Zukunft gestalten: Gegen den Strom! - Hans-Paul Riemann - E-Book

Zukunft gestalten: Gegen den Strom! E-Book

Hans-Paul Riemann

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Beschreibung

Was uns derzeit umtreibt ist zum Einen die Corona-Pandemie und zum Anderen der Klimawandel und die Zerstörung unserer Umwelt. Um diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können, ist ein ganz anderes Management erforderlich, als es derzeit ersichtlich zur Anwendung kommt. Wir haben es mit divergierenden Interessen zu tun, mit Nutznießern und Verlierern, mit Regierungen und Völkern, mit unterschiedlichen Kulturen, mit einer hochkomplexen Gemengelage. Ich nehme den Umgang der Regierung mit Corona als negatives Beispiel, um zu erläutern, wie man vorgehen müsste, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Man muß nicht nur wissen, was zu tun ist, sondern mehr noch wie es zu tun ist. Meine Vorschläge basieren auf einer Methode, die Mitte der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Amerika entwickelt wurde und um das Jahr 1980 für die deutsche Entwicklungshilfe adaptiert wurde. Unser Wirtschaftssystem ist auf Konsum und Wachstum ausgelegt. Beinahe jeder ökologisch sinnvolle Änderungsvorschlag wird mit dem Argument zu Fall gebracht, das koste Arbeitsplätze. Wenn wir vom Konsum- und Wachstums-Mantra abrücken wollen, dann müssen wir die Arbeit von der Lohn- und Einkommensteuer befreien. Zusätzlich - um die negativen Folgen von Arbeitslosigkeit abzufedern - müssen wir für alle Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Dafür muss der Konsum sehr hoch besteuert werden. Die hier beschriebenen Vorschläge sind als Denkanstöße zu verstehen, um die Menschen nachhaltig zur Umkehr von der Verschwendung zur Sparsamkeit zu bewegen.

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Autor

Hans-Paul Riemann, Jahrgang 1937, ist im östlichen Ruhrgebiet aufgewachsen, hat in München Maschinenbau studiert (Dipl.-Ing.) und anschließend ca. 10 Jahre in der Luft- und Raumfahrtindustrie gearbeitet, zuletzt als Projektleiter des Senkrechtstarters Do31. Dann verlor er sein Interesse an der Technik und wandte sich der Betriebswirtschaft zu, er wurde Unternehmensberater. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre war er maßgeblich am Aufbau der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH beteiligt, die im Auftrag der Bundesregierung Projekte in Entwicklungsländern durchführt. In dieser Zeit hat er sich intensiv mit Planungsmethoden für Projekte im politischen Umfeld beschäftigt. Seit 1982 ist er als selbständiger Unternehmensberater, Management-Trainer und zuletzt als Entwickler betriebswirtschaftlicher Software tätig. Er hat sich stets mit komplexen Problemstellungen beschäftigt, die letztlich nur mit Hilfe eines systemischen Denkansatzes nachhaltig einer Lösung zugeführt werden können.

Für die Jugend, die sich Sorgen um ihre Zukunft macht.

Hans-Paul Riemann

Zukunft gestalten: Gegen den Strom!

© 2021 Hans-Paul Riemann

Lektorat: Bärbel Giese, Ursula Rödner-Delling, Heinfred Kübler

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg

ISBN 978-3-347-31938-7 978-3-347-31939-4 978-3-347-31940-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Über Systeme und Komplexität

Das Menschenbild

Freiheit

Bildung

Religion

Gesundheit

Arbeit

Umwelt

Der Paradigmenwechsel

Gewinner und Verlierer

Nachwort

Quellennachweis

Überblick

Was uns derzeit umtreibt ist zum Einen die Corona-Pandemie und zum Anderen der Klimawandel und die Zerstörung unserer Umwelt. Um diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können, ist ein ganz anderes Management erforderlich, als es derzeit ersichtlich zur Anwendung kommt. Wir haben es mit divergierenden Interessen zu tun, mit Nutznießern und Verlierern, mit Regierungen und Völkern, mit unterschiedlichen Kulturen, mit einer hochkomplexen Gemengelage. Ich nehme den Umgang der Regierung mit Corona als negatives Beispiel, um zu erläutern, wie man vorgehen müsste, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Man muß nicht nur wissen, was zu tun ist, sondern mehr noch wie es zu tun ist. Meine Vorschläge basieren auf einer Methode, die Mitte der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Amerika entwickelt wurde und um das Jahr 1980 für die deutsche Entwicklungshilfe adaptiert wurde.

