Zweimal Weihnachten ist einmal zu viel - Lotti Harlow - E-Book
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Zweimal Weihnachten ist einmal zu viel E-Book

Lotti Harlow

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Beschreibung

Ein Christmasdinner mit unerwarteten Folgen …
Der winterliche Wohlfühlroman mit Herz, Humor und einer Extraportion Weihnachtskeksen

Eventplanerin Lily möchte sich fernab vom Familienunternehmen etwas Eigenes in der Großstadt aufbauen. Doch ausgerechnet dieses Jahr an Weihnachten bleibt ihr nichts anderes übrig, als ins heimische Cornwall zurückzukehren und sich um das Firmen-Weihnachtsfest ihrer Eltern zu kümmern. Die Vorbereitungen laufen turbulent und Lilys Mutter macht es ihr nicht einfach: Sie soll ein besonderes Weihnachtsgemälde für die Party organisieren, das seit Jahren als verschwunden gilt. Blöd nur, dass ihr Exfreund sich als Manager des betreffenden Künstlers entpuppt und alles andere als hilfreich bei der Suche ist. Dass ihr Herz bei seinem Anblick immer noch höher schlägt, ignoriert Lily dabei gekonnt – zumindest versucht sie es … Da hilft nur noch ein Weihnachtswunder!

Erste Leser:innenstimmen
„Ein Wohlfühlroman, der den Namen wirklich verdient – hat mir permanent ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert!“
„romantisch, weihnachtlich, schön“
„Lily bei der turbulenten Suche nach dem Gemälde zu begleiten, hat großen Spaß gemacht und auch Noah hat mein Herz sofort erobert.“
„Neben der süßen Story und den liebenswerten Protagonisten hat mich vor allem der humorvolle Schreibstil überzeugt!“

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Seitenzahl: 350

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Über dieses E-Book

Eventplanerin Lily möchte sich fernab vom Familienunternehmen etwas Eigenes in der Großstadt aufbauen. Doch ausgerechnet dieses Jahr an Weihnachten bleibt ihr nichts anderes übrig, als ins heimische Cornwall zurückzukehren und sich um das Firmen-Weihnachtsfest ihrer Eltern zu kümmern. Die Vorbereitungen laufen turbulent und Lilys Mutter macht es ihr nicht einfach: Sie soll ein besonderes Weihnachtsgemälde für die Party organisieren, das seit Jahren als verschwunden gilt. Blöd nur, dass ihr Exfreund sich als Manager des betreffenden Künstlers entpuppt und alles andere als hilfreich bei der Suche ist. Dass ihr Herz bei seinem Anblick immer noch höher schlägt, ignoriert Lily dabei gekonnt – zumindest versucht sie es … Da hilft nur noch ein Weihnachtswunder!

Alle Bände der Ein Cornwall-Liebesroman-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Impressum

Erstausgabe Dezember 2022

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98637-633-8 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-110-0 Hörbuch-ISBN: 978-3-98637-637-6

Covergestaltung: ARTC.ore Design / Wildly & Slow Photography unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © MarySan, © Yuri Hoyda, © Pipochka, © Vector Tradition, © Maria Kurty Lektorat: Stephanie Schilling

E-Book-Version 27.06.2023, 12:19:51.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Zweimal Weihnachten ist einmal zu viel

Jetzt auch als Hörbuch verfügbar!

Zweimal Weihnachten ist einmal zu viel
Lotti Harlow
ISBN: 978-3-98637-637-6

Ein Christmasdinner mit unerwarteten Folgen …Der winterliche Wohlfühlroman mit Herz, Humor und einer Extraportion Weihnachtskeksen

Das Hörbuch wird gesprochen von Dagmar Bittner.
Mehr Infos hier

Kapitel 1

Familientreffen direkt aus der Hölle

29 Tage bis Weihnachten, Gemütszustand: unbestimmt

»Wie lange sitzt du da schon?«, fragt Jenny, nachdem sie meinen Anruf entgegengenommen hat.

Ich brumme. »Viel zu kurz. Oder ist der Abend bereits vorbei? Haben wir Weihnachten schon überstanden? Sogar Silvester?«

Meine beste Freundin lacht, während ich meinen Kopf gegen das Lenkrad lehne. Mittlerweile ist die Wärme aus dem Wagen verschwunden. Langsam kriecht die Kälte der rauen Küste Cornwalls ins Innere.

»Irgendwann musst du sowieso reingehen. Je länger du es hinauszögerst, desto länger leidest du«, meint Jenny. Im Hintergrund klappert Geschirr und ich schließe die Augen. Sie hat recht, dennoch sträubt sich mein komplettes Sein dagegen, mein Elternhaus zu betreten.

»Du kennst meine Familie nicht. Jede Minute, die ich da drin bin, leide ich.« Für Jenny mag es wie eine Übertreibung klingen, allerdings ist es die Wahrheit. Seit ich beschlossen habe, dem Familienunternehmen den Rücken zu kehren und meine eigene kleine Firma aufzuziehen, hängt der Haussegen komplett schief. Dabei hatte meine Mutter vorher schon genug an mir auszusetzen. Manchmal habe ich das Gefühl, es ist ihre Lebensaufgabe, mich auf die Palme zu bringen.

»Lily, reiß dich zusammen«, sagt Jenny mit fester Stimme und ich öffne die Lider, lehne mich zurück und drücke den Kopf gegen den Sitz. »Du bist erwachsen, deswegen wirst du deinen Eltern jetzt die Stirn bieten. Sobald du das Essen hinter dich gebracht hast, kannst du zurück nach London kommen. Glaub mir, du wirst das überleben.«

Wäre es nur so einfach. Leider kannte meine Freundin nur die halbe Wahrheit. Denn ich war heute nicht wegen des Essens hier, sondern weil ich Hilfe brauchte. Aber das möchte ich für mich behalten.

»Du kennst meine Familie nicht«, wiederhole ich daher schlicht.

»Stimmt, allerdings sagt die Tatsache, dass ihr euer Weihnachtsessen probt, ziemlich viel über euch aus.«

»Es ist keine richtige Probe«, erkläre ich, weil es mir irgendwie unangenehm ist. Aber es stimmt, es war eine Probe für das eigentliche Weihnachtsessen. Jedes Jahr luden meine Eltern vier Wochen vor Weihnachten bereits zu einer Weihnachtsfeier ein. Es diente tatsächlich lediglich als Vorbereitung für das wichtigste Fest des Jahres. Das Weihnachts-Dinner für die Geschäftspartner meines Vaters. Seit Generationen besitzt unsere Familie eine der bekanntesten Whisky-Destillerien in England. Am Abend vor Weihnachten werden wichtige Geschäfte geschlossen, neue Partnerschaften besiegelt. Das war schon immer so, seit ich denken kann. Damit nichts schief geht, dient die Weihnachtsfeier für die Angestellten und Freunde der Familie als Probelauf.

