Denken ist so eine Sache - Friedrich Haugg - E-Book

Denken ist so eine Sache E-Book

Friedrich Haugg

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Interessiert an den großen Fragen des Lebens? Kein Grund zur Beunruhigung. Dafür können Sie nichts, dafür sind Ihre Gene verantwortlich. Viele Menschen lassen allerdings andere diese mühselige Arbeit machen und plappern sie nach, mehr oder weniger kritiklos. Wenn Sie das nicht wollen, denken Sie doch mal selbst. Gar nicht so leicht übrigens im Zeitalter von globalen und sozialen Massenmedien, Konsum- und Zeitvertreibsangeboten aller Art. Mich treibt die Frage, wie das Denken funktioniert und ob man es nachbauen kann, schon seit 50 Jahren um als jemand, der die Entwicklung des Computers von den Anfängen an beruflich miterlebt hat. Heute glaube ich zu wissen: Wir werden es nicht herausbekommen und nachbauen sowieso nicht. Also, alles Nachdenken überflüssig? Nein, ganz und gar nicht. Wie das immer so ist, bringt uns der Weg wichtige Ergebnisse und nützliche Erkenntnisse über uns selbst und unsere Mitmenschen. Als Ausgangspunkt dient mir die evolutionäre Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz und Karl Popper. Sie sorgt für eine etwas bescheidenere Sicht auf die Welt. Und gleichzeitig für das Staunen und den großen Respekt vor den Fähigkeiten der Natur. Um dies zu verstehen, benötigt man kein Fachstudium, sondern nur schlichtes, diszipliniertes Denken. In diesem Buch geht es um die ewige Suche nach dem, was wirklich ist. Es erklärt, wie das Denken in die Welt kam und wie es funktioniert. Wie wir tatsächlich denken, ist eine genauere Betrachtung wert. Und dann noch die Frage, was Intelligenz ist und ob wir das mit Maschinen nachbauen können. Schließlich gehen wir der Frage nach, ob Maschinen tatsächlich etwas Neues erfinden können. Der Ausblick über das, was zu befürchten ist und was dennoch Hoffnung macht, beschließt das Buch. Viel Spaß.

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Friedrich Haugg

Denken ist so eine Sache

Interessiert an den großen Fragen des Lebens? Kein Grund zur Beunruhigung. Dafür können Sie nichts, dafür sind Ihre Gene verantwortlich. Viele Menschen lassen allerdings andere diese mühselige Arbeit machen und plappern sie nach, mehr oder weniger kritiklos. Wenn Sie das nicht wollen, denken Sie doch mal selbst. Gar nicht so leicht übrigens im Zeitalter von globalen und sozialen Massenmedien, Konsum- und Zeitvertreibsangeboten aller Art.

Bücher gibt es massenweise übers Denken. Die meisten Werke sind Ratgeber für ein erfüllteres Leben, am besten mit einem Zehnpunkteprogramm für positives… Sie wissen schon. Der Rest ist tiefgreifende, also unverständliche und sehr spezielle Fachliteratur von Neurologen, Psychologen, Informatikern oder Biochemikern. Hilft also nicht weiter.

Mich treibt die Frage, wie das Denken funktioniert und ob man es nachbauen kann, schon seit 50 Jahren um als jemand, der die Entwicklung des Computers von den Anfängen an beruflich miterlebt hat.

Heute glaube ich zu wissen: Wir werden es nicht herausbekommen und nachbauen sowieso nicht.

Also, alles Nachdenken überflüssig? Nein, ganz und gar nicht. Wie das immer so ist, bringt uns der Weg wichtige Ergebnisse und nützliche Erkenntnisse über uns selbst und unsere Mitmenschen.

Als Ausgangspunkt dient mir die evolutionäre Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz und Karl Popper. Sie sorgt für eine etwas bescheidenere Sicht auf die Welt. Und gleichzeitig für das Staunen und den großen Respekt vor den Fähigkeiten der Natur.

Um dies zu verstehen, benötigt man kein Fachstudium, sondern nur schlichtes, diszipliniertes Denken.

Viel Spaß.

