Zehn gute Jahre Teil 7 - Friedrich Haugg - E-Book

Zehn gute Jahre Teil 7 E-Book

Friedrich Haugg

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Beschreibung

Vor kurzer Zeit, als Ihre Eltern jung waren (oder Ihre Großeltern), galt Fliegen noch als Menschheitstraum für Wagemutige. Niemand wusste, dass der größte Technologiesprung der Geschichte bevorstand. Er wurde von einer Wissenschafts- und Ingenieurelite geschaffen, vielfach verstärkt für die Zwecke eines verbrecherischen Krieges. Alles, was wir heute so selbstverständlich nutzen hat da seinen Ursprung. Fritz Kleins Alltag ist wie der seit Generationen. Aber Auto, Telefon, Radio, Kühlschrank, Kino, bald sogar vom Sofa aus, und vor allem Flugzeuge lassen eine völlig neue Lebensweise ahnen. Gemeinsam mit Eva, seiner ersten und wahren Liebe genießt er ein Deutschland, in dem es nach der Not und der unfähigen Demokratie steil aufwärts geht. Jeder hat Arbeit, alle sind gleich und ziehen an einem Strang. Nie war die Zukunft besser. Teil 7 Auflösung: Das nahende Ende des Kriegs führt zum Verlust der gewohnten, perfekten Ordnung. Es wird langweiliger und gefährlicher. Die Göring – Schokolade hilft in schwierigen Situationen. Der Neuanfang nach dem verlorenen Krieg ist nervenaufreibend.

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Inhaltsverzeichnis
Kap. 33 Derna 2
Kap. 34 Catania
Kap. 35 Sofia
Kap. 36 Fürth 2
Kap. 37 Neumarkt
Kap. 38 Bayrischzell
Danksagung

Friedrich Haugg

Zehn gute Jahre – Teil 7

Auflösung

Über Friedrich Haugg

Friedrich Haugg, geboren 1945, ist Diplom-Mathematiker und Ex - Manager. Er hat 25 Jahre in der Luft- und Raumfahrtindustrie gearbeitet und den Umgang mit Computern von der Pike auf gelernt. Nach der Veröffentlichung von fünf Sach- und Fachbüchern bei Hanser und Franzis und von Softwareprogrammen für das Gehirntraining bei United Soft Media hat er beschlossen, sich zum Schreiben von Romanen zu begeben, um zu unterhalten, aber auch um die Ambivalenz der Menschen im Umgang mit der rasanten Technologieentwicklung zum Thema zu machen.

Von Friedrich Haugg sind folgende Romane erschienen:

Das schmale Fenster - Ein Thriller über die Pharmaindustrie,ISBN 9783844253658

Fortschritt - Ein Thriller über die Überwachungsindustrie,ISBN 9783844290356

Mehr unter www.haugg.peds.de

Über Zehn gute Jahre

Vor kurzer Zeit, als Ihre Eltern jung waren (oder Ihre Großeltern), galt Fliegen noch als Menschheitstraum für Wagemutige. Niemand wusste, dass der größte Technologiesprung der Geschichte bevorstand. Er wurde von einer Wissenschafts- und Ingenieurelite geschaffen, vielfach verstärkt für die Zwecke eines verbrecherischen Krieges. Alles, was wir heute so selbstverständlich nutzen hat da seinen Ursprung.

Erleben Sie diese aufregende Zeit und verstehen Sie ganz nebenbei die Technik, die die Welt veränderte.

Fritz Klein gab es wirklich unter anderem Namen. Er stammt aus einer bürgerlichen Bildungsfamilie, sieht gut aus, ist tolerant und bei den zunehmend emanzipierten Frauen sehr beliebt. Vor allem aber ist er Jagdflieger, den Superstars von damals.

Als junger Lehrer sitzt er neben seiner ersten großen Liebe Eva auf einer warmen, duftenden Bergwiese und bewundert einen majestätisch kreisenden Adler. 'Apila non captat muscas', bezieht er auf sich. Er entkommt den Intrigen kleingeistiger Parteifunktionäre und erfüllt sich seinen Traum vom Fliegen, indem er in die neue, schillernde Luftwaffe eintritt. Dass er dazu erst einmal Soldat werden muss, nimmt er in Kauf.

Der Krieg überrascht ihn, weil der Führer doch keinen Krieg wollte. Die Abenteuer werden lebensgefährlich. Die Verbohrtheit seiner näheren Umgebung nimmt er mit Humor, Berichte von fernen Gräueltaten hält er für wenig glaubhaft. Gegen aufkommende Erschöpfung und Depression hilft die Göring – Schokolade. Die Amphetamine haben fatale Wirkungen. Aber sie helfen ihm, sich übermütig immer wieder aufs Neue in scheinbar ausweglose Situationen zu stürzen.

Für Teile dieses Buchs, das auf Erzählungen, alten Dokumenten und Bildern meines Vaters basiert, wäre ich noch vor kurzer Zeit in Deutschland und heute noch an anderen Orten von der Obrigkeit erschossen, von der Kirche exkommuniziert und verbrannt oder vom aufgebrachten Mob gelyncht worden.

Heute sorgt es für keinerlei Erregung, was übrigens für die Verkaufszahlen ungünstig ist.

Vorsorglich distanziere ich mich aber von den Ansichten des Helden aufs Entschiedenste. Man kann nie wissen.

Aufgrund der großen Seitenzahl habe ich den Roman in sieben Teile zerlegen müssen. Sie sind aber nicht als unabhängige Bücher zu verstehen.

Teil 1: Friedliche Zeiten

Teil 2: Der Rausch des Fliegens

Teil 3: Privilegiert

Teil 4: Nordlicht

Teil 5: Afrika

Teil 6: Verwirrung

Teil 7: Auflösung

Über Teil 7: Auflösung

„Ist es nur ein glatter Bruch oder gesplittert? Oder schaut sogar ein Knochen heraus?“ Fritz wurde es himmelangst, als er diese Fragen stellte.

„Siehst du einen Knochen? Ich nicht“, sagte Jorne.

„Außerdem müsste es dann auch noch Blut geben. Hier ist keines.“ Fritz war etwas beruhigter.

„Und nun?“

„Das mit der Schiene wird nichts. Dazu müssten wir genauer wissen, was gebrochen ist, oder?“, sagte Johann.

„Wenn er eine Schussverletzung hätte, wüsste ich, was zu tun ist“, sinnierte Fritz.

„Ihr blöden Simpel“, fauchte Jorne. „Wenn ihr wenigstens einen Schluck Rum dabei hättet. Ich glaub's ja nicht. Fahren die los und haben nichts Hilfreiches dabei.“

„Da haben wir nicht richtig nachgedacht“, fasste Fritz die Situation zusammen.

„Aber wir haben dich gefunden, immerhin“, sagte Johann.

Sie saßen da wie drei Affen, fand Fritz, die nicht wussten, was sie mit der Nacht anfangen sollten.

„Wir warten jetzt erst einmal bis es hell ist“, sagte er nach einigen Minuten.

„Und dann? Was ist dann anders?“, brummte Jorne.

„Dann sehen wir weiter.“

„Das ist zweifellos richtig.“ Jorne schüttelte den Kopf.

Das nahende Ende des Kriegs führt zum Verlust der gewohnten, perfekten Ordnung. Es wird langweiliger und gefährlicher. Die Göring – Schokolade hilft in schwierigen Situationen. Der Neuanfang nach dem verlorenen Krieg ist nervenaufreibend.

Impressum

Ungekürzte Ausgabe

August 2020

Texte:© copyright by Friedrich Haugg

Umschlaggestaltung: © copyright by Friedrich Haugg

Verlag:

Friedrich Haugg

Jägerstraße 3

82347 Bernried

[email protected]

Druck und Vertrieb:

epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Friedrich Haugg

Zehn gute Jahre

Teil 7

Auflösung

Biografischer Roman

für Katharina,

und

für Yvonne,

die ihren Großvater

nicht kennengelernt hat.

"Das Flugzeug war mit einem Schlage, mit der Sekunde, in der es hervortauchte, in eine Stille geraten, die wie ein Wunder erschien. Nicht eine Luftschwankung hob und senkte es. Wie eine Barke, die die Mole passiert, glitt es in stille Gewässer. Es schwamm in nie gesehenem, entlegenem Teil des Himmels, wie in einer Bucht der Insel der Seligen. Das Wettergewölk unter ihm war wie eine andere Welt, dreitausend Meter dick, von Böen, Wasserwirbeln, Blitzen durchrast; aber das Gesicht, das es den Gestirnen zukehrte, war von Kristall und Schnee.

Es war Fabien zumute, als sei er in Zaubersphären geraten, denn alles wurde leuchtend, seine Hände, seine Kleider, seine Tragflügel. Denn das Licht kam nicht von den Gestirnen herab, sondern löste sich, unter ihm und rings um ihn her, aus dieser weißen Fülle.

Die Wolken unter ihm strahlten allen Schnee wider, den sie vom Mond empfingen. Die rechts und links, hoch wie Türme, desgleichen. Eine Milch von Licht floss und schwamm allenthalben, in der das Flugzeug badete…

Gleichviel: Tausend schwarze Arme hatten ihn freigegeben. Man hatte ihm die Fesseln gelöst, wie einem Gefangenen, den man für eine letzte Weile allein unter Blumen spazieren lässt.

Zu schön, dachte Fabien. Er irrte unter Sternen umher, dichtgehäuft ringsum wie ein Schatz, in einer Welt, wo nichts, absolut nichts Lebendiges war außer ihm, Fabien, und seinem Gefährten. Gleich jenen Dieben im Märchen, die in die Schatzkammer eingemauert sind, aus der sie nicht wieder herauskommen werden. Unter eisfunkelndem Geschmeide irren sie umher, unermesslich reich, doch verdammt.

Antoine de Saint – Exupéry

Nachtflug

Kap. 33 Derna 2

Oberwiesenfeld. Trostlos. Grau. Kein bekanntes Gesicht. Der Standortkommandant hatte gerade einen Vertreter, einen Oberleutnant.

