Zehnkampf - Bernd Franzinger - E-Book

Zehnkampf E-Book

Bernd Franzinger

4,3

Beschreibung

Tannenbergs Neffe nimmt an einem Zehnkampf teil. Während des 100m-Laufs wird ein Sprinter von der Kugel eines Heckenschützen niedergestreckt. Am nächsten Tag entdeckt man in einer Weitsprunggrube einen Sportler, der ebenfalls mit einem Präzisionsschuss getötet wurde. Der heimtückische Killer hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, innerhalb eines engen Zeitfensters zehn Menschen mit jeweils nur einem einzigen Schuss zu töten. Plötzlich gerät Kommissar Tannenberg selbst ins Fadenkreuz …

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Titel
Bernd Franzinger
Zehnkampf
Tannenbergs zehnter Fall
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2010 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 07575/2095-0
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2010
Lektorat: Isabell Michelberger, Meßkirch
Herstellung/Korrekturen: Julia Franze / Claudia Senghaas
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung des Fotos »hurdles 100« von:
Sportlibrary / fotolia.de
ISBN 978-3-8392-3534-8
Einleitung
»Sport ist Mord.«
Volksmund
1
Die Anspannung der Zehnkämpfer steigerte sich ins Unerträgliche. Nervös nippten sie an ihren Trinkflaschen, überprüften zum x-ten Mal den Sitz der Laufschuhe oder fingerten an den Reißverschlüssen der Trainingskleidung herum.
Endlich forderte der Oberkampfrichter die Athleten auf, sich für den 100-Meter-Lauf fertig zu machen. Die Sportler klatschten sich alle noch einmal ab und wünschten sich viel Glück. Dann zogen sie ihre Trainingsanzüge aus und trabten zu den Startblöcken.
Tobias blickte hinüber zur Tribüne, wo sich inzwischen der gesamte Tannenberg-Clan eingefunden hatte. Sogar Kurt, der Familienhund, war mit dabei. Margot, seine Großmutter, stand zwischen zwei großen Kühltaschen und winkte ihm fröhlich zu. Sie hatte Proviant für eine halbe Kompanie eingepackt. Die anderen winkten ebenfalls oder reckten ihm aufmunternd die Fäuste entgegen.
Er bedankte sich mit einem knappen Nicken und ging die letzten Schritte bis zur Startanlage mit gesenktem Kopf. Hinter seinem Startblock schloss er die Augen, atmete tief durch, schnellte ein paar Mal wie eine Sprungfeder in die Höhe und klatschte sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel. Anschließend zog er die Folie von seiner Startnummer und klebte sie seitlich auf die rechte Hüfte.
Heute wird es klappen. Ideale Bedingungen: super Wetter, starke Gegner, trockene Tartanbahn, leichter Rückenwind, schoss es ihm durch den Kopf.
»Auf die Plätze!«, befahl der Starter.
Ein letztes Aufblähen des Brustkorbs, dann brachte Tobias seinen von Adrenalinschüben aufgeputschten Körper in die ideale Startposition. Jede Muskelfaser war bis zum Zerreißen angespannt. Er war hoch motiviert, topfit und voll konzentriert.
»Fertig!«
Ein lautes Krachen zerschnitt die friedliche Stille.
Tobias explodierte förmlich. Die ersten, kurzen, trommelartigen Schritte in geduckter Haltung, dann das Aufrichten des Oberkörpers und der Wechsel in ein gleichmäßig hohes Sprinttempo. An seinem geschmeidigen, unverkrampften Bewegungsablauf spürte er, dass sein Körper optimal funktionierte.
Es war der 100-Meter-Lauf seines Lebens.
Tobias drehte den Kopf zuerst nach links und dann nach rechts. Aber er sah niemanden, auch nicht Marcel, seinen schärfsten Konkurrenten, der auf der Bahn direkt neben ihm lief.
Von der Tribüne her ertönten ›Tobi-Tobi‹-Rufe, stürmischer Applaus brandete auf.
