Zwischenzeit - Martin Buchsteiner - E-Book

Zwischenzeit E-Book

Martin Buchsteiner

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Beschreibung

Es ist enorm wichtig, dass wir wissen, was uns einen sicheren Halt im Leben ermöglicht: dass Gott vertrauenswürdig ist, zum Beispiel, dass er es gut mit uns meint oder dass er uns nicht loslässt, egal was kommt! Doch oft klafft eine Lücke zwischen dem, was wir über Gott glauben und unserer erlebten Realität: Ist Gott dann immer noch gut und vertrauenswürdig? Lass dich ermutigen, gerade jetzt an Gott festzuhalten. Denn solche Zwischenzeiten sind deine Chance, um zu erleben: Gott schafft dir Geborgenheit, und zwar von innen nach außen und unabhängig von allen Umständen.

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STIMMEN ZU DIESEM BUCH

»Das Buch erweitert allen, die ehrlich fragen und klagen, das Herz und den Horizont über Gottes große Perspektive für das Leben – gerade über das schwer einzuordnende Erleben. Von einem Jesus-Mann geschrieben, um neue Liebe für Jesus zu wecken. Ein großer Segen!«

Heinz Spindler, Geistlicher Berater und Prediger

MARTIN BUCHSTEINER

ZWISCHENZEIT

FINDE GOTT, WENN DU NICHTERLEBST, WAS DU GLAUBST

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27019-8 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26988-8 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2021 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de · E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.

Weiter wurde verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen (ELB).

Lektorat: Christiane Kathmann, www.lektorat-kathmann.de

Umschlaggestaltung: Astrid Shemilt // Büro für Illustration & Gestaltung,

www.astridshemilt.com

Titelbild: copyright: Dimitar Donovski // unsplash

Autorenfoto: © Lothar Scherer

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

INHALT

Über den Autor

Einklang: Der Off-Beat unseres Lebens

Teil 1 | Glaube und Realität

1 Höhenflug und Absturz

2 Schwarz-weiße Antworten auf farbenreiche Fragen

3 Die Dissonanz erklären

4 Eine Stimme in der Wüste

Teil 2 | Ein unberechenbarer Gott

5 Gott im Schuhkarton

6 Frosch oder Ente

7  Wein saufen, aber Wasser predigen

8 Allmacht oder Willkür

Teil 3 | Missklänge des Lebens

9 Drei Ursachen für Dissonanzen

10 Dissonanzen in der Bibel

Teil 4 | Gott im Sturm erleben

11 Stürme des Lebens

12 Wartezeiten

Teil 5 | Vertrauen ist eine Entscheidung

13 Die Qual der Wahl

14 Von der Anklage zur Anbetung

Ausklang: Ein Ja zum Leben

Anhang

Hilfe für Leidtragende

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ÜBER DEN AUTOR

Martin Buchsteiner (Jg. 1975) ist seit 1998 Mitarbeiter des Fackelträgerzentrums Tauernhof in Österreich, das er seit 2013 leitet. Neben seinen Tätigkeiten als Tourenführer für Wanderungen und Canyoning sowie als Skilehrer ist er international als Prediger unterwegs. Er lebt mit seiner Familie im Ennstal, Österreich.www.tauernhofaustria.at

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

EINKLANG DER OFF-BEAT UNSERES LEBENS

Vor einigen Jahren haben meine Frau und ich angefangen, regelmäßig zu Jazzkonzerten zu gehen. Jazz kam für mich persönlich immer ganz unten auf der Liste meiner bevorzugten Musikrichtungen. Ich konnte mit dieser Art von Musik nie wirklich viel anfangen. Sie war für meine Ohren unverständlich, chaotisch, unrhythmisch und verwirrend. Seitdem wir allerdings Livekonzerte besuchen, hat sich meine Einstellung zu Jazz gravierend verändert. Ich liebe es, den Künstlern zuzusehen, wie sie sich in ihrer Musik verlieren, wie sie mit unglaublicher Hingabe und Improvisation versuchen, ihre Geschichten zu erzählen.