Friedrich Haugg, geboren 1945, Diplom-Mathematiker und Ex - Manager hat 25 Jahre in der Luft- und Raumfahrtindustrie gearbeitet und den Umgang mit Computern von der Pike auf gelernt. Nach der Veröffentlichung von fünf Sach- und Fachbüchern bei Hanser und Franzis und von Softwareprogrammen für das Gehirntraining bei United Soft Media hat er beschlossen, sich zum Schreiben von Romanen zu begeben, um zu unterhalten, aber auch um die Ambivalenz der Menschen im Umgang mit der rasanten Technologieentwicklung zum Thema zu machen.

Von Friedrich Haugg erschienen:

Das schmale Fenster - Ein Thriller über die Pharmaindustrie, ISBN 9783844253658

Fortschritt - Ein Thriller über die Überwachungsindustrie, ISBN 9783844290356

Zehn gute Jahre – Ein Abenteuerroman in 7 Bänden aus einer Zeit, die entscheidend war, für das was wir heute selbstverständlich finden (14 ISBN's für Softcover und eBook, siehe meine Webseite)

Mitterfirmiansreut - auch ein Kriminalroman (ISBN 978-3-754140-20-8 als eBook und ISBN 978-3-754140-57-4 als Softcover)

www.friedrich-haugg.de

Einen Kreis gibt es nicht – Mathematik erklärt uns die Welt, wie sie nicht ist (ISBN  978-3-754167-52-6 ebook und ISBN  978-3-754162-86-6 Softcover)

Impressum

Ungekürzte Ausgabe September 2021

Texte: © copyright by Friedrich Haugg

Umschlaggestaltung: © copyright by Friedrich Haugg

Verlag:

Friedrich Haugg

Jägerstraße 3

82347 Bernried

[email protected]

Druck und Vertrieb:

epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Friedrich Haugg

Denken ist so eine Sache

Was man heute darüber weiß und was nicht

Eine sachliche Erzählung

für Katharina

und

für Yvonne

und

für Emily,

und Nick,

wenn er einmal erwachsen genug, um zu lesen.

Mein Dank gilt meinen beiden „chiens magnifique“, den Pyrenäenschäferhunden Anouk und Alex, weil ich durch sie mehr über das Denken gelernt habe als von manchen Menschen.

„Wir können überhaupt nicht denken, ohne unsere fünf Sinne zu gebrauchen.“

(Albert Einstein)

„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“(John Locke), „außer dem Verstand selbst.“ (G.W. Leibniz)

„Das Gehirn ist nicht dazu da, die Welt zu verstehen, sondern sich in ihr zurechtzufinden.“ (Konrad Lorenz)

„Falls Gott die Welt erschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, dass wir sie verstehen können.“

(Albert Einstein)

Motivation

Gedichte und insbesondere Lyrik haben mich früher nie interessiert. Rilke ist etwas für pubertäre, unreife Schwärmer. Ich bin schließlich Naturwissenschaftler und damit nicht nur der Logik verpflichtet, sondern auch ein glühender Anhänger geistiger Strenge, der sich Einsteins Unterscheidung von Denkgewohnheit und Denknotwendigkeit zu eigen gemacht hat.

Das hat sich eigentlich nicht geändert. Ich bin nur auf etwas gestoßen, was mich zugegebenermaßen irritiert hat.

Es ist dieses Gedicht von Baudelaire und es ist der Anlass, dass ich dieses Buch schreibe. Ich habe gegoogelt, dass es verschiedene Übersetzungen davon gibt. Eine hat mich tief berührt.

„Komm, meine schöne Katze,

an mein verliebtes Herz;

zieh nur die Krallen deiner

Tatze ein und lass mich

tief in deine schöne Augen

tauchen, in deren Glanz Metall

sich und Achat vermischen.“

Warum ist die Wirkung so? Das ist eine teuflisch schwere Frage. Viel schwerer noch als sie auf den ersten Blick vermuten lässt.

Wie Sie später immer wieder lesen werden, besteht mein Trick, etwas zu ergründen aus der (theoretischen) Konstruktion einer Maschine, die ebendies leistet.

Bauen wir also so eine Maschine. Es handelt sich natürlich um einen Computer. Wir fangen an, eine Software zu schreiben und merken schnell, dass das nicht so einfach geht. Fachleute würden das KI nennen. Also mit PYTHON programmieren. Ist gar nicht so schwer, diese Computersprache.

