Zeitenfluss - Jacqueline Mayerhofer - E-Book

Zeitenfluss E-Book

Jacqueline Mayerhofer

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Beschreibung

Zeitreisen - ewiger Traum der Menschheit. Vergangenes Unrecht wiedergutmachen. Zukünftige Entwicklungen vorhersehen. Doch selten läuft alles glatt auf dem Fluss der Zeit und nicht jede Reise geschieht freiwillig. Zu Ehren des Münchner Zeitreisenden Ernst Ellert stürzen sich unsere Autor*innen in die Stromschnellen und finden heraus, wohin der Weg sie führt. Diese Anthologie erscheint anlässlich des Ernst Ellert-Con II, dem Con des Münchner Perry-Rhodan-Stammtisches.

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Zeitenfluss

Zeitreisen – ewiger Traum der Menschheit. Vergangenes Unrecht wiedergutmachen. Zukünftige Entwicklungen vorhersehen. Doch selten läuft alles glatt auf dem Fluss der Zeit, und nicht jede Reise geschieht freiwillig. Zu Ehren des Münchner Zeitreisenden Ernst Ellert stürzen sich unsere Autor*innen in die Stromschnellen und finden heraus, wohin der Wegsie führt. Diese Anthologie erscheint anlässlich des Ernst Ellert-Con II, des Con des Münchner Perry-Rhodan-Stammtisches.

Die Münchner Schreiberlinge e. V.

sind ein Verein von engagierten, aufgeschlossenen Autor*innen.

Kennengelernt haben wir uns in Schreibkursen, Leserunden, Buchveranstaltungen und treffen uns seit Anfang 2017 regelmäßig einmal die Woche zum gemeinsamen Austausch, Schreiben und Lesen.

Einige von uns haben bereits Bücher veröffentlicht, andere schreiben nur für sich und genauso vielfältig wie wir sind auch unsere Texte und Genres. Mehr zu uns und unseren Aktivitäten findest du in den Social Media. Hast du einen Bezug zu München und möchtest dich uns anschließen oder uns unterstützen?

Hier findest du alle Informationen zu unserem Verein:

www.muenchner-schreiberlinge.de

Gewidmet Ernst Ellert und allen Zeitreisenden

Dieses Buch enthält Inhaltswarnungen / Content Notes auf der letzten Seite gegenüber der Deckel-Innenseite.

Siehe auch:

www.muenchner-schreiberlinge.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Uschi Zietsch

Geleitwort

Jacqueline Mayerhofer

Die Kanon-Zeitschleife

Matthias Sebastian Biehl

Altlasten

Jon Barnis

Ipson auf dem Hochhaus

Sarah Malhus

(

K)Ein alternatives Ende

Bernhard Schmidt

Am Anfang war das Wort

Tanja Kinkel

Und täglich grüßt der Alte Fritz

Der Perry Rhodan Stammtisch »Ernst Ellert« München

Danksagung

Die Autor

*

innen

Noch mehr von den Münchner Schreiberlingen …

Inhaltswarnungen / Content Notes

Vorwort

Diese 11. Anthologie der Münchner Schreiberlinge war nicht geplant. Sie ist das Produkt einer spontanen Idee auf dem 12. Garching-Con, dem PERRY-RHODAN-Fanevent vor den Türen Münchens. Jürgen Müller, Initiator von Garching-und Ernst Ellert-Con, äußerte den Wunsch, ob man nicht vielleicht eine Anthologie …?

Solche Wünsche stoßen bei uns auf offene Ohren, und so waren schnell einige Freiwillige zusammengetrommelt, die Zeitreise-Geschichten zusammentrugen: mit und ohne München-Bezug und mit Reisenden, die durch Geräte,Maschinen oder Zauberei durch den Fluss der Zeit geschleudert werden.

»Auf den Spuren von Ernst Ellert«, so der Untertitel des Buches – Ernst Ellert, dem Münchner Teletemporarier, seien also diese Reisen auf dem Fluss der Zeit gewidmet.