Improvisation ist ein besonderes Merkmal dieser Art Musik. Die spontane Erfindung einer Melodie, entweder als Solo- oder Kollektiv-Improvisation, oder das Variieren einer vorgegebenen Melodie oder eines Themas sind wichtige Elemente im Jazz. Ich habe mir sagen lassen, dass die Persönlichkeit des interpretierenden Jazzmusikers sogar wichtiger ist als das vom Komponisten vorgegebene Material.

Entscheidend ist außerdem der Rhythmus. Dieser ist nicht statisch, sondern vielmehr dynamisch, wodurch das entsteht, was die Musiker Back-Beat oder Off-Beat nennen. Der Off-Beat ist ein Schlag hinter dem Schlag, welcher eine kleine rhythmische Abweichung einer Stimme gegenüber dem gleichmäßigen Grundimpuls erzeugt. Der Off-Beat ist in Noten nicht nachvollziehbar, sondern eher ein Spannungsmoment.1

Spätestens jetzt wirst du dich vermutlich fragen: »Was in aller Welt hat Jazzmusik mit meinem persönlichen Leben und vor allem mit meinem Glauben an Jesus Christus zu tun?«

Nun, ich denke sehr viel. Ich weiß nicht, welche Art von Musik du gerne hörst. Manche mögen es gerne ruhig und melodisch, andere stehen auf Hip-Hop oder Elektro. Und je nach Laune bevorzugt man entweder Musik, die einen beruhigt und ein Ausgleich zum stressigen Alltag ist, oder man lässt es richtig krachen, weil man sich gerade danach fühlt. Das Gute bei Musik ist, dass wir den Sender oder die Playlist jederzeit wechseln können – was auf so manche Lebenserfahrungen nicht zutrifft. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich Gefühle, Umstände, Herausforderungen oder Probleme des Lebens einfach mal so umschalten oder wegschalten könnte wie die Musik im Auto.

Egal ob du ein Fan von Jazz, Klassik, Pop, Rock, EDM oder so unmusikalisch bist, dass du das eine nicht vom anderen unterscheiden kannst, eines ist vielen Menschen, vielleicht den meisten, gemeinsam. Sei es in der Schule, im Studium, in der Arbeit, im Beziehungsleben oder in der Familie: Wir wünschen uns ein Leben, das harmonisch, vorhersehbar, verständlich und ohne große Spannungsmomente (wie zum Beispiel beim Jazz) verläuft. Wir sehnen uns – trotz so mancher Abenteuerlust – (bewusst oder unbewusst) nach einem geordneten und vor allem berechenbaren Leben – so wie in der klassischen Musik oder im Pop. Wenn man einmal eine Strophe gehört hat, weiß man in etwa, wie das Lied bis zum Schluss verläuft. Überrascht wird man höchstens noch in der »Bridge«, dem Übergang.

Wir wünschen uns Sicherheit. Ein Kind sehnt sich danach, in seinem gewohnten Umfeld aufzuwachsen. Es fühlt sich sicher und geborgen, wenn es von der Schule nach Hause kommt, von der Mutter begrüßt wird und sich der Duft des Mittagessens bereits in der ganzen Wohnung verbreitet hat. Es macht (im Idealfall) seine Hausaufgaben und kann es kaum erwarten, bis der Vater zur gewohnten Zeit nach Hause kommt und dem Kind zumindest für einen kurzen Moment die ganze Aufmerksamkeit schenkt. Wenn dieser Rhythmus zum Beispiel durch eine Trennung der Eltern unterbrochen wird und der Vater nicht mehr zur gewohnten Zeit oder eben gar nicht mehr nach Hause kommt, dann zerbricht für das Kind nicht nur die Vorstellung von einer idealen, harmonischen Familie, sondern auch die Sicherheit im gewohnten, berechenbaren Rhythmus des Lebens.

