Der Keim - Max Stascheit - E-Book

Der Keim E-Book

Max Stascheit

1,0

Beschreibung

In einer unheilvollen Nacht kreuzen sich die Wege vieler Personen. Ein Schwerverbrecher soll in das berüchtigte Statefield Hochsicherheitsgefängnis für geisteskranke Kriminelle überstellt werden. Für Christian Blake, erfahrener Sicherheitsbeauftragter, ein scheinbar leichter Job. Doch schon bei der Ankunft überschlagen sich die Ereignisse. Fjodor Petrov, ein wahnsinniger Mörder, hat alles genauestens geplant. Für ihn soll der Aufenthalt im Gefängnis nur der Auftakt für einen weitaus größeren Plan sein: Die Befreiung aller Insassen. Die Nacht versinkt in einem Meer aus Blut und Wahnsinn. Roman 214 Seiten e-Book Mit Nachwort vom Autor

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Der Keim

MAX STASCHEIT

2

3

Das Buch

In einer unheilvollen Nacht kreuzen sich die Wege vieler

Personen.

Ein Schwerverbrecher soll in das berüchtigte Statefield

Hochsicherheitsgefängnis für geisteskranke Kriminelle

überstellt werden.

Für Christian Blake, erfahrener Sicherheitsbeauftragter,

ein scheinbar leichter Job. Doch schon bei der Ankunft

überschlagen sich die Ereignisse.

Fjodor Petrov, ein wahnsinniger Mörder, hat alles

genauestens geplant. Für ihn soll der Aufenthalt im

Gefängnis nur der Auftakt für einen weitaus größeren Plan

sein:

Die Befreiung aller Insassen.

Die Nacht versinkt in einem Meer aus Blut und Wahnsinn.

Zum Autor

Max Stascheit wurde am 09.04.1991 in

Vechta geboren.

Schon in jungen Jahren faszinierte ihn das

Unheimliche und Makabre.

Comics, Kurzfilme und Hörspiele sind nur

einige Dinge die ihn begeistern und

immer wieder erneut antreiben.

Erste Erfahrungen mit Horrorliteratur machte er mit

Büchern von Stephen King. Sein großes schriftstellerisches

Vorbild ist nach eigenen Aussagen Robert Bloch.

4

5

Titel der Originalausgabe

> Der Keim <

Copyright © 2015 -‐ Max Stascheit

Umschlagillustration -‐ Max Stascheit

ISBN 978-‐3-‐7375-‐8174-‐5

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage Dezember 2015

Alle Rechte vorbehalten

Copyright 2014

Max Stascheit

6

7

Inhaltsangabe

K A P I T E L I

11

K A P I T E L 2

27

K A P I T E L 3

40

K A P I T E L 4

52

1 0 J A H R E F R Ü H E R

54

K A P I T E L 5

71

K A P I T E L 6

100

K A P I T E L 7

122

K A P I T E L 8

149

Z W E I T A G E S P Ä T E R

170

D R E I M O N A T E S P Ä T E R

177

E P I L O G

190

N A C H W O R T D E S A U T O R S

193

E B E N F A L L S E R H Ä L T L I C H

197

8

Der Keim allen Übels gedeiht in Dunkelheit.

Wenn er erblickt das Licht der Welt,

trägt er Früchte und verteilt sie weit.

9

10

K a p it e l I

(I)

Schweiß.

Wie ein Schleier lag der säuerliche Geruch von bitterem

Schweiß in dem kleinen Raum.

Keaton Carlyle hatte das Gefühl den widerlichen Gestank

schon auf seiner Zunge schmecken zu können.

Mit der rechten Hand fächerte er sich die erhofft kalte

Nachtluft in das glänzende Gesicht. Doch vergeblich, der

animalisch anmutende Geruch hing weiter über ihm wie

eine Dunstglocke.

Der Mann schielte zu dem Fenster mit dem schweren

Eisengitter. Der Mond stand am höchsten Punkt und

tauchte den kleinen quadratischen Raum in kaltes Licht.

Keaton starrte wieder geradeaus.

Da er mit dem Rücken auf der kleinen Pritsche lag, konnte

er die untere Seite des Bettes seines Zellengenossen über

sich sehen. Die silbern schimmernde Oberfläche des

Doppelbettes schien das Mondlicht noch zu verstärken.

Carlyle wälzte sich zur Seite.

Nacht um Nacht hatte er diese Zelle mit seinem Mithäftling

Carter Preston geteilt, stets hatte er seine Fresse gehalten,

wollte keinen Ärger mit dem stämmigen Mann.