Neben den Grundfunktionen 'Text lesen' und 'Text ausgeben' muss unsere Software den Text syntaktisch zerlegen. Für eine Überprüfung muss sie alle Regeln der deutschen Sprache wissen. Also Worttypen wie Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien, Pronomen und so. Die ganzen Konjugations- und Deklinationsmöglichkeiten. Dazu die möglichen Satzkonstrukte. Das ist nicht einfach zu realisieren. Aber andere haben es schon ziemlich gut gemacht. Sind wir also zuversichtlich, dass das geht.

Ab jetzt wird es schwieriger: Die Semantik. An diesem Thema wird in der KI derzeit ordentlich geforscht. Was das ist? Nun, Steine fahren nicht, Autos träumen nicht oder Kühe tanken nicht. Solche Konstrukte wären syntaktisch einwandfrei, aber ansonsten einfach sinnlos, also falsch.

Wir verbinden noch die Wörter der deutschen Sprache mit einer Wissensdatenbank, vor allem einer, in der auch noch viel benutzte Redewendungen gespeichert sind. Gibt es. Für die Entwicklung der Software keine große Sache, für die Rechenleistung, die wir benötigen allerdings eine gewaltige Herausforderung.

Jetzt ergänzen wir noch das Thema Versmaß, also zum Beispiel Jambus, Trochäus oder Daktylus. Sollte nicht so schwer sein, wenn man bei den Wörtern auch noch die Betonung speichert. Das macht man mit dem alternativen phonetischen Alphabet. Ist ein bisschen mühsam, aber das geht.

So, ein erster Versuch: Wir geben das Gedicht ein und lassen unsere neue Software eine Bewertung erzeugen.

Nach einiger Zeit spuckt sie das Ergebnis aus:

o Es ist ein Gedicht.

o Das Versmaß ist Daktylus.

o Das Versmaß wird unerlaubt an manchen Stellen gebrochen. Kann sinnerhaltend verbessert werden.

o Dass die Katze kommt, ist unwahrscheinlich. Katzen kommen im Regelfall ohne Anlockung durch Speisen nicht.

o Dass die Katze schön ist, ist eine subjektive Betrachtung. Dazu fehlt ein Kriterium für 'schön'.

o Ein Herz kann nicht verliebt sein. Verliebt ist ein Begriff, der nur auf eine ganze Person angewendet werden kann.

o Beim Einziehen der Krallen besteht eine Ungenauigkeit, da die Tatze im Singular die Möglichkeit der Auswahl aus vier Tatzen, über die eine normale Katze verfügt, erschließt. Das wurde aber nicht spezifiziert.

o In Augen tauchen ist nicht möglich. Tauchen setzt eine genügend große Flüssigkeitsmenge, im Regelfall Wasser voraus.

o Glanz entsteht durch einen Flüssigkeitsfilm auf dem Augapfel. Glanz ist somit keine Eigenschaft des Auges. Die Reflexivität 'deren Glanz' ist somit falsch angewendet.

o Metall und Achat vermischen sich nicht. Achat ist eine Varietät von Quarz mit der Mohshärte 7. Eine Mischung mit Metallen setzt eine vorhergehende mechanische Bearbeitung voraus (Zerreiben, Auflösen in Säure oder Ähnliches). Die Eigenschaften der Mischung, insbesondere das Aussehen ist ohne spezifischere Angaben nicht vorhersagbar.

o Dass durch den Glanz die beiden Stoffe vermischt werden, ist nicht möglich, da Glanz kein Material ist, sondern eine energiearme Lichterscheinung.

o Gesamtbeurteilung der Gedichtqualität: 3 von 10 Punkten.

Wenn er meint, der Computer. Da habe ich wohl etwas Falsches programmiert.

Auf der Suche nach besseren Algorithmen wird es schwierig. Mein Freund Werner fand das Gedicht nämlich blöd, langweilig und schnulzig.

Also könnte ich maximal meinen eigenen Geschmack programmieren. Aber wie? Nach welchen Kriterien? Lass mich doch einmal feststellen, warum mir das Gedicht so gut gefällt:

Es hat einen wunderbaren Sprachrhythmus. Der Übersetzer hat das unglaublich gut getroffen. Das ist wie Musik in meinen Ohren. Außerdem liebe ich Katzen und kann mir die erwähnte Katze genau vorstellen. Anschmiegsam, schnurrend, unbestechlich und weggehend, wenn sie genug hat. Oder dableibend und die Krallen mit einem drohenden Fauchen doch wieder ausfahrend. Die Tatzen sind wunderbar weich - ohne die Krallen. Und dann die Augen. Die Härte und Unerbittlichkeit von Stahl und die verzaubernde Schönheit des Farbspiels von Achat. Wie Katzen halt so sind. Ein paar Augenblicke voller Entspannung und Glücksgefühle.