Beim Überqueren der Ziellinie hatte er die elektronische Zeitmessung fest im Blick: 11,14 Sekunden. Jubelnd riss er die Arme empor. Neue persönliche Bestleistung – eine hervorragende Ausgangsbasis für die weiteren Disziplinen des Zehnkampfs.
Plötzlich hörte er schräg hinter sich ein spitzes Zischen, dem nahezu zeitgleich ein dumpfes Plopp-Geräusch folgte.
Zum gleichen Zeitpunkt saß John etwa 150 Meter von der Ziellinie entfernt in der Krone einer Buche. Aufgrund ihres dichten Laubwerks bot sie ihm nahezu perfekten Sichtschutz. Er trug dezente grüne Kleidung und gleichfarbige Trekkingschuhe, so dass er selbst bei genauerem Hinsehen kaum auszumachen war.
Er hatte sich in der Dämmerung auf den Weg gemacht und die zerlegte Waffe in seinem Rucksack hierher transportiert. Den passenden Baum hatte er bereits lange zuvor ausgespäht. Die alte Buche war leicht zu besteigen, bot eine bequeme Sitzposition und eine optimale Auflagemöglichkeit für sein Präzisionsgewehr. Zudem erlaubte die ausgesuchte Stelle einen ungehinderten Blick über den Zaun der Sportanlage hinweg – und somit ein freies Schussfeld.
Er fühlte sich wie ein Jäger auf seinem Hochsitz.
Ja, er war ein Jäger.
Nur jagte er eben kein Wild, sondern Menschen.
Die Jubelschreie der etwa einhundert Zuschauer erstickten schlagartig und ihre Mienen erstarrten. Einige von ihnen warfen entsetzt die Hand vor den Mund, andere deuteten fassungslos auf die Tartanbahn, wo Marcel Christmann nach wie vor regungslos auf dem weinroten Kunststoff lag.
Jedem im Stadion war sofort klar, dass der junge Sportler nicht aufgrund irgendeiner Verletzung oder einer Herzattacke kurz vor der Ziellinie zusammengebrochen sein konnte. Dazu waren die letzten Bewegungen des athletischen Körpers zu untypisch gewesen. Außerdem klang das Schussgeräusch völlig anders als der Platzpatronenknall aus der Startpistole.
»Deckung!«, schrie Wolfram Tannenberg, der geistesgegenwärtig die Dramatik der Situation erfasste. »Los, alle hinter die Garagen! Vielleicht schießt dieser Irre noch mal.«
Zuschauer, Kampfrichter und Athleten ließen alles stehen und liegen und brachten sich in Sicherheit. Tannenberg verständigte zuerst den Notarzt, anschließend seine Kollegen. Zudem forderte er das Sondereinsatzkommando an.
»Wir müssen runter zu ihm. Vielleicht ist er ja nur verletzt«, raunte er atemlos Dr. Schönthaler zu, obwohl er intuitiv das Schlimmste befürchtete.
Er wollte losstürmen, doch der Rechtsmediziner packte ihn am Ärmel. »Wolf, das ist zu gefährlich. Wir nehmen dein Auto und benutzen es als Schutzschild.«
Die beiden Männer spurteten zu Tannenbergs BMW-Cabrio und rasten in das kleine Stadion, das ansonsten als Schul-Sportplatz genutzt wurde. Mit eingezogenen Köpfen bretterten sie über den gepflegten Rasen hinweg. Das Auto schlitterte, riss einen Sonnenschirm aus der Verankerung und warf mehrere Markierungshütchen um. Tannenberg stellte sein Auto parallel zur Ziellinie ab. Dadurch wurde der leblose Sportlerkörper wie von einem Wall geschützt. Über die Fahrertür krochen beide hintereinander auf die Tartanbahn und knieten sich neben Marcel nieder.