Er hatte schon zu Antritt der Haftzeit geschworen, sich hier

keine Feinde zu machen. Und dies tat er aus zweierlei

guten Gründen.

Zum einen war das Statefield Sicherheitsgefängnis für

kriminelle Geisteskranke hoffnungslos mit den irrsten und

verwerflichsten Wichsern dieses Landes vollgestopft, und

er wollte nun wirklich nicht überraschend erwürgt

11

werden, zum anderen war er schwächlicher und kleiner als

manch anderer hinter den hohen Mauern.

Keaton streckte seine Arme aus und fühlte die wohlige

Kälte des Bettes über ihm. Seine Sehnen standen aus

seinen knochigen Armen und der Mond ließ kleine

Schatten über die Haut tanzen. Er vernahm ein Raunen,

sicher spürte sein Zellengenosse die Hitze ebenfalls.

Keaton dachte über den Tag seiner Ankunft in diese

Einrichtung nach.

Damals, vor über fünf Jahren, hatte ihn das mit

Stacheldraht eingefasste Maul des Eingangstores

regelrecht verschluckt.

Er war mit einem dieser klassischen Gefängnisbusse

hergekommen, zusammen mit zwanzig weiteren

Verbrechern. Ein fetter Bulle hatte ihnen die Türen

geöffnet und sie alle zusammengekettet auf den kleinen

Vorhof des Gefängnisses geführt.

Das Statefield Sicherheitsgefängnis trug seinen Namen zu

Recht. Keaton waren damals die strengen

Sicherheitsvorkehrungen aufgefallen.

Man hatte Kartenleser, anstatt altmodischer schwerer

Schlüssel. Kameras verfolgten einen auf Schritt und Tritt.

Und es gab eine verdammte Armee von Wachen. Eine

Flucht von diesem Ort war genauso undenkbar wie eine

Entlassung vor Carlyles Tod.

Die Prozedur war wie im Film abgelaufen.

Man wurde in einen weiteren, mit schweren Rolltoren

ausgestatteten Raum geführt, fotografiert und mit einer

Nummer versehen, dann ging es schon in die nächste

Abteilung.

Keaton Carlyle hieß ab sofort Nummer 1349.

Die Gänge mit den Zellen schienen endlos. Keaton hatte

nur flüchtige Blicke in beide Richtungen riskiert, wollte

nicht aus der Reihe fallen.

Die Zellenblocks waren schachtähnlich angerichtet.

12

Je weiter man ging, desto schwerwiegender waren meist

die Verbrechen der Männer hinter den dicken Eisenstäben.

Der Bulle hatte nach und nach Verstärkung bekommen. Die

Hilfskräfte hatten Zellentüren geöffnet, dabei harte Befehle

ins Innere der quadratischen Quartiere gebrüllt.

Dann waren immer wieder Menschen vor Keaton in die

Zellen verschwunden.

Hasstiraden und obszöne Lieder wurden gerufen. Der Gang

mit den Verbrechern ertönte im Widerhall der Abscheu.

Das Gefängnis war schäbiger, als es von Außen den

Anschein gemacht hatte.

Überall roch es penetrant nach Pisse und Schweiß.

Verrücktes Lachen schallte durch die Gänge, verwirrtes

Gerede erfüllte die Luft.

Keaton hatte sich schon öfter gefragt, weshalb man ihn

hierher verfrachtet hatte, quasi in eine Anstalt für

Geisteskranke.

Wahrscheinlich weil sein Anwalt auf

Unzurechnungsfähigkeit plädiert hatte. Vielleicht hätte man

ihn sonst schon kross gebraten.

Wer wusste das schon?

Man hatte Carlyle in seine Zelle gebracht und ihn mit

einem süffisanten Grinsen zurückgelassen.

In Gedanken verloren, hatte Keaton damals nicht einmal

bemerkt, dass eine weitere Person in seiner Zelle war.

Erst als ein massiger Leib von der schweren Pritsche

sprang und er den süßlichen Geruch vernahm.

Keaton war nun neu hier.

Wilde Storys schossen ihm durch den Kopf. Bilder von

Vergewaltigungen brannten sich in seinen Verstand. Er

würde das Bückstück von diesem widerlichen Riesen sein.

Doch der Kerl hatte ihn nur angesehen, mit diesen

Tieraugen. Besser konnte man den verwilderten Blick nicht

beschreiben. In den Pupillen des Mannes lag so etwas wie

ein animalischer Raubtierinstinkt.