Das nächste Mal verzückt mich der Anblick eines Bergsees im Abendlicht, ein Bild von Kandinsky oder Mozarts Requiem oder ein mir bisher unbekannter Titel von Sting. Keine Ahnung, was noch auf mich zukommt, was solche Momente auslöst.

Das ist der Punkt: Das alles ist nämlich vollkommen algorithmusungeeignet. Weil wir gar nicht vorher wissen, und damit auch nicht beschreiben können, was möglicherweise ein so schönes Gefühl auslöst. Klar wird es mit dem Alter besser eingrenzbar, was gute Gefühle auslösen wird und was Ekel. Wie zum Beispiel für mich die momentan aktuelle Geräuschentwicklung, hergestellt von Computern und präsentiert von völlig untalentierten, aber nach dem Zeitgeschmack gestylten Personen, die die Jungen 'ihre' Musik nennen. Aber das ist eine Betrachtung unter Zuhilfenahme vergangener Erlebnisse. Erlebnisse, bei denen häufig Verschiedenes zusammentraf. Ein nachträglicher Algorithmus hilft da nicht weiter, denn er würde zukünftige Überraschungen ausschließen. Und die gibt es, immer wieder einmal. Außer man denkt, dass alle Wohlfühlereignisse bereits in der Kleinkindphase endgültig festgelegt werden. Das möchte ich nicht und meine Erfahrung spricht gottlob eindeutig dagegen.

Ich hole noch etwas aus, wegen der Denkgewohnheiten und der Denknotwendigkeit. Nehmen wir Musik.

Als ich hauptsächlich pubertär war, kamen die Beatles zum Vorschein. Auch jetzt, gut 50 Jahre später, liebe ich sie. Mein Freund Jürgen B. Ist zehn Jahre älter. Er liebt coolen Kneipenjazz. War gerade in, als er pubertär war. Jetzt könnte man sagen: Aha, da wurde es geprägt. Pubertät, erstes Knutschen und so. Falsch. Damals habe ich lebenskulturbedingt noch keinerlei Berührung mit, sagen wir einmal Bach. Den habe ich erst viel später kennengelernt. Und nichts bewegt mich so wie Musik von ihm. Übrigens: Die Popmusik der 60er bis 90er Jahre war eindeutig um Welten besser als das heutige Angebot. Der Computer hat keine neuen Möglichkeiten geschaffen, er hat sie abgewürgt. Kein Instrument lernen und alles eine Maschine machen lassen, führt nicht zu guten Ergebnissen.

Das mit dem Geschmack, der Schönheit und den Gefühlen wird die Maschine also nie können. Und zwar deswegen, weil wir ja wissen müssten, wie wir sie programmieren sollen.

Jetzt kann einer einwenden: Wenn wir das Selbstlernen einer KI-Software weiter verbessern, wird die Maschine das schon einmal von sich aus richtig machen.

Das Dumme ist nur: Es gibt kein richtig. Richtig ist in diesem Bereich etwas sehr Individuelles und auch noch Stimmungsabhängiges. Die Maschine wäre dann nur ein Klon meiner Person. Dieses ungeahnt große Problem beschäftigt uns in einem späteren Kapitel – von der anderen Seite her.

Ha, werden Sie sagen. Der redet jetzt von Gefühlen. Es geht doch ums Denken in diesem Buch, oder?

Dieser Einwand erzeugt bei mir ein überhebliches Grinsen. Ich übergebe, im sicheren Gefühl des Rechthabens, an Herrn Kant:

„Der Mensch jedoch schöpft die Bestimmungsprinzipien seines Willens nicht allein aus Vernunft, er ist kein rein vernünftiges Wesen, sondern ein teilvernünftiges, ein mit einem sinnlich-affizierten Willen ausgestattetes partielles Vernunftwesen.“

Das, was außer der Vernunft noch seinen Willen bestimmt, sind nach Kant die Neigungen, Komponenten unserer sinnlichen Veranlagung, die auf dem Gefühl der Lust und Unlust beruhen. (von Wikipedia abgeschrieben)

Und weil das so ist, ordnet der Mensch auch sein Denken oft genug seinem Willen unter. Glauben Sie nicht?