Eine tiefe Freundschaft lebt davon, dass man weiß, wie der Freund oder die Freundin tickt. Was ihm Freude macht oder sie verletzt. Verändert sich plötzlich der Charakter oder das Verhalten, gerät die Freundschaft ins Wanken. Wo man sich bisher auch ohne Worte verstand, scheint es plötzlich, als würde man nicht mehr dieselbe Sprache sprechen.

In der Schule und im Studium ist es hilfreich, wenn man weiß, welche Themen in der Prüfung drankommen, um sich gut darauf vorzubereiten und sie mit Erfolg abzuschließen. In der Arbeit ist es von Vorteil, wenn man weiß, was man zu tun hat, damit man sich die Zeit gut einteilen kann.

Fromme Gemeinden verbreiten ein Gefühl von Sicherheit, wenn die Mitglieder wissen, was sie am Sonntagmorgen im Gottesdienst erwartet. Umso kritischer ist es, wenn ein neuer Pastor kommt und scheinbar kein Stein auf dem anderen bleibt.

Auch wenn wir Veränderungen in Maßen schätzen – kommt zu viel und vor allem zu unerwartet, kann es oft Jahre dauern, bis wir mit der neuen Situation zurechtkommen.

Doch es gibt Zeiten, da spielt das Leben mit uns mehr Jazz als klassische Musik. Manchmal fühlen wir uns, als ob die unterschiedlichsten Töne in unterschiedlichen Rhythmen auf uns einprasseln würden. Wir tun uns schwer, die »Töne«, die das Leben spielt, zu verstehen – und das aus gutem Grund.

Es werden Unwahrheiten verbreitet, etwas Unvorhergesehenes geschieht, Erwartungen treffen nicht ein, Gebete werden nicht erhört und Gottes Verheißungen scheinen sich auf unerklärliche Weise zu verspäten oder gar zu versagen. Wie es so schön heißt: »Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.« Genau wie im Jazz.

TEIL 1 GLAUBE UND REALITÄT

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1 HÖHENFLUG UND ABSTURZ

Am Tauernhof gibt es schon seit vielen Jahren Kurzbibelschulen. Junge Erwachsene aus den verschiedensten Ländern treffen sich, um für zwei bis drei Monate die Bibel zu studieren. Es ist eine Lebensschule, die dazu dient, Menschen den auferstandenen Herrn Jesus lieb zu machen und sie zuzurüsten für ihren Dienst in der Gemeinde von Jesus, wo auch immer sie beheimatet sind.

Diese Zeit ist und war für viele – ich zitiere Unzählige unserer Ehemaligen – »die beste Zeit ihres Lebens«. Doch wie geht es ihnen nach der Bibelschule, wenn der Alltag wieder Einkehr genommen hat und die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die sie während der Bibelschule hatten, verblassen?

Zwei von ihnen berichteten Folgendes:

»Von der Bibelschule zu Hause angekommen erlebte ich eine gewaltige Enttäuschung. Ja, es war gut, meine Familie wiederzusehen und das Essen meiner Mutter zu genießen. Aber selbst das hat mich aus der geistlichen Wüste, in der ich mich plötzlich befand, nicht rausgeholt!«

»Der geistliche Höhenflug, den ich in der Bibelschule erlebte, verschwand sehr schnell und ich prallte mit einem dumpfen Schlag auf. Ich habe meine Morgenandacht aufgegeben, das Bibellesen, und fühl mich, als wüsste ich gar nicht mehr, wie man betet.«

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass wir durch eine Änderung unserer Umstände von einem geistlichen Höhenflug, in dem wir uns fühlen, als könnten wir wortwörtlich Berge versetzen, Tote auferwecken und die halbe Welt missionieren, in eine geistliche Wüste geraten, in der wir nicht einmal mehr fähig sind zu beten?