Uschi Zietsch

Geleitwort

Ich freue mich sehr, die Anthologie »Zeitenfluss« vorstellen zu dürfen.Wer mich kennt, weiß, dass ich einen starken Bezug zu Zeitreisen, ihren Paradoxa, Schleifen, Es-geschieht-weil-es-geschah und dergleichen mehr habe. Ich habe auch schon im Rahmen verschiedener Serien einige Texte verfasst, die Zeit als Thema hatten, und mich dabei mit Begeisterung in ausweglose Widersprüche verheddert. Ein unerschöpfliches Thema, über das ich stundenlang diskutieren kann. Und natürlich auch schreiben.

Aber was genau ist denn so faszinierend daran? H. G.Wells hatte schon ein Faible dafür und baute eine großartige Zeitmaschine, um seinen Protagonisten in eineweit entfernte Zukunft zu schicken. Und wenn wir an »Die Jetsons« denken, die bereits 1962 in einem Utopia gelebt haben, von dem wir heute noch gern träumen, beantwortet sich die Frage zum ersten Teil: Der Mensch ist neugierig darauf, wie es in der Zukunft aussehen mag, vor allem dann, wenn er in der aktuellen Gegenwart ziemlich viel Mist baut. Er wünscht sich eine friedliche, hochtechnisierte Welt,in der schlichtweg alles möglich ist und das globale Leben unbeschwert. Der zweite Antwortteil bezieht sich auf die Vergangenheit, wobei die Voraussetzung dieselbe ist: Wir haben in der Gegenwart Mist gebaut und wollen das in der Vergangenheit wiedergutmachen.

Aber geht das überhaupt? Geraten wir bei der Vergangenheit nicht in eine Zeitschleife, lösen wir dadurch womöglich noch viel Schlimmeres aus, kannman über die eigene Lebenszeit hinaus reisen…?Und was ist mit der Zukunft: Gibt es da schon etwas, zu dem man reisen kann, oder entsteht sie erst in jedem Augenblick neu und ist fließend, steht niemals fest?

Zur Zeit der Jetsons war die Quantenphysik noch nicht allgemein populär und wurde vor allem von Albert Einstein, Max Planck, Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger durchdacht (und von dem einen oder anderen abgelehnt …).

Die Quantenphysik könnte – zumindest in der Theorie – durchaus Auswege aus dem Gedankenexperiment »Zeitreisen« anbieten. Wie damit umgegangen wird und aus welcher Motivation heraus die Zeitreisenden handeln, stellt Roxane Bicker als Herausgebende dieser Anthologie vor. Die Idee dazu entstand zu Ehren des Münchner Zeitreisenden Ernst Ellert, einer der faszinierendsten Figuren aus der PERRY-RHODAN-Serie.

Matthias Sebastian Biehl erzählt in »Altlasten« über den ungewöhnlichen Nachlass, den zwei Brüder in ihrem Elternhaus finden – und aus unterschiedlichen Gründen der Versuchung erliegen.

Im historischen Rahmen Friedrichs des Großen verwendet Tanja Kinkel in »Und täglich grüßt der Alte Fritz« das Murmeltier-Thema für eine berührende Geschichte über die Verlassens-Angst.

Bernhard Schmidt nähert sich in »Im Anfang war das Wort« der wissenschaftlich-theologischen Überlegung zu Zeitreisen per Quantenphysik an, um die Frage zu klären:Wie genau fing es an?

Sarah Malhus berichtet in »(K)Ein alternatives Ende« über kleinste Fehler, die Zeitreisende alles kosten können.

Jon Barnis wählt in »Ipson auf dem Hochhaus« eine interessante Perspektive des München der Zukunft.

Und Jacqueline Mayerhofer erzählt in »Die Kanon-Zeitschleife« ein Zeitreise-Abenteuer, das Schleifen, Paradoxa und diverse Zeitebenen wunderbar miteinander verknüpft.