„Nach Catania? Da müssen sie die Flugbereitschaft fragen. Ich weiß davon nichts.“

„Und wo ist die Flugbereitschaft, Herr Oberleutnant?“

Der deutete auf eine Baracke, vor der ein Windsack schlaff herunterhing und entfernte sich abrupt. Er schien lebensbedrohlich gelangweilt.

Ein Gefreiter saß entspannt auf einem Klappstuhl und betrachtete den 'Stürmer' in seiner Hand.

„Macht Spaß, den zu lesen, oder Gefreiter?“

Der erschrak fürchterlich, ließ alles fallen, sprang auf und salutierte.

„Jawoll, Herr Leutnant. Hab' nichts anderes zu lesen.“

„Gute Antwort. Rühren. Ich muss nach Catania. Wann geht ein Flug?“

„Catania, Catania. Italien, oder?“

„Ja, Gefreiter. Und wie ist die Antwort?“

„Ist nichts geplant, so weit mir bekannt ist.“

„Wohin geht denn der nächste Flug der Bereitschaft?“

„Nach Wiener Neustadt. In einer halben Stunde.“

„Das ist doch schon mal was. Können sie mich draufsetzen?“

„Reinsetzen? Ich schau mal nach. Ja, ein Platz ist frei.“

„Nur noch ein Platz?“

„Ja. Steht da.“

„Was ist denn das für ein Flugzeug?“

„Moment. Eine Me 108.“

„Wunderbar. Stellen sie mir so einen Schein aus?“

„Wenn Herr Leutnant mir den Grund nennen und Papiere dazu haben.“

„Ah ja, natürlich. Heimkehr zur Front und hier mein Urlaubsschein.“

„Aber der ist nach Derna ausgestellt. Klingt nach Jugoslawien, oder?“

„Nein, Gefreiter. Sahara.“

„Ach so. Kenn' ich. Und was wollen sie dann in Wiener Neustadt? Wenn ich fragen darf.“

„Dahin will ich ja gar nicht. Aber ist dann schon einmal näher.“

„An Derna.“

„Nein, an Catania.“

„Ich versteh' gar nichts mehr.“

„Ist auch schwer in diesen Zeiten. Wo steht die 108?“

„Im Hangar 3. Wird noch aufgetankt.“

„Tschüs, Gefreiter. Und immer anregende Lektüre.“

Der saß schon wieder vor seinem Stürmer.

Es war tatsächlich nur ein Platz auf der Rückbank frei. Sein Angebot als Copilot zu fliegen, wurde vom Piloten, einem Feldwebel, entschieden höflich zurückgewiesen. Er habe schon einen. Fritz' Sitznachbar war ein Mariner. Leider verfügte der über ein ansehnliches Lebendgewicht, was dazu führte, dass er den Überraschungsgast nicht schätzte. Fritz machte sich so schmal wie möglich. Gottlob hatte sein Seesack im Gepäckabteil Platz gefunden. Gut, dass er die schönen Uniformen und die Stiefel bei Luise hatte lassen können. Würde nur schwierig werden, im Bedarfsfall dran zu kommen, wenn er immer woanders hin musste.

Wiener Neustadt. Ein Ort zum Träumen, für Fritz. Den Flug über die Alpen konnte er nicht genießen, weil die Alpen sich komplett verhüllt hatten. Gut, dass der Pilot sein Geschäft verstand. Jedenfalls fand er den Flugplatz sofort und flog vom Semmering aus an. Fritz hätte viel erzählen können, aber es gab niemanden, den es interessierte. Der Mariner hatte den ganzen Flug kein Wort gesagt. Canarismann, dachte Fritz. In Wiener Neustadt gibt es keine Schiffe.

Übernachten war kein Problem. Die Gebäude kannte Fritz. Aber eine Möglichkeit nach Wien zu kommen, gab es diesmal nicht. Der Luxus von früher war mittlerweile eingespart worden. Kein Mercedes - Cabriolet in Sicht. Auf eine andere Frage wurde ihm mitgeteilt, dass es einen Stabsfeldwebel Powideldatschi nicht gebe. Und überhaupt, was sollte das für ein Name sein.

Natürlich gab es keinen Flug nach Catania. Die Zeit drängte. Schlecht organisiert, seine Rückkehr in den Krieg. Die Gedanken kreisten um Geli und unvermeidbar um Ulrich. Seine Hochzeit schien in weiter Ferne, als habe sie in einem anderen Universum stattgefunden.

Nach Tatoi könne er mit einer 52 mitfliegen. Das Ganze artete wohl zu einer Nostalgiereise aus.

Aber auch Tatoi bot ihm nichts, was er zu einer kleinen Tour nutzen konnte. Also entschied er sich für den Vorschlag eines Bomberpiloten, der allein im Kasino einen Kaffee trank, ihn mit einer Ju88 nach Catania mitzunehmen. Er müsse von da aus wieder im Krieg mitspielen. Sein vierter Mann wäre ausgefallen. Mit drei ginge es aber auch. Welch glorreicher Zufall. Wenn es Fritz nichts ausmachte, liegend auf dem Bauch zu verweilen. Fritz machte es etwas aus und er konnte den dritten Mann überreden, ihm den Sitz von Albi zu überlassen. Er wolle ohnehin mal etwas schlafen, hatte der gesagt.

„Werden wir Feindkontakt haben?“, fragte Fritz den Piloten.

„Nö. Können sie das überhaupt, Beobachter? Sie haben ja nur das Flugzeugführerabzeichen.“ Interessante Betrachtungsweise, fand Fritz. „Und kennen sie die 88?“

Fritz zog die Brauen hoch, nickte aber.

„Dann mal los. Ich will nachmittags da sein.“ Fritz war es sehr recht.

Der Blick nach hinten war spannend. Die Zeit läuft rückwärts, das hatte er damals schon mit Albi diskutiert und Werner fand es schwachsinnig.

Endlich war er jetzt wenigstens schon einmal in Catania. Wie ein Freund, den er tagelang im Stich gelassen hatte, stand seine 12 da und wartete. Sollte er gleich los, jetzt wo er endlich unabhängig war?

„Moment, Kamerad. Das ist ein Jagdflugzeug. Was haben sie da zu schaffen?“

„Ach was, ein Jagdflugzeug? Nicht nur das, Unteroffizier, es ist sogar mein eigenes.“

„Ach so. Sie sind Leutnant Klein?“

„Mhm.“

„Dann sollen sie sich beim Standortkommandanten melden.“

„Ist etwas Wichtiges passiert. Der Krieg schon zu Ende?“

„Sie sind ein Scherzbold, Herr Leutnant. Ne, ne. Erst müssen wir noch siegen.“

„Stimmt auch wieder.“

„Leutnant Klein? Willkommen an alter Stätte. Ja, ja, ich habe von ihnen gehört. Sie sind hier bekannt, weil sie einmal desertieren wollten, richtig?“

„Nein, Herr Major. Desertieren wollte ich bestimmt nicht.“

„Ist ja auch egal. Ich habe ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Sie werden erst morgen früh fliegen. Übernachten können sie hier oder wo sie wollen. Sind ja Offizier.“

„Kein Sprit da?“

„Was? Wieso kein Sprit?“

„War ein Scherz.“

„Ach so. Nein, sie fliegen nicht nach Derna, sondern nach Castel Benito, Tripolis.“

„Nicht zu meiner Truppe?“

„Doch, eben.“

„Aber die ist doch in Derna.“

„Die ziehen gerade um. Wäre für sie umständlich, erst nach Derna zu fliegen. “

„Die Aufklärer auch?“

„Was für Aufklärer? Egal. Die sind alle umgezogen. Wir geben Derna auf. Wir haben Derna schon aufgegeben. Hat wohl logistische Gründe.“

„Wohl mehr Gründe der Unterlegenheit.“

„Reden sie kein defätistisches Zeug. Mögen wir hier immer weniger. Aber natürlich haben sie recht. Die Tommies haben die ganze Cyrenaika zurückgeholt oder wieder geholt, wie sie wollen.“

„So schnell? Das hört sich nicht gut an. Wir haben keinen Sprit und keine Munition und nichts mehr zu fressen gehabt, oder?“

„Erstaunlich klarsichtig, der Herr Leutnant. Aber Schluss jetzt. Morgen Castel Benito. Den Weg finden sie ja wohl.“

„Da bin ich mir sicher, Herr Major. Heil Hitler.“

„Hab ich schon länger nicht mehr gehört. Brav, Herr Leutnant. Hauen sie ab und schönen Gruß an Schmalbach. Der ist zwar von Heer, müsste aber auch schon da sein. Obwohl er mit dem Auto fahren muss, der Arme. Ist eben kein Flieger, der Stoppelhopser.“

Geschäftiges Treiben auf dem Flugplatz mit dem stolzen Vornamen des Duce. Fast schon zu geschäftig, um als normaler Tagesablauf durchzugehen. Fritz steuerte auf eine Ju 88 zu. Eigentlich war es die einzige. Und sie war es wirklich.