Wüstenerlebnisse

Auch Elia im Alten Testament erlebte solche geistlichen Höhenflüge. Er und das ganze Volk waren Zeugen von Gottes Wirken geworden. Der Prophet hatte die heidnischen Priester zu einem spektakulären Duell zwischen ihrem Gott Baal und dem Herrn der Herren herausgefordert. Elia betete zu Gott: »Antworte mir, Herr! Antworte mir, damit dieses Volk erkennt, dass du, Herr, Gott bist und dass du ihre Herzen zurückerobert hast« (1. Könige 18,37).

Als Gott das Gebet Elias erhörte und Feuer vom Himmel fallen ließ, welches das in Wasser getränkte Brandopfer verzehrte, während Baal nicht einmal fähig war, ein Streichholz zu entzünden, verbreitete sich eine gewaltige Erweckung unter dem Volk. »Als das Volk das sah, warfen die Menschen sich zu Boden und riefen: ›Der Herr ist Gott! Der Herr ist Gott!‹« (Vers 39).

Was für ein Erlebnis! Wer würde nicht gerne Feuer (oder zumindest Schnee im Winter) vom Himmel herbeibeten können? Welcher Evangelist würde nicht auch so eine Erweckung miterleben wollen? So etwas würde unseren Glauben auf eine völlig andere Ebene katapultieren! Sämtliche Zweifel im Blick auf Gottes Allmacht wären verflogen. Nie wieder würden wir daran zweifeln, dass Gott unsere Gebete auch tatsächlich erhört. Wir würden die Ärmel hochkrempeln und uns sagen: »Jetzt geht es erst richtig los!«

Doch wie so oft kommt nach einem Höhenflug die Landung, manchmal härter, als man erwartet. Elia fühlte sich immer noch in Gefahr. König Ahabs Frau Isebel trachtete immer noch nach seinem Leben. Der Druck seiner Gegner führte ihn trotz der Gotteserfahrung am Berg Karmel nur wenig später in eine schwere Depression. »Ich habe genug, Herr«, sagte er. »Nimm mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren« (1. Könige 19,4).

Das sind Erlebnisse, die man nicht gerne in den Sozialen Medien verbreitet. Lieber postet man ein Gipfelerlebnis an einem Sommertag, ein Urlaubsfoto, auf dem man entspannt am Strand sitzt, oder einen gelungenen Kuchen. Und dennoch sind Erfahrungen, in denen wir an Gott zweifeln und an uns selbst manchmal verzweifeln, genauso Realität in unserem Leben wie jene, in denen Gott Wunder tut.

Geistliche Wüstenerlebnisse scheinen für manche Menschen realistischer zu sein und vor allem häufiger vorzukommen als geistliche Höhenflüge. Aber wir sprechen nicht gerne über unsere Wüstenzeiten, weil es nicht selbstverständlich ist, dass uns Empathie entgegengebracht wird. Vielleicht bekommen wir zu hören, dass wir nicht geistlich genug sind, nicht richtig beten, zu wenig glauben oder es noch irgendwo im Leben Sünde gibt, die Gott davon abhält, die Gebete zu erhören. Nicht selten wird ein Wort aus der Bibel zitiert, um diese Argumente zu bekräftigen: »Das Gebet eines gerechten Menschen hat große Macht und kann viel bewirken« (Jakobus 5,16). Dabei wird das Wort »gerecht« (díkaios) sehr oft mit »sündlos« verwechselt, doch das ist nicht das Gleiche. Auch wenn die Bibel Gerechtigkeit durch das Blut Jesu Christi verspricht, und zwar für alle, die an Jesus Christus glauben, wird uns nirgendwo ein sündloses Leben versprochen, zumindest nicht in dieser Welt.

Wenn wir diese Antworten hören, gesellt sich zu der schwierigen Lage vielleicht noch das Gefühl, selbst an allem Übel schuld zu sein oder zumindest dazu beigetragen zu haben.

Wann bist du das letzte Mal an einem Punkt angekommen, wo das, was du über Gott geglaubt hast, nicht mit dem, was du in deinem eigenen Leben erfahren hast, übereingestimmt hat? Wo deine Theologie, dein Verständnis über Gott und Glaube nicht im Einklang mit deinen Erfahrungen waren?

