Zimmer 16 - Max Stascheit - E-Book

Zimmer 16 E-Book

Max Stascheit

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Beschreibung

Ein scheinbar einfacher Ferienjob entpuppt sich als tödliche Falle, denn sie hat die Rechnung ohne die Bewohner der Wüste gemacht. Ein Traumdate mit einer atemberaubenden Schönheit verspricht ein Happy End, aber nur für eine(n) von ihnen. Eine heimliche Entdeckung ihres Sohnes führt rasch zum ungeahnten Blutbad. Eine traumhafte Chance auf einen Fernsehbericht wird für einen Reporter zum tödlichen Stolperstein. Diese und viele weitere Träume, die sich allesamt als Alpträume entpuppen, lauern hinter der Maskerade des scheinbar Harmlosen und Alltäglichen...

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Seitenzahl: 168

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MAX STASCHEIT

Ein scheinbar einfacher Ferienjob entpuppt sich als tödliche Falle, denn sie hat die Rechnung ohne die Bewohner der Wüste gemacht. Ein Traumdate mit einer atemberaubenden Schönheit verspricht ein Happy End, aber nur für eine(n) von ihnen. Eine heimliche Entdeckung ihres Sohnes führt rasch zum ungeahnten Blutbad. Eine traumhafte Chance auf einen Fernsehbericht wird für einen Reporter zum tödlichen Stolperstein. Diese und viele weitere Träume, die sich allesamt als Alpträume entpuppen, lauern hinter der Maskerade des scheinbar Harmlosen und Alltäglichen...

In dieser Sammlung wartet hinter jeder Geschichte das unaussprechliche Grauen. Vom Autor der Sammlungen ‚Unter den Gräbern’ und ‚Der letzte Tanz’ wird Ihnen der Schlüssel zum Öffnen gereicht. Doch nur auf eigene Gefahr: Denn Sie könnten Ihren Verstand verlieren...

Max