„Hast du meine Sachen auch mitgebracht?“

Werner schaute kurz auf. „Déjà vu, mein Lieber. Habe ich. Du siehst gar nicht so anders aus. Alles abgesagt?“

„Nein, du Scherzbold. Du siehst einen verheirateten Mann vor dir. So wie Albi damals. Der sah danach auch nicht anders aus.“

„Ist lange her. Da fehlt mir die Erinnerung. Und? Kommst du, um dich von den Strapazen zu erholen?“

„Mein Gesichtsausdruck ist nicht strapaziert, sondern fragend. Was machen wir alle hier in Tripolis?“

„Abhauen. Was sonst?“

„Aber ihr seid doch gerade abgehauen, wenn ich das richtig verstanden habe.“

„Jetzt, wo wir schon mal dabei sind, hauen wir weiter ab.“

„Nicht dein Ernst.“

„Kannst ja hierbleiben. Wird bald von deinen Engländerfreunden wimmeln.“

„So schnell? Und wo geht’s hin? Lass raten. Catania. Richtig?“

„Nein. Wir ziehen in uns unbekannte Welten. Tabarca heißt das. Das Paradies, angeblich mit einem Süßwassersee zwischen waldigen Hügeln. Wird dir gefallen.“

„Und wo soll dieser Garten Eden sein?“

„Westlich von Tunis. So weit waren wir damals nicht.“

„Und warum das Ganze?“

„Lage, Fritzchen, die Lage. Wir halten die Marethlinie, also nicht wir, sondern der Rommel. Und dahinter haben wir unsere Ruhe und können baden gehen.“

„Hallo, Albi. Kannst du etwas genauer erklären, was dein poetischer Freund mir mitzuteilen versucht?“

„Die Marethlinie? Ja, kann ich. Also erst einmal Grüß Gott, Fritz. Willkommen im Kreis der richtigen Männer. Aus dem Werner hier wird nie einer werden.“

„Ich bin eben etwas wählerischer als ihr. Heirate nicht gleich die Erste, die will.“

„Da ist was dran“, sagte Fritz. „Luise war tatsächlich die Erste, die wollte. War aber auch die Erste, die ich gefragt habe.“

„Wie romantisch. Mir kommen die Tränen. Albi, mein Guter, war das bei Urselchen auch so? Oder hat sie dich einfach entwendet?“

„Du hättest Roswitha haben können. Aber der Banker war schneller.“

„Die war mir schon zu abgegriffen. Schließlich hat sogar dieser Fritz hier…“

„Es reicht, Werner Baumann. Albi, was ist das, die Marethlinie?“

„Die Marethlinie ist ein schmaler, flacher Küstenstreifen begrenzt durch das Meer und die Matmata – Höhen. Ist nur zwanzig Kilometer breit. Links davon, also westlich ist das Schott el-Dscherid.“

„Ah ja, natürlich. Der Salzsee. Da kam man damals schon nicht durch, weil er so trügerische Stellen hat, in denen man versinkt und nie mehr auftaucht.“

„Wieso kennst du das?“, fragte Werner. „Meines Wissens warst du da noch gar nicht.“

„Lesen bildet“, sagte Albi.

„Und wer soll da versunken sein?“

„Na, der berühmte alte Führer, den Namen habe ich vergessen. War der Vater von dem Omar. Sadek hieß er. Jetzt fällt's mir wieder ein. Er wurde aber angeschossen, vorher, von diesem Schurken.“

„Spinnt ihr jetzt komplett?“

Fritz grinste. „Der gute Kara hat Halef gerade noch erwischt. Oder umgekehrt. Und sein Pferd, es war noch nicht Rih, hat beide gerettet. So ähnlich war's doch, oder Albi?“

„Ihr seid wirklich zu blöd. Ich muss jetzt weiter packen. Fritzchen, nimmst du deine Sachen zu dir in deinen kleinen Spielzeugflieger?“

„Gib schon her. Was ist mit dieser Marethlinie, Albi?“

„Da lassen wir, also die Italiener die Engländer nicht durch. Bis hier hin und nicht weiter.“

„Ach, so ist der Plan. Hoffentlich funktioniert's.“

Tabarca war eine kleine Stadt direkt an der libyschen Grenze, von der sie aber wieder einmal nichts sahen. Der Flugplatz lag etwa zehn Kilometer ostwärts an einem Traum - Sandstrand.

Jorne rief sie zusammen. „Hallo, Leute. Ist gut sein hier. Mal was anderes. Schönes Meer, nur zu wenig Tide und dauernd zu warm. Ich muss jetzt erst einmal Rum beschaffen. Könnte sich als schwierig erweisen. Ist aber überlebensnotwendig. Baden gehen könnt ihr jeden Tag. Sind nur ein paar hundert Meter über die Dünen dort. Braucht ihr kein Fahrzeug für. Wäre auch gar keines da für euch. Schönes Zeltlager hier. Inmitten grüner Hügel. Gut fürs Auge. Da sollten wir bleiben, bis der Krieg gewonnen ist. Apropos, gewinnen. Die strömen jetzt von zwei Seiten auf uns. Die haben im November letzten Jahres ihre Schiffe in Algerien und Marokko an Land gebracht. Operation Torch haben die das genannt. Mit vielen Leuten und noch mehr Material drin. Hat sie ja keiner gestört, nachdem die Franzmänner ihre eigenen Schiffe versenkt hatten. Irre, diese Leute. Also mit denen, mein' ich jetzt auch Amis. Ja, ihr habt richtig gehört. Die sind jetzt höchstpersönlich präsent. Könnte ungemütlich werden. Wir haben keine Ahnung, wie gut die sind. Eines steht aber fest: An Material und Futter fehlt es ihnen nicht. Logistik ist für die das Thema. Hätten wir mal lieber abgekupfert. Aber genug geschwätzt. Richtet euch ein. Und Fritz, du kommst mit. Jetzt, wo wieder alles seine deutsche Ordnung hat, greift auch das Räderwerk der Vorschriften.“

„Was meinst du damit, Jorne?“

„Wirst schon sehen.“ Sie gingen die zweite Zeltreihe entlang bis zum Ende. Das letzte Zelt stand ein wenig abseits. Eine Toilette?, dachte Fritz.

„Hinein mit dir und erzähl denen keinen Scheiß. Ich gehe zum Strand, da habe ich mich mit einem möglichen Rumlieferanten verabredet. Dort will ich dann deinen Bericht.“

„Setzen sie sich, Herr Leutnant Klein. Kaffee? Zigarette? Wir sind unter uns. Mein Aufseher hat es nicht hierher geschafft. Ist schwierig, weil ihr so ungemein beweglich seid.“

Der Leutnant ihm gegenüber war von der Marine. Aha. Da er alleine war, wirkte die Szene auf Fritz nicht sonderlich bedrohlich. Er grüßte höflich, ließ sich Kaffee aus einer Thermoskanne einschenken, Feuer geben und harrte der Dinge, die auf ihn zukommen würden.

„Sie waren im Urlaub?“

„Jawohl.“

„Und? War es schön?“

„Ja. Ein bisschen anstrengend.“

„Nicht erholt, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, damit sie wieder voller, jugendlich männlicher Kraft kämpfen können um den Sieg des Vaterlands?“ Schwang da ein wenig Ironie mit?

„Siegen wir denn?“

„Also bitte, Herr Leutnant. Wir halten uns an die Regeln. Ich darf Fragen stellen, sie nicht.“

„Ach so, ja. Entschuldigung.“

„Also, warum nicht erholt? Zu viel Alkohol und Frauen?“

„Beides. Und zu viel Verwandtschaft. Ich habe geheiratet.“

„Ach ja?“ Er schaute auf ein Papier. „Das steht hier ja gar nicht. Schlamperei. Egal. Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke, Herr Leutnant.“

„Wie war es in Baden – Baden? Schöner Platz für eine Hochzeit, richtig?“

Die Bürokratie scheint auch in Schwierigkeiten zu sein. Fritz musste grinsen.

„Was lachen sie?“

„Ich habe nicht in Baden – Baden geheiratet, sondern in Berchtesgaden.“

„Ach wirklich? Da ist wohl noch mehr durcheinander geraten. Ich bitte um Entschuldigung. Waren sie auch auf dem Obersalzberg?“

„Nein. Ich glaube, mein Schwiegervater war da mit seiner Ehefrau und einigen Töchtern.“

„Ah ja. Brav. Wurden sie von ihnen unbekannten Menschen angesprochen? Und haben sie mit denen über kriegswichtige Dinge geredet? Entschuldigen sie, das sind die vorgeschriebenen Routinefragen, die wir nach jedem Urlaub stellen müssen. Ich notiere, dass sie nicht angesprochen wurden. Richtig?“

„Sehr richtig. Ich habe nur mit Verwandten und Bekannten geredet. Und über den Krieg schon gar nicht. Halt nein, im Zug nach Berchtesgaden wurde ich angepöbelt von einem alten Ehepaar, das meinte, ich sollte lieber kämpfen und das meinen Hund nicht wertschätzte.“

„Sind sie einverstanden, dass wir das nicht erwähnen im Protokoll?“

„Einverstanden.“

„Gut, das wäre dann alles zu ihrem Urlaub.“ Er klappte die Akte zu und sah Fritz freundlich an.

„Kommen sie mit zum Strand, Herr Leutnant. Auch sie müssen mal entspannen“, sagte Fritz erleichtert.

„Gute Idee. Wie sah der Soldat aus, der sie in Baden – Baden angesprochen hat. Bitte um eine möglichst genaue Beschreibung.“

Fritz war wie vom Donner gerührt. Die sind gut, diese Canaris – Leute. Verdammt gut. Sie sehen alles und auch wenn' s einmal länger dauert, sie vergessen nichts und nichts geht verloren. Beeindruckende Bürokratie. Das deutsche Erfolgsgeheimnis? Er machte eine Pause und sah dem Leutnant in die Augen.

„Der war nicht einer ihrer Leute, oder?“

„Ich frage. Bitte die Beschreibung.“

„Schon etwas älter. Ein paar graue Haare. Sehr gepflegt. Diszipliniertes Gesicht, wache Augen. Gute Aussprache, keinerlei Dialekt. Gute Figur. Er wirkte sehr souverän.“

„Das sind jetzt mehr Einschätzungen ihrerseits. Ich bräuchte eine Beschreibung. Können sie sein Gesicht zeichnen?“

„Ich zeichne zwar gerne, aber das wird mir nicht gut gelingen. Dazu fehlt mir die Übung.“

„Wollen sie nicht oder können sie nicht? Auch eine Kinderzeichnung würde helfen.“

„Ich versuche es.“ Es war Fritz zu gefährlich, diesen Wunsch abzulehnen. Der Leutnant reichte ihm ein Blatt Papier und einen Bleistift. Etwas später auch einen Radiergummi, als Fritz durch seine Verbesserungen die Skizze unkenntlich zu machen drohte.

