Zuhause ist es doch am schönsten - Florian Vernschach - E-Book

Zuhause ist es doch am schönsten E-Book

Florian Vernschach

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Beschreibung

Verhängnis lauert überall Reisen sind immer ein Gewinn. Entweder wird man mit einer angenehmen Zeit belohnt oder mit einer guten Geschichte. Selten mit beidem. Florian Vernschach begibt sich in die Welt hinaus, um das eine zu suchen und das andere zu bekommen. Das ist nicht immer behaglich für ihn, aber ein kolossales Vergnügen für sein Publikum. Selten muss er Europa verlassen, um von seinen Abenteuern ereilt zu werden. Wüstendurchquerungen, Weltumsegelungen oder Achttausenderbesteigungen sind dazu nicht nötig. Schon in Italien lauert manches Ungemach, und selbst scheinbar harmlose Inseln im Bottnischen Meerbusen bergen ungeahnte Tücken. In Zuhause ist es doch am schönsten! versammelt Vernschach zwei Dutzend Geschichten aus beinahe ebenso vielen Jahren. Sein scharfzüngiger Humor schont dabei weder Land noch Leute und macht auch vor ihm selbst nicht halt.

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Seitenzahl: 128

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 Verlag Anton Pustet

5020 Salzburg, Bergstraße 12

Sämtliche Rechte vorbehalten.

Lektorat: Martina Schneider

Layout, Grafik und Produktion: Nadine Kaschnig-Löbel

Coverfoto: BCFC/shutterstock.com

eISBN 978-3-7025-8100-8

Auch erhältlich als gedrucktes Buch,

978-3-7025-1073-2

Über 600 lieferbare Titel aus dem Verlag Anton Pustet finden Sie in jeder Buchhandlung und im Onlineshop auf www.pustet.at

Florian Vernschach

Zuhauseist es doch am schönsten

Reiseerzählungen

Inhalt

Kein Vorwort

Sardinien

Paris

Grönland

Azoren

Sark

Åland

Albanien

Vulcano

Malta

Flores

Otautau

Cinque Terre

Hotzenplotz

Nižnij Novgorod

Satu Mare

Corvo

Graubünden

Isle of Man

Marlborough Sounds

Marokko

Turmantas

Plitvice

Pico

Kranjska Gora

Feldkirch

Erst recht kein Nachwort

Literatur

Kein Vorwort

Würde ohnehin niemand lesen. Nennen wir es also

Disclaimer

Jawohl, da hat man die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner verehrten Leserinnen und hochgeachteten Leser. Oder noch besser

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Gut, das ist jetzt eine Mogelpackung, denn von allgemein kann keine Rede sein. Es geht schließlich um dieses konkrete Buch. Aber wollen wir den Papst in seiner Päpstlichkeit übertreffen? Eben.

Verlag und Autor freuen sich nicht nur wie die Schneekönige, dass du diesem Bändchen deine kostbare Aufmerksamkeit widmest, sondern grundsätzlich auch über Zuschriften, seien es handschriftliche Briefe, mund- oder fußgemalte Ansichtskarten, dem Sekretär diktierte E-Mails oder mittels erst zu entwickelnder Technologie übertragene Nachrichten. Die schönsten werden aufgehängt und kommen später einmal ins Museum! Wer sich aber bemüßigt fühlt mitzuteilen, dass es in russischen Provinzgroßstädten durchaus gastronomische Auswahl gebe, dass man auch in der kulturellen Einflusssphäre des britischen Kolonialreichs die Vorzüge von Mischwasserhähnen einzusehen beginne oder dass der Flughafen von Corvo auch im Winter täglich angeflogen werde, darf das gerne für sich behalten. Wir wissen das oder ahnen es zumindest. Die auf den folgenden Seiten geschilderten Ereignisse aber haben sich in der Vergangenheit zugetragen, und diese Vergangenheit reicht teilweise bis in das vorige Jahrhundert zurück. Schon Kaiser Lothar I. (795–855) wusste: Tempora mutantur, et nos mutamur in illis. Der Literaturnobelpreisträger von 2016, Bob Dylan (* 1941), drückte diesen Sachverhalt ein wenig legerer aus: The Times They Are a-Changin’. Nicht nur die Zeiten und wir, könnte man ergänzen, ändern uns, sondern eigentlich alles. Πάντα ῥεῖ, οὐδὲν μένει, um noch eine dritte Stimme zu demselben Thema sprechen zu lassen.