»Immerhin kannst du zwei Mal Weihnachten feiern«, sagt Jenny und holt mich aus meinen Gedanken. »Dein Herz müsste aufgehen.«

»Stimmt.« Beim Gedanken an die bunten Lichter, die Weihnachtsmusik und das ganze köstliche Essen bessert sich meine Laune. Es gibt kein anderes Fest, bei dem die Stimmung so unvergleichlich ist, wie an Weihachten. Deswegen liebe ich alles, was damit zusammenhängt. Außer das Essen mit meinen Eltern …

Ich atme tief durch, klappe die Sonnenblende herunter und werfe einen Blick in den Spiegel. Schwarzer Mascara hängt unterhalb meiner Wimpern. Schnell wische ich ihn weg, streiche mir die blonden Strähnen aus dem Gesicht. Genug Trübsal geblasen.

»Ich schaffe das«, murmle ich mir selbst Mut zu, habe Jenny ganz vergessen.

»Natürlich. Go, Girl.«

Grinsend schalte ich den Lautsprecher aus, nehme das Smartphone aus der Halterung und drücke es mir ans Ohr. »Danke.«

»Immer«, entgegnet sie und wir beenden das Gespräch.

Ein letztes Mal atme ich tief durch, straffe meine Schultern und erinnere mich daran, wer ich bin. Niemand schafft es, mich kleinzureden. Niemand hat das Recht, meine Entscheidungen in Frage zu stellen. Nicht mal meine Mutter.

Tief in mir lacht eine jüngere Version meiner selbst, die genau weiß, dass ein Blick ausreichen wird, um mein hart antrainiertes Selbstbewusstsein ins Wanken zu bringen.

»Schluss damit, Lily. Du bist 28 Jahre alt, hast deine eigene Firma gegründet und bist ganz allein nach London gezogen. Ein Essen mit deinen Eltern ist ein Kinderspiel.«

Bevor ich erneut in Selbstmitleid ertrinken kann, öffne ich die Tür und steige aus. Der frische Duft nach Meereswasser steigt mir in die Nase. Für einen Augenblick kehren Erinnerungen an meine Kindheit zurück. Tage, an denen ich unten am Strand gespielt habe. Nächte, in denen ich durchs offene Fenster dem Rauschen der Wellen gelauscht habe. Das Wasser ist wirklich das einzige, das ich in London vermisse. Ansonsten kann ich gar nicht schnell genug zurückkehren.

Aus dem Kofferraum hole ich meine Pumps, tausche sie gegen die Turnschuhe, die ich zum Autofahren angezogen habe. Schließlich lege ich mir den Kleidersack über den Arm und gehe Richtung Haus, dann zögere ich doch. Das Anwesen liegt auf einer kleinen Anhöhe unweit der Klippen. Egal, wie oft ich hier stehe, die Imposanz des Hauses verschlägt mir jedes Mal für einen Moment den Atem. Wie ein kleines Schloss baut es sich vor mir auf, ragt in den Himmel. Trotzdem will sich kein richtiges Gefühl von Heimat einstellen. Ich seufze, reiße mich zusammen und gehe weiter.

Die Party beginnt erst in einigen Stunden. Allerdings wollte ich die Zeit vorher nutzen, um mit meinen Eltern zu sprechen und sie um Hilfe zu bitten.

Unsere Auffahrt ist mit bunten Lichtern geschmückt. Auf der kurzen Treppe, die zur Eingangstür führt, wurde ein roter Teppich ausgerollt. Allerdings fehlt der Kunstschnee und generell kommt mir die Dekoration dezent vor. Normalerweise stehen überall leuchtende Figuren und Weihnachtsbäume, die für die richtige Stimmung sorgen. Dieses Jahr scheint meine Mutter zum ersten Mal darauf verzichtet zu haben.

Bevor ich die Tür erreiche, wird sie aufgerissen. Mein Bruder kommt mir entgegen. Eilig hastet er die Treppe hinunter, rennt mich dabei beinahe um.

Kaum fünf Zentimeter vor mir bremst er ab. Ich muss den Kopf ein Stück heben, um ihm in die Augen sehen zu können. Sein dunkles Haar ist kurz, bringt seine blauen Augen noch mehr hervor. »Lily, scheiße, ich hätte nicht erwartet, dass du kommst.«

Ich zucke mit den Schultern. »Niemand traut sich gern in die Höhle des Löwen.«

»Wohl wahr.« Trevor schließt mich in seine Arme. An ihm haftet der Geruch von verbrannten Keksen und ich rümpfe die Nase. »Renn so schnell du kannst«, flüstert er mir ins Ohr.

»So schlimm?«

Er löst sich von mir und tritt einen Schritt zurück. »Schlimmer! Bisher ist alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Fehlt nur, dass der Weihnachtsbaum in Flammen aufgeht. Oder Mum.«

»Besteht die Möglichkeit? Dann helfe ich gerne nach«, witzle ich und kassiere einen Schlag gegen meine Schulter. Natürlich meine ich das nicht ernst. Egal, was zwischen meinen Eltern und mir steht, sie haben mich großgezogen und ich weiß, dass sie mich lieben … irgendwo tief in ihrem Inneren.

»Wir sehen uns beim Essen, oder?« Ich nicke und Trevor winkt mir zu, während er über die Einfahrt zu seinem Wagen geht. Er startet den Volvo und ich schinde Zeit, schaue ihm eine Weile nach, bis er schließlich außer Sichtweite ist. Ein letzter tiefer Atemzug.

Du schaffst das, Lily!

Ohne anzuklopfen, betrete ich unser Haus. Wobei diese Bezeichnung fast eine Beleidigung für das große Anwesen ist. Die Halle öffnet sich vor mir. Der Anblick des riesigen Baumes, der beinahe den Leuchter an der Decke berührt, verschlägt mir einen Moment den Atem. Ich hatte vergessen, wie wunderschön es hier ist. Bisher fehlt die komplette Deko, sogar der Baum ist nackt. Wahrscheinlich wuseln deswegen so viele Menschen um mich herum, versuchen zu retten, was zu retten ist. In weniger als drei Stunden werden die Gäste eintreffen. Reichlich wenig Zeit, um die komplette untere Ebene zu schmücken. Trevor hat keineswegs übertrieben, anscheinend geht heute so einiges schief.

»Lily?« Auf der Treppe rechts von mir, die in einem Bogen ins obere Stockwerk führt, steht mein Vater. Seine Autorität füllt den Raum, beschert mir eine Gänsehaut, obwohl er innegehalten hat und mich lediglich mustert.

»Dad«, begrüße ich ihn und nicke knapp. Unsere Beziehung war nie sehr herzlich.