Schließlich reichte er seinem Gegenüber das Blatt. „Besser kann ich es nicht.“

„Hmm. Das könnte er sein, ja.“

„Wer?“

„Ich habe nur so vor mich hingeredet. Hat keine Bedeutung. Und jetzt ganz genau. Das ist sehr wichtig. Auch für sie, Herr Leutnant. Was wollte er von ihnen?“

„Es ist schon bemerkenswert, dass wir gerade eben vor dem Feind fliehend auf einem provisorischen Platz gelandet sind und uns da mehr oder weniger schlecht einrichten und dass dann schon einer von ihnen hier ist und mir solche Fragen stellt.“

„Für mich klingt ihr zweifellos kluger Beitrag so, als ob sie Zeit gewinnen wollen, um sich eine glaubwürdige Lüge auszudenken. Also, machen sie bitte so nicht weiter und beantworten meine Frage ohne nachzudenken. Kann ich ihnen nur raten. Als Kamerad.“

Kamerad. Dass ich nicht lache.

Er hatte schnell am Gesichtsausdruck gemerkt, dass Fritz begann, ablehnend zu werden und ergänzte: „Bitte, Leutnant Klein. Wir vertrauen ihnen und wir sind uns sicher, dass sie dieses Vertrauen voll und ganz rechtfertigen. Aber, wenn einer unserer Besten so angesprochen wird, dann müssen wir dem nachgehen. Das werden sie verstehen. Also.“

Aha. Zuckerbrot. Was tun? Wen verraten? Ich weiß ja nicht einmal, ob Ulrich dahinter steckt. Außerdem ist Ulrich tot, in der endlosen Wüste verwest.

Er gab sich einen Ruck und erzählte alles ganz genau so, wie er sich erinnern konnte.

„Haben sie den Zettel mit der Telefonnummer noch?“

„Leider nein.“

„Die Wahrheit bitte.“

„Nein. Aber ich kann sie auswendig.“

„Weil sie oft auf den Zettel geschaut haben oder weil sie ein fotografisches Gedächtnis haben?“

„Beides ist irgendwie richtig.“

„Reden sie. Ich notiere.“ Er schrieb die einzelnen Ziffern auf, die Fritz ihm sagte. Fritz beobachtete seinen Gesichtsausdruck dabei und nannte eine einzige falsche Ziffer. Keine Reaktion.

„Halt. Die vorletzte Ziffer war nicht 5, sondern 2. Entschuldigung.“

„Das fotografische Gedächtnis, ja, ja.“

Kannte er die Nummer oder war das nur Einbildung?

„Kennen sie die Nummer?“

„Nein.“

„Und was machen sie damit?“

Er schaute Fritz nachdenklich an. „Herausfinden, wem sie gehört. Was sonst?“

„Natürlich. Was sonst. Darf ich jetzt doch eine Frage stellen?“

„Nur zu.“

„Haben sie so einen oder einen ähnlichen Fall schon einmal gehabt? Ist doch recht ungewöhnlich, oder?“

„Anwerben von Spionen ist gar nicht ungewöhnlich.“

„Aber die wollten mich doch nur retten. Hat der gesagt.“

„Sie sind doch nicht so naiv. Der Punkt ist wieder einmal nur, dass sie niemand sind, der besondere Geheimnisse kennt. Das starke Interesse an ihrer Person, das irritiert uns.“

„Mich auch.“

„Von Thann war ein Spion. Oder ist einer. Das wissen wir nicht so genau...“

Das saß. „Moment mal. Ulrich ist tot.“

„Davon müssen wir ausgehen, ja.“

„Aber sie sind sich nicht sicher?“

„Nein.“

„Ich wollte, ich wüsste es.“

„Ich sag ihnen mal was. Von Derna und von Tripolis aus wurde in den letzten Wochen weiter gefunkt mit dieser komischen Frequenz. Sie wissen schon. Auch während ihres Urlaubs, zu ihrer Beruhigung. Das war nicht zu Ende, als sie die Kiste gefunden hatten bei von Thann's Sachen. Ja, ja, schauen sie nicht so entgeistert. Wir sind doch nicht doof. In der Wüste ein Funkgerät umhergestanden. So ein dummer Quatsch von ihnen. Aber sie haben es erst gefunden, als von Thann vermisst war. Das glauben wir ihnen. Und, dass ihr Verdacht da erst zur Gewissheit wurde. Sie haben sich fast korrekt verhalten. Vielleicht hätten sie uns etwas eher ins Vertrauen ziehen können.“

„Ich hatte nicht den geringsten Beweis.“

„Schon klar. Außerdem, einen Freund so schwer zu belasten, ist nicht einfach. Sie haben schon richtig gehandelt, als Mensch sozusagen. “

„Danke für ihr Verständnis.“

„Sie müssen nicht sarkastisch werden. Aber vergessen sie nie: Von Thann ist eine größere Nummer - gewesen. Der hatte eine Menge wirklich wichtiger Informationen und Informanten. In den Kreisen, in denen er verkehrt. Unsere verdammte Pflicht ist, das Vaterland zu schützen. Genauso, wie sie es auch tun. Nur machen wir dies nicht mit Schießgewehren.“

„Wie wir, die einfachen und naiven Leute.“

„Lassen wir das. Aber wenn sie so wollen, ein bisschen naiv sind sie schon. Und durch Freundschaft auch leicht zu beeinflussen. Das ist nicht ganz ungefährlich in diesen Zeiten.“

„Mann, o Mann. Wann hört das endlich auf?“

„Wenn wir gewonnen haben.“

„Dauert aber noch.“

„Ja. Sieht nicht gut aus. Aber verpetzen sie mich nicht. Tun sie nicht. Sie verpetzen niemanden.“ Er lachte ein wenig diabolisch dabei. „Kommen sie. Gehen wir an den Strand. Ich habe eine Badehose dabei. Sie nicht?“

„He, Kinder. Kommt mal aus dem Wasser. Es gibt was zu besprechen.“ Jorne befahl sie damit etwas ungewöhnlich zu einer Lagebesprechung. „Johann, du hast ja ganz blaue Lippen. Zu lange geplanscht, oder? Das zersetzt die Wehrkraft. Es ist Winter, Mann. So, hockt euch mal im Kreis in den Sand. Nein, größer, ich muss da was zeichnen. Noch größer, wir sind Flieger, keine Fußgänger. So, jetzt kann ich meine künstlerische Freiheit ausleben. Den Pinsel hab ich schon. Hier, ist Zedernholz, glaub' ich.“

„Kiefer“, rief einer.

„Kleingeist. Ruhe jetzt.“

Er kritzelte im Sand herum. „Hier. Das soll das Meer sein. Ist Ebbe gerade in meinem Bild. Deswegen ist es Sand und kein Wasser. Gut, nicht? Da, hier rechts, von mir aus gesehen, ich türme mal einen Hügel auf, dahinter also die Marethlinie. Haben die Franzosen gebaut, damals. Kein Witz. Davor hocken sie, die Engländer, die Kanadier, die Australier und die Neuseeländer und schauen rüber zu uns.“

„Und die Inder, die Gurkas“, rief Fritz.

„Ruhe. Weiß ich doch nicht. Ist mir auch egal. Wir haben mit denen nichts zu tun. Machen unsere Freunde, die, die die Pizza erfunden haben. Pizza? Kennt ihr nicht? Arme Leute – Essen. Ist so'n Fladenbrot, das die im Ofen herausbacken. Wer was hat, legt es vorher noch drauf. Egal was, Hauptsache essbar. Hab' s noch nicht probiert. Muss auch nicht sein. Also, die halten das Vereinigte Königreich zurück. Hahaha. Von der ganz anderen Seite, also hier, da kommt' s Dicke. Engländer auch, aber vor allem Amis. Die wollen jetzt auch mal was haben vom Kuchen, versteht ihr? Bis hierher alles klar?“

„Jawoll“, klang Hugos Stimme.

„Na, wenigstens einem von euch. Wo hast du eigentlich deinen neuen Freund von der Marine gelassen, Fritz? Doch hoffentlich im Mittelmeer nicht ersäuft. Können nämlich nicht schwimmen, die Seeleute. Hatte ich euch doch schon gelehrt.“

„Er ist schon gestern wieder weg. Wurde mit einer Kuriermaschine abgeholt.“

„Soso, Kuriermaschine. Schaut an, schaut an. Früher hätten die sich mit einer Schaluppe übers Meer rudern lassen. Auch nicht mehr das, was sie einmal war, die Marine. Der ist gut weg, der Mann. Hat Fritz nur irritiert. Hat er doch, oder Fritz?“

„Hat er, Jorne. Und wie. Deswegen bin ich aber kein schlechterer Jagdflieger geworden. Nur ein schlechter Spionenfänger.“

„Ist auch nicht unsere Aufgabe. Dafür sind wir nicht ausgebildet. Kannst mir das gelegentlich mal erzählen, wenn du Lust hast. Zurück zum Thema. Da gibt es so einen Ort, Sidi Bouzid heißt der, komische Namen haben die hier, da sind wir zum ersten Mal mit den Amis zusammengetroffen. Hatten sich wohl noch nicht richtig aufgestellt oder waren gerade beim Büchsenfleisch essen. Die haben so was. Ist schon durch den Fleischwolf gegangen. Ist wohl für die, die keine Zähne mehr haben, igitt. Also, die sind gleich wieder abgehauen. Aber sie lassen nicht locker. Jetzt haben sie noch ein paar Panzer geholt, Grant – Panzer heißen die oder Sherman, taugen nichts die Blechkisten. Vielleicht auch noch ein paar bessere, weiß ich nicht, bin kein Stoppelhopser. Muss ich auch nicht wissen. Sie kommen über den Kasserinpass. Das ist hier. Übrigens, wer's genau wissen will: 148 Kilometer von hier, Kurs 171. Warum weiß ich das so genau? Na, wer kann's sich denken?“

„Damit wir wissen, wann sie da sind und wann wir abhauen müssen“, sagte Johann treuherzig.