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Das Gesicht des Fremden war hart und voller Narben,

sicher ein Überbleibsel starker Pocken.

Der kurzgeschorene Schädel glänzte vor Schweiß.

Um stark zu wirken hatte Keaton Carlyle nicht reagiert,

ließ sich äußerlich nicht einschüchtern und hatte den Kerl

standhaft ernst angeschaut.

Dann war die Situation gekippt, der Riese hatte seinen

stinkenden Mund geöffnet und gesprochen.

Der hünenhafte Fremde hatte sich als Preston vorgestellt,

Carter Preston.

Dies war fünf Jahre her.

Keaton hatte sich mit dem Gefängnisalltag nie völlig

arrangiert, zu oft wütete der Sturm nach Freiheit in seinem

Inneren. Zu oft wünschte er sich frei zu sein und wieder

seinem Leben nachgehen zu können.

Preston hatte nie gefragt, weshalb Carlyle überhaupt hier

war, dazu hatte er auch keine Zeit. Meist starrte der Irre

gegen die Decke oder pumpte nachts eine Ladung Wichse

gen Zellendecke.

Carlyle war froh, dass es nie zu Streit kam, er ließ Preston

in Ruhe und er ihn.

Viel von der Außenwelt hatte er nie mitbekommen, dazu

waren sie in dieser Haftanstalt zu isoliert, es gab keinen

Fernseher oder geschweige denn eine aktuelle

Tageszeitung. Und das war auch rational zu erklären,

meinte Keaton. Welcher Geisteskranke war auch

interessiert, wie der Dow Jones stand, oder wie viele

Drogenabstürze Lindsey Lohan noch durchmachte, bevor

sie endgültig ins Gras biss?

Sie hatten ihren eigenen kleinen Mikrokosmos, bestehend

aus Schlafen, Scheißen, einer halben Stunde Freigang auf

einem viel zu kleinen Hof und die alltäglichen

Zellenkontrollen.

Die Monate waren zuerst quälend langsam

herumgegangen, niemand hatte angerufen und auch das

Besucherzimmer war nie von Keaton Carlyle aufgesucht

14

worden, er hatte ja schließlich niemanden, der ihn hier

besuchen wollte.

Oder konnte.

Alles war so eintönig, dass die Lethargie Besitz von Keaton

ergriff.

Bis vor einigen Wochen.

Nur zufällig hatte er einen Wärter belauscht, Fred den

Schönling, so nannte ihn Keaton, aufgrund seiner langen

blonden Haare und seinen strahlend weißen Zähnen.

Dieser hatte sich mit einem anderen Gefängnismitarbeiter

unterhalten und dabei einige sehr pikante Details

herausgegeben.

In wenigen Wochen sollte eine VIP Gast einziehen, hatte er

spöttisch gesagt und angefangen zu lachen.

Keaton lauschte konzentrierter. Es schien sich um einen

Hochkaräter zu handeln, jemanden, der so wichtig war und

anscheinend so gefährlich, dass die Wichser hier drin

zitternde Knie bekamen.

Dies schloss Keaton aus der Reaktion des zweiten

Wachmannes. Er hatte die Augen aufgerissen und starrte

den schönen Fred an. Dann hatten sie Keatons Lauschen

bemerkt und ihn zum Teufel gejagt.

Und so wartete Keaton Carlyle jede Nacht, mit Blick auf das

Bett über ihm, auf Veränderungen im Gefängnis.

Er hatte es im Gefühl, etwas würde passieren, etwas

Großes.

Woher er diese Info nahm, wusste er selbst nicht.

Vielleicht war es ein natürlicher Selbsterhaltungstrieb in

seinem Innern, etwas, das ihn die Tage und Wochen hier

einfacher bewältigen ließ. Wenn man auf etwas wartet,

kann die Zeit auch schneller verstreichen, dachte er und

streckte die Füße aus dem Bett.

Preston raunzte noch immer leise, er schien allerdings

wieder eingeschlafen zu sein.

Keaton streckte seine Glieder, trat an das vergitterte

Fenster und starrte auf den Hof unter ihm.

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Alles war still, selbst das oft hörbare Schreien der Irren

war verstummt.

Etwas lag in der Luft, etwas nicht Greifbares. Wie das

Flimmer auf dem heißen Asphalt eines Highways.

Es war da, drückte und surrte, doch man konnte es nicht

berühren.

Dann hörte Keaton Carlyle das entsetzliche Schreien.

Wie Schweinelaute brüllte jemand so markerschütternd,

dass sich eine feine Gänsehaut auf Keatons Arme legte.