Aus theologischer Überzeugung und glaubenspolitischer Korrektheit hast du dann vielleicht gesagt: »Ich glaube, dass die Bibel wahrhaftig ist«, aber es ist dir schwergefallen, deine persönlichen Erfahrungen mit deiner Überzeugung in Einklang zu bringen.

Du glaubst, dass Gott ein gütiger Gott ist, denn die Bibel sagt: »Der Herr ist gut zu allen Menschen und barmherzig zu seiner ganzen Schöpfung« (Psalm 145,9). Aber das, was du gerade erlebst, ist etwas ganz anderes.

März 2020. Plötzlich hört man in den Medien von einem Virus, das sehr aggressiv und gefährlich sein soll und in Asien und Italien bereits viele Menschenleben gefordert hat. Innerhalb weniger Wochen steht die Welt still. Das neuartige Corona-Virus bringt die Weltwirtschaft zum Erliegen. Viele Menschen sind verunsichert und neben den tragischen Konsequenzen dieser Gesundheitskrise erleben wir eine Weltwirtschaftskrise in ungewöhnlichem Ausmaß.

Vielleicht gehörst du zu jenen Tausenden Menschen, die aufgrund der Pandemie und ihrer Folgen ihren Job verloren haben. Die Angst, dass du deine Rechnungen nicht bezahlen oder deine Familie nicht versorgen kannst, ist nur zu real.

Oder du bist alleinstehend und das ist vielleicht ohnehin schon Herausforderung genug. Aber jetzt auch noch von Freunden und Familie getrennt zu werden, weil man sich gegenseitig schützen muss, ist beinahe unerträglich.

Noch nie zuvor hat unsere Generation eine derartige Krise erlebt. Noch nie zuvor gab es so viel Unsicherheit bezüglich unserer Zukunft.

Und wenn wir dann Worte lesen wie: »Der Herr ist gut zu allen Menschen und barmherzig zu seiner ganzen Schöpfung«, fragen wir uns: Worin genau liegt (in einer Pandemie wie jener von 2020/2021) die Güte des Herrn? Wo genau ist Gott gut und wem gegenüber barmherzig?

Und das ist ja nicht nur in Zeiten einer Pandemie so. Es gibt auch viele andere, sehr reale Situationen, in denen es uns schwerfällt, an die Güte des Herrn zu glauben.

Nach einer Unterrichtseinheit an der Bibelschule am Tauernhof, wo es um die Fürsorge Gottes ging, kam ich mit einer jungen Studentin ins Gespräch, die in der ersten Reihe saß. Sie hatte so einen zweifelnden Ausdruck in ihrem Gesicht, dass ich nicht anders konnte, als sie zu fragen, ob etwas nicht stimmt. Etwas zögernd kam eine Antwort, die mich tief ins Herz getroffen hat: »Wie kann ich an einen gütigen Gott glauben, wenn er meine Gebete nicht erhört?«

Normalerweise tendiere ich dazu, sehr schnell (zugegeben, manchmal zu schnell) zu antworten. Als Bibellehrer und Prediger glaubt man manchmal, auf alles sofort eine Antwort haben zu müssen. Aber diese Frage kam so tief aus ihrem Herzen, dass sie mir Angst machte. Angst, weil ich plötzlich selbst mehr Fragen hatte als Antworten. Angst, weil ich erkannte, dass ich auf derartige Fragen keine schwarz-weißen Antworten geben kann – auch wenn ich das aus meinem männlichen Stolz heraus gern praktiziere. Erst nachdem ich meine eigene Unsicherheit aufgrund dieser ehrlichen Frage etwas sortiert hatte, fragte ich nach, um welches Gebet es sich denn konkret handelt. Es kam eine Antwort, die mir sehr häufig begegnet, vor allem bei Leuten, die an christlichen Freizeiten teilnehmen: »Ich wünsche mir so sehr einen Freund und Partner fürs Leben, ich bete schon so lange dafür. Aber Gott scheint mein Wunsch nicht zu interessieren.«

Es sind diese und andere Lebensfragen und Erfahrungen, die uns daran zweifeln lassen, ob Gott tatsächlich gut ist. Worin genau liegt die Güte des Herrn, wenn er nicht einmal dafür sorgt, dass Menschen nicht alleine durchs Leben gehen müssen? Worin genau liegt seine Güte, wenn er ein beharrliches Gebet nicht erhört?