Warum gibt es dann konträre Meinungen, die sich nach sachlicher Tatsachenkärung dennoch nicht ausgleichen lassen?

Das stimmt nicht, sagen positiv eingestellte Menschen. Man hat nur noch nicht lange genug diskutiert.

Dazu ein, zugegebenermaßen konstruiertes, Beispiel:

Anna: „Das Auto mag ich nicht.“

Bernd: „Ich würde es kaufen.“

Anna und Bernd sind verständige, moderne Menschen, die schon eine Menge Teambildungs- und Konfliktbewältigungsseminare besucht haben. Sie wissen, was zu tun ist.

Anna: „Wir nehmen uns die verschiedenen Eigenschaften dieses Autos und bewerten die getrennt.“

Bernd: „Mhm. Bei den Eigenschaften sollten wir uns schnell einig werden. Zähl' schon mal auf, liebe Anna.“

Anna: „Gut. Ladies first. Die Farbe, die Form, das Ambiente, der Kofferraum, die Bequemlichkeit der Sitze. Automatik und NAVI.“

: „Da ist aber nicht alles. Die PS, also KW heißt das heute, das Geräusch, die Felgen und der Status.“

Anna: „Typisch. Aber ich bin einverstanden. Nur die Felgen lassen wir weg. Okay?“

Bernd: „Na gut. Jetzt bewerten wir die einzelnen Elemente. Von -10 bis +10. Ich fange schon mal an.

Es gab einige Diskussionen, aber es gelang, Kompromisse zu finden. Die Farbe bekam +2, die Form -3, das Ambiente +6 und so fort. Am Ende zählten sie alles zusammen und kamen auf +2.

Bernd: „Prima. Dann kaufen wir es also.“

Anna: „Nicht so hastig. Wir haben etwas Entscheidendes vergessen.“

Bernd: „Und das wäre, liebe Anna?“

Anna: „Ich finde, der Status und die PS gehen in die Bewertung mit gleicher Gewichtung ein. Aber das sind Dinge, die sind mir völlig gleichgültig. Wichtig ist doch die Bequemlichkeit und der Kofferraum.“

Bernd. „Aber Anna. Die Sitze sind doch heute bei allen Autos gut und der Kofferraum? Ob der ein paar Liter mehr oder weniger hat, was soll's.“

Anna: „Aber die PS sind wichtig und die Marke, oder? Ich brauch' kein Auto zum Angeben. Ein Auto muss nützlich sein.“

Bernd: „Die Marke spielt sehr wohl eine Rolle. Diese hier ist zuverlässig und steht für modernste Ingenieurtechnik.“

Anna: „Und was hab ich von modernster Ingenieurtechnik? Die haben doch alle Autos heute, mehr oder weniger.“

Bernd: „Und eine ordentliche Leistung sorgt für viel größere Sicherheit. Beim Überholen zum Beispiel.“

Anna: „Dann überhol' halt nicht. Bringt doch eh nichts bei dem Verkehr heute.“

Bernd: „Ihr blöden Grünen. Am liebsten wäre euch gar kein Auto. Das möchte ich mal sehen, wie ihr mit dem Fahrrad alles macht. Dass ich nicht lache.“

Anna: „Du wirst unsachlich. Ich will schon ein Auto...“

Bernd: „Willst du gar nicht.“

Anna: „Genug geplaudert. Wir kaufen die Karre nicht. Das hat das Schema ergeben. Und damit Basta.“

Bernd: „Das Schema hat eindeutig ergeben, dass wir das Auto kaufen sollen. Plus 2 ist eindeutig.“

Anna: „Aber falsch. Das sagte ich schon.“

Wie es weiter geht, weiß ich nicht. Fest steht, dass die beiden Meinungen nicht vereinbar waren, trotz systematischer und verständiger Vorgehensweise. Woran lag das wirklich?