Woher kam der Schrei?

Keaton wirbelte herum. Hatte Preston das gerade auch

gehört? , fragte er sich.

Der Riese schien noch immer selig zu schlafen.

Carlyle presste sich an die Gitterstäbe, er stierte auf den, in

Dunkelheit liegenden Gang.

Dann vernahm er Stimmengewirr. Einige Häftlinge redeten

wildes, unverständliches Zeug. Vereinzelt vernahm Keaton

Wortfetzen und Bruchstücke wilder Gespräche wahr.

Eine Stimme sprach von der Ermordung eines Häftlings.

Keaton lauschte angestrengt, irgendetwas ging hier vor.

Er war so in das Lauschen vertieft, dass er nicht einmal

merkte, wie Carter Preston von der Pritsche glitt.

Der riesige Mann umschlang mit seinen haarigen Pranken

den Kopf Carlyles. Mit einem harten Ruck stieß er dessen

Schädel durch die Gitterstäbe. Ein entsetzter Schrei

entwich Keatons Kehle, der Schmerz raubte ihm alsbald

den Verstand. Mit eingedrücktem Schädel stierte Keaton

auf den, für ihn nun gut sichtbaren Gang. Was er sah,

brannte sich in sein Hirn.

Er nahm die Erkenntnis mit ins Grab.

Carter Preston stampfte mit seinem riesigen Fuß auf

Keatons Rücken und brach ihm die Wirbelsäule.

>>Es hat begonnen.<< murmelte er.

16

(II)

Der gepanzerte Wagen schoss über die unebene Straße.

Die Insassen, vier in Schutzwesten gekleidete Marshalls,

ein grimmig dreinblickender Fahrer und ein starr

geradeaus blickender Mann, schwitzten und schwiegen.

Die Nacht war heiß. Selbst in dem klimatisierten Wagen

stieg die Temperatur mit jeder Meile.

Die Uniformierten tauschten Blicke aus, schielten immer

wieder auf die schweren Eisenketten an den Füßen und

Händen des Gefangenen.

Christian Blake, Beifahrer im Font des Wagens, zuckte

beim Ertönen des Walkie-‐Talkies zusammen. Der junge

Mann war müde und angespannt, die Meldung aus dem

kleinen Gerät riss ihn aus einem nahenden Schlaf.

>> Wagen 4, bitte kommen.<< erklang es aus dem Gerät.

>> Wagen 4, kommen.<<

Blake legte einen kleinen schwarzen Schalter um und

sprach in das Walkie-‐Talkie.

>>Wagen 4, hier Blake. Was ist los?<< gab er zurück,

wieder völlig Herr seiner Sinne. Da der Wagen mehrfach

gepanzert war, der Vorderbereich abgeschirmt vom

hinteren Teil mit dem Gefangenen, konnte er, ohne die

Lautstärke zu verringern, sprechen.

Das kleine Gerät rauschte leise.

>>Wir haben hier einen Zwischenfall. Es gab einen

Aufstand unter den Gefangenen. Fünf Tote. Ihr solltet mit

der Übergabe noch warten.<<

Mit Übergabe meinte die Gefängnisleitung die Überstellung

eines Gefangenen.

Und damit war Fjodor Petrov gemeint, der Mann im

hinteren Teil des Wagens.

Der Fahrer des Wagens starrte Christian Blake an.

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>>Fünf Tote?<< wiederholte er ungläubig und pfiff leise

aus. Blake presste den Sprachübermittler dich an seinen

Mund.

>>Verstanden. Wir werden an der Einschleusung warten.

Over and out.<<

Blake legte das kleine Gerät wieder in die Haltevorrichtung

und schaute seinen Fahrer an.

>>Man, was ist denn heute Nacht los?<< fragte er gestresst.

>>Erst will man den Gefangen nur nachts übergeben und

dann auch noch das.<<

Der Fahrer, ein Mittfünfziger mit buschigem

Oberlippenbart, seufzte hörbar genervt.

>>Ist wirklich seltsam. Und vor allem wird es wieder ewig

dauern, bis wir Feierabend machen können. Du kannst dir

sicher nicht vorstellen, was für ‘n Papierkram das für die

aus dem Statefield Gefängnis wird. Fünf Tote, puh.<<

Der Wagen rumpelte über ein Schlagloch.

Man hatte sie angewiesen eine andere Route zu nehmen,

aus Sicherheitsgründen. Man konnte ja nie wissen.

Blake dachte an ihre Fracht.

Dieser Petrov war erst vor wenigen Stunden verurteilt

worden.