Er kommt die Stufen herunter, nimmt mir den Kleidersack und meine Tasche ab. »Wir haben dich nicht erwartet. Bist du gut durchgekommen?«

»Ja, kaum Verkehr.«

Es scheppert und wir drehen uns zum Christbaum. Eine Glaskugel ist zu Boden gefallen, in tausend Teile zerbrochen. Der Angestellte, dem sie aus der Hand geglitten war, verzieht schockiert das Gesicht. Seine Bewegung ist eingefroren, der Blick auf die Scherben gerichtet. Schnell eilt ihm eine junge Frau zu Hilfe. Sie sammelt das Glas zusammen. Beide blicken sich hektisch um, wahrscheinlich in Sorge, meine Mutter könnte jeden Moment auftauchen.

»Seien Sie vorsichtig, sonst schneiden Sie sich«, meine ich.

Die Frau winkt ab. »Schon okay.«

»Komm«, sagt mein Vater und zieht mich zur Seite. Wir lassen die Halle hinter uns und schlagen den Weg zur Bibliothek ein. Als wir das Wohnzimmer und das angrenzende Esszimmer passieren, werfe ich einen Blick hinein. Personal hetzt durch die Räume, stellt Tische um, putzt Leuchter und versucht, einen weihnachtlichen Look zu kreieren. Ob das bis heute Abend wirklich klappt? Ich bezweifle es.

Sobald sich die Türen hinter uns geschlossen haben, atme ich auf. Dad legt meine Sachen auf einen Stuhl. »Diese Leute sind wirklich unfähig«, murrt er und lässt sich in seinen Lesesessel sinken. Im Hintergrund läuft leise Musik, die jedoch nicht vollkommen vermag, das Chaos draußen zu übertönen. »Erst kamen sie viel zu spät und nun machen sie ständig etwas kaputt. Dabei ist deine Mutter schon mit dem Catering vollkommen ausgelastet.«

»Wieso das?«

Dad schnaubt. »Wenn das so weitergeht, müssen wir heute Abend Pizza bestellen.«

»Als ob«, entgegne ich und lache. Doch Dad meint es ernst. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen. »Nur über Mums Leiche.«

»Wahrscheinlich. Allerdings stehen die Chancen hoch. Der Koch ist krank, deswegen ist die Cateringfirma ohne aufgetaucht. Die Hälfte der Mitarbeiter scheint neu zu sein und hat keine Ahnung, was sie tut.«

»Klingt ungut«, meine ich und trommle mit den Fingern auf meine Oberschenkel. Wenn ich hierbleibe, kann ich mich länger vor meiner Mum und ihren spitzen Bemerkungen drücken. Gleichzeitig tut es mir leid, dass diese Feier offensichtlich unter einem schlechten Stern steht. Deswegen würde ich gerne helfen. Das Engelchen in mir gewinnt. Ich erhebe mich, lächle Dad an. »Mal sehen, ob ich was ausrichten kann.«

»Schließ bitte die Tür hinter dir. Und sollte mich jemand suchen …« Er macht eine wegwerfende Handbewegung und ich verstehe, was er von mir will.

»Klar, ich habe dich nicht gesehen«, sage ich, doch Dad hat sich längst seiner momentanen Lektüre gewidmet. Nun ist er in einer Welt versunken, zu der mir der Zutritt verwehrt bleibt. Das ist schon seit meiner Kindheit so. Niemand kann ihn aus der Ruhe bringen, hat er sich einmal in eine Sache vertieft. Ich bewundere ihn für diese Eigenschaft.

Kaum habe ich das Zimmer verlassen, rennt mich beinahe jemand um. Der junge Mann entschuldigt sich und eilt davon. Hektisch eilen Menschen durch unser Haus, vertreiben die weihnachtliche Besinnlichkeit und füllen das Anwesen mit Stress. Ich zwinge mich dazu, meine Nervosität im Zaum zu halten, denn sobald sich die allgemeine Hektik legt, muss ich meine Eltern bitten, mir und meinem Unternehmen unter die Arme zu greifen, obwohl das gegen meine Überzeugungen spricht. Als ich Lilyvents vor knapp einem Jahr gegründet habe, hatte ich mir geschworen, es allein zu schaffen. Nun bin ich an dem Punkt angekommen, an dem ich Hilfe brauche. Zumindest, wenn ich die Firma halten und meine Mitarbeiter weiter bezahlen möchte.

Vor der großen Tür, die in die Küche führt, halte ich inne, atme tief durch und sammle meinen Mut. Aus dem Inneren dringt die Stimme meiner Mum zu mir. Sie klingt alles andere als glücklich. Trotzdem öffne ich die Tür und trete ein. Der Geruch von Verbranntem schlägt mir entgegen, lässt mich beinahe rückwärts taumeln. In der Luft hängt Feuchtigkeit, vermischt mit leichtem Rauch. Mum öffnet den Ofen schwungvoll und zieht ein Blech rabenschwarzer Kekse hervor. Mit einem Knall landet es auf der Ablage.

»Gibt es irgendetwas, das in Ihren Händen nicht zu einer Katastrophe wird?«, meint sie trocken und bedenkt jeden Anwesenden mit einer Portion Verachtung in den Augen. Eine Gänsehaut breitet sich über meinen Armen aus, als ihr Blick mich streift. Sie weist zwei Frauen an, das Blech zu säubern und erneut mit Teig zu bestücken. Danach kommt sie zu mir. Wie immer steckt sie in einem Hosenanzug, der ihre Figur elegant umschmeichelt und ihre Autorität weiter unterstreicht. Das Haar hat sie hochgesteckt, sodass ihre markanten Gesichtszüge besonders hervorstechen.

»Lily, du bist gekommen«, meint sie lächelnd und drückt mich steif an sich. Kaum hat mein Kinn ihre Schulter berührt, tritt sie den Rückzug an und mustert mich von oben bis unten.

»Wieso seid ihr überrascht? Ich habe zugesagt. Erst heute Morgen habe ich angerufen und mich nach dem Zeitplan erkundigt.«

Mum nickt. »Stimmt, allerdings ist im letzten Jahr kurzfristig etwas dazwischengekommen, deswegen hast du erst wenige Stunden vor der Feier abgesagt. Wir haben heute keinen Platz für dich reserviert. Jetzt wo du dein eigenes Unternehmen führst, habe ich dich für zu beschäftigt erachtet.«

Verwirrt blinzle ich, muss erstmal verarbeiten, was ich gerade gehört habe. »Meinst du das ernst?« Rhetorische Frage. Meine Mum sagt nie etwas, das sie nicht so meint. »Es gibt keinen Platz für mich?«

»Nein, aber wir finden schon eine Lösung. Eine Begleitung hast du nicht mitgebracht, oder?«

Autsch. Ein Stich in die Magengegend. »Nein, ich bin allein gekommen.«

»Habe ich mir gedacht.« Ein weiterer Stich, der nur knapp die Lunge verfehlt. Dann zieht Mum die Augenbrauen nach oben. »Hast du dieses Jahr etwa keinen Auftrag zu Weihnachten? Gehen dir bereits die Kunden aus?« Mum holt aus, sticht mir das Messer direkt in die Brust. »Oder brauchst du Geld?« Langsam dreht sie die Waffe, zieht sie dann mit einem Ruck heraus und nimmt mein Herz mit.