Wer bis jetzt durchgehalten hat, dem sei, bevor es richtig losgeht, ein Geheimnis verraten: An einer Stelle wird sogar etwas behauptet, das bereits wenige Tage später hinfällig war. Lothar, Bob und der alte Grieche nicken weise.

Salzburg, im April 2022

Ich habe die AGB gelesen, auswendig gelernt und bin damit einverstanden.

Sardinien

Ein boshaftes Schicksal wollte, dass der Weg von Albanien nach Portugal über Sardinien führte. Nun ist an Sardinien nichts auszusetzen, landschaftlich ist die Insel tadellos, und wie mir versichert wurde, hat die Mafia dort nichts zu sagen, ganz im Gegensatz zur anderen großen Insel. Zwar gehe auch der Sarde nicht zimperlich mit dem Leben seines Mitmenschen um, doch sei die Selbstjustiz gleichsam demokratisch angelegt. Die Rache gehe vom Volk aus, nicht von Oligarchen, wusste meine Quelle zu berichten. Von dieser Quelle, die nicht Franz heißt, aber so aussieht, als täte sie es, soll hier die Rede sein.

Ein boshaftes Schicksal also hieß mich eines Abends in Neapel ein Schiff besteigen und tags darauf in Cagliari einen Zug und später einen Bus, denn die Schmalspurbahn fuhr gerade nicht, und dann noch einen. Das Schicksal bediente sich dazu einer mir flüchtig bekannten Person, der wir den Namen Pascale verpassen wollen. Nämlich solle ich ihren Bekannten Franz auf Sardinien besuchen, er erwarte mich. Dass die Angelegenheit, in der ich ihn aufsuchen sollte, inzwischen obsolet war, erwähnte sie nicht und auch nicht, dass sie nicht eigentlich Franz kannte, sondern den Cousin seiner Freundin.

Franz wohnte, seit er seiner alpinen Heimat den Rücken gekehrt hatte, mit seiner Freundin Karin in einem pittoresken Tale, das nur über etwas zu erreichen war, das Straße zu nennen einigen guten Willen voraussetzte. Die vorangegangenen Regenfälle hatten ein Übriges getan, um Allradantrieb von einer netten Bequemlichkeit zu einer Notwendigkeit zu machen. Am Ende des Tales stand ein Gebäude, das Haus zu nennen das erforderliche Wohlwollen ins Mutterteresahafte steigerte. Es gab ein Wohnzimmer, das sich als solches durch ein Sofa und ein Fernsehgerät qualifizierte, und darüber, durch eine Stiege, aber keine Tür getrennt, einen Schlafraum. Die Aufzählung der Räume ist vollständig. Wo man …? Draußen. Und …? Auch draußen. So kalt wird es auf Sardinien ja nicht. Strom hätte es gegeben, wenn das Dieselaggregat funktioniert hätte. So musste man sich mit einer Autobatterie begnügen, die man beim Nachbarn auflud. Zum Fernsehen reichte das. Wasser hätte es gegeben, wenn das Dieselaggregat nicht gerade den Dienst versagt hätte, als die Vorräte leer waren. Um diese aufzufüllen, reichte die Batterie nicht, denn das Wasser war tief unter der Erde. Zwei Hunde rundeten das Tableau der Unannehmlichkeiten ab. Dem ungebetenen Gast stand ein alter Wohnwagen etwas abseits des Bauwerks zur Verfügung, und das war das Behaglichste an der Geschichte.

Kynophile Menschen versuchen einem bisweilen weiszumachen, wer Hunde nicht möge, mache sich auch aus seinen Mitmenschen nichts. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, wird jedoch feststellen, dass gerade unter den Hundefreunden die schärfsten Misanthropen zu finden sind. Franz war keine Ausnahme. Seine beiden Hunde seien ihm lieber als jeder Mensch, ließ er mich ungefragt wissen, und wer ihnen etwas antue, könne damit rechnen, eines gewaltsamen und unverzüglichen Todes zu sterben. So weit hatte er sich an die Landessitten also bereits angepasst, wenngleich Tierschutz eher selten das Mordmotiv des Einheimischen sein dürfte. Was er mit jemandem täte, der seine Freundin misshandelte, erwähnte er nicht, aber man darf annehmen, dass er diesfalls geneigt wäre, die Sache in die Hände des Rechtsstaates zu legen. Die Blutrache jedenfalls schien dem Hundeschänder vorbehalten.