„Das wäre eine Möglichkeit. Die andere nehmen wir. Rommel ist da vor Ort und hat gemeint, so ein bisschen Knallerei von oben würde die ordentlich erschrecken. Jetzt schau ich ganz genau auf Fritz. Diesmal keine menschlichen Tricks, diesmal halten wir drauf. Das ist kein Spaß. Diesmal sind es richtig viele und die haben nichts anderes im Sinn als uns abzumurksen. Denkt an eure Familien zu Hause. Das sind die, die auch auf unsere Städte Bomben werfen. Nicht dieselben. Ihr wisst schon, was ich meine. Schonung wäre Selbstmord. Verstanden?“

Fritz war gar nicht wohl. Aber da konnte man nicht aus. Man würde nicht nur sein Gesicht verlieren, sondern auch noch standrechtlich eliminiert. Scheißkrieg. Jetzt brauch' ich aber viel Bockfieber.

„Abflug morgen 08 Uhr. Die ganze Staffel. Andere Jäger gibt’s hier nicht mehr. Bis dahin könnt ihr euch innerlich versammeln. Aber ohne Alkohol, damit das klar ist. Um eure Kommentare vorwegzunehmen, mein Grog ist kein Alkohol, das ist Medizin. Da gibt es absolut nichts zu grinsen. Haut ab.“

So ein langer Abend vor einem wirklichen Angriff ist keine gute Sache. Fritz ging alleine zum Strand, ein Bier hatte er dabei, war ja kein Alkohol, in Bayern, und eine frische Schachtel Zigaretten. Die Luft, die ein sanfter Abendwind vom Meer her trug, war weich, würzig und streichelte ihn zart und verführerisch. Sollte er sich jetzt solchen Gedanken hingeben oder war es besser, das Schöne mit dem Hässlichen nicht zu vermischen?

„Ein Bier haben wir dabei. Aber Zigaretten haben wir vergessen. Ist da noch ein Plätzchen frei, werter Herr Jagdflieger?“ Es waren Werner, Albi und Horst.

„Was macht ihr denn? Links und rechts von mir, alles frei.“

„Bist mal lieber wieder alleine, oder Fritzchen? Wir halten auch die Klappe, wenn der Herr es wünschen.“

„Depp. Habt ihr die Amis aufgeklärt?“

„Die alten Frömmler wollen doch nicht aufgeklärt werden. Die denken ja auch, dass der Liebe Gott die ganze Welt vor genau 4000 Jahren in sieben Tagen erschaffen hat.“

„Wirklich? Das denken die?“

„Wenn's in der Bibel so steht, dann ist das so. Ist ja schließlich von ihm selbst. Und irren kann der ja nicht.“

„Da steht auch, dass man seine Feinde in Stücke schneiden darf“, sagte Horst. „Komischer Gott.“

„Lass das nicht die Amis hören, sonst fallen die noch vom Glauben ab.“

„Ich will gar keine kennen lernen.“

„Jetzt gerade schon gar nicht“, grunzte Werner. „Und ihr sollt denen morgen nach Hause leuchten?“

„Ein bisschen mithelfen, hat Jorne gesagt“, meinte Fritz.

„Der ist schwer in Ordnung, stimmt's?“

„Ist er. Kann mir keinen Besseren vorstellen.“

Sie saßen einige Zeit schweigend da und schauten auf die kleinen Wellen, die lustig vor dem Strand umkippten, um den nächsten Platz zu machen.

Fritz holte tief Luft. „Wisst ihr, dass weiter gefunkt wurde an die Engländer?“

„Wie meinst du das?“, fragte Horst.

„Ein paar Tage, nachdem Ulrich weg war, ging es schon wieder los.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte Werner.

„Der ist doch vom Geheimdienst, der Fritz“, sagte Albi.

„So ein Blödsinn“, maulte Fritz. „Aber einer von denen hat mir das gesagt.“

„Und wer soll das sein? Dann war es vielleicht gar nicht Ulrich.“

„Doch, doch. Der war es schon.“

„Du weißt tatsächlich mehr, als du zugibst“, sagte Albi.

„Das würde mich schon interessieren“, meinte Horst. „Das kann doch gar nicht sein, das alles. Woher wollen die das denn wissen?“

„Abhören und peilen, mein Gutester“, sagte Albi. „Schon mal was davon gehört. Wenn das einer von uns ist, macht der das nicht lange. Ulrich war bestimmt raffinierter. Und jetzt ist er tot.“

„Die glauben sogar, dass er nicht tot ist“, sagte Fritz.

„Was? Wie bitte? Die spinnen, die Abwehrleute“, brummte Werner. „Was meinst du dazu, Horsti? Du warst doch sein zweitbester Freund.“

„Ich war kein Freund von Ulrich. Wie kommst du denn auf so einen Blödsinn?“

„Na, na, ereifere dich nicht, junger Mann. Klar hast du ihn gerne gehabt. Vielleicht sogar ein bisschen anders als wir alle. Könnte das sein?“

„Das geht zu weit, Leutnant Baumann. Ich will das nicht hören. Wenn du weiter mit mir fliegen willst, dann nimm das zurück.“

„Als ob du eine Wahl hättest. Stell dich nicht so an. Ist alles gut bei uns aufgehoben. Noch'n Schluck?“

„Ich geh' jetzt schlafen“, sagte Fritz und stand auf.

„Bist du jetzt auch eingeschnappt?“

„Quatsch. Ich kenn' doch dein Schandmaul. Ich muss bloß morgen Amis abknallen.“

„Wärst mal lieber bei uns geblieben.“

„Nicht mehr zu ändern. Schlaft alle gut den Schlaf des Gerechten.“

„Gute Nacht, Fritzchen. Komm heile wieder.“

Das Frühstück bestand für Fritz aus einem Kaffee und zwei Zigaretten. Dann ging er noch schnell auf die Wüstentoilette und war beunruhigt, weil er keinen Erfolg hatte. Aber es würde ja nicht so lange dauern, bis er genug Zeit haben würde.

Sie starteten in kurzen Abständen und formierten sich wie gewohnt zum doppelten Schwarm mit einer Maschine weniger. Toni war wie immer Fritz' Katschmarek.

„Passt einmal auf. Ab jetzt gleich Funkstille“, tönte Jornes Stimme durch den Kopfhörer. „Es gibt keine abgesprochene Taktik. Wir spielen Blitzkrieg. Das geht einfach so, dass ihr alles, was sich bewegt, abknallt. Gute Taktik, richtig? Ich meine, was sich am Boden bewegt. Flugzeuge erwarten die nicht. Wenn doch, erledigen das die Katschmareks. Alles klar? Ruhe jetzt.“

Sie bogen an der Stelle, an der es Jorne vormachte, nach Nordwesten ein und gingen auf 500 Meter herunter. Am Boden war einiges los. Lastwagen fuhren wahllos im Sandkasten, Spielzeugpanzer zuckten, an den Rohren kleine Rauchwölkchen ausstoßend und um alle gingen Sandfontänen hoch. Das waren also Amerikaner, von unseren Achtacht gekitzelt. Nun denn. Er ging bis auf hundert Meter hinunter, überflog die eigenen Leute und schoss dann einfach in kurzen Salven auf Fahrzeuge. Die Wirkung konnte er nicht sehen. Es war wie das Scheibenschießen in Fürth. Nur die Ziele waren beweglich. Aber was heißt schon Bewegung am Boden gegen die Geschwindigkeit des Flugzeugs. Er drehte nach rechts, flog etwas höher zurück und dann noch einmal an. Nichts mehr kam aus seinem Maschinengewehr. Also heim, oder wie war der Befehl? Funkstille hatte Jorne befohlen. Toni konnte er nicht sehen. Also selbstständig nach Hause.

Wieder am Boden in den stillen Hügeln von Tabarca, ging er ein wenig verschwitzt zum Kasinozelt und traf schon Franz, Toni, Karl und Otto.

„Die anderen kommen gleich“, sagte Otto. „Ich war Hugos Katschmarek und der hat sich richtig ausgetobt. Habt ihr Feindflieger gesehen? Ich nicht.“

Toni schüttelte den Kopf.

Fritz zündete sich schwer atmend eine Zigarette an und genoss den Kaffee. Erinnerungen überfielen ihn. Unangenehme Erinnerungen. Er, im Schützengraben mit den netten Kameraden vom Heer, wie er mit dem lächerlichen Gewehr auf die tieffliegende Hurricane schoss und was die angerichtet haben mit anderen Kameraden. Und er spürte den hässlichen Gestank und Lärm. Diesmal war es anders herum. Sah aus wie ein Kindergartenspiel. Er schüttelte sich.

„Ist dir kalt?“, fragte Otto, wurde aber unterbrochen, weil Jorne und Hugo auch heruntergekommen waren. Jorne sagte nichts, sondern ging schnellen Schrittes weiter zum Funkzelt. Anschließend sah man ihn zu den Technikern eilen.

Als er wieder kam, rief er schon von Ferne. „Aufsitzen, Kameraden. Es geht noch einmal los.“

Fritz war wie vom Donner gerührt. Er musste jetzt dringend aufs Klo. „Hab ich noch Zeit zum Scheißen, Jorne?“

„Du spinnst wohl. Das Vaterland ruft. Verkneif's dir. Abmarsch.“

„Voll getankt und Patronengurte frisch geladen, Herr Leutnant“, meldete ein Soldat.

„Danke, Obergefreiter.“

„Holm- und Leistenbruch“, sagte der, nachdem er Fritz beim Anschnallen geholfen hatte. Der blöde Fallschirm drückte wie immer.

„Danke.“ Den Klassiker hatte Fritz schon lange nicht mehr gehört. Der Obergefreite war schon älter.

Verdammt heiß, seine arme Maschine. Aber das sollte sie schon können. Der Anflug war genauso wie am Morgen. Aber das Szenario war ein ganz anderes. Die deutschen Truppen, erkenntlich von oben an der Schussrichtung, hatten sich bereits weit in das Hochtal hineingearbeitet. Viele Gegenstände lagen still auf ihrem Weg. Weit hinten sah man eine vorherrschende Bewegung von Fahrzeugen und Menschen in eine einzige Richtung. Raus aus dem Tal.