Jede Geschichte hat ihre eigene Facetten, philosophische, emotionale und wissenschaftliche Aufarbeitungen über den Zeitenfluss, in dem wir leicht verloren gehen können.

Ich wünsche jede Menge Lesevergnügen bei diesen interessanten Betrachtungen!

Uschi Zietsch

Markt Rettenbach, Februar 2024

Jacqueline Mayerhofer

Die Kanon-Zeitschleife

München, 2024

»Ich hab’s!« Lea betätigte den Hebel für die Inbetriebnahme. Adrian und sie hatten Jahre investiert, um die Maschine zu reparieren, die sie in einer der verlassenen Ruinen in einem Kellerabteil eines früheren Forschungslabors gefunden hatten. Schon als Kinder hatten sie sich in der Gosse bis zum Erwachsenenalter durchgeschlagen und aufeinander aufgepasst. Adrian war der beste Hacker, den Lea kannte. Und sie keine üble Netrunnerin, wenn es darum ging, die Gefilde des Cyberspace wie ihre eigene Westentasche zu kennen.

»Hast du kontrolliert, ob die integrierten Teilchenbeschleuniger innerhalb der vorgegebenen Kopplungsparameter liegen?«, fragte Adrian. »Andernfalls gehen nicht nur wir drauf, sondern so ziemlich alle. Quantenmechanik ist ein heißes Gebiet.«

Sie verdrehte die Augen. »Das weiß ich.«

»Ich will dich nicht belehren, aber die Konsequenzen, wenn wir versagen, sollten wir trotzdem im Kopf behalten.«

Lea zog ihn zum Fenster. Sie befanden sich in einer Lagerhalle, die sie seit geraumer Zeit bewohnten, um an der Maschine zu arbeiten. »Das dort draußen ist die Hölle«, sagte sie und ließ Adrian wieder los. Nach heftigen Bürgerkriegen war Deutschland in Grenzbereiche gegliedert worden. Es gab die Reichsten der Reichen, die mit ihren Konzernen ganze Städte einnahmen. Die heruntergekommenen Slums, die an die Steppeneinöde grenzten, die vor langer Zeit mal die Landeskreise Augsburg, Rosenheim, Landshut und Ingolstadt gewesen waren. Ganz Bayern war zersplittert – und ein großer, angrenzender Teil Österreichs obendrein. München war neben Berlin, Frankfurt und anderen Großstädten eine der wenigen Metropolen, in denen die meisten Firmenchefs, die nach den Bürgerkriegen nun das Sagen hatten, residierten.

Lea ließ ihren Blick über die Hochhäuser wandern. Wenn es sich nicht um zerbombte Gebäude handelte, übernahmen glänzende Glasfronten die Oberhand. Neon-Reklametafeln und Projektoren, die bewegliche Holobilder in die Luft projizierten, waren überall zu sehen. Abgase stiegen gen Himmel. Es stank nach Öl, chemischem Dampf und anderem undefinierbarem Zeug. Einige Straßen weiter brüllte gerade jemand auf, gefolgt von einem Schuss.

Das war die Realität. Sie lebten inmitten einer katastrophalen Dystopie, in der das Gebot des Stärkeren galt. Schwächere – wie sie oder Adrian, die stets um ihr Überleben kämpften – waren auf der untersten Stufe der Gesellschaft.

»Hey, Kopf hoch«, sagte Adrian sanft.