Einer der beiden Köter hatte sich besondere Verdienste erworben, indem er angesichts seines an einem Strick von einem Ast hängenden Herrchens so lange Radau gemacht hatte, bis das Frauchen herbeigeeilt war und den lebensüberdrüssigen Lebensgefährten vom Baum geschnitten hatte. Dies erzählte mir Franz am ersten Abend, in dessen Verlauf die Merkmale eines Betrunkenen zunahmen, ohne dass man ihn trinken gesehen hätte. Er erzählte es mir auch am zweiten Abend, der erschreckend ähnlich verlief, doch drängte sich ein klarer Moment in seine Tirade. Warum er mir, einem völlig Fremden, so etwas erzähle? Wer ich denn überhaupt sei? Was ich in seinem Haus zu suchen habe und wer diese Pascale sei, die mich hergeschickt habe? Er kenne keine Pascale, und das sei auch gut für diese, denn wenn sie ihm unter die Finger komme, sei es schlecht um sie bestellt. Darauf äußerte er seine Sorge um Pascales Geschlechtsleben und sparte nicht mit Ratschlägen, welcher diesbezüglichen Maßnahmen es bedürfe.

Was nun seine Freundin betreffe, fuhr Franz fort, sei natürlich zu beklagen, dass sie ein paar Jahre älter sei als er. Eine jüngere wäre ihm schon lieber, doch andererseits sei sie gut eingeritten, und das sei auch etwas wert. Der klare Moment war vorbei, und so genierte ihn ebenso wenig, dass der Adressat dieses Vortrags ein Wildfremder war, wie der Umstand, dass einen Stock höher die so zärtlich Beschriebene krank, aber wach im Bett lag.

Dies und noch manches andere führte Franz aus mit vielen Wörtern, doch nicht in vielen Worten, denn er schien von der Macht der Wiederholung überzeugt. Dass es der Qualität eines Gesprächs zuträglich ist, wenn auch der Zweite von Zeit zu Zeit Gelegenheit hat, etwas zu sagen, schien hingegen nicht seine Sorge zu sein, auch nicht in nüchternem Zustand. Vielleicht, weil er früher beim Rundfunk gearbeitet hatte, einem Medium, in dessen Natur es liegt, nur in eine Richtung zu kommunizieren.

So gingen also zwei Abende dahin, während derer ich in einem abgelegenen Winkel Sardiniens auf einem mit Hundehaaren übersäten Sofa sitzend einem alkoholisierten Aussteiger lauschte. Es lauschte auch Karin, wie gesagt, und sie sah sich für das Schamgefühl zuständig. Sie empfing mich am Morgen mit fremdzerknirschten Worten und hatte wohl auch Franz ihre Meinung über den Verlauf des vorangegangenen Abends auseinandergesetzt. So kam ich in den Genuss kompensatorischer Freundlichkeit, deren Vehemenz beinahe so beängstigend war wie die Rüpelei.

Teil dieser Freundlichkeit war, mich in der Gegend herumzufahren. Über die Auswahl der Sehenswürdigkeiten hätte man diskutieren können, doch wenigstens der Strand barg eine interessante Überraschung. Nicht nur Franz hatte sich ausgetobt in der Nacht, sondern auch ein Wirbelsturm. In Franzens abgeschiedenem Tal hatte man davon nichts bemerkt, im übrigen Sardinien dafür umso mehr. Wo tags zuvor ein vom Meer durch eine pinienbewachsene Düne getrennter Kanal gewesen war, konnte man nun trockenen Fußes an den Strand gelangen, denn die Düne lag im Kanal.