Um kein Aufsehen bei der Presse zu machen, war die

Gerichtsverhandlung unter Ausschuss der Öffentlichkeit

vollzogen worden.

Alles was Blake wusste, war, dass Petrov ein übler

Psychopath war. Er wusste es nur von seinen Kollegen,

aber man munkelte, dass dies die wichtigste Verhaftung

seit Jahren war. Dieser Petrov schien ein wahres Monster

zu sein.

>>Sag mal Francis, was transportieren wir da eigentlich?<<

fragte Blake nach einer kurzen Pause und schaute zu dem

Fahrer.

Dieser schüttelte den Kopf.

>>Ganz ehrlich, keine Ahnung. Man hat uns allen nichts

Genaueres gesagt, ich vermute, aus Sicherheitsgründen.

18

Aber wenn du dir mal die verstärkte Bewachung ansiehst,

die doppelten Schutzmaßnahmen, dann kannst du ja Eins

und Eins zusammenzählen.<<

Normalerweise wurden Gefangene in Bussen in das

Gefängnis gebracht. Bei speziellen Sonderfällen wurden

Blake und die anderen vom Team hinzugezogen.

Christian war seit drei Jahren bei der Clifford Security tätig.

Meist ging es um irgendwelche Begleittransporte, um

Lieferungen wichtiger und hochbrisanter Dokumente.

Doch in diesmal kam der Anruf vom Bezirksstaatsanwalt.

Man sollte sofort einen Gefangenen abholen und in die

Statefield Sicherungsanstalt für kriminelle Geisteskranke

bringen.

Und so waren Blake und seine Kollegen zu besagtem Ort

gefahren, hatten etliche Unterlagen unterzeichnen müssen

um schließlich ihre wertvolle Fracht zu erhalten.

Den Mann, den Blake erwartet hatte, gab es nicht.

Bei einem Auftrag wie diesem, dachte der junge Mann an

einen Schwerverbrecher der Markte Hannibal Lecter, mit

Mundschutz, umherschreiend wie ein Wahnsinniger und

einem angsteinjagendem Blick.

Doch der Mann, der nun in ihrem Gefangentransporter saß,

sah aus wie jeder x-‐beliebige Kerl von der Straße.

Fjodor Petrov hatte dunkles Haar, dessen Wurzeln schon

silbergrau schimmerten, trug einen Dreitagebart und hatte

ein, im Grunde sympathisches Gesicht.

Der Teufel hat viele Gesichter, dachte Blake und sinnierte

darüber, was Petrov wohl getan haben mochte.

Immerhin war er so wichtig, vielleicht auch gefährlich, dass

man ihn mit einem Spezialtransporter ins Gefängnis

bringen musste.

Das Walkie-‐Talkie rauschte.

Blake griff erneut danach und lauschte. Dann erklang eine

Stimme.

>>Chris? Jemand da?<< fragte die, Blake so vertraut

gewordene Stimme.

19

>>Hey Riley.<< gab Blake von sich und schielte zu Francis,

seinem Fahrer. >>Was gibt’s?<<

Die junge Frau am anderen Ende des Gerätes begann

wieder zu sprechen.

>>Ihr habt es sicher schon gehört, es gab einen

Aufstand.<< sagte sie knapp.

Christian bestätigte ihre Vermutung und fragte die junge

Frau nach der Ursache.

>>Keine Ahnung, ist ja auch meine erste Nacht im

Statefield. Fängt auf jeden Fall schon mal toll an.<<

Sie lachte. Francis zwinkerte Blake zu und grinste ihn

schief an. Es war nicht zu übersehen, das Christian mehr,

als nur den Status des Kollegen mit Riley Hopkins teilen

wollte.

Blake schlug mit der linken Hand nach Francis Arm.

>>Konzentrier dich lieber auf die Straße, du

neugieriger. .<<

Da schaltete sich die junge Frau ein.

>>Hab gehört, es hat einen Pädophilen erwischt, sein

Zellengenosse hat ihm seinen Schädel durch die Stäbe

gedrückt. Herrgott, wir sind hier doch nicht beim

Terminator!<< sagte sie schockiert.

>>Soll insgesamt fünf Tote gegeben haben, alle von den

Zellengenossen ermordet. Wird in nächster Zeit ziemlich

knapp mit den Einzelzellen.<<

Christian Blake stellte sich vor, wie Riley mit ihren

haselnussbraunen Haaren in das Walkie-‐Talkie sprach,

ihre samtweichen Lippen bewegte und mit ihren blauen

Augen vielleicht eine Tasse Kaffee fixierte.