Der junge Mann lag mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Bauch, den Kopf zur Tribüne hin abgewinkelt. In Höhe des linken Lungenflügels war das Trikot bereits blutgetränkt. Ziemlich genau in der Mitte des ovalen Blutflecks zeichnete sich das Einschussloch ab.
»Komm, hilf mir ihn umzudrehen«, forderte Dr. Schönthaler, während er erfolglos nach dem Puls des Sportlers tastete. Als er exakt in Herzhöhe die Austrittsstelle des Projektils entdeckte, wiegte er mit zusammengepressten Lippen den Kopf hin und her.
»Scheiße«, zischte Tannenberg.
Er lugte durch die Seitenscheibe seines Cabrios hinüber zum Waldrand, von wo aus der Schuss abgefeuert worden sein musste. Dessen war er sich sicher, zu eindeutig waren die Indizien: Die Eintrittsstelle des Projektils auf dem Rücken des Opfers und dessen abrupte Oberkörperdehnung nach hinten, so als ob Marcel Christmann einen unerwarteten, brachialen Keulenhieb auf die Wirbelsäule erhalten hätte.
»Glaubst du, der ist noch irgendwo dahinten?«, raunte der Kriminalbeamte seinem Freund über die Schulter zu.
»Nee, der ist garantiert schon über alle Berge.«
Tannenberg wies mit dem Kinn auf den Toten. »Warum ausgerechnet dieser arme Kerl hier?«, fragte er mit belegter Stimme.
Merkwürdigerweise wurde ihm erst jetzt bewusst, dass die todbringende Gewehrkugel nur einen halben Meter neben seinem Neffen eingeschlagen war. Ein kalter Schauder jagte ihm den Rücken hinunter und ließ auf seinen nackten Armen Gänsehaut sprießen. Sein flackernder Blick huschte die Anhöhe hinauf zu Tobias, der im Kreis seiner Familie hinter den Flachdachgebäuden stand und zu ihm herüberschaute.
Vom Waldschlösschen her ertönte plötzlich Sirenengeheul, das schnell anschwoll. Nur wenig später preschte ein Notarztwagen ins Stadion. Ein paar Minuten später folgten das SEK, die Spurensicherung und mehrere Streifenwagen. Wolfram Tannenberg schilderte seinen Kollegen die dramatischen Ereignisse. Daraufhin fuhren die Sondereinsatzkräfte zum angrenzenden Wald, von wo aus aller Wahrscheinlichkeit nach der tödliche Schuss abgegeben worden war.
Anschließend eilte Tannenberg hinüber zu den Zuschauern, die sich nach wie vor hinter den Garagenbauten aufhielten. Er winkte seinen Neffen herbei und befragte ihn über dessen ermordeten Sportkameraden. Tobias war kreidebleich, zitterte und war noch immer nicht in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.
Seine dürftigen Informationen halfen kaum weiter. Außer dem Namen des Toten und dem des Sportvereins, für den Marcel Christmann startete, konnte er keine weiteren Angaben zu dessen persönlichen Verhältnissen machen. Marcel sei normalerweise ein stiller, introvertierter, aber trotzdem sehr netter Kumpel gewesen.
»Nur vor und während der Wettkämpfe war er immer ziemlich hektisch und nervös«, sagte Tobias und fügte nach einem langen Stoßseufzer hinzu: »Manchmal war er sogar richtig geschwätzig.« Dabei schwammen seine Augen regelrecht in Tränen.
Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission erkundigte sich anschließend bei den Zuschauern, ob irgendjemand eine sachdienliche Beobachtung gemacht habe. Doch er erntete lediglich stummes Kopfschütteln. Wie er selbst hatten offenbar alle Anwesenden gebannt den 100-Meter-Lauf verfolgt. Er wandte sich von den Zuschauern ab, blickte hinunter auf die Tartanbahn und ging in sich gekehrt ein paar Schritte in Richtung des Rasenplatzes.
Die Eltern des Jungen!, polterte es plötzlich in seinem Kopf. Die hab ich ja völlig vergessen. Er machte auf dem Absatz kehrt.