„Angriff“, schrie Jorne, so dass es fast schmerzte in Fritz' Ohren. Sie donnerten über die Köpfe der eigenen Leute hinweg. Es sah so aus, als ob einige sogar die Mützen schwenkten. Dann schoss Fritz, was das Zeug hielt. Bockfieber. Die Menschen spritzten auseinander, um gleich wieder ihre Hauptrichtung einzuschlagen. Diese Amis waren auf der Flucht. Auf einer panischen Flucht. Sie rannten nur noch um ihr Leben. Das war eine Drückjagd auf Hasen.

„Sammeln und heim“, kam es gottlob von Jorne.

Jetzt aber in Ruhe auf die Toilette. Brachte wieder nichts. Aber er hatte ja noch den halben Tag. Jetzt schon mal ein Bierchen? Er war müde, sehr müde, aber ganz zufrieden und der Tag war noch lang. Ein bisschen schlafen vielleicht? Mittagsschlaf soll ja gesund sein.

„Start um vier Uhr, Leute. Diesmal geht es gegen die Engländer, die haben sich am Hang festgesetzt. Müssen auch weg.“ Jorne hatte seinen Zigarrenstummel gefunden und schien bester Laune zu sein.

Der meint uns nicht. Wir waren doch heute schon zweimal an diesem Scheißpass.

„Der meint es ernst“, sagte Toni, der leichenblass geworden war. „Ich bin froh, dass ich noch lebe. Diesmal geht es bestimmt nicht gut. Ich habe so ein Gefühl.“

Die Aufgabe, Toni zu beruhigen und gleichzeitig aufzumuntern, lenkte Fritz von seinen eigenen schlechten Vorahnungen und seiner großen Müdigkeit ab.

In der Luft auf dem halbstündigen Anmarsch fühlte er sich wieder normal. Seine 109 nahm die ungewohnte Belastung ungerührt hin. Sie war ja fürs Fliegen gemacht und nicht fürs Herumstehen. Nur das Bockfieber meldete sich diesmal überhaupt nicht. Los, Bockfieber, jetzt lass mich nicht im Stich. Verdammt, meinen Fliegerschal habe ich vergessen. Schon den ganzen Tag. Ohne Fliegerschal ist man nicht ausreichend geschützt. Was würde Luise dazu sagen? Mein Gott, Luise. Sie ist meine Ehefrau und ich habe kaum mehr an sie gedacht in den letzten Tagen. Wenn sie das wüsste. Würde sie dann immer noch Verständnis zeigen? Würde sie. Bestimmt. So ist sie. Gut, dass ihr nicht so klar ist, was ich wirklich mache. Aber die Uhr, die Uhr habe ich an. Natürlich. Er schaute auf das Ziffernblatt. Halb fünf. Verdammt, gleich werden wir da sein. Umkehren wäre die einzig menschlich richtige Entscheidung. Und warum mache ich das nicht? Das ist ein echtes Rätsel. Warum erfinden Menschen eine Organisation, in denen ihnen befohlen werden kann, was sie tun müssen? Und sie ordnen sich der eigenen Erfindung bedingungslos unter. Höhere Erkenntnis? Quatsch. Andere umbringen, daran ist nichts Höheres. Das Vaterland? Offensichtlich ein gefährliches Wort. Lebensgefährlich. Das Vaterland ist das, wo man gewohnt ist zu leben. Das Klima, die Vegetation, was man isst, was und wie man arbeitet, mit wem man feiert, welche Ausdrücke der andere versteht. Mehr ist das nicht. Dass man es nicht anders will, ist in Ordnung, weil man das von Anfang an so gewohnt ist. Würde einer sagen, du musst jetzt so wie in Persien leben, weil das mein Vaterland ist, würde ich zu Recht dagegen sein. Mich stört es doch nicht, wenn die anders essen und so weiter. Sollen mich halt nur mein Ding machen lassen. Bier, Weißwürste und Brezen eben. Mehr braucht es nicht, um zufrieden zusammenzuleben. Dagegen steht nur dieser stupide Machttrieb der sogenannten Anführer. Was wollen die eigentlich? Sie sind so programmiert, dass sie nur zufrieden sind, wenn sie immer mehr Menschen anschaffen können, wie sie zu leben haben. Merken die gar nicht, dass das zwangsläufig ein Ende hat? Selbst wenn sie es geschafft hätten, der Anführer der ganzen Welt sein, würden sie danach in ein tiefes Loch stürzen. Sie sind einfach zu dumm zu erkennen, dass sie unweigerlich ins persönliche Desaster rennen. Gut, dass ich das nie wollte. Man sollte nie das wollen, was ein absehbares Ende hat. Es sei denn, man weiß, was man danach machen will.

„He, Zwölfer. Klein. Nicht geradeaus weiterfliegen. Wir sind da.“ Jorne hatte ihn auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er würde jetzt genau das machen, was Jorne sagte. Komisch. Aber Jorne war ein Guter, dem kann man folgen. Bockfieber, wo bist du?

„Passt auf. Fritz führt eine Kette an. Mit Toni und Otto. Ihr dringt ein wenig weiter in den Pass ein. Ist nicht schlimm, keiner mehr unten. Haltet auch beim Anflug nahe auf der Nordseite der Hügel. Dann, nach drei Kilometern dreht ihr 180 Grad rechts und steuert die südlich geneigten Hügel an, also die im Norden des Passes. Dort werdet ihr die Stellungen bald sehen. Rotzt alles raus, was ihr habt. Achtung, das sind keine Schlappschwänze wie die vollgefressenen Amipussis, das sind richtige Soldaten. Und sie haben Flaks, nicht vergessen. Wir kommen von Osten. Stoßt nicht zusammen, macht es wie die Mauersegler. Also los, Pulle, Pulle.“

Bis die Engländer die lange Rede von Jorne entschlüsselt hätten, wären wir schon fertig, dachte Fritz amüsiert. Der Jorne weiß eben, was er tun kann und was nicht.

Fritz sprach ins Mikrofon. „Jetzt Steilkurve, Freunde. Machen wir gleichzeitig. Zu dritt geht das. Otto, du bleibst links von mir. Und los. Feuer frei.“

Sie gingen auf etwa 100 Meter hinunter. Tiefer traute sich Fritz nicht wegen der unregelmäßigen Hügel am Südhang. Dann feuerte er los. Was er sah, konnten eingegrabene Stellungen sein. Das wurde ihm bestätigt, weil gleichzeitig vom Tal aus etliche Panzer und Geschütze feuerten und sich Rauchwolken am Hang bildeten. Wenn wir jetzt eine kleine Bombe hätten, dann könnten wir die Stellung sofort endgültig vernichten. Unsere Jäger sind doch dafür gar nicht effektiv. Egal, die Garben werden schon irgend etwas anrichten. Oder besser nicht und sie nur so erschrecken, dass sie aufgeben. Vier Schatten schossen an ihnen vorbei, nur wenige Meter über ihnen. Oha, das war Jorne mit seinem Schwarm. Hatte er sich gut ausgedacht, denn das Kollidieren war in der dreidimensionalen Welt eher unwahrscheinlich. Außer man beabsichtigt es. Er wurde plötzlich um die Längsachse nach rechts gedreht. Eine Bö? Nein, dafür war es zu heftig. Ein Blick auf seinen linken Flügel bestätigte seine Befürchtung. Eine schöne Reihe von Löchern schräg in Richtung Rumpf, sie hörten gottlob kurz vorher auf, aus einigen kam etwas heraus, was unwiderstehlich nach hinten geweht wurde. Hydraulikflüssigkeit? Benzin? Querruder testen. Geht alles. Also Benzin. Fahrwerk? Später. „Otto, siehst du was an meiner Kiste?“

„Nein. Doch. Unter dem Flügel sind anscheinend ein paar Fetzen herausgerissen. Aber du fliegst ja noch.“

„Verdammte Engländer. Können die das nicht lassen.“

„Und noch einmal das Ganze von vorne“, kam Jornes Stimme.

„Nicht mit mir. Ich fahr heim“, sagte Fritz.

„Spinnst du jetzt komplett. Das war schon ein Befehl, Kamerad.“

„Den Fritz hat's erwischt“, sagte Toni. „Ich denke, wir sollten ihn heimschicken.“

„Wie erwischt?“

„Fritz, bleib auf Kurs. Damit wir dich in der Wüste finden“, sagte Otto.

„Mach ich. Kommt gut heim, Leute.“

Die Anzeige bewies Fritz, dass er das wertvolle Gut für die Rückkehr nach Hause ungebührlich schnell verlor. Er flog schon mit den Flügeltanks, der Rumpftank war ja als erster leer. Mal ausrechnen. Blödsinn, das bringt nichts. Ändert sich zu schnell. Ich tu so, als ob alles in Ordnung wäre und fliege nur ein bisschen langsamer. Energie sparen.

Er befand sich schon beinahe in Sichtweite der grünen Hügel, als der Motor spotzte, dann kurz normal weiterdrehte, dann wieder spotzte und endlich genug hatte, nein zu wenig, und stehen blieb. Die Schraube drehte sich nicht mehr. Das war anders als bei der 88. Und Segelfliegen mit der 109 ist ähnlich schlecht wie mit dem SG38. Ein Scheißgleitwinkel. Er steuerte nicht gerne nach unten, aber die Abreißgeschwindigkeit war schnell erreicht, zu schnell. Das Ruder wurde sehr, sehr weich. Drücken. Alles wieder lenkbar. Ich hätte viel höher fliegen sollen. Die 1000 Meter lassen mir nicht viel Möglichkeiten. Außenlandung. Scheiße, das Fahrwerk. Lieber gleich probieren. Nein, macht die Strömungsgeschwindigkeit noch ungünstiger. Erst probieren, wenn's so weit ist. Das ist dann die dritte Außenlandung in meinem Leben. Die ersten beiden waren nicht so erfolgreich. Also machen wir es diesmal besser. Notlandeplatz. Hmm. Viele Hügel. Noch nicht bewaldet, aber da vorne dann schon. Nicht wieder in die Bäume. Das hatte er schon. Ah, hier. Da. So etwas wie ein Hochtal und der Boden einigermaßen eben. Zumindest von oben. Fahrwerk? Geht tatsächlich. Was für ein Glück. Genug elektrische Energie in der Kiste. Klappen raus. Ziemlich schnell, der Anflug. Höhe seh' ich selber. Wie im SG38. Slippen mit der 109? Probieren. Querruder nach rechts. Seitenruder mit dem Pedal nach links. Mag sie nicht gerne. Sie hat's einfach schneller lieber. Aber dazu braucht es Benzin, du blöder Vogel. Wieder gerade stellen. Viel Höhe gibt es jetzt nicht mehr zum Spielen. Mist, da sind Schafe. Weg ihr dummen Tiere. Sie liefen wie auf Kommando tatsächlich seitlich weg. Die Angst vor dem Raubvogel, vermutlich.