Zu den besuchten Sehenswürdigkeiten gehörte auch einer von Franzens beiden Freunden, Luigi, ein weitgehend arbeitsloser Schmied im schwer vermittelbaren Alter. Luigi lebte mit einigen Katzen in einer Art bewohnbarer Werkstatt und sprach Italienisch, denn er war zu klug, um von Ausländern zu erwarten, dass sie Sardisch verstünden. Franz sprach das, was er für Italienisch hielt, und Luigi war zu höflich, um sich anmerken zu lassen, dass es bloß eine Aneinanderreihung italienischer Vokabel war, wenn auch eine flüssige. Ich sprach nichts, denn meine Kenntnisse der Sprache hätten keinen sinnvollen Beitrag zur Konversation zugelassen. Dass auch italienische Zeitwörter gebeugt werden wollen, war mir jedoch nicht entgangen.

Im Übrigen hatte sich Franzens Kommunikationsverhalten kaum geändert. Schlechtes Gewissen und Enthaltsamkeit legten seiner Rede inhaltliche Zügel an, die Neigung, eher bereits Gesagtes zu wiederholen als den Gast zu Wort kommen zu lassen, aber war geblieben. Immerhin keine Grobheiten, und existenzielle Verzweiflungstaten blieben unerwähnt. Schließlich war es an der Zeit, die Insel zu verlassen. Franz brachte mich zum Bus, dann stieg ich in einen anderen, denn die Schmalspurbahn fuhr immer noch nicht, und dann in den Zug nach Porto Torres. Am nächsten Morgen war ich in Toulon, wo ebenfalls Österreicher leben, und dort gab es einen hervorragenden Schokoladekuchen. Nicht nur Franz, auch das Schicksal hatte wohl ein bisschen ein schlechtes Gewissen.

Paris

Zweihundert Millionen Sekunden vor dem Jahr 2000 war ich in Paris. Das weiß ich deshalb, weil zu jener Zeit vor dem Georges-Pompidou-Zentrum, dem Gebäude mit der Haustechnik außen und der modernen Kunst innen, eine Vorrichtung angebracht war, die das Näherrücken des großen Ereignisses durch Anzeigen der verbleibenden Sekunden deutlich machte. Inzwischen ist die Faszination über Jahreszahlen, die mit 2 beginnen, längst verflogen, aber wir sprechen, wie sich, wer will, ausrechnen kann, vom Jahr 1993. Damals hieß alles, was Moderne und Zukunftsgewandtheit ausstrahlen wollte, 2000. Ich meine mich gar eines Wiener Floristen namens Blumen 2000 zu erinnern. Die schwedische Staatsbahn nannte ihre Hochgeschwindigkeitszüge X2000 und tut das bis heute. Inzwischen gibt es dort auch Züge, die die Zahl 3000 im Namen haben. Man kann nicht früh genug anfangen, sich seinen Platz in der Avantgarde zu sichern, denkt man in Schweden. Doch zurück ins Paris des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts.

Wer will, kann sich auch ausrechnen, dass der Moment, da alle neun Ziffern umsprangen, zu einer Morgenstunde eintrat, zu der außer Bäckern und Nachtwächtern jeder vernünftige Mensch im Bett liegt. Ich hatte mir das ausgerechnet, doch war ich jung und unvernünftig. Ich war dort. Ich habe es gesehen. Eben noch ein Zweier und viele Nuller, plötzlich ein Einser und viele Neuner. Jedes Jahr bekommen mehr Leute den Nobelpreis, als es Zeugen dieses Augenblicks gibt.

Zuvor, als sich auf den letzten vier Stellen noch Ziffern aller Art tummelten, hatte ich Gelegenheit, die Bekanntschaft Roberts zu machen, eines Österreichers, der nicht nur auf eine internationale Karriere als Obdachloser verweisen konnte, sondern auch über ein Drahtgestell verfügte, das er mon satellite de terre nannte. Er empfing wohl Botschaften von Außerirdischen, oder vielleicht brauchte er nur etwas, um sich festzuhalten. Auch wusste er ein nahegelegenes vietnamesisches Mitnahmespeiselokal zu empfehlen. Dies wurde in den folgenden Tagen mehrmals beherzigt. Nun, solche Leute trifft man spätnachts auf den Plätzen von Paris.

In den Betten von Paris, namentlich den Jugendherbergsbetten, trifft man andere. Manche sind Deutsche, natürlich, unvermeidlich, und lassen einen an ihren Dialogen teilhaben.