Sie war ein regelrechter Kaffee-‐Junkie, also erschien es ihm

sehr wahrscheinlich.

Blake hatte die junge Frau während einer Eskorte

kennengelernt. Sie waren ins Gespräch gekommen und

Blake hatte erfahren, dass die junge Frau gerade den

Polizeidienst absolviert hatte, sie wurde gerade in alles

20

eingewiesen und ihr Vater hatte ihr die Empfehlung für das

Statefield Gefängnis gegeben.

Als ehemaliger Captain einer Spezialeinheit, hatte Reginald

Hopkins seiner Tochter den beruflichen Weg geebnet.

Und Riley war eine vorbildliche Polizistin geworden, hatte

das Examen als Jahrgangsbeste abgeschlossen und war

nach der Polizeischule oft Streife gefahren.

Während ihres damaligen, gemeinsamen Auftritts, hatten

sie und Blake Nummern ausgetauscht, sich zweimal auf

einen Kaffee getroffen, doch mehr war nie daraus

geworden.

Und so freute es Christian Blake umso mehr, als er

erfahren hatte, wer diese Nacht Dienst im Statefield hatte.

>>Denkst du, es wird lange dauern?<< fragte Christian

hoffnungsvoll. >>Ich meine, wir haben hier echt wichtige

Fracht an Bord.<<

>>Ich denke nicht, heute Nacht werden die Gefangenen, die

jemanden ermordet haben, in eine Einzelzelle im

Hochsicherheitstrakt untergebracht. Dann ist der

Neuankömmling, den ihr im Wagen habt, nicht so allein.<<

Also wusste Riley, wen sie herfuhren.

>>Weißt du etwas genaueres über unseren Gast?<< fragte

Blake Riley.

Eine kurze Pause entstand, dann meldete sich die junge

Frau wieder zu Wort.

>>Obwohl ich es nicht wissen darf, habe ich mitbekommen,

dass es sich um einen sehr gefährlichen Mann handeln soll.

Pektrov oder so. Das Gerücht geht aber schon länger um,

weiß der Geier, woher die Typen das wissen.<<

Blake sah abwechselnd auf die Straße und zu seiner Hand,

in der er das Walkie-‐Talkie hielt.

Im Augenwinkel bemerkte er das Schild am Straßenrand.

Von den Scheinwerfern reflektiert, tauchte ein Schriftzug

auf.

Statefield Gefängnis – 3 Meilen.

21

>>Wir sind bald bei dir, Riley.<< sagte Blake freudig,

versuchte es aber zu verbergen.

Wenn er bei einer Wahnsinnsfrau wie Riley landen wollte,

dann musste er ihr sein Interesse ja nicht wie ein

Schuljunge kundtun.

>>Das freut mich, dann trinken wir einen Kaffee

zusammen, Chris.<< gab die junge Frau zurück.

>>Also dann. Bis gleich.<<

(III)

Riley Hopkins blickte auf den kleinen Schwarzweißmonitor

vor sich. Das Display zeigte einen schwarzen Transporter,

der sich durch das Haupttor des Gefängniskomplexes

bewegte.

Die junge Frau griff nach ihrer, mittlerweile erkalteten,

Tasse Kaffee und trank aus.

Frank Mahouny, welcher für die Sicherheitskameras

zuständig war, schaute zu ihr herüber und grinste.

>>Das wird ńe lange Nacht, Kleine.<< Dabei griff er nach

einer Schachtel Luckies in seiner Hemdtasche und fingerte

einen Glimmstängel hervor.

>>Leider ja. Und das in meiner ersten Schicht hier.<< sagte

Riley mit gespielt gequältem Gesicht.

Der Geruch von Tabak drang ihr in die Nase. Einen Geruch,

den sie von ihrem Vater gut kannte, obwohl er schon seit

Jahren aufgehört hatte.

Doch damals, vor über zehn Jahren, hatte sie den Geruch

ständig in der Nase. Er hatte sie einmal mit auf sein Revier

genommen, hatte ihr alles gezeigt und ihr erklärt, welch

wichtigen Job er zu erledigen hatte, dass sein Leben schon

des Öfteren in Gefahr gewesen war.

22

Riley hatte alles fasziniert aufgenommen, hatte sich in

ihrer Vorstellung Szenen ausgedacht und in diesen war ihr

Vater immer der strahlende Held in silberner Rüstung

gewesen.

Mit den Jahren wurde aus ihrem einstigen Held ein Mentor,

der ihr den Weg zur Polizei ebenso geebnet, wie

vorangetrieben hatte.