Hart aufgesetzt, noch mal hochgehüpft. Dann wieder am Boden. Ist doch nicht so eben. Die Schafe haben wohl herumgekratzt. Aber nach einigem Hin und Her rollte er aus und blieb stehen. Uff.

Fritz öffnete das Kabinendach und kletterte hinaus, umkreiste seine Maschine und stellte mit Verwunderung fest, dass alles gut aussah. Kein Defekt. Bis auf die blöden Fetzen unter dem linken Flügel. Das hätten sie sich auch sparen können, die Engländer. Meine Güte. Eine 109 weniger haben sie wohl gedacht. Na ja, bei uns ist eine weniger schon von Bedeutung. Anders als bei den Amis.

„Was jetzt tun? Funken.“ Er sendete nette Worte in den Äther, aber keinen kümmerte es. Die waren wohl mit sich selbst beschäftigt. Vorsichtig näherten sich Fritz zwei graue, mittelgroße Hunde. Sie waren eher misstrauisch als kampfeslustig.

„Kommt nur her. Ich habe aber nichts zu essen für euch.“ Sie schnupperten an Fritz' Knochensack, ein Streicheln verbaten sie sich und sprangen vorsichtshalber zurück, um einen sicheren Abstand zu halten.

„Passt auf. Wir machen es so. Ihr hütet eure Lämmer weiter und lasst meine Kiste in Ruhe. Und ich gehe nach Hause. Ist das in Ordnung für euch?“ Es war in Ordnung. Beide trotteten von dannen. „Und nichts klauen“, rief Fritz ihnen nach.

So, wohin jetzt. Nach Nordosten. Wird schon dämmrig. Weit kann es nicht sein. Er versuchte die Stelle auf seiner Karte zu identifizieren und kam dann auf eine Strecke von weniger als zwanzig Kilometern bis zu seinem Flughafen. Das ging. Aber es würde ziemlich dunkel werden. Aufpassen auf Löwen, Tiger und Jaguare. So ein Quatsch. Tiger und Jaguare gab es hier nicht. Löwen vielleicht. Und Leoparden. Eigentlich auch nicht. Alle weiter südlich im Land. Der König der Löwen aus dem Dschungel. Nein, im Dschungel lebt er nicht, der König. Nur im Märchen. Scheiß auf Löwen, ich geh' jetzt los. Schlangen. Spinnen, Skorpione? Kann ich keine Rücksicht darauf nehmen. Man kennt dieses Land eben nicht. Am wenigsten Angst hat man ohne Wissen. Wenn nichts dazwischen kommt, bin ich um, sagen wir mal, in vier bis fünf Stunden, also noch vor Mitternacht da. Kompass? Kann ich nicht ausbauen. Egal. Ich nehme die Sterne. Weiter als meine Wanderung am Lysefjord ist das auch nicht. Nur eine andere Welt, diesmal. So richtig kalt wie in der Wüste wird es wohl nicht hier. Die Pistole, ja, die sollte ich mitnehmen. Etwas zu trinken? Hab ich nicht. Sollte aber kein Problem sein. Tschüs, Flugzeug. Fürchte dich nicht. Wirst abgeholt. Wie soll das denn gehen? Die Techniker werden schon etwas wissen.

Er winkte den Hunden zu, nach wie vor war kein Mensch zu sehen. Hätte auch nur gestört. Da hätte man sich unterhalten müssen, keiner kannte die Sprache des anderen und es wäre nicht sicher gewesen, ob alles friedlich geblieben wäre. Sind ja keine intelligenten Schäferhunde, die Menschen.

Sein Weg wurde etwas abgelenkt durch den Verlauf eines Tales. In direkter Linie durch das dichte Gebüsch zu gehen, schien ihm nicht günstig. Wenn es Schlangen gibt, dann dort. Ein anderes Tal brachte ihn wieder auf den richtigen Kurs. Aber jetzt baute sich eine dunkle Wand vor ihm auf. Die zu umgehen würde ihn weit weg vom Kurs bringen. Also hinein und durch.

Der Boden war mit Nadeln gepolstert, die Bäume hoch, sehr angenehm. Welcher Art sie waren, konnte er wegen zunehmenden Lichtmangels nicht mehr feststellen. Auch die Sterne halfen ihm jetzt nicht, weil die Baumkronen die Sicht versperrten. Angstvolle Gemüter würden hier nicht mehr weitergehen, fand er. Die Geräusche waren vielfältig und merkwürdig. Ein Pfeifen hier, ein Meckern da, in der Nähe ein Rascheln und etwas weiter weg ein wütendes Schlachtgetümmel, das mit einem klagenden Schrei endete. Aha, ein Räuber hat Beute gemacht. Nicht nett, die Räuber. Fast wie Menschen.

Komisches passiert einem. Gerade noch habe ich aus der Luft mit einer hochentwickelten Maschine Menschen reihenweise abgeknallt und ein paar Stunden später gehe ich möglichst leise und unauffällig ohne die geringste Unterstützung der Zivilisation durch eine Welt, in der ich nichts zu suchen habe und die mich ganz bestimmt nicht willkommen heißt. Wenn sie mich in Ruhe lassen nur deswegen, weil sie mich nicht einschätzen können. Sehen und Hören können sie mich bestimmt. Im Gegensatz zu mir. Ich kann niemanden entdecken. Ob die Steinzeitmenschen darin besser waren? Bestimmt, sonst hätten wir als Art gar nicht überlebt. Mich gäbe es dann übrigens auch nicht. Ist schon gut, wenn man gute Sinne hat. Für die Menschheit an sich. Wir sind der Ansicht, wir benötigen das nicht mehr. In meinem jetzigen Falle wäre es mir aber deutlich wohler, wenn ich über einen besseren Geruchs- und Gehörsinn verfügen würde.

Er hatte offensichtlich den Gipfel erreicht, weil sein Weg ihn jetzt immer deutlicher nach unten führte. Und plötzlich blieb der Wald zurück und entließ ihn in eine weite Steppe. Ganz hinten sah er Lichter. Das musste der Flugplatz sein.

Nach einer halben Stunde war er da und schritt zielstrebig aufs Kasinozelt zu. Jetzt ein Bierchen. Das wäre das Paradies. Geraucht hatte er die letzte Zigarette am Nachmittag, als er noch gar nicht ahnte, dass er noch einmal los musste.

„Ein dreifaches Prost auf den überwältigenden Sieg, Männer“, hörte er einen grau uniformierten Mann brüllen.

„Und wir haben dazu beigetragen.“ Die Stimme kannte er. Es war Toni.

„Jetzt haben wir und auch die Engländer mal gesehen, was die Amis für Schlappschwänze sind. Viel mehr Material und Menschen als wir und was haben sie gemacht? Sind geflohen wie die Hasen. Hahaha. Jetzt wissen sie, wie das ist, sich mit uns anzulegen. Geschieht ihnen recht, dieser verweichlichten Bande. Da haben die gedacht, machen wir mal einen Ausflug in die alte Welt und zeigen denen dort, wo's langgeht. Haben sich aber sauber gebrannt. Wunderbar. Die kommen nicht wieder.“

„Und ob die wiederkommen“, sagte ein Grauer leise zu Fritz. „Die lernen schnell und die haben kein Problem mit dem Nachschub. Wirst schon sehen.“

„Das befürchte ich schon auch.“

„Eben. Hast du schon gehört. Die 6. Armee ist alle. In Stalingrad.“

„Was? Was meinst du?“

„Na. Stalingrad. Russland. Haben sich ergeben.“

„Die Russen?“

„Nein. Wir. Hab' ich doch gerade gesagt oder biste schwerhörig.“

„Aber ich dachte, wir haben Stalingrad fest in der Hand.“

„So kann man sich täuschen. Und das wird nicht die letzte Täuschung sein. Kannste mir glauben, Flieger. Und jetzt verdufte ich, sonst zeigst du mich noch an.“

„Bestimmt nicht“, murmelte Fritz.

„Habt ihr nichts mehr gehört von ihm?“ Das war Werners Stimme.

„Nein. Ich hab ihm gesagt, er wäre angeschossen wurden und dann hat er gemeint, er fahre jetzt lieber nach Hause. Mehr weiß ich nicht“, antwortete Otto.

„Und keiner hat ihn gesehen?“

„Nein. Wir wissen noch gar nichts.“

„Scheiße, Scheiße, Scheiße. Und jetzt ist es auch zu dunkel zum Suchen.“

„Vielleicht mit dem Auto.“ Das war Albi.

„Nee, das bringt auch nichts. Wir können ja nicht in gerader Linie fahren“, sagte Hugo. „Schöner Mist das. Ausgerechnet der Fritz.“

„Was soll das heißen?“, sagte einer.

„Was ich gesagt habe, du Eumel.“

„Werd' nicht gleich beleidigend. Ich finde nur, alle sind gleich wichtig.“

„Seh ich genauso“, sagte Fritz, der unbemerkt hinzugetreten war. „Jeder ist gleich wichtig.“

„Eben. Ist halt einer weniger, jetzt. So ist das nun mal im Krieg.“

„Fehlt noch einer?“, fragte Fritz.

„Nein.“ Werner war sichtlich sauer. „Mich interessiert aber nur einer. Und der fehlt.“

Fritz klopfte ihm auf die Schulter.