Es kommt das ins Spiel, was Kant die sinnlich – affektierte Komponente bezeichnet. Bernd war der Komfort einfach nicht wichtig und Anna nicht die PS-Zahl. Woher diese Gewichtung kommt, liegt tief verborgen und stammt ziemlich sicher aus mittlerweile unbewussten Erfahrungen mit früheren Ereignissen, die ein gutes Gefühl erzeugt haben. Keiner kann zum Beispiel objektiv begründen, warum das Gefühl von Geschwindigkeit großartig ist. Wer versucht, das rational zu begründen, etwa mit dem schnelleren Ankommen, geht an der Wahrheit völlig vorbei.

Der persönliche Wunsch und Wille bestimmt letztlich die Wichtigkeit und Gewichtung der Argumente. Logisch ist das nicht, aber ein Bestandteil des Denkens und auch noch ein sehr bedeutender. Und deswegen werde ich mich auch in diesem Buch damit befassen.

Eines beruhigt mich aber jetzt schon:

Die Maschinen werden uns eventuell ausmerzen, aber überlegen sind sie uns nicht. Diesen Stolz können sie uns nicht nehmen.

Die ewige Suche nach der Wahrheit

Ich meine jetzt nicht die juristische Fragestellung, ob etwa ein Video wahr ist oder fake, wie es heute heißt, also gelogen. Auch das ist nicht so einfach, wie wir wissen. Gerade bei der heutigen Technik. Ich habe dazu einen Krimi über deep fake in Arbeit. Bei den Juristen wird übrigens unterschieden zwischen Wahrheit und Beweis. Sehr erleuchtend, aber das ist ein anderes Thema.

Ersetzen wir Wahrheit durch Wirklichkeit. Wie ist etwas wirklich? Ich bediene mich beispielhaft der Physik, weil es da besonders offensichtlich und besonders grundlegend ist. Und, weil ich mich da ganz gut auskenne. Hier heißt die grundsätzliche Frage: Woraus besteht die Welt wirklich und wie funktioniert sie? Bekannterweise haben unzählige, sehr intelligente Menschen seit mehr als 3000 Jahren damit viel Zeit verbracht und sind zu Ergebnissen gekommen, von denen sie so überzeugt waren, dass sie auch andere überzeugen wollten. Sogar unter Lebensgefahr. Das kommt oft vor.

Erst gab es die Erde und darüber das Licht. Das kennen Sie schon. Aus der Bibel. Dann waren da Leute, Griechen meistens, die waren damit noch nicht zufrieden.

Woraus besteht sie, diese Welt, das war die Frage. Erde, Wasser, Luft und Feuer. Wunderbar. Das sind die Elemente, aus denen alles gemacht ist. Bei Wasser und Luft passt das schon ganz gut, aber bei der Erde? Die sieht schon recht unterschiedlich aus. Alles eins? Wohl eher nicht.

Herr Demokrit hatte eine unfassbar fortschrittliche Idee:

„Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter, in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum.“

Die Atome können nach Demokrit rund, glatt, unregelmäßig und krumm sein und bilden alles auf der Erde. Wasser und Feuer hat er gleich mit einbezogen. Wirklich hellseherisch ist seine Behauptung, dass Farbe, Geschmack und so weiter nur scheinbare Eigenschaften sind. Darauf komme ich im nächsten Kapitel noch ausführlich.

Als sich die Alchemie noch nicht von der richtigen Chemie unterschied, hat man eine Menge interessanter Dinge gemacht, oft auch stinkende, giftige und knallende. So richtig gewusst hat man dabei nicht, was man tut. Daher war der Esoterik Tür und Tor geöffnet.

Es passierte einiges, bis klar war, dass es eine feste Anzahl von Elementen gibt, die man auch noch in ein Schema packen kann, Periodensystem der Elemente genannt. Und dass diese Elemente sich – physikalisch gesehen – nur in der Anzahl von drei Bausteinen unterscheiden, genannt Proton, Elektron und Neutron.

Also nix mehr mit atomos gleich unteilbar, aber ansonsten sehr einleuchtend und vor allem einfach.

Ein witziger Mensch stellte die Frage: Schön und gut, aber woraus besteht denn so ein Proton oder Neutron oder Elektron?

Man hat herausgefunden, wie schwer diese Teilchen sind, welche elektrische Ladung sie haben und so fort. Fragen Sie nicht, wie. Das kann ich nämlich auch nicht genau beantworten. Es scheint aber wohl zu stimmen. Nur blau, schwarz und rot und rund wie in den Schulbüchern sind sie definitiv nicht.