>>Glaub mir, die Kollegen von der nahegelegenen Wache,

werden das schon schnell klären. Immerhin sitzen die

Mörder dieser Verrückten ja schon in einer Zelle, man

muss sie ja nicht erst noch aufspüren. Trotzdem, eine

Scheißsache.<<

Riley dachte an die entsetzten Gesichter ihrer Kollegen im

Trakt C, dort, wo der erste Mord entdeckt wurde.

Man sagte, es sei ein regelrechtes Blutbad gewesen. Zwar

nicht weiter wild um einen Pädophilen und drei

wahnsinnige Triebtäter, dennoch etwas, womit in dieser

Nacht keiner gerechnet hatte.

Die Tür zu der kleinen Zentrale ging auf. Riley hatte das

Summen der Laserkarte bereits zuvor wahrgenommen,

nun bestätigte sich ihre Vermutung.

Jemand war gekommen.

Sie schielte zu der, sich öffnenden Tür und registrierte

Fred Wilson, einen der Wärter. Sein langes und blondes

Haar umrahmte ein ebenso attraktives, wie falsches

Gesicht.

Sie hatte Fred bisher nur einmal kennengelernt, bei ihrer

Einweisung und dem dazugehörigen Vorstellen der

einzelnen Kollegen.

Es war klar erkennbar, dass er sich Chancen bei der jungen

Frau ausmalte.

>>Einen wunderschönen Abend wünsche ich euch!<<

verkündete er im Singsang. Er schaute zu dem kleinen

Monitor. >>Wie ich sehe, ist der Transporter auch schon

da. Dann kann der Tanz ja losgehen.<<

Riley schaute ihn fragend an.

23

>>Ich entnehme deiner Bemerkung, dass die Kollegen vom

nächststehenden Revier bereits eingetroffen sind um die

bedauerliche Sache in Trakt C und F zu klären?<<

Fred Wilson schaute ratlos zu Boden.

>>Nun, äh.. Nicht, dass ich wüsste.<< murmelte er.

Riley grinste.

>>Dann wird es ja wohl noch etwas dauern, oder?<<

meinte sie und fühlte sich überlegen. Dieser schmierige

Fred mochte zwar bei vielen Frauen für feuchte Slips

sorgen, doch nicht bei ihr.

Ihr gefiel Christian Blake wesentlich besser.

Riley ertappte sich dabei, wie sie an Blake dachte, ein leises

Kribbeln breitete sich in ihrer Magengegend aus.

>>Wer kommt denn überhaupt her?<< schaltete sich Frank

neben ihr ein. Sie hatte den Mann völlig vergessen, sie

mochte den älteren Kollegen.

Fred erhob das Wort, sicher um auch endlich wieder im

Mittelpunkt stehen zu können.

>>Simms und sein Kollege. In der Nähe von Hodgetown ist

doch dieses Revier. Denke, die sind froh endlich mal was

zutun zu haben.<< grinste er und registrierte, dass sein

Witz keinen Anklang fand.

Frank Mahouny nickte und wandte sich wieder dem

Monitor zu.

>>Ich frag mich, was diese Irren dazu bringt noch mehr

durchzudrehen?<< vernahm Riley von Fred.

>>Ich meine, klar, die sind bekloppt, aber warum heute

Nacht und warum gleich fünf? Das versteh, wer will.<<

Riley hatte zum Zeitpunkt der Morde gerade mit ihrer

Schicht angefangen.

Sie wurde zum Gefängnisleiter Mr. Ashley gerufen und man

teilte ihr mit, dass sie dem diensthabenden Wachmann auf

Station F sagte sollte, dass man die Polizei verständigte.

So war Riley zu Station F gelaufen, passierte unzählige

Schleusen und Sicherheitschecks, bis sie endlich bei der

Wache war.

24

Der Mann war kreidebleich.

Sicher hatte er einen solchen Anblick noch nicht gesehen.

Riley kam nicht einmal in die Nähe der Zellen.

Eine Frau, noch dazu mit Rileys Aussehen, würde für einen

weiteren Aufstand sorgen.

In diesen Zellen saßen Verbrecher der übelsten Sorte,

völlig Gaga und zu allem bereit.

Sie wollte sich nicht einmal vorstellen, was sie mit ihr

anstellen würden.

Mr. Ashley schien bei der Wache angerufen zu haben, mehr

wusste sie auch nicht.