Die Theatralik meiner Gedanken sucht ihresgleichen und ich schreibe sie der Weihnachtsstimmung zu, die Glück und Freude ins Unermessliche steigern kann, aber genauso die Macht besitzt, negative Gefühle zu verstärken. Einen Moment fehlt mir die Luft. Mein Hirn hat vergessen, wie es Worte bildet. Wut braut sich in mir zusammen. »Mir geht’s gut, ich bin gut angekommen, danke der Nachfrage, Mum.«

Sie verdreht die Augen. »Ich kann sehen, dass du wohlauf bist.«

Unbehagen schnürt mir die Kehle zu. Ich kann meine Eltern nicht um Geld bitten. Was für mich lediglich eine kleine Hilfestellung sein soll, wird in ihren Augen das bestätigen, was sie sowieso schon die ganze Zeit erwarten: dass ich versagen werde. Dass ich unfähig bin, mein Unternehmen zu führen. Und das will ich nicht zulassen. Lilyvents habe ich mir ganz allein aufgebaut, habe Tag und Nacht gearbeitet. Das darf mir keiner kaputt machen. Ja, momentan laufen mir die Kunden davon, weil ich bei der falschen Kundin einen Fehler gemacht habe. Deswegen wollte ich die Sicherheit meiner Eltern im Rücken. Allerdings schaffe ich es auch ohne sie. Wie ich es immer getan habe.

Ich setze ein Lächeln auf. »Keine Geldprobleme und auch sonst nichts, um das du dich sorgen müsstest.«

Hinter meiner Mum fällt etwas klappernd zu Boden und sie drückt fest die Lider aufeinander, während ich an ihr vorbei schiele. Über die hellen Holzdielen breitet sich eine weiße Creme aus, die mit Sicherheit für einen Kuchen gedacht war. Daneben liegt eine große Metallschüssel.

»Kann ich helfen?«, frage ich, um von dem Chaos abzulenken und der Küchenhilfe einige Sekunden zu verschaffen, in denen sie sich sammeln kann, bevor das Donnerwetter in Form meiner Mum über sie hereinbricht.

Mum öffnet die Augen und legt die Stirn in Falten. »Nur, wenn du Wunder vollbringen kannst.« Sie dreht sich langsam um, betrachtet die Szene wortlos. Einen Herzschlag lang steht die Zeit still, keiner bewegt sich. Dann donnert Mum los und ich ziehe mich zurück.

Das Bedürfnis, mich in ihre Angelegenheiten einzumischen, ohne von ihr darum gebeten worden zu sein, habe ich bereits in meiner Jugend abgelegt. Stattdessen gehe ich zurück in die Eingangshalle und betrachte den Baum. Seine Spitze berührt beinahe den großen Kristallleuchter, der in der Mitte des Raums von der Decke hängt. Mittlerweile schmücken das untere Drittel einige Kugeln.

»Entschuldigung«, sage ich zu dem jungen Mann, der mir am nächsten ist und deute auf den Baum. »Sie sollten zuerst den oberen Teil schmücken.«

Verständnislos mustert er mich. »Wieso?«

»Weil sonst die Kugeln zerstört werden, sobald sie auf die Leiter steigen und dauernd an die unteren Äste stoßen«, antwortet jemand an meiner statt und ich drehe mich um.

»Lisa!«, rufe ich fröhlich und laufe zu ihr. Ich schließe sie in die Arme. »Endlich jemand, der sich wirklich freut, mich zu sehen.«

Sie lacht. »Schön, dass du hier bist.«

»Entschuldige, dass ich mich die letzten Wochen derart wenig gemeldet habe«, meine ich und drücke sie fester an mich.

»Kein Problem. Vor Weihnachten herrscht doch überall Chaos. Diese Mischung aus Verzweiflung und Vorfreude macht Weihnachten erst aus.«

Ich löse mich von ihr, lege meine Hände allerdings auf ihre Schultern. »Chaos … da sagst du was. Hier geht es heute drunter und drüber.«

Lisa seufzt. Dabei streicht sie sich eine braune Locke hinters Ohr. Ihre Sommersprossen auf Nase und Wangen sind selbst im Winter deutlich sichtbar. »Damit habe ich fast gerechnet, deswegen bin ich früher gekommen.«

Seit ich denken kann, gehört Lisa zu diesem Anwesen. Ihre Mutter arbeitete als Hauswirtschafterin für meine Familie und brachte Lisa jeden Tag mit, sodass wir zusammen aufgewachsen sind. Nach dem Schulabschluss begann sie eine Ausbildung bei meinem Dad und kümmert sich nun um den Export des Whiskys. In unserer Kindheit waren wir beide unzertrennlich, doch seit ich nach London gezogen bin, haben sich unsere Wege getrennt. Zwar halten wir den Kontakt, aber unser Verhältnis hat sich dennoch verändert.

»Wieso das?«, frage ich und ziehe Lisa mit mir. Zusammen steigen wir die Stufen nach oben in eins der Gästezimmer. Hier drinnen ist es ruhig und wir können unsere Unterhaltung weiterführen.

»Die Eventfirma, die unsere Feste normalerweise organisiert, wurde letztes Jahr verkauft. Bereits bei der Planung ist nahezu alles schief gegangen. Deine Mum war einem Nervenzusammenbruch nach dem anderen nahe. Deswegen wollte ich ihr heute unter die Arme greifen. Hätte ich gewusst, dass du kommst …«

»Hat Mum nichts gesagt?«

Lisa schüttelt den Kopf und ich schnaube, mir fehlen die Worte. Allerdings ist es typisch für meine Mutter. Keine Ahnung, ob sie wirklich gedacht hat, ich würde das Essen schwänzen oder ob sie mir damit ein weiteres Mal zeigen wollte, dass ich kein richtiger Teil dieser Familie mehr bin. Und das, obwohl ich heute Morgen extra angerufen habe.

Egal, welche Intention dahinter steckt, es verletzt mich. Meine Eltern haben meine Träume nie unterstützt, weil es für sie nur einen Weg gab, den ich hätte gehen sollen.