Das ist jetzt schon recht ordentlich und man kann damit auch noch weitergehen und erklären, wie die chemischen Verbindungen zu den Millionen von Substanzen, die es gibt, funktionieren und vor allem, wie man sie herstellt.

Aber das sind nur die Eigenschaften der Protonen und co. Nicht ihr Wesen. Die Frage, woraus sie bestehen, lässt einen einfach nicht los.

Und tatsächlich: Sie bestehen aus etwas weiterem. Mittlerweile ist es nach heutigem Stand ein ganzer Zoo mit noch ganz anderen Eigenschaften, wie Spin, schwache Wechselwirkung und so fort. Und sie folgen einem recht komplizierten, mathematischen Formalismus. (Das macht die Erklärungen schon mal verdächtig, siehe mein Buch 'Einen Kreis gibt es nicht')

Das Schlimmste aber ist, sie haben noch ganz böse Dinge auf Lager. Sie können zum Beispiel gar nicht auf einen Ort und eine Geschwindigkeit genau festgelegt werden. Herr Heisenberg hat das mit seiner berühmten Unschärferelation festgehalten. Diese Teilchen können sogar etwas, was überhaupt nicht geht. Man nennt diese Eigenart 'verschränkt'. Wenn man zwei Teilchen im 'verschränkten' Zustand hat, was immer das auch ist und wie immer man das machen kann, und bringt sie meilenweit auseinander, so scheint eines davon spontan zu 'wissen', wenn sich das andere ändert. Es ändert sich dann auch. Und zwar unmittelbar, ohne ein Signal auszutauschen. Herr Einstein hat das 'spukhafte Fernwirkung' genannt. Ich kann das gut verstehen.

Ach ja, Signal und Einstein. Er hat uns gezeigt, dass nichts schneller sein kann als Licht und dass das sehr, sehr komische Auswirkungen auf unsere festgefügte und bewährte Vorstellung von Raum und Zeit hat.

Viel verrückter ist sie, diese Welt, als wir früher dachten und wie wir sie zu kennen scheinen.

Was machen wir, wenn nun einer sagt: Ich möchte jetzt aber wissen, woraus diese neuen, komischen Teilchen bestehen. Das ist bis jetzt nicht beantwortet. Aber ich bin sicher, das lässt nicht mehr lange auf sich warten.

Und dann kommt die geistige Katastrophe. Wenn dann nämlich wieder einer diese Frage stellt. Wo endet das? Darin, dass wir letztlich das oder die wirklichen Teile gefunden haben? Natürlich nicht. Denn die schreckliche Frage kommt dann sofort...

Merken Sie etwas? Das hört nie auf. Weil es gar nicht aufhören kann. Ob wir Erde, Wasser, Luft und Feuer meinen oder den aktuellen Teilchenzoo, wir sind der Antwort auf die letzten Fragen nicht im Geringsten näher gekommen. Nur immer kleiner und merkwürdiger wurde es und damit mühsamer und unseren Sinnen nicht mehr zugänglich. Das alles könnte uns auf die Idee bringen, dass die Frage selbst schon falsch war. Sie ist es, werter Leser, sie ist falsch. Die Richtige weiß ich aber auch nicht. Ätsch, höre ich aus dem Universum.

Aber wir haben immer mehr gelernt, was wir damit anfangen können. Dafür war die Fragerei richtig gut.

Es gibt sie also grundsätzlich nicht, die letzte Erkenntnis oder die Antwort auf die Frage: Was ist die Wirklichkeit? Das ist äußerst bemerkenswert, weil wir ja immer noch danach suchen.

Während der Suche sind wir auf immer mehr äußerst seltsame Eingenschaften gestoßen. Eigenschaften, die wir ohne sie erklären zu können, hinnehmen müssen, deren genaue Beobachtung sich aber für technische Entwicklungen als äußerst nützlich erwiesen haben.

Ein eklatantes Beispiel ist die Elektrizität. Erst vor Kurzem entdeckt (zweihundert Jahre sind kurz), machen wir die unglaublichsten Dinge damit. Wir erzeugen sie nicht nur, sondern wir bewegen uns damit fort, wärmen uns damit und noch viel revolutionärer, wir können telefonieren, fernsehen, chatten, unseren Ort genau feststellen, ans Ziel kommen und so weiter und so weiter. Aber was es ist, wissen wir immer noch nicht. Es sind Wellen, Energie, sie benötigt keinen materiellen Träger, alles sehr rätselhaft.