»Befindet sich unter Ihnen ein Angehöriger von Marcel Christmann?«, fragte er in die Runde.
Allseitiges Schweigen.
»Ein Freund oder eine Freundin?«
Keine Reaktion.
Er wandte sich an die Zehnkämpferriege, die mit hängenden Köpfen im Kreis beisammenstand. »Kennt ihn jemand von euch näher?«
»Nein«, kam es mehrstimmig zurück.
Komisch, dachte der Kriminalbeamte. Warum ist niemand aus Marcels persönlichem Umfeld zu seinem Wettkampf erschienen?
2
Am späten Samstagnachmittag fand in Tannenbergs Büro eine außerplanmäßige Dienstbesprechung statt. Karl Mertel, der Leiter der kriminaltechnischen Abteilung, war als erster Berichterstatter an der Reihe. Er stand an der Pinnwand und erläuterte eine von ihm angefertigte Tatortskizze.
»Da, wo ich den Baum eingezeichnet habe, saß der Täter. Wir haben in etwa fünf Metern Höhe Faserspuren seiner Kleidung sichergestellt und …«
»Fünf Meter?«, fragte Tannenberg. »War garantiert schwierig, dort hochzuklettern, oder?«
»Na ja, es geht so«, gab Mertel kurz angebunden zurück.
»Ein altes Wrack wie du käme da sicherlich nicht so einfach rauf«, warf Dr. Schönthaler grinsend dazwischen.
Tannenberg verdrehte genervt die Augen, ging aber nicht auf die provokante Bemerkung ein. Stattdessen zog er eine naheliegende Schlussfolgerung: »Jedenfalls wissen wir damit schon mal, dass der Täter ein ziemlich sportlicher Typ sein muss.«
»Sieht ganz danach aus«, pflichtete ihnen der Kriminaltechniker bei.
»Glaubt ihr, dieses Attentat hat irgendwas mit dem Zehnkampf zu tun? Oder mit Sport im Allgemeinen? Steckt dahinter vielleicht irgendeine Symbolik?«, stellte Tannenberg seine Reflexionen zur Diskussion.
Kommissar Schauß zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, Wolf. Aber eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen. Ich vermute eher, dass der Täter diesen Platz deshalb ausgewählt hat, weil er dort unerkannt auf sein Opfer lauern, es töten und anschließend unerkannt verschwinden konnte.«
»Wie eine heimtückische Muräne«, meinte der Rechtsmediziner.
Abermals ignorierte Tannenberg den Einwurf seines besten Freundes. »Also kein Zusammenhang mit diesem Wettkampf, sondern nur ein idealer Ort, von dem aus der Heckenschütze gefahrlos zuschlagen konnte«, murmelte er vor sich hin. Er knetete eine Weile nachdenklich sein Kinn. »Durchaus möglich«, stimmte er nickend zu. Anschließend wandte er sich an seinen Kollegen von der Spurensicherung. »Ich hab dich unterbrochen, Karl, bitte, fahr fort.«
Mertel hatte sich inzwischen ein Glas Mineralwasser eingeschenkt und schlenderte nun wieder zurück zur Pinnwand. »Außer den Faserspuren seiner Kleidung haben wir an einem Ast frisch abgeschabte Stellen entdeckt, die wahrscheinlich von der Auflage des Gewehrs stammen. Und am Fuße dieser riesigen Buche lag die Hülse einer Gewehrpatrone.«
Er stockte und folgte mit dem Finger einer gestrichelten Linie, die er von dem Baum aus zu einem rennenden Strichmännchen gezogen hatte. »Hier traf die Kugel auf den Körper des Opfers, hat ihn durchdrungen und ist dann hinter der Tartanbahn in der Böschung gelandet.« Er blies die Backen auf und stieß die Luft geräuschvoll aus. »Das war vielleicht eine Heidenarbeit, bis wir die endlich gefunden hatten.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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