»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, meint Lisa und legt ihren Arm um meine Schulter. Sie drückt mich einige Sekunden an sich und ich vertreibe die Gedanken. Mein Vorhaben, um Hilfe zu bitten, ist sowieso zu Staub zerfallen. Daher muss ich lediglich diesen Abend hinter mich bringen und kann zurück nach London kehren. Anstatt mich runterziehen zu lassen, von Dingen, die ich niemals ändern können werde, sollte ich mich auf die guten Sachen fokussieren. Sollte das Essen und die Stimmung genießen. Na ja, zumindest, wenn sich Letztere bis zur Party bessert.

»Du solltest in die Küche gehen«, sage ich zu Lisa. »Die Chancen stehen gut, dass meine Mum sonst jemanden umbringt. Ich werde mich in der Zeit um die Deko kümmern.«

»Danke.« Lisa drückt mich ein letztes Mal an sich, löst sich dann von mir und geht davon. Einen Herzschlag lang sehe ich ihr hinterher. Dieser Tag hat sich bereits jetzt anders entwickelt als erwartet.

Kapitel 2

Lieber eine Feier mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Feier

Der Geräuschpegel ist unfassbar laut, trotzdem lächle ich und sehe mich zufrieden um. Von der Decke hängen bunte Kugeln und grüne Tannenäste. An einigen Stellen sehe ich das Netz durchschimmern, an dem wir das ganze befestigt haben. Nicht perfekt, aber das Beste, was ich aus der Situation rausholen konnte. Immerhin erstrahlt der Weihnachtsbaum in leuchtenden Farben. Im Hintergrund läuft leise Weihnachtsmusik, die jedoch kaum hörbar ist, da die Gäste sich fröhlich unterhalten. Durch die Menge laufen Angestellte, die Getränke und Häppchen verteilen. Wobei Letztere aus Crackern und einigen Aufstrichen bestehen, die ich im Supermarkt besorgt habe. Die Notlösung sozusagen. Mum war wenig begeistert, als sie davon Wind bekommen hat.

Unglaublich, dass wir es wirklich so weit geschafft haben und die ganze Party stattfinden kann. Zwischenzeitlich dachte ich, es wäre besser, das Ganze abzusagen. Allerdings hat Mum mir klargemacht, dass ich dann gleich ihre Beerdigung organisieren könnte. Das Ansehen unserer Familie ist ihr unglaublich wichtig, deswegen muss es gewahrt werden – um jeden Preis.

»Lily.« Eine Hand legt sich auf meinen Rücken. Ich drehe mich um und muss den Blick senken.

»Miss Harding«, begrüße ich unsere Nachbarin lächelnd. Früher hat ihr das kleine Café im Ort gehört, bis sie es vor einigen Jahren verkaufte und in Rente ging. »Wie geht es Ihnen?«

»Ach, das Alter, meine Liebe. Der Rücken will nicht mehr, die Knie sind schon seit Jahren müde, aber hier oben, hier oben bin ich fit«, sagt sie und tippt sich dabei gegen die Stirn. Ihr Mund verzieht sich zu einem Lächeln und ich grinse, schließe sie in die Arme. Dann greife ich mir zwei Champagnerflöten von einem Tablett und reiche Miss Harding eine davon. »Es ist schön, Sie zu sehen.« Nachdem wir angestoßen haben, trinke ich einen großen Schluck und spüre das Brennen in meinem Hals. Den Drang, das Gesicht zu verziehen, unterdrücke ich.

»Finde ich auch«, entgegnet Miss Harding. »Wo ist denn der nette Mann von vorletztem Jahr? Jackson?«

»Jason«, antworte ich trocken und hoffe dabei, dass der Mistkerl in der Hölle schmort.

»Richtig, Jason.« Miss Harding trinkt ihren Champagner in einem Zug leer und stellt das Glas auf der Kommode neben uns ab. »Ein wirklich netter junger Mann.«

Plötzlich steht meine Mum neben uns, reicht Miss Harding ein neues Glas Champagner. »Lily hat sich von ihm getrennt«, informiert sie Miss Harding. Dabei höre ich ihren missbilligenden Unterton genau heraus. »Dabei mochten wir ihn wirklich gerne.«

»Kann ich mir vorstellen«, murmle ich und beiße die Zähne fest zusammen. Jason stammt aus gutem Haus, seine Familie besitzt eine große Exportfirma und er hat eine eklige Schleimspur hinter sich hergezogen, als ich ihn mit zur Weihnachtsfeier genommen habe. Damals fand ich seine Art süß, jetzt kommt mir, allein bei dem Gedanken an ihn, das Frühstück wieder hoch. Vielleicht liegt es auch eher daran, dass ich mir jedes Mal vorstelle, wie er es mit seiner Affäre treibt, wenn sein Name fällt. Eins von beidem muss es sein.

»Das ist aber schade.« Miss Harding sieht bedauernd zu mir, dann wieder zu Mum, welche nickt. Einen Moment muss ich bei ihrem Anblick an Mrs Bennet denken, als Lizzy einen Heiratsantrag abgelehnt hat. Wären wir im 19. Jahrhundert, wäre ich mit Sicherheit die Enttäuschung der ganzen Familie. Mit 28 Jahren noch unverheiratet und keine Aussicht auf einen baldigen Antrag. Geschweige denn Kinder … Ich sollte mich schämen. Der Gedanke bringt mich zum Lachen.

»Hast du denn jemand Neues kennengelernt?«, fragt Miss Harding und ich schüttle den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Liebes. Du bist jung. Genieße deine Jugend. Wenn du alt bist, kannst du genug Zeit mit Männern verschwenden.«

Grinsend proste ich ihr zu. »Da haben Sie recht.«

»Warte nur nicht zu lange«, meint meine Mum. »Die Uhr tickt. Mit jedem Tag, der verstreicht, rücken Kinder in die Ferne. Du solltest lieber genügsamer sein und deine Ansprüche herunterschrauben …« An dem Punkt steige ich aus, schaue mich im Raum um. Die Gäste scheinen glücklich, was mich entspannt. Die Stimme meiner Mutter rückt in den Hintergrund und obwohl ich versuche, ihre Worte an mir abprallen zu lassen, nehme ich jedes davon wahr. Sobald mein Glas leer ist, schnappe ich mir ein neues und folge Miss Hardings Beispiel, indem ich es in einem Zug leere. Diesen Abend überlebe ich offensichtlich nur mit viel Alkohol im Blut.

Deswegen verabschiede ich mich von Miss Harding und steuere die Bar an. Dort lasse ich mir etwas Stärkeres Mixen, trinke gierig einen Schluck. »O mein Gott«, entfährt es mir. »Was ist das?«

»Gin Tonic?«, antwortet der junge Mann. Seine Stirn liegt in Falten, was seine Augen riesengroß werden lässt.