Unser Wirtschaftssystem ist auf Konsum und Wachstum ausgelegt. Beinahe jeder ökologisch sinnvolle Änderungsvorschlag wird mit dem Argument zu Fall gebracht, das koste Arbeitsplätze. Wenn wir vom Konsum- und Wachstums -Mantra abrücken wollen, dann müssen wir die Arbeit von der Lohn- und Einkommensteuer befreien. Zusätzlich - um die negativen Folgen von Arbeitslosigkeit abzufedern - müssen wir für alle Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Dafür muss der Konsum sehr hoch besteuert werden.

Die hier beschriebenen Vorschläge sind als Denkanstöße zu verstehen, um die Menschen nachhaltig zur Umkehr von der Verschwendung zur Sparsamkeit zu bewegen.

Einleitung

Jedes Volk lebt in einem bestimmten Gesellschaftssystem mit eigenen Wertvorstellungen und Gesetzen, die ein bestimmtes Verhalten der Menschen in der Gesellschaft generieren. Das Gesellschaftssystem ist so zu sagen allumfassend. Es beinhaltet die politische Verfassung, das Wirtschaftssystem und diverse Subsysteme wie das Bildungssystem, das Gesundheitssystem, das Sozialsystem, das Verkehrssystem und andere. Die Umwelt als vom Menschen gefährdetes System ist erst in den letzten 50 Jahren in den Fokus gerückt. Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung, das Insektensterben und menschengemachter Klimawandel sind zu Themen geworden, die vielen Menschen Angst machen.

Unsere Gesellschaft steht vor tiefgreifenden Herausforderungen: Verknappung der Arbeitsplätze, Umweltzerstörung, Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Flüchtlingsströme. Zu allem Überfluss kommt neuerdings noch die Corona-Krise hinzu. Ein Ansatzpunkt zur Einflussnahme auf den Klimawandel liegt in unserem Konsumverhalten und in unserer Wegwerfmentalität. Beides ist eng gekoppelt mit der Bedeutung, die in unserer hoch industrialisierten Gesellschaft der Arbeit zugemessen wird. Jegliche Produktion von technischen Geräten bedeutet einen Eingriff in die Natur. Rohstoffe werden unter Einsatz von viel fossiler Energie abgebaut, Energie wird benötigt, um aus den Rohstoffen brauchbare Produkte zu machen, und vielfach wie z. B. bei der Lebensmittelproduktion kommt noch Chemie zum Einsatz. Die Herstellung technischer Geräte schadet also der Umwelt und dem Klima, schafft und erhält aber viele Arbeitsplätze. Überspitzt könnte man sagen: “Wir müssen die Umwelt zerstören, sonst geht uns die Arbeit aus”. Um diesen Effekt abzumildern, werden zwei Systemänderungen vorgeschlagen: Die Befreiung der Arbeit von der Steuer und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das bedeutet einen tiefen Eingriff in unser Wirtschaftssystem. Bevor man so etwas beschließt, muß antizipiert werden, wie sich die Menschen in dem geänderten System verhalten werden. Dies ist ein Schwerpunkt der vorliegenden Ausarbeitung. Und noch etwas: Die Realisierung der Vorschläge ist ein großes Projekt. Projekte sind nach den Regeln des Projektmanagement abzuwickeln. Eine Grundregel bezieht sich auf das schrittweise Vorgehen. Die Projektphasen folgen der Logik: Wunsch - Ziel - Plan - Handlung. Ich sehe mich mit meinen Vorschlägen und Argumenten in der Wunsch-Phase. ich will einen Beitrag dazu leisten, den Wunsch für eine Systemänderung in unserer Gesellschaft zu verfestigen. Denn wenn der Wunsch stark genug ist, findet man auch einen Weg. Und angesichts der Größe der Aufgabe behalte ich folgende Empfehlung im Hinterkopf: Man möge ändern, was man ändern kann, man möge hinnehmen, was man nicht ändern kann, und man möge Gott bitten, dass er einem die Weisheit gebe, das Eine vom Anderen unterscheiden zu können.