»Und wieder ist ein Tag sinnlos in Paris vergangen«, sprach der eine, als das Jahr 2000 um einige Zehntausend Sekunden näher gerückt war. Der andere erwiderte: »Der wäre woanders wohl auch vergangen.« Man sieht, auch lange Zeit nach dem Tod von Goethe und Schiller, Nietzsche und Kant enttäuscht das Land der Dichter und Denker nicht. Ob die beiden aus ihrer Erkenntnis denselben Schluss gezogen haben wie Immanuel Kant, weiß ich freilich nicht. Ob sie also nach Paderborn oder Bielefeld oder wo sie zuhause gewesen sein mögen zurückgekehrt sind, um die Stadt fortan nicht mehr zu verlassen. Vielleicht eilen sie auch in faustischer Getriebenheit von Ort zu Ort auf der Jagd nach dem nicht vergehenden Tag. Nirgends jedoch verweilt der Tag, vom Augenblick gar nicht zu sprechen. Wie Ahasver müssen sie ruhe- und endlos durch die Welt ziehen, die ewigen Deutschen, und irgendwann dreht jemand einen rassistischen Propagandafilm über sie.

Immerhin ist es ihnen in Paris nicht ergangen wie Ödön von Horváth, den einst das glamouröse Missgeschick ereilt hatte, auf der berühmtesten aller Prachtstraßen von einem Ast erschlagen zu werden. Und man darf auch annehmen, dass ihnen das Malheur Ingmar Bergmans erspart geblieben ist, den nach dem Verzehr verdorbener Nieren seine Beine nicht schnell genug die Stiegen hinab vom berühmtesten aller Fachwerktürme getragen haben. Mit vollen Hosen ist auch in Paris gut stinken, wie der berühmteste aller schwedischen Regisseure viele Stufen lang gezwungen war festzustellen.

Auch mir ist nichts dergleichen widerfahren, obwohl ich selbstverständlich auf dem Turm war, denn das war lange, bevor man sich bis auf die Unterhose ausziehen musste, gleichsam, um auch nur in die Nähe gelassen zu werden. Die Bäume hielten schön alles beisammen, als ich in der Abenddämmerung nach La Défense hinaus radelte, die Prachtstraße entlang und um die pompöseste aller Kreisverkehrverzierungen herum. Dann wurde mit drei anderen jungen Menschen vor dem Gebäude mit dem für deutschsprachige Ohren etwas anrüchigen Namen Grande Arche herumgesessen und Pudding durch McDonald’s-Strohhalme geschlürft, die dicken mit dem Knickding, mit denen man so gut koksen kann. Der Pudding war natürlich von woanders.

Und etwa hundertneunundneunzigeinhalb Millionen Sekunden vor dem Jahr 2000 war es dann an der Zeit, die Heimreise anzutreten.

Grönland

Es war ein Abschied ohne Wehmut. Grönland und ich, das ist keine Liebesgeschichte. Dazu mag beitragen, dass ich einen kalten Sommer erwischt habe, wie mir versichert wurde. Angeblich zeichnen sich grönländische Sommer durch stabiles Schönwetter aus. Von stabil konnte keine Rede sein. Manchmal war es schön. Dann wieder nicht, und dann war es kühl, nein kalt. Zuhause, ja wie es scheint in ganz Europa, wütete derweil eine Hitzewelle.

Doch auch sonst. Natürlich ist die Landschaft imposant. Aber jetzt auch wieder nicht so überwältigend, außer vielleicht für Holländer und Dänen. Ja, man weiß, hinter den Bergen verbirgt sich eine Eismasse, die den Vatnajökull vollständig deklassiert, und der ist größer als alle Alpengletscher zusammen. Sehen tut man davon allenfalls Ausläufer, außer, wenn man Glück hat, während des Anflugs. Dieses Glück hatte ich, wenigstens über der westlichen Hälfte. Die Eisberge, ja, an denen kann man sich kaum satt sehen. Es empfiehlt sich also, sich an die Diskobucht zu halten, denn dort schwimmen die eindrucksvollsten herum. Eisberge in der Mitternachtssonne, das ist eine großartige Sache. Tanzlokale für Jugendliche sind übrigens trotz des Namens keine zu befürchten.