»Ist das eine Frage?«

»Nein, es ist ein Gin Tonic.« Sein unsicherer Gesichtsausdruck straft die Worte Lügen.

»Was ist da drin?«, will ich wissen und betrachte das Gemisch. Der gelbe Schimmer lässt mein Misstrauen wachsen.

»Gin?«, zählt der Barkeeper auf und ich höre das Fragezeichen deutlich heraus, deswegen nicke ich. »Tonic?« Erneut nicke ich. »Birnensaft für den weihnachtlichen Touch.« Er greift nach der Saftflasche und hält sie mir hoch.

»Gut, was noch?«

»Brauner Tequila, Wodka und Zimt.«

Das erklärt den fürchterlichen Geschmack nach Medizin. »Hast du einfach jeglichen Alkohol, den du gefunden hast, zusammengekippt?«

Verlegen senkt er den Blick. Eigentlich sollte es ein Scherz sein, allerdings zeigt mir seine Reaktion, dass ich gar nicht so falsch liege mit meiner Vermutung. »Dein erstes Mal hinter der Bar?«

»Ja«, gibt er zu und ich winde mich innerlich. Was kann noch alles schief gehen?

»Hast du ein Smartphone?« Er nickt. »Dann googelst du jetzt erstmal, wie man Gin Tonic und sämtliche Longdrinks mit Whisky macht.« Ich blicke mich im Raum um, suche nach meinem Bruder. Er kennt mit Sicherheit jemanden, der uns aushelfen könnte. Statt ihm entdecke ich allerdings meine Mutter, die auf mich zukommt – Flucht ist zwecklos. Diese Frau besitzt einen eingebauten Lily-Radar. Wahrscheinlich gab’s den bei meiner Geburt gratis dazu.

»Da bist du ja«, meint sie und hakt sich bei mir unter. »Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen.«

Bevor ich widersprechen kann, zieht sie mich mit sich. Im Vorbeigehen begrüße ich einige Gäste. Die meisten Anwesenden kenne ich seit meiner Kindheit, bin mit ihnen groß geworden. Gerne würde ich mich länger mit ihnen unterhalten, allerdings lässt meine Mum keinen Widerstand zu. Sie zieht mich unbeirrbar weiter, bis wir endlich am Ziel angekommen sind.

»Peter?«, flötet sie honigsüß und ich lege die Stirn in Falten. Vor uns steht ein hochgewachsener Mann in weißem Anzug. Auf der Nase sitzt eine dicke Hornbrille, die ihn wahrscheinlich älter wirken lässt, als er wirklich ist. Trotzdem liegen mit Sicherheit zehn bis fünfzehn Jahre zwischen uns. Sein dunkles Haar steht in hartem Kontrast zu der hellen Kleidung und lässt seine Haut fahl wirken.

»Peter«, wiederholt meine Mum und deutet dann mit einer Geste auf mich. »Das ist Lily, meine Tochter. Wir haben vorhin über sie gesprochen.«

Gelangweilt nimmt Peter einen Schluck von seinem Whisky, mustert mich dabei von oben bis unten. Am liebsten würde ich meine Augenbraue empört in die Höhe ziehen. Schließlich bin ich keine Ware, die man begutachten muss, bevor man sie begrüßt. Deswegen strecke ich Peter provokant die Hand entgegen.

»Nett, Sie kennenzulernen«, sage ich und drücke fest seine Finger, nachdem er meine ergriffen hat. Der erste Eindruck zählt und dazu gehört auch ein fester Händedruck, das steht im Geschäftsfrauen-1x1 ganz vorne.

Leider lässt Peter sich davon kein bisschen beeindrucken. Stattdessen lehnt er sich ein Stück nach vorne und inspiziert mein Gesicht. »Sie sind wirklich 28 Jahre alt?«

»Was?«, entfährt es mir und ich ziehe meine Hand zurück, gehe einen Schritt rückwärts.

»Irgendwie wirken Sie älter.«

Nett … wirklich ausgesprochen nett. »Sind sie gut mit meiner Mutter befreundet?«, frage ich sarkastisch. Dem Level ihrer Worte nach zu urteilen und wie sehr sie mich auf die Palme bringen, müssen sie mindestens beste Freunde sein. Zum Glück kann ich mich gerade noch stoppen, bevor dieser Satz meine Lippen verlässt.

»Peter ist ein neuer Kunde. Ihm gehört eine erfolgreiche Hotelkette, die nun unseren Whisky ausschenkt«, erklärt Mum und ich nicke, als würden mich ihre Worte interessieren. Stattdessen durchforste ich mein Hirn nach Möglichkeiten, wie ich die beiden verlassen kann, ohne dabei unhöflich zu wirken. Wieso ist er überhaupt hier? Die Feier für Geschäftskunden ist eigentlich erst in vier Wochen.

Peter trinkt erneut einen Schluck und prostet mir danach zu. »Ein tolles Unternehmen, das ihre Familie führt. Qualität ist heute auch nicht mehr das, was sie früher war. Deswegen bin ich umso glücklicher, in Ihnen einen würdigen Partner gefunden zu haben.«

Zufrieden lacht meine Mum und legt ihre Hand auf Peters Schulter. Von seinem weißen Anzug tropft so viel Schleim, dass ich Angst habe, daran zu ersticken.

»In welchem Bereich sind Sie tätig?«, fragt Peter und ich beeile mich zu antworten, bevor Mum mir ins Wort fallen kann.

»Eventmanagement. Ich habe meine eigene Firma gegründet.« Aus meiner kleinen Umhängetasche ziehe ich eine Visitenkarte, die ich Peter reiche. »Sollten Sie jemanden brauchen, der ein Fest für Sie plant, bin ich ihre Frau.«

Peter betrachtet die Karte einige Sekunden, dann nimmt er sie entgegen und liest den Text. »Also arbeiten Sie gar nicht im Unternehmen ihrer Familie?«

Stolz schüttle ich den Kopf. Anscheinend hat ihm meine Mum diese Kleinigkeit verschwiegen.

»Momentan nicht«, sagt sie und streicht ihr Kleid glatt.

»Momen–«, beginne ich, doch sie drückt meinen Arm derart fest, dass ich innehalte und schweige. Soll sie den Kerl doch anlügen, ist mir egal.

Peter steckt die Visitenkarte in seine Anzugtasche. »Welche Art von Events organisieren Sie?«

»Jegliche. Ich kann mich auf beinahe alles einstellen.« Selbstbewusst nippe ich an meinem Getränk. Shit, ich hatte vergessen, wie grauenvoll es schmeckt.