„Was ist?“ Werner drehte sich unwillig um. „Himmel, Fritz. Spinnst du? Bist du ein Geist? Ich glaub, mir wird ganz anders. Kommt vom vielen Bier und vom Heulen. Mann, was ist das für eine Aufführung hier? Ich kenn' mich jetzt gar nicht mehr aus.“

„Vielleicht war er das gar nicht, der angeschossen wurde“, sagte Albi.

„Doch, war er“, meinte Fritz lachend. „Hab nur einen kleinen Abendspaziergang gemacht.“

„Mann, was bist du für ein komischer Mensch. Melde dich bei deinem Anführer. Der kriegt sonst auch noch einen Weinkrampf.“

Fritz hatte Jorne berichtet, der nur geistesabwesend gemeint hatte, das wäre der einzige Verlust gewesen heute und also gar nicht so schlimm. Ohne noch einmal die Kameraden aufzusuchen, war Fritz ins Bett gegangen.

„Mann, hatte ich Angst um dich. Guten Morgen.“

„Was? Wo bin ich? Toni, du?“

„So fest habe ich dich noch nie schlafen sehen.“

„War wohl nötig. Jetzt erinnere ich mich. Drei Starts an einem Tag und dann. Scheiße, meine Maschine ist nicht da, oder?“

„Nein, Fritz. Nur du bist da.“

„Ich geh' jetzt frühstücken.“

„Du sollst zu deinem Staffelführer“, sagte die Ordonanz.

„Gleich.“

„Nein, jetzt hat der gesagt.“

„Jetzt oder gleich, was macht das schon?“

„Ich hab's dir jedenfalls gesagt.“

„Danke.“

„Kann man von da starten?“, sagte Jorne.

„Nein, ist zu hoppelig.“

„Hoppelig. Ich glaub, ich spinne.“

„Außerdem ohne Sprit und mit leckem Tank?“

„Da ist was dran. Ich geh mal fragen.“

Er kam nach einigen Minuten wieder. „Kein schweres Gerät zur Verfügung. Wir sollen sie abfackeln.“

„Meine wunderschöne 12 abfackeln? Der fehlt doch nichts Wesentliches.“

„Mach einen Vorschlag.“

„Womit denn abfackeln?“

„Benzin drüber und anzünden, was sonst.“

„Da ist kein Benzin und eine Tankstelle gibt es auch nicht.“

„Hmm. Glasklare Analyse. Und nun?“

„Wir fahren hin, nehmen einen Kanister mit und dann… weiß auch nicht.“

„Abfackeln.“

„Nein“, rief Fritz.

„Die Schäfer haben sie doch bestimmt schon zerlegt.“

„Ich habe den Hunden gesagt, sie sollen sie in Ruhe lassen.“

„Du wirkst ein wenig konfus, wenn ich das so sagen darf.“

„Ich will nur meine Kiste retten.“

„Da hättest du sie herbringen sollen. Durch die Luft.“

„Hahaha.“

Nach einer betretenen Pause, beide schauten ihre Schuhe an, sagte Jorne. „Ist schon viel Geld, das man da abfackeln würde.“

„Eben. Wir rollen sie nach Hause. Mit einem Zugfahrzeug.“

„Siehst du hier eines?

„Nein. Ein Panzer wäre das Richtige.“

„Klar. Gute Idee.“

„Wir nehmen einen von den Amipanzern. Da stehen doch eine Menge verlassen herum.“

„Und du bringst den vom Kasserinpass hierher. Über 100 Kilometer. Schwachsinn.“

„Ich fahr da jetzt hin. Einen Kübel wird es doch geben.“

„Nur vom Heer.“

„Ich frag einen. Vom Heer.“

„Die haben einen, ja. Aber nur einen und der ist gerade nicht da.“

„Scheiße.“

„Du nimmst jetzt die Kiste vom Toni und fliegst hin. Ach so, bringt ja nichts, wenn wir sie sehen. Kein Start möglich hast du gesagt. Mir reicht's jetzt. Wir machen gar nichts. Ich melde den Verlust und fertig.“

„Mein Schal ist da noch, nein, Blödsinn, den habe ich ja gottlob vergessen. Die Hirten werden sich freuen. Jetzt haben sie ein eigenes Jagdflugzeug.“

„Ich muss jetzt zu deinen Freunden von der Aufklärergilde. Sie sollen den Zustand am Pass erkunden.“

„Da fahr ich mit.“

„Du spinnst wohl. Aber wieso eigentlich nicht. Du hast ja kein eigenes Flugzeug mehr.“

„Werner. Darf ich fliegen? Wie in alten Zeiten?“

So weit kommt's noch. Andererseits, so ein bisschen Nostalgie, warum nicht? Ich frag mal Horsti.“

Horsti machte es nichts. Und so saßen sie in der Ju 88 wie vor langer Zeit.

„Mach sie nicht kaputt. Mehr Gas oder willst du, dass die Zylinder verrußen?“

„Nein, Werner. Mach' ich, Werner.“

„Etwas feinfühliger. Nicht so rumreißen. Ist doch kein Spielzeug, wie dein blöder Kinderwagen.“

„Von wegen Kinderwagen“, sagte Albi von hinten. Es war wirklich alles so wie früher.

„Zähl mal die herumstehenden Gerätschaften, Werner. Ich kreise ein bisschen auf der Stelle.“

„Wahnsinn. Das sind mehr als 180 Panzer. Jetzt zähle ich mal die Geschütze. Kannst du ein bisschen tiefer gehen?“

„Über 200. Das nenn' ich fette Beute. Hoffentlich finden sie auch passende Munition. Das würde die Amis aber gehörig ärgern. Komm, wir fahren nach Hause.“

„Flieg mal dahin, wo deine Kiste geparkt ist“, sagte Albi.

„Gute Idee. Ich wink' dann meinen Freunden, den Schäferhunden.“

„Scheiße, Scheiße. Da, wo meine Maschine stand, ist jetzt nur noch Qualm. Wie kann das sein?“

„Die Hirten haben ein Lagerfeuer daraus gemacht.“

„Quatsch. Da brennt doch kaum etwas. Munition war da auch nicht mehr.“

„Dann hab' ich nur eine Erklärung“, sagte Werner. „Und die ist nicht gut.“

„Hallo, Leute. Mist, habe meine Zigarre vergessen. Kommt einmal zusammen.“ Jorne schien nicht sehr wohlgelaunt zu sein.

„Wenn Herr Horst uns die Ehre geben könnte, dann würde ich anfangen… Danke, Kamerad. Was hast du gemacht? Na rot brauchste jetzt nicht gleich werden. Dein Privatleben geht mich nichts an, wenn du mich damit in Ruhe lässt.“ Horst wurde noch ein bisschen röter. Er hatte also wirklich etwas gemacht, was die anderen nicht wissen sollten. Fritz schalt sich selbst wegen seiner ausufernden Phantasie.

„So. Sind wir jetzt konzentriert? Was der Aufklärer, also dieser Werner berichtet hat, passt ins Bild. Ach so, Fritz, du warst ja dabei, du Abtrünniger. Wir müssen davon ausgehen, dass das amerikanische Jagdbomber waren, die Fritz' schöne Kiste zerbröselt haben. Es wurden nämlich einige an verschiedenen Orten gesichtet. Und nicht nur das. Die Amis haben zwar schauderhaft verloren, aber es hat dazu geführt, dass sie ihren Anführer rausgeschmissen haben. Das macht jetzt ein Herr Eisenhower und ein Herr Patton. Und angeblich sind die aus anderem Holz geschnitzt. Die schonen ihre Riesenbabys nämlich nicht mehr. Und Material haben sie ja genug. Der langen Rede kurzer Sinn: Einpacken. Wir dürfen nach Palermo. Wer weiß, wo das ist?“

Fritz Finger ging als erster nach oben. Dann folgte Hugo.

„Ja, Hugo. Sage er es uns.“

„Sizilien.“

„Exakt. Guter Mann. Aufgepasst in der Schule. Was ist Fritz?“

„Warum nicht Catania? Da ist unser Stützpunkt.“

Jorne sah Fritz an. „Wollt ihr es wirklich wissen? Kuck mal, Fritz, für dich sag' ich es. Die anderen hier wissen eh nicht, wo das alles ist. Unsere Leute haben etwas herausgefunden. Die Amis wollen auf Sizilien landen. Bei Gela und Licata und dann schnell nach Syracus und Catania.“

„Wie bitte? Die wollen auf Sizilien landen? Das kann doch nicht wahr sein.“

„Wir werden es kaum verhindern können, so wie ich die Lage einschätze. Und unsere hohen Herren sehen das wohl genauso.“

„Was werden unsere italienischen Freunde dazu sagen?“

„Die können auch nichts mehr machen. Bei denen ist die Luft noch mehr raus als bei uns. Die ballern ein bisschen herum, wenn die kommen. Sollten aber lieber gleich aufgeben. Das bringt doch nichts mehr. Meine Meinung.“

„Der schöne Sieg am Pass“, brummte Hugo. „Alles für die Katz.“

„Behaltet es im Gedächtnis, Jungs. Wird nicht mehr so viele schöne Erinnerungen geben.“

Fritz war ehrlich schockiert.

„Übrigens, falls es von Interesse ist: Wir werden jetzt dem X. Fliegerkorps unterstellt. Geballte Kraft gegen den Feind. Hahaha.“

„Das ist ja großartig.“ Fritz atmete tief durch.

„Was ist daran großartig? Für uns ändert sich gar nichts.“

„Für mich schon. Eins eff 121 ist dann mit dabei.“

„Die Aufklärer? Ja, denk ich schon. Was sollen die auch alleine hier, oder? Also, der Aufklärer. Mehr sind sie ja nicht mehr. Wegtreten und packen. Dann geht’s los.“

„Womit?“, fragte Fritz.

„Ja, jeder mit seinem… ach so, du bist ja ein Fußgänger. Hmm. Dann musste halt hierbleiben und die Amis bekochen. Wart mal, ich komm' gleich.“

„Du nimmst den Kübel. Einen Fahrer wirst du auch haben. So wichtig bist du fürs Vaterland.“

„Kann der Kübel schwimmen?“