Am Tauernhof treffen wir uns mehrmals in der Woche, um gemeinsam als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unseren Dienst und persönliche Anliegen zu beten. Sehr oft beten wir auch für Menschen, die krank und großen Herausforderungen ausgesetzt sind. Es ist schön, wenn man im Gebet füreinander einstehen kann. Es ist in der Regel auch einfacher, für andere zu beten.

Doch hin und wieder kommt es vor, dass es einen selbst trifft und man der- oder diejenige ist, die Gebet und Trost, Hoffnung und Antworten nötig hat. Der beste Freund, ein Elternteil oder gar man selbst bekommt eine schlimme Diagnose. Plötzlich zieht es einem den Boden unter den Füßen weg. Die sichere und berechenbare Welt droht auseinanderzubrechen. Nichts ist mehr wie früher, der Glaube ist erschüttert.

Ja, es ist eine Sache, andere Menschen auf die Güte und Fürsorge Gottes aufmerksam zu machen. Aber wie geht man damit um, wenn man selbst bedürftig ist?

Ich glaube fest daran, dass Gott ein gütiger Gott ist. Bestimmt haben schon viele Menschen diese Gottesgüte erfahren. Aber ist er auch gütig zu mir?

Vielleicht ist dein Thema auch Gottes Liebe. Du glaubst, dass Jesus dich liebt. Das Neue Testament wird nicht müde, dir von der Liebe Jesu zu erzählen. »Ich habe euch genauso geliebt, wie der Vater mich geliebt hat« (Johannes 15,9).

Du glaubst das – in der Theorie. Aber was du fühlst, ist Ablehnung, Gleichgültigkeit und Hoffnungslosigkeit. Es scheint, als hätte dich Gott für immer verlassen.

Und plötzlich hast du den Eindruck, dass sich zwischen dem, was du erlebst, und dem, was du über Gott bisher geglaubt hast, ein mächtiger Graben auftut. Die Puzzleteile passen nicht mehr zueinander. Alles, was bisher eindeutig erschien, verschwimmt plötzlich in viele grauen Schatten.

Neue Erlebnisse führen zu neuen Erkenntnissen. Und neue Erkenntnisse können manchmal ein Gefühl von Unbehagen, Unsicherheit oder Angst auslösen.

Unerhört

In diesem Buch geht es in erster Linie nicht darum, eine weitere Lösung oder Antworten anzubieten, wenn Erfahrungen in unserem Leben einen Graben zwischen Mensch und Gott öffnen, den wir aus eigener Kraft nicht überwinden können. Es geht auch nicht darum, Gründe zu suchen, warum wir Dinge erleben, die wir nicht erklären können, oder zu verstehen, warum Gott manchmal so weit weg erscheint.

Stattdessen soll dieses Buch Mut machen, darüber zu sprechen, wenn wir Dinge in unserem Leben erfahren, die scheinbar nicht mit Gottes Wort übereinstimmen. Es soll Mut machen, nicht nur über erhörte Gebete, sondern auch über Unerhörtes zu sprechen.

Während unserer Kurzbibelschulen am Tauernhof werden unsere Studentinnen und Studenten aufgefordert, aus ihrem Leben zu erzählen und Zeugnis darüber zu geben, wie es ihnen in ihrem Glaubensleben mit Jesus Christus geht.

