erhöhte sich nur unwesentlich auf 50.340. Unabhängig bestätigt wurden diese verdächtig niedrigen Zahlen nie, und es ist unwahrscheinlich, dass wir die tatsächlichen Zahlen je erfahren werden. Die amtlich mitgeteilten Zahlen suggerieren, dass weniger als 0,5 Prozent der 11,1 Millionen Einwohner Wuhans infiziert wurden, ein unglaublich niedriger Prozentsatz im Vergleich etwa zu den Fallzahlen bei der alljährlichen Grippe, sie implizieren aber andererseits eine ziemlich hohe Fallsterblichkeit von 7,7 Prozent.

Wie vorläufige Zahlen aus den USA zeigen, lagen am 11. November 2020, 8 Monate nach Ausrufung der Pandemie durch die WHO, sowohl die Fallsterblichkeit als auch die Gesamtsterblichkeit weit oberhalb der Zahlen, die man bis dahin bei saisonalen Grippewellen gesehen hatte – und zeigten weiterhin eine rasante Zunahme. Nach Schätzungen der Centers for Disease Control & Prevention (CDC) hatte die relativ milde ausgefallene saisonale Grippewelle des Winters 2019/20 bei 38 Millionen US-Bürgern (aus einer rund 330 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung) zur Infizierung mit der Grippe geführt und 22.000 Todesfälle verursacht. Das heißt, dass fast 12 Prozent aller US-Amerikaner infiziert wurden und dass knapp 0,06 Prozent aller Infizierten starben (Fallsterblichkeit). Die influenzaspezifische Gesamtsterblichkeit läge bei 0,07 Prozent (die besagt, dass an der Influenza weniger als einer von 10.000 Infizierten stirbt). Bis zum 11. November 2020 hatten sich rund 10,5 Millionen US-Amerikaner (etwas mehr als 3 Prozent der Bevölkerung) mit SARS-CoV-2 infiziert, und 245.000 waren daran gestorben. Daraus ergibt sich für Covid-19 eine Fallsterblichkeit von 2,34 Prozent, das wäre das rund 40-Fache der bei der Grippewelle von 2019/20 gemessenen Fallsterblichkeit. Für die Covid-spezifische Gesamtsterblichkeit ergab sich eine Rate von 0,74 Prozent, also ungefähr das Elffache des bei der saisonalen Grippe gemessenen Wertes. Die absolute Gesamtzahl der an Covid-19 Verstorbenen (die sich aus der gemessenen Übersterblichkeit ergibt, also aus der Differenz zwischen statistisch zu erwartenden und tatsächlich eingetretenen Todesfällen) fiel sogar noch höher aus, doch wie bei jeder Pandemie gilt es auch bei Covid-19 abzuwarten, bis sie ihren Verlauf genommen hat. Erst dann lassen sich verlässliche Aussagen darüber machen, wie schlimm sie war.

Erst dann werden wir in der Lage sein, die tatsächlichen Zahlen vorzulegen – oder, weil wir die Gesamtzahl der im Land und weltweit infizierten Personen vielleicht nie werden bestimmen können, einfach nur unsere bestmöglichen Schätzwerte zu benennen – und die sich daraus ergebenden Fallsterblichkeitsrisiken zu ermitteln, wobei es ebenso zu weit auseinanderklaffenden Ergebnissen kommen kann wie bei der Pandemie von 2009. Es ist dies eine der grundlegenden Algebra-Lektionen: Man mag es mit einem exakt bezifferbaren Zähler zu tun haben, aber wenn man den Nenner nicht mit vergleichbarer Gewissheit bestimmen kann, bekommt man kein zuverlässiges Ergebnis. Unschärfen werden nie ganz verschwinden, aber zu dem Zeitpunkt, an dem Sie dieses Buch lesen, werden wir ein sehr viel klareres Bild vom tatsächlichen Ausmaß und von der Intensität dieser letzten Pandemie haben, als ich es bei der Niederschrift dieser Zeilen während der ersten und der zweiten Welle ihrer globalen Ausbreitung hatte.