Über Systeme und Komplexität

Deutschland wie auch die anderen Industrieländer sind zu großem Wohlstand gekommen. Die Quelle dieses Wohlstands liegt in der Nutzung der fossilen Energie-Ressourcen. Wenn Kohle, Öl und Gas nicht entdeckt worden wären, dann hätte auch der im christlichen Abendland nach der Aufklärung aufkommende Erfindergeist keine Industrialisierung zustande gebracht. Man müsste heute noch - wie in der Antike - mit Muskelkraft Waren transportieren, Bauwerke erstellen und Nahrungsmittel produzieren. Erst die Nutzung der fossilen Energieträger hat es möglich gemacht, dass wir heute über (fast) alles im Überfluss verfügen. Bei der Gewinnung dieser Energie wird CO2 freigesetzt, was zu einer Veränderung der Luftzusammensetzung und damit zu einer Veränderung des Klimas führt. Längst leben wir auf Kosten der Umwelt. Das ist das Problem.

Im Zuge der Industrialisierung, die seit etwa 200 Jahren im Gange ist, hat sich das Trachten der Menschen darauf gerichtet, immer mehr Produkte zu einem immer geringeren Preis herzustellen und damit immer mehr Geld zu verdienen. Durch den Einfluss der Arbeitnehmervertreter haben sich die Löhne permanent erhöht. Im Gegenzug haben die Arbeitgeber immer mehr Arbeitsplätze mit Maschinen statt mit Menschen besetzt. So konnte in kürzerer Zeit noch mehr produziert werden. Über den Eigenbedarf hinaus werden die Produkte in andere Länder exportiert. Der Fortschrittsglaube und das Mantra vom ewigen Wachstum sind Ursachen des Problems.

Die Arbeit als Grundlage unserer Existenz darf nicht ausgehen. Der Staat besteuert die Arbeit und finanziert damit etwa ein Drittel seiner Ausgaben. Das ist die eine Seite der Betrachtung. Auf der anderen Seite werden viele Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, wo die Lohnkosten geringer sind. Das ist ein Dilemma.

Das Problem ist allseits bekannt und viel diskutiert. Aber eine Lösung ist nicht einmal im Ansatz erkennbar. Immer, wenn etwas verändert werden soll, verhalten die Betroffenen sich nach dem Motto: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass. Ich werde mich ganzheitlich mit der Frage beschäftigen, in wie weit man die Umweltverschmutzung, den Anstieg der Meere und den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur beeinflussen kann. Wenn man sich den öffentlichen Diskurs zu diesem Thema anschaut, dann ist zu erkennen, dass hier total divergierende Interessen, viel Naivität, Wunschdenken, Verlogenheit und Frustration am Werk sind. Die Einen stellen in Abrede, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Andere reagieren hysterisch und fordern Verbote. Die Jugend geht mit Appellen auf die Straße, und die Industrie warnt vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Keiner will auf die Bequemlichkeiten, die die moderne Konsumgesellschaft bietet, verzichten. Die Politik hat es schwer und versucht durch Verteilung von Geld das Thema vor dem Überkochen zu bewahren. Statt in die Zukunft zu schauen und die Risiken und Nebenwirkungen abzuwägen, übt man sich in Aktionismus und Populismus. Dieses Verhalten ist im Privatleben, in der Lokalpolitik und in der großen Politik zu beobachten. Hätten die Amerikaner sich militärisch in Vietnam, Afghanistan und im Irak engagiert, wenn sie vorab die Risiken und Nebenwirkungen berücksichtigt hätten?