»Dann haben Sie sicher die Weihnachtsfeier organisiert?«

Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke, huste und stelle schnell das Glas auf dem Stehtisch neben mir ab. »Ganz sicher nicht. Tatsächlich habe ich eher versucht zu retten, was zu retten war.«

Der Blick meines Gegenübers schweift durch den Saal und ich folge ihm. Oben an der Decke sehe ich wieder das Netz, außerdem scheinen einige der Kugeln gefährlich nahe vor einem Absturz zu stehen. Hoffentlich halten sie den Abend durch. »Weihnachten haben Sie doch sicher alle Hände voll zu tun. Die ganzen Firmenfeiern … wie schaffen Sie es da, private Veranstaltungen wahrzunehmen? Ich bin beeindruckt von so viel Planungstalent«, sagt Peter und ich frage mich, ob er sich ein Gehirn mit meiner Mutter teilt. Diese Gabe, etwas zu sagen, das unterschwellig beleidigend ist, obwohl die Worte nett wirken, ist unglaublich.

Vielleicht bin ich auch lediglich zu dünnhäutig, weil Mum mich den ganzen Tag mit ihren Bemerkungen getriezt hat. Aber ich nehme es Peter einfach nicht ab, dass er seine Aussage ernst meint.

»Gehört zu meinem Job«, murmle ich daher. »Ohne die Liebe zur Planung wäre ich wohl eine Fehlbesetzung.«

»Wir dachten eigentlich auch, dass Lily zu beschäftigt wäre. Wobei ich in dem Alter nicht nur mit der Expansion unserer Firma zu tun hatte, sondern bereits verheiratet war und zwei Kinder umsorgt habe. Das immerhin wird dir die nächsten Jahre wohl kaum im Weg stehen«, wirft Mum ein und ich verdrehe die Augen, wende mich allerdings zur Seite, um es vor ihr zu verbergen. Wenn ich jedes Mal einen Schluck Alkohol trinken würde, wenn meine Mum etwas von sich gibt, das mich auf ihre Art wissen lässt, wie enttäuscht sie von mir ist, wäre ich längst betrunken. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, diesen Abend zu überstehen? Deswegen nehme ich das Glas wieder in die Hand, trinke einen großen Schluck und spüre, wie sich das Gebräu meine Speiseröhre hinunter brennt.

»Mein Kunde ist im letzten Moment abgesprungen«, gebe ich schließlich die halbe Wahrheit zu, um dem Thema ein Ende zu bereiten. Leider passiert genau das Gegenteil.

Mum dreht sich abrupt in meine Richtung. »Was? Dann brauchst du doch Geld?«

Erneut trinke ich einen Schluck. Der Alkohol kribbelt unter meiner Haut, lässt Wärme in meine Wangen steigen. »Wieso schließt du daraus, dass ich Geld brauche?«

Peter folgt dem Gespräch interessiert. Ein richtiger Gentleman … Bevor meine Mutter weiter auf mich einreden kann, verabschiede ich mich und gehe zurück zur Bar. Das Letzte, was ich heute brauche, ist ein Streit mitten auf der Weihnachtsfeier. Allerdings scheint das meiner Mum egal, denn sie folgt mir. »Wieso verschwindest du mitten im Gespräch?« Anstatt zu antworten, greife ich über die Bar nach einer Flasche Whisky und fülle mein Glas damit auf. »Gefällt Peter dir nicht?«

»Was?«, frage ich verwirrt.

»Oder hast du vor, für immer allein zu bleiben, um mich damit zu treffen?«

Ich blinzle, versuche ihre Worte zu erfassen. Vergeblich. »Was?«

»Reicht es dir nicht, der Firma den Rücken gekehrt zu haben? Willst du mich bestrafen, indem du alles vermeidest, was ich mir für dich wünsche?«

»Was?«, entfährt es mir erneut. Der Schock über das Gesagte klingt nur langsam ab, hinterlässt Wut. »Das ist es, was du denkst? Dass ich das tue, um dich zu ärgern?« Meine Stimme ist leise, trotzdem kann ich den Ärger kaum verbergen. Ich krampfe die Finger um mein Getränk.

»Nicht?«

»Natürlich nicht«, entgegne ich fassungslos.

In dem Moment eilt eine Angestellte auf uns zu und flüstert meiner Mum etwas ins Ohr, während ich sie weiterhin entrüstet betrachte. Wie kann sie das glauben? Woher hat sie den Gedanken bloß? Ich reiße mich von ihrem Anblick los und kippe den Whisky in einem Zug hinunter.

»Wie bitte?« Mum verzieht wütend das Gesicht. »Sie mussten die Vorspeise lediglich anrichten. Wie haben Sie es geschafft, das ganze dabei ungenießbar zu machen?« Die junge Frau blickt starr zu Boden. »Entschuldige mich Lily, ich muss in die Küche.«

Erleichtert über die Unterbrechung wende ich mich der Bar zu und knalle mit der Hüfte gegen einen Hocker. Bevor ich das Gleichgewicht verliere, fassen zwei Arme nach mir und stützen mich. Hui, offensichtlich tut der Alkohol das, was er soll. Er wird mich hoffentlich vergessen lassen, was ich heute alles gehört habe.

»Ich glaube, das war genug Whiskey«, meint mein Bruder neben mir und nimmt mir die Flasche aus der Hand.

»Auf keinen Fall.«

»Was hast du vor? Dich betrinken?«

Lächelnd tippe ich mir gegen die Nasenspitze. »Hundert Punkte. Ist Mums Schuld.«

»Wieso?«

»Ich habe ein Trinkspiel daraus gemacht.«

Trevor hebt eine Augenbraue. »Woraus?«

»Mums Kommentaren.« Es fällt mir schwer, mich auf das Gespräch zu konzentrieren, deswegen wiege ich mich lediglich leicht im Takt der Musik.

»Hältst du das für eine gute Idee?«, fragt mein Bruder und sieht mich zweifelnd an. Er musste nie derart unter den Kommentaren meiner Mutter leiden wie ich. Keine Ahnung, warum sie sich auf mich eingeschossen hat. Vermutlich, weil ich im Gegensatz zu meinem Bruder vom Weg, den unsere Mutter für uns vorgesehen hat, abgewichen bin. Trevor geht auf im Familienunternehmen, liebt die Arbeit auf dem Land. Trotzdem stellt er sich stets als Schutzschild zwischen meine Mum und mich. Ich lege ihm einen Arm um die Schultern.

»Das ist der einzige Weg, wie ich diesen Abend überlebe.«

Anscheinend konnte meine Mum das Problem schneller lösen als gedacht, denn sie kommt bereits zurück und steuert direkt auf uns zu.

Nun gut. Ich bin bereit für die zweite Runde. Erneut greife ich nach der Whiskyflasche und fülle mein Glas. Weiter geht’s.

Kapitel 3

Kater des Grauens

28 Tage bis Weihnachten, Gemütszustand: Was habe ich mir nur gedacht?

Durch meine geschlossenen Lider dringt Helligkeit zu mir. Ich lege meinen Arm über meine Augen, drehe mich herum und ziehe mir die Decke bis zum Haaransatz. Mein Kopf dröhnt und jede kleine Bewegung hallt in meinem gesamten Körper wider.