Eine interessante Feststellung noch: Wir streben immer danach, die Dinge zu vereinfachen. Es muss doch alles in einer einzigen einfachen Formel beschrieben werden können. Newton war da mit seiner Gravitationstheorie unheimlich weit gekommen. Alle Bewegungen ließen sich auf eine einfache Formel zurückführen und vor allem vorhersagen. Das hat auch lange perfekt funktioniert. Nun, so ganz perfekt nicht. Nur drei Beispiele dazu.

Die Bewegungsgleichungen mit der Newton'schen Theorie sind schön und einfach und experimentell überzeugend geprüft. Der Stein, der auf den Boden fällt, das Skifahren am Hang oder die Bewegung der Sterne und Planeten – alles berechenbar. Nur blöd, dass es keine Lösung der Gleichungen gibt, wenn nicht zwei Körper, sondern drei im Spiel sind. Das Dreikörperproblem und damit auch das von mehr Körpern ist damit nicht lösbar. Lediglich numerische Annäherungsmethoden gibt es dafür.

Stellen Sie sich ein Pendel vor. Eine beweglich aufgehängte Stange mit einem Gewicht am unteren Ende. Sie kennen das oder auch nicht mehr von der guten alten Standuhr. Jetzt hängen wir an das Gewicht eine zweite Stange, wieder beweglich, mit einem weiteren Gewicht daran. Lustig, wie das zweite Gewicht herumtorkelt. Blöd nur, dass man heute nachgewiesen hat, dass dessen Bewegung nicht berechenbar, nicht vorhersagbar ist. Achten Sie auf das Wort: nicht berechenbar. Es bedeutet, dass nicht etwa eine noch ausstehende Formel die Aufgabe löst, sondern diese Aufgabe gar nicht gelöst werden kann. Das zweite Gewicht bewegt sich chaotisch (ein wichtiger Begriff in der heutigen Forschung – siehe auch in meinem Buch: 'Einen Kreis gibt es nicht').

Die berühmte Milch im Kaffee. Weiße Teilchen und braune Teilchen. Kann man im Mikroskop sehen. Die gibt es auch nach dem Umrühren immer noch. Aber nie geschieht es, das sie sich beim Durcheinandermischen irgendwann wieder trennen. Könnte doch sein, wenn man jeden möglichen Mischungszustand als gleichrangig ansieht. Was absolut vorstellbar ist, weil die weißen und braunen Teilchen sich nicht, etwa chemisch verbinden. Wer das nicht glaubt, kann es ja mit kleinen braunen und weißen Murmeln probieren. Der Grund ist, dass zwar alle Zustände gleich wahrscheinlich sind, aber diejenigen, die wir unordentlich nennen, bei denen der Kaffee gleichmäßig braun ist, eine überwältigende Mehrheit darstellen. Noch einmal: Jeder Zustand ist gleich wahrscheinlich. Aber mit der Zusammenfassung derjenigen Zustände mit gleichmäßig braunem Kaffee hat man eine überaus große Mehrheit erhalten, die praktisch immer zutrifft.

Ach ja. Noch eines. Ist von Einstein(!). Ein Billard. Sie stoßen kräftig eine Kugel ab. Die reflektiert an den Banden nach den gültigen Gesetzen der Reflexion: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Bereits nach sieben Banden ist die Endposition der Kugel nicht mehr vorhersagbar. Sie kann überall auf dem Tisch zu liegen kommen. Achten Sie wieder auf das Wort: 'nicht vorhersagbar'. Es handelt sich also nicht um einen noch zu behebenden Mangel an Erkenntnis oder Messmethoden. Es geht grundsätzlich nicht. (Für den Juristen: Hier ist grundsätzlich ohne Ausnahme gemeint.) Die Ursache ist, dass es keine Möglichkeit gibt, die Anfangsbedingungen absolut präzise festzulegen. Und das liegt nicht an einem Mangel einer konstruierten Maschine, sondern daran, dass es keine unendlich genauen Zahlen gibt. (genaueres auch in meinem Mathebuch).

Aber man glaubte dem allen nicht so richtig. Es wird sich doch alles, genauso wie es Newton gemacht hat, durch eine einfache Formel lösen lassen.