Dieser eine Satz schaffte es tatsächlich, sie ein wenig aufzumuntern. »Ich wünschte, unser Plan wäre nicht mit so vielen möglichen Konsequenzen verbunden.«

»So ist es eben, wenn man durch die Zeit reist.« Entschlossen ging er zu der riesigen Maschine.»Wir schaffen das.«

Einige Momentelang sahen sie einander in die Augen – bis Lea nickte, ebenfalls zur Zeitmaschine schritt und nach ihrem Handgelenksimplantat griff. Als sie es herauszog, spürte sie das unangenehme Kribbeln, das die Kabelverbindungen, die mit ihren Synapsen verschmolzen waren, erzeugten. Lea steckte es in einen der Ports und verband sich mit dem Systemcomputer. Unzählige Lichter blinkten, Antriebsmotoren surrten. In ihrem Geist tat sich der Cyberspace auf, doch im Gegensatz zu ihren sonstigen, meist illegalen Netrunner Jobs würde sie nicht bleiben. Sie nutzte ihn bloß, um sich mit dem künstlichen Verstand der Maschinezu verbinden. Ein Ruck in ihrem Geist sorgte dafür, der Realität etwas von der Virtualität, die der Neuroprozessor in ihrem Kopf erzeugte, überzustülpen.

»Bereit?«, fragte Lea an Adrian gewandt, der sich ebenso über sein Implantat mit der Maschine verband. Er bot ihr seine Hand an. Als Lea ihre Finger mit seinen verschränkte, nickte er. »An deiner Seite. Bis zum Schluss. Koste es, was es wolle.«

Über einen Gedankenimpuls aktivierte Lea den Zeitsprung und wählte das 18. Jahrhundert, in dem sie den Auslöser der heutigen Weltlage vermuteten. Und dann … war es ihr, als sauge sie ein Wurmlochtunnel ein, der sich wild um seine eigene Achse drehte.

Munichen, 1158

Lea und Adrian trennten die Verbindung zu der Zeitmaschine, ehe sie sich umblickten.

»Sind wir hier richtig?«, fragte Lea aufgeregt. Sie befanden sich inmitten großflächiger Felder. Vereinzelt sahen sie Gehöfte mit Kühen, Schafen und Schweinen. Altertümlich gekleidete Menschen bestellten den Acker. Hinter ihnen verlief eine breite Kieselstraße, über die eine Kutsche holperte.

»Wirkt auf mich, als wären wir etwas zu weit zurückgesprungen«, sagte Adrian nachdenklich.

Lea wandte sich um. Das Display der Zeitmaschine zeigte das Jahr 1158. Sie erinnerte sich sofort an ihr Holo-Learning. »Das ist das Jahr, in dem München das erste Mal urkundlich genannt wurde!«

Adrian zuckte mit den Schultern. »Du bist das Geschichtsgenie.« Sein Gesichtsausdruck wurde mit einem Mal finster. »Lea, wir bekommen ein Problem.«

Irritiert folgte sie seinem Blick. Es kamen tatsächlich einige der Bauern auf sie zu. Wie in einem schlechten Horrorfilm waren sie mit Heugabeln und einer von ihnen sogar mit einem Gewehr ausgestattet.

»Scheiße!«, entwich es ihr. Sofort wandte sie sich zur Zeitmaschine um, riss den Plug aus ihrem Handgelenk und versenkte ihn im Port der Maschine.

»Glaubst du, die schießen wirklich auf uns?«, fragte Adrian, während er ihrem Beispiel folgte.

»Finden wir es besser nicht heraus!« Als hätte Lea es verschrien, zischte eine Ladung Schrot an ihnen vorbei und fraß sich in die Zeitmaschine. »Verflucht!« Lea konzentrierte sich, doch sie fand keine Möglichkeit,um in den Cyberspace einzutreten. Nur die Verbindung mit dem Systemcomputer blieb, um die Maschine über Gedankenimpulse zu steuern.

»Lea! Schneller!«, drängte Adrian.

Aus dem Augenwinkel erblickte sie plötzlich etwas Dunkles aus dem Nichts erscheinen, doch sie konzentrierte sich lieber auf den Start des Sprungs. Die Bauern schrien in einem eigentümlichen Dialekt, der sie entfernt an den bayerischen erinnerte. Sie meinten gerade etwas von Teufeln und Dämonen, als Lea und Adrian in den Reisetunnel gelangten. Etwas knackte dabei jedoch verdächtig laut an der Zeitmaschine – gefolgt von einer nächsten Ladung Schrot.