Scheiße, wo bin ich?

Wie spät ist es?

Welches Jahr haben wir?

In welcher Zeitzone befinde ich mich überhaupt?

Neben mir vibriert etwas auf der Matratze und ich zucke. Schmerz explodiert in meinem Schädel, deswegen drücke ich mir die Hände an die Schläfen. Plötzlich taucht eine Erinnerung vor meinem inneren Auge auf. Lisa stützt mich, schleppt mich mehr die Treppen hinauf, als dass wir gehen.

Der Gedanke tut weh, trotzdem erinnere ich mich an einen kleinen Fetzen der gestrigen Weihnachtsfeier … und wünsche mich sofort zurück in die Dunkelheit des Vergessens.

Das Vibrieren verstummt und ich atme auf, öffne endlich meine Lider. Unter der Decke ist es stickig, trotzdem fühle ich mich hier sicher, kann mich auf diese Art noch einige Minuten vor der Realität drücken.

Was habe ich mir bloß dabei gedacht, so viel Alkohol in mich zu schütten? Wieso kam mir das ganze gestern Abend wie eine gute Idee vor? War ich von Sinnen? Ja, meine Mum hatte mir den gesunden Menschenverstand geraubt.

Müde fahre ich mir über die Lider, stütze mich dann auf meine Unterarme und hebe den Oberkörper etwas an. Die Decke rutscht mir vom Gesicht. Helles Sonnenlicht sticht mir in die Augen, vermischt sich mit Schwindel. Deswegen falle ich wieder zurück auf mein Kissen.

An der Tür klopft es und ich drehe langsam meinen Kopf. Keine Sekunde später steht meine Mutter neben mir. Hat sie meine Gedanken gehört?

»Guten Morgen«, flötet sie viel zu fröhlich. Ihr Grinsen verheißt nichts Gutes, deswegen drücke ich die Lider fest aufeinander, wünsche mich nachhause in meine eigenen vier Wände. »Ich habe hier die Liste. Einige Dinge habe ich neu hinzugefügt, da ich ja nun weiß, dass alles in guten Händen ist.«

»Gute Hände?« Meine Stimme ist belegt und ich räuspere mich.

Mum legt derweil die Liste auf die Decke, sodass ich einen Blick darauf werfen kann. Zuerst erkenne ich eine Menü-Abfolge. »Was ist das?«, frage ich, doch Mum ist bereits auf dem Weg aus meinem Schlafzimmer. An der Tür hält sie inne.

»Unten steht das Frühstück auf dem Tisch. Lisa ist gekommen, um dich zu sehen. Sei höflich und beeile dich etwas.«

Seufzend presse ich die Lippen zusammen, dann nehme ich die Liste in die Hand und schaue mir die Notizen genauer an. Unser Familienwappen aus gefrorenem Eis? Okay … klingt interessant. Leider werden die Fragezeichen in meinem Kopf dabei nur größer, anstatt zu verschwinden. Bevor ich am Ende der Liste angekommen bin, lege ich sie auf meinen Nachttisch, denn mein Magen knurrt.

Mit dem Irrsinn meiner Mum kann ich mich später beschäftigen. Mittlerweile ist der Schwindel zum Glück verschwunden, lediglich die Kopfschmerzen sind übriggeblieben. Daher erhebe ich mich langsam und stehe auf. Aus meiner Tasche hole ich frische Klamotten, die ich überziehe. Nur wenige Minuten später putze ich mir bereits die Zähne. Danach eile ich ins Esszimmer, wo mich der Geruch von geröstetem Toast willkommen heißt. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

»Guten Morgen«, begrüße ich die Anwesenden. Lisa dreht sich lächelnd zu mir um. Ihr braunes Haar hat sie zu einem lockeren Zopf zusammengefasst. Trotzdem hängt ihr eine lockige Strähne ins Gesicht, umschmeichelt ihre blauen Augen.

Währenddessen steckt Dads Nase hinter seiner Zeitung. Von meiner Mum keine Spur. Auch mein Bruder glänzt durch Abwesenheit. Immerhin habe ich Lisa. Ich setze mich auf den Stuhl neben sie und sofort kommt Mila, eins der Hausmädchen und schenkt mir Kaffee ein.

»Danke, kann ich auch Orangensaft bekommen?«, bitte ich sie und sie nickt, eilt davon.

Lisa lehnt sich zu mir. »Wie geht’s dir?«

»Ging mir schon besser«, gebe ich ehrlich zu. Gleichzeitig hätte es bei den Mengen an Whisky, die durch meine Blutbahn geflossen sind, deutlich schlimmer kommen können.

Lisa lacht und ich zucke zusammen. Der laute Ton dringt mir bis ins Hirn, verbreitet dort Schmerz. »Glaube ich dir.«

Nachdem Mila ein Glas Orangensaft vor mir abgestellt hat, greife ich mir ein Croissant und beiße herzhaft hinein. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Erinnerungen kehren zurück, doch das meiste liegt hinter einem undurchsichtigen Schleier.

»Gibt es etwas, an das ich mich unbedingt erinnern sollte?«, frage ich daher leise und schiele zu Dad. Doch er ist weiterhin hinter seiner Zeitung verschwunden.

Erneut lacht Lisa. »Kommt drauf an … wo setzt deine Erinnerung aus?«

Ich krame einen Moment in meinem Hirn. Miss Harding, schlechtester Cocktail meines Lebens, Peter, Whisky, Wut auf meine Mutter, noch mehr Whisky … danach … Leere. Gab es etwas zu Essen? War ich bereits so früh derart betrunken, dass dich einen Filmriss habe?

Lisa legt mir ihre Hand auf den Unterarm. »Ich kann mir vorstellen, wieso du das Ganze vergessen hast.«

»Oje …«, murmle ich. Der Appetit ist mir vergangen. »Was habe ich getan und wie peinlich ist es? Auf einer Skala von eins bis ich muss meinen Tod vortäuschen …«

Nun drückt Lisa meinen Arm und mir wird schlecht. »Du hast zugesagt, die Weihnachtsfeier zu organisieren.«

Das Dröhnen in meinen Ohren wird lauter, verschluckt alle anderen Geräusche. Das muss ein Irrtum sein. Ich habe mich verhört, ganz sicher. »Was?«, entfährt es mir dennoch.

»Du hast zugestimmt, die große Weihnachtsfeier für die Geschäftspartner zu organisieren.«

»Wie bitte?« Das kann sie unmöglich ernst meinen. Da hätte ich gleich mein Todesurteil unterschreiben können. »Wieso hätte ich das tun sollen?«