>>Vielleicht liegt es ja am Wetter.<< warf Frank Mahouny

ein. >>Immerhin denkbar. Bei der Hitze könnte selbst ich

durchdrehen, ihr wisst was ich meine.<<

Er lächelte gequält.

Fred Wilson schaute ihn an und lachte gekünstelt zurück.

>>Klar, das wird’s sein!<< lachte er und wandte sich zum

gehen. >>Vielleicht sind wir ja auch deshalb völlig

unterbesetzt?<<

Sein Lachen hing noch im Raum, als er ihn schon längst

verlassen hatte.

>>Arschloch.<< murmelte Frank und schaute weiter auf

die kleine Armada an Monitoren.

Riley lächelte. Sie dachte an Freds Worte.

Sie waren unterbesetzt, das hatte sie jedoch schon längst

erkannt.

Bis auf sie, Frank, Mr. Ashley, Fred, einer Handvoll

Angestellter des Gefängnisses, waren sie allein.

Im Grunde absolut inakzeptabel.

Wie konnte man so verantwortungslos sein? Ein Gefängnis,

mit etlichen wahnsinnigen Schwerverbrechern bestückt,

besetzt mit einer lachhaft kleinen Anzahl von Angestellten.

Doch Riley dachte daran, aus welchem Grund dies so war.

Viele der Angestellten waren in umliegende Gefängnisse

beordert worden.

25

Das Statefield Gefängnis war nicht Amerikas Schmelztiegel

der Strafanstalten, im Grunde nur ein kleines Licht auf

einer Karte mit weitaus größeren und besseren

Institutionen, wie dieser hier.

Riley kannte die alten Geschichten über dieses Gefängnis.

Ihr Vater nannte es einmal scherzhaft DasAlcatraz für

Arme.

Doch diese Zeiten waren lange vorbei.

Ebenso wie die Subventionen für den Gefängniskomplex.

Man hatte zwar Laserschranken für Kartenkontrollen und

etliche Kameras, doch die Laserschranken waren öfter

defekt, als instand und die Kameras waren alt und

unscharf.

Im Grunde musste alles generalüberholt werden.

Die Prüfungskommission für den Bau war einmal im Jahr

für die Kontrollen zuständig, dennoch mangelte es noch zu

stark an Fortschritt.

Riley starrte auf den Monitor. Wie gern hätte sie jetzt

Christian an ihrer Seite.

Die junge Frau seufzte und goss sich eine neue Tasse

Kaffee nach.

Nun hieß es warten.

26

K a p it e l 2

(I)

Der Anruf war vor einer halben Stunde gekommen.

Mr. Ashley, der Gefängnisdirektor des Statefield

Sicherheitsgefängnisses, hatte angerufen.

Zu dieser Zeit hatte Bradley Stevens gerade begonnen, eine

Runde Skat gegen seinen Kollegen Dean Simms zu spielen.

Das Telefonat war so überraschend gekommen, dass

Stevens beim Lauschen der Worte aus dem altmodischen

Telefonapparat die Kinnlade buchstäblich herabfiel.

Fünf Tote in einer Nacht, noch dazu in einem Gefängnis.

Die beiden Männer hatten ihrem jungen Deputy

freigegeben, in den Nächten war es hier still und die

umliegenden Dörfer brauchten ihre Hilfe höchstens für

entlaufenes Vieh oder ähnliches.

Man versprach sofort zu kommen, ließ die Karten liegen

und ging in den Aufenthaltsraum, um seine Ausrüstung zu

holen.

Dort warteten sie. Drei Männer, groß wie Bäume und

ebenso massig gebaut. Ihre muskulösen Arme hielten

abgesägte Schrotflinten.

Instinktiv hatte Officer Bradley Stevens seine Dienstwaffe

aus dem Halfter gezogen und sie auf den Ersten der drei

Männer gerichtet.

Die Ladung Schrot zerriss seinen Oberkörper.

In einem Regen aus Blut, Gedärmen und Knochensplittern

flog Stevens gegen die Tür des Aufenthaltsraumes und

blieb reglos liegen.

Die drei Männer sprachen nicht, sie nickte Dean Simms zu

und bedeuteten ihm, seine Waffe herauszuholen.

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Wie geheißen, tat der zweite Polizist, was man ihm befahl.

Er zog seine Waffe und ließ sie neben sich auf den Boden

fallen.

Die nächste Schrotladung riss Simms das rechte Bein in

tausend Stücke.

Dean war umgefallen und mit dem Hinterkopf auf dem

zerschossenen Oberkörper seines toten Kollegen gelandet.

Die Waffe lag nun in greifbarer Nähe.