München, 2024

Als sie wieder in die Lagerhalle zurückkehrten, fiel Lea ein Stein vom Herzen. Jedenfalls so lange, bis sie sich von der Zeitmaschine löste. Alles um sie herum bestand aus einem dunklen, gläsernen Material,durch das grüne Lichtlinien glitten.

Adrian stieß einen erstaunten Laut aus und blickte mit weit aufgerissenen Augen aus dem Fenster. Draußen begegnete ihnen eine Reihe von Hochhäusern aus demselben Material. Sie reichten so hoch, dass Lea kein Ende entdecken konnte. Noch dazu rasten Autos und andere Vehikel durch die Luft. Unten auf den Straßen waren nicht nur Menschen zu sehen, die einen ähnlich eng anliegenden Netrunner-Anzug wie Lea trugen, sondern auch welche, die Adrians schreiend gelben Neon-Look mit weiter Hose und bulliger Jacke bevorzugten. Motorräder rasten via Hover-Antrieb über den Asphalt. Unzählige Roboter, die inmitten der Menschen Hunde an der Leine führten oder Einkaufstüten trugen, waren ebenso zu sehen.

»Sind wir wirklich im richtigen Jahr?«, fragte Adrian. Er kontrollierte demonstrativ das Anzeigedisplay der Zeitmaschine: 2024.

Wieso war dann alles … »Oh shit!« Lea spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte.

»Was?« Adrian wurde noch bleicher, während sie zur Maschinestürzte. »Hier. Schrot hat sich in die integrierten Datenspeicher Tablets gefressen.«

»Das erklärt aber nicht, wieso wir jetzt in einer alternativen Version von 2024 gelandet sind!«

Lea suchte seinen Blick. »Bleib ruhig. Ich finde eine Lösung. Durchsuch du bitte einstweilen die Geschichtsschreibung. Ich …« Ihr Herz machte einen Stolperer. Das hatte sie vollkommen übersehen!

»Was ist?«, fragte Adrian der Panik nahe.

»Eines der Tablets fehlt.«

»Das ist doch nicht schlimm?«

Fieberhaft suchte Lea die Reihen ab, die in die Maschineeingebaut waren und mit blinkenden Lichtern zeigten, dass sie für den nächsten Sprung bereit war. Mit dem gespeicherten Wissen auf den Tablets existierte eine Art Verstand, über den Lea die Zeitmaschine ohne Hilfe des Cyberspace steuern konnte. Das Tablet war bei ihrem letzten Sprung wohl durch die Beschädigung ausgebrochen.

»Ich fürchte, wir haben etwas in der Vergangenheit zurückgelassen.«

Adrian zeigte den typischen Blick, wenn sich jemand mit seinem Geist im virtuellen Raum befand. Er kehrte zurück, sah jedoch alles andere als glücklich aus. »Lea …Wir haben tatsächlich die Vergangenheit verändert! Da steht was von zwei Teufeln, die sich später als Götter entpuppten, die auf die Erde hinabstiegen, um den Menschen Fortschritt zu bringen. Es dauerte ewig, doch sie schafften es schließlich, das Datenspeicher-Tablet zu knacken – und revolutionierten damit ihre Zukunft.«

Lea wurde übel. »Wir müssen zurück.«

»Und dann?«

»Warten wir, bis wir verschwunden sind, um das Tablet einzusammeln.«

»Bitte was?«, fragte Adrian verdutzt.

»Lass mich erst noch die Zeit richtig kalibrieren, bevor wir uns selbst in die Quere kommen.«

»Was?«

»Verbinde dich einfach mit der Zeitmaschine!«

»Du brauchst mich nicht gleich anfahren!«

Lea schüttelte den Kopf, versuchte Ruhe zu bewahren. Wieder verband sie sich und initiierte die Reise.