Nicht selten kommt jemand mit der Frage auf mich zu: »Was ist, wenn ich nichts Großartiges zu erzählen habe? Was sage ich, wenn ich momentan Gott überhaupt nicht erfahre und gar nicht mehr weiß, ob ich überhaupt Christ bin?« Meine Antwort ist: »Dann bist du genau die richtige Person, um uns davon zu erzählen!«

Ja, es ist gut, wenn Menschen davon berichten, welche Wunder sie mit Gott erleben und wie er die unmöglichsten Gebete in ihrem Leben erhört hat. Wenn plötzlich Geld im Briefkasten steckt, mit dem man gar nicht gerechnet hat, oder Krankheiten einfach über Nacht verschwunden sind. Aber ist es nicht mindestens genauso richtig, wenn Menschen davon erzählen, welche Wunder sie eben nicht erleben? Dass kein Geld im Briefkasten liegt und man immer noch keine Heilung erfahren hat? Wäre es nicht genauso ermutigend, wenn Menschen davon erzählen, dass sie auf ihre Lebensfragen keine Antworten finden, Gott so weit weg erscheint und sie nicht einmal mehr wissen, wie sie beten sollen? Wäre es nicht gut, zu wissen, dass wir nicht die Einzigen mit derartigen Erfahrungen sind und dass wir in unseren geistlichen Wüsten nicht alleine unterwegs sind?

Die Menschen, die mich am meisten begeistern, Menschen, mit denen ich gerne einen Kaffee trinken und die ich besser kennenlernen möchte, jene, die ich gerne als Freunde bezeichnen möchte, sind in erster Linie nicht Männer und Frauen, die einen geistlichen Höhenflug nach dem anderen machen, nicht jene, die Tausende zum Glauben an Jesus führen oder von einer Erfolgsstory zur nächsten schweben und nie an Gott zweifeln.

Menschen, zu denen ich persönlich aufsehe und mit denen ich gerne »abhänge«, sind vor allem jene, die authentisch sind! Männer und Frauen, die nicht nur von ihren »Erfolgen« erzählen, sondern mit ähnlicher Selbstverständlichkeit auch von ihren »Misserfolgen«. Nicht nur, dass authentische Lebensgeschichten von Erfolgen und Misserfolgen mein Herz berühren, sie verleihen mir auch Mut, ebenfalls authentisch zu sein und eben nicht nur die »Sonnenseite« meines Lebens zu zeigen.

Die Bibel ist voll von Geschichten von Menschen, die nicht nur geniale Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Sie erzählt ganz nüchtern von Begebenheiten, die alles andere als beneidenswert sind, von Erfahrungen, die man mit Logik nicht erklären kann, von Erlebnissen, die den Glauben und das Vertrauen in Gott auf den Prüfstand stellen.

Und die Frage wird am Ende nicht sein: Lässt Gott das zu, und wenn ja, warum? Die Frage wird sein:

Wie gehe ich damit um, wenn das, was ich momentan erlebe, nicht mit dem übereinstimmt, was ich bisher über Gott und das Leben geglaubt habe?

Kognitive Dissonanz

Wenn unsere Erfahrungen nicht mit unserem Glauben oder mit unseren Werten übereinstimmen, entsteht eine innere Spannung, so wie der Off-Beat im Jazz ein Spannungsmoment erzeugt, weil nicht geschieht, was man erwartet. Doch im Leben ist das weit weniger schön als im Livekonzert. Es bereitet uns Unbehagen, wenn wir etwas erleben, das dem widerspricht, was wir bisher für wahr gehalten haben. Die Psychologie nennt solche Erfahrungen »kognitive Dissonanz«.

Kognitive Dissonanz entsteht auch dann, wenn wir neue Erkenntnisse über etwas gewinnen. In der Wissenschaft kann so eine Dissonanz sehr hilfreich sein, denn sie lebt davon und neue Erkenntnisse bauen auf andere auf.