Wir leben in Systemen, wir sind umgeben von Systemen, ja jeder ist selbst ein System. Systeme sind lebendig, dynamisch. Sie funktionieren nach den Prinzipien von Ursache und Wirkung. Diese Weltsicht ist den wenigsten Menschen geläufig. Sie denken statisch, mechanistisch, bürokratisch. Sie denken selten an die Folgen, an die Risiken und Nebenwirkungen. Dies sei am Beispiel der Organtransplantation erläutert:

Die Medizintechnik ist heute so weit entwickelt, dass man diverse Organe bis hin zum Herzen von einem Körper in einen anderen verpflanzen und somit Leben retten kann. Leider ist der Bedarf an Transplantationen viel größer als das Angebot an Organen. Der Gesundheitsminister überlegt nun, jeden Menschen als Organspender zu betrachten, um nach seinem Hirntot frei über seine Organe verfügen zu können, es sei denn, dieser Mensch oder seine Angehörigen hätten sich dagegen ausgesprochen. Die Sicht der Politiker und des Publikums ist hierbei nur auf zwei Aspekte gerichtet: Dem todgeweihten Spender kann es egal sein, ob seine Organe verfaulen oder rechtzeitig einem guten Zweck zugeführt werden, und dem Empfänger wird geholfen, was per se ein guter Zweck ist. Bei einer ganzheitlichen, systemischen Sicht steht die Nachhaltigkeit im Fokus. Dabei spielen zunächst die zu erwartenden Anreize eine vorrangige Rolle: Wenn die Nachfrage erheblich größer ist als das Angebot, dann ist mit Beschaffungskriminalität zu rechnen. Das fängt beim Feststellen des Hirntodes an; denn das ist ja so zu sagen nur der halbe Tod, der Blutkreislauf muß noch funktionieren, sonst sind die zu entnehmenden Organe unbrauchbar. Es ist also ein Vorteil für das System, wenn der Hirntot bescheinigt werden kann. So viele Hirntote gibt es aber gar nicht. Also macht man sich auf die Suche nach lebendigen Spendern. Man hat schon gehört von Bettelkindern in Indien, denen man für 3.000 € eine Niere abkaufte, um sie dann in Europa einem Patienten für 80.000 € zu verkaufen. Der Mensch wird so vom Geschöpf zum Ersatzteillager degradiert, mit dem man viel Geld verdienen kann. Das sind die Nebenwirkungen der Organtransplantation. Die Risiken werden erkennbar, wenn man die Frage stellt, warum eigentlich dieser oder jener Mensch ein neues Organ braucht. Liegt es an seinen Gewohnheiten, an seinem Umfeld, dass sein Organ verbraucht wurde? Dann wird ein neues Organ auch nicht lange halten. Ein weiteres Risiko liegt in den Abwehrkräften des Empfänger-Körpers. Ist für ihn das Weiterleben ein Gewinn oder eher eine Qual? Nur wenn ich daran glaube, dass die Nebenwirkungen beherrschbar und die Risiken gering sind, kann ich das Vorhaben des Gesundheitsministers unterstützen.