Munichen, 1158

Lea hatte ihren Austrittsort diesmal versetzt. So kamen sie etliche Meter entfernt von dem alten auf einem der Felder an. Gerade zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Bauern sie angriffen. Lea und Adrian beobachteten sich selbst, wie sie stürmisch an der Zeitmaschine hantierten. Danach lösten sie sich in Luft auf und verschwanden.

»Wir waren das also«, murmelte sie.

»Was meinst du?«, fragte Adrian, der natürlich keine Gedanken lesen konnte.

»Ich habe etwas Großes aus dem Nichts auftauchen sehen, bevor wir nach 2024 zurückkehrten.«

»Das ist irre!«

»Ist es. Jetzt müssen wir nur noch …« Lea endete mitten im Satz, als sich die ersten Bauern zu ihnen umdrehten.War es riskant, erneut gesehen zu werden? Oder gehörte das ohnehin zu jener Vergangenheit, die die neue Gegenwart ausgelöst hatte, in der sie als Götter verehrt wurden?

»Das Tablet!«, rief Adrian und deutete auf ein kleines Mädchen,das dem Menschenauflauf aus einem der Gehöfte gefolgt war. Es drehte das Datenspeicher-Gerät neugierig in der Hand und zeigte es seiner Mutter.

»Lenk sie ab, ich hol es zurück!« Lea trennte die Verbindung mit der Zeitmaschine und rannte los.

»Wie zur Hölle soll ich das anstellen?«, rief er ihr nach.

Adrian ignorierend eilte sie auf das Kind zu. Wütende Schreie erklangen hinter ihr – er lockte die Bauern tatsächlich allein mit seiner Anwesenheit von der Maschine fort. Das war Leas Chance. Sie hetzte auf die Kleine zu, riss ihr das Tablet aus den Fingern und wandte sich an die Mutter. »Tut mir leid.« Sie hoffte, dass es für die beiden, die höchstwahrscheinlich Mittelhochdeutsch sprachen, verständlich war. Als die Frau ihr Kind daraufhin hinter sich drückte und Lea mit drohenden Gebärden vertreiben wollte, zögerte sie nicht lange und rannte zur Zeitmaschine zurück.

»Adrian!«, brüllte sie, der gerade – wie auch immer – zu einem Weidenkorb gekommen war und diesen auf den Mann schleuderte, der auf ihn zielte. Der Schuss ging fehl.

Danach hetzte er zu ihr. »Ich bezweifle langsam«, sagte er keuchend, während er sich wie Lea mit der Maschine verband, »dass Zeitreisen eine gute Idee ist.«

»Ich auch.« Lea initiierte den Sprung.

München, 2024

Wieder zurück, fanden sie sich in der gewohnten Lagerhalle wieder. Auch außerhalb war alles unverändert. Sie waren in jenes dystopische 2024 zurückgekehrt, aus dem sie gekommen waren.

»Wie viele Sprünge haben wir noch?« Adrian rang immer noch um Atem.

Lea blickte zur Zeitmaschine. Sie platzierte das zurückgewonnene Tablet in dem freien Slot der Datenspeicherreihen. Die halb volle Energieleiste zeigte an, dass die Maschine trotz der Beschädigungen weiterhin einsatzbereit war.

»Ich schätze drei bis vier Sprünge.« Sie suchte seinen Blick. »Sollen wir morgen weitermachen und uns ausruhen?«

Adrian verneinte. »Jetzt oder nie.«

Er hatte recht, es hinauszuzögern brachte nichts. Wieder legte Lea über einen Gedankenimpuls das 18. Jahrhundert fest – und sie sprangen.

Unionsmetropole München, 4202

»Wo sind wir jetzt wieder gelandet?«, fragte Adrian fassungslos.

Sie befanden sich zwar erneut in der Lagerhalle, doch diesmal ähnelte sie wieder jener aus dem von ihnen veränderten 2024. Alles war modernisiert, wirkte gar kirchenähnlich. Draußen rasten Gefährte die Luftstraßen entlang. Hatte es doch nichts bewirkt, das Tablet zurückzuholen?

»Woah!«, machte Lea, als sie neben den Treppen in einer Galerie Denkmäler entdeckte, die ihnen selbst glichen.

Und diesmal wurden sie sogar erwartet. Ein Mann in weißer Robe mit unzähligen Neonlichtern darin kam auf sie zu. Gefolgt von einer Gruppe von Frauen und Männern in ähnlicher Kleidung.

»Seid gegrüßt, Zeitreisende«, sagte er. »Ich bin Rabian.«

Unwillkürlich drängte sich Lea näher an Adrian.

»Habt keine Angst, Leandra Siha und Adrian Schäfer.Wir wussten, dass ihr heute erscheint.« Der Mann lächelte freundlich.

»Echt?« Lea verzog das Gesicht. Hätte sie nicht etwas Intelligenteres fragen können?

»Ja. Es istschoneinmal geschehen: In einer Vergangenheit,diemich von einer anderen Zukunft in diese Gegenwart geholt hat.«

Die Worte brachen sämtliche Gehirnwindungen in Leas Kopf. »Du bist also auch Zeitreisender?«

Rabians Lächeln wurde stolz. »Ja. Es gibt verschiedene Zeitlinien. Das heutige 4202 ist jenes, zu dem es geworden wäre, hättet ihr das Tablet nicht zurückgeholt.«

»Wie kannst du das alles wissen?«, fragte Adrian verblüfft.

Als der Mann zu ihm sah, wurde sein Blick traurig. »Weil ich der Zeitlinie angehöre, die ihr erschaffen werdet. Ich komme aus dem Jahr 5607. Da ich mich für Geschichtsschreibung interessiere, fiel mir eine Ungereimtheit in der Vergangenheit auf. Ein Vorfall im Jahr 1777, der mindestens zwei mir bekannte Ausgänge hat. Also reiste ich zurück und fand heraus, dass ich in eine andere Zeitlinie wechseln musste, um euch heute, in diesem 4202, zu treffen.«

Lea schnaubte. »Wieso wolltest du uns treffen?«

»Weil ich mittlerweile beide Zeitachsen kenne. Mal davon abgesehen, dass dieses Treffen nicht zur korrekten Zeitlinie gehört. Es wird in jener, die ihr erschaffen werdet, nicht stattfinden. Trotzdem ist es nötig, um die korrekte Zeitlinie erst zu gewährleisten.«

»Kannst du bitte Klartext reden?«, fragte Adrian irritiert.

Rabian lächelte gutmütig. »Es gibt unendlich viele mögliche Zeitachsen. Das jetzt zu erklären, würde zu lange dauern. Ich verspreche dafür, euch zu helfen, eure Zeitlinie zu korrigieren. Ihr kommt nämlich aus jenem nicht-kanonischen 2024, das nicht zu dem Zeitfluss gehört, der eigentlich vorherrschen sollte. Und ich wiederum komme aus einer weiteren Zeitachse.«

Lea dachte angestrengt nach. »Also haben wir Erfolg?«

»Ja, das werdet ihr.«

Sie zögerte. »Dann bist du der Fixpunkt, der dafür sorgt, die Zeitlinien zu korrigieren? Und wir bloß Spielfiguren aus einer falschen Zeit?«

»Nicht falsch – nur alternativ.« Rabian wurde ernst. »Unsere Begegnung bedingt die Koexistenz verschiedener Zeitschleifen. Ein Forschungsgebiet, das 5570 eine eigene Studienrichtung erhält.«

»Was müssen wir dafür tun?«, fragte Lea aufgeregt.

Der Blick des Mannes wanderte zu Adrian. »Ihr habt die Wahl. Entweder korrigiert ihr die Zeitlinie oder ihr bleibt in jener, aus der ihr kommt.«