Die Bibel berichtet zwar, dass die Erde »rund« ist (Jesaja 40,22 und Hiob 37,12 im Urtext)2, aber im Mittelalter war die allgemeine Lehre der Kirche, die Erde sei eine Scheibe. Wissenschaftler, die etwas Gegenteiliges behaupteten, kamen mit der religiösen Obrigkeit in Konflikt. Dieses »Wissen« führte dazu, dass die Seeleute Angst hatten, sie würden am Rande des Meeres von der Erde in die Hölle stürzen. Das antike Wissen über die Kugelgestalt der Erde konnte erst durch die Weltumsegelungen von Ferdinand Magellan (1519–1522) und Francis Drake (1577–1580) eindeutig bestätigt werden. Die Menschen merkten: Wenn man lange genug in dieselbe Richtung fährt, kommt man irgendwann wieder da an, wo die Reise begonnen hat.

Auch in unserem Leben zeigen Dissonanzen an, dass wir etwas Neues lernen. Das ist manchmal überhaupt nicht angenehm, zum Beispiel wenn wir etwas Negatives erleben, das dem widerspricht, was wir bisher für wahr gehalten haben.

Jesus Christus spricht: »Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte in euch bleiben, könnt ihr bitten, um was ihr wollt, und es wird euch gewährt werden!« (Johannes 15,7).

Ich bin so froh, dass dies keine »Zauberformel« für mein Gebetsleben ist, dass dies nicht bedeutet: Alles, worum ich Gott bitte, wird er mir gewähren. Wie oft hätte ich als Kind dafür gebetet, dass Gott meinen Bruder in eine Heuschrecke verwandelt oder meine ältere Schwester in eine Prinzessin, die auf ewig in einem Turm eingeschlossen bleibt, wo sie mich nicht mehr hänseln kann (keine Sorge, ich liebe meine vier Geschwister von ganzem Herzen, aber manchmal habe ich mich ziemlich über sie geärgert). Wie oft hätte ich in der Schule gebetet: »Lieber Jesus, mach, dass sich X in mich und nicht in meinen Freund verliebt.« Und was, wenn mein Freund dasselbe Gebet für sich in Anspruch genommen hätte? Wir hätten Gott regelmäßig in den Wahnsinn getrieben!

Doch neben solchen egozentrischen Gebeten gibt es ja auch sehr viele, die berechtigt sind: für Notleidende, Kranke, gute Beziehungen. Wenn Johannes 15,7 wahr ist, wie kann es dann sein, dass ich schon so lange für eine bestimmte Sache oder Person bete, aber meine Gebete scheinbar unerhört bleiben?

In anderen Versen der Bibel geht es um Bewahrung. In den Psalmen steht zum Beispiel: »Denn er wird dich vor allen Gefahren bewahren und dich in Todesnot beschützen« (Psalm 91,3).

Von Kindheit an bin ich gerne in den Bergen gewesen. Ich liebe es, alleine oder mit meinem Hund unterwegs zu sein und Berggipfel zu erklimmen. Ich liebe das Abenteuer. Und manchmal würde ich mir wünschen, einfach sagen zu können: »Danke, Gott, dass du mich vor allen Gefahren bewahren und mich – sollte es so weit kommen – auch in Todesnot beschützen wirst.« Dann könnte ich Berg- und Klettertouren machen, die ich derzeit aus Mangel an Mut und vor allem Mangel an Können lieber meide.

Je älter ich werde, desto mehr wird mir auch bewusst, welche Gefahren die Berge mit sich bringen. Vor allem als Mitglied der Bergrettung bin ich des Öfteren mit diesem Thema konfrontiert. Da gibt es immer wieder Unfälle selbst von Menschen, die durchaus erfahrene Bergsteiger sind. Die größte Herausforderung für mich ist es allerdings nicht, Menschen, die tödlich verunglückt sind, zu bergen. Viel schwieriger ist es, den Angehörigen Trost zu spenden, wenn man selbst keine Antwort auf ihre Fragen hat: »Warum musste das passieren? Warum hat Gott das nicht verhindert? Wie kann es sein, dass wir Gefahren und Todesnot erleben, wenn Gott uns doch davor bewahren könnte?«