Um die möglichen Entwicklungen, die vielfältigen Wirkungen und Wechselwirkungen im Leben zu verstehen, kann man sich der Methode bedienen, alles in Systeme einzuordnen. Systeme sind virtuelle, hypothetische Gebilde. Es ist allein mir überlassen, was ich als System eingrenze. Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Was allein zählt, ist die Zweckmäßigkeit. Ich muss also den Zweck kennen, den ich mit der Definition eines Systems erreichen will. Systeme sind hierarchisch organisiert. Jedes System ist Teil eines höheren Systems, es muß dem höheren System einen Nutzen bringen. Wenn das nicht gewährleistet ist, wird es untergehen. Es kann untergliedert werden in Komponenten, wobei ich jede Komponente auch wieder als ein System sehen kann. Die kleinste Einheit in einem System ist das Element, das ich für meine Betrachtung nicht weiter untergliedern muss. Alle Teile eines Systems stehen irgendwie in Beziehung zueinander, sie tauschen Informationen aus und reagieren auf Informationen. Und alle Systeme wollen wachsen. Wenn diesem Wachstumsdrang nichts entgegensteht, dann wird es problematisch. Nehmen wir als Beispiel unsere Wirtschaft. Das Wirtschaftssystem, in unserem Fall die soziale Marktwirtschaft, ist Teil unseres Gesellschaftssystems, in unserem Fall der Demokratie. Das Wirtschaftssystem hat die Aufgabe, möglichst allen Menschen in unserem Staat zu Arbeit und Brot zu verhelfen. Man sagt, die Wirtschaft müsse wachsen, sonst könne sie dieses Ziel nicht erreichen. Und sie wächst von Jahr zu Jahr. Längst leben wir in einer Überflussgesellschaft. Der Überfluss, den wir selbst nicht verbrauchen können, wird exportiert. Das reicht aber nicht. Die Überflussgesellschaft entwickelt sich weiter zu einer Wegwerfgesellschaft. Manches wird mit Hilfe von viel Werbung verkauft, aber nie benutzt. Manches kann nicht verkauft werden und wird deshalb vernichtet. Hauptsache, den Menschen geht die Arbeit nicht aus. So ist unser Wirtschaftssystem beschaffen. Es gibt derzeit keinen Selbstregelungsmechanismus, der das Wachstum begrenzen würde. Die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von fossilen Energieressourcen macht es möglich. Wo soll das hinführen? Erst wenn die fossilen Energieträger zur Neige gehen, wird es auch mit dem überbordenden Konsum ein Ende haben. Aber das liegt noch in weiter Ferne. Die Versorgung der Menschen mit Arbeit wird immer schwieriger. Das hat damit zu tun, dass die Effizienz bei der Herstellung von Produkten das oberste Gebot darstellt. Immer mehr Produkte werden mit immer weniger Arbeitseinsatz erzeugt. Firmen, die dies nicht berücksichtigen, verschwinden vom Markt.

Systeme sind sehr stabil. Sie wachsen, sie ändern sich, sie passen sich an. Aber sie brechen nicht unvermittelt zusammen. Das geschieht erst, wenn sie einen so genannten Kipppunkt erreichen. Wenn sie zusammenbrechen, dann geht dem meist ein langer schädlicher Prozess voraus. Die Zahlungsunfähigkeit einer Firma - ausgelöst durch die Weigerung der Banken, einen neuen Kredit zu bewilligen - wäre ein Kipppunkt. Manche Menschen nehmen über lange Zeiträume Schmerzmittel zu sich. Sie fühlen sich gut, bis irgendwann die Nieren kaputt sind. Das Nierenversagen ist ebenfalls ein Kipppunkt. Die Klima-Veränderung aufgrund der Verbrennung von Öl und Kohle ist kein Kipppunkt; denn man kann diese Veränderungen ja beobachten, es sind Begleiterscheinungen. Wenn die Polkappen abschmelzen und plötzlich der Golfstrom aufhört zu existieren, dann wäre das ein Kipppunkt. Der Golfstrom sorgt dafür, dass wir in Mitteleuropa ein gemäßigtes Klima haben. Das würde sich schlagartig und irreversibel ändern, wenn der Golfstrom ausfällt. Ein Kipppunkt ist also so etwas wie der irreversible Untergang eines Systems, der Untergang des Golfstroms, das Versagen der Nierenfunktion im menschlichen Körper oder die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens. Die Einflussgrößen, die dies bewirken, sind vielfältig und hoch komplex. Wann ein Kipppunkt erreicht wird, lässt sich kaum vorhersagen, ähnlich wie der Ausbruch eines Vulkans.

Wenn die Gemengelage sehr komplex ist, die Entscheidungsträger zerstritten und nicht kompromissbereit sind und einer allein, auch wenn er noch so mächtig ist, nichts ausrichten kann, dann ist es besser, abzuwarten und zu beobachten, wie sich die Gemengelage entwickelt. Dies war wohl auch das Rezept unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, die wegen ihrer angeblichen Untätigkeit oft gescholten wurde. Ich sehe darin ein kluges Verhalten; denn alles Andere läuft doch nur auf unsinnigen Aktionismus hinaus. Die Chinesen haben für diese Art des Nicht-Handelns den Begriff Wu Wei. In Wikipedia kann man darüber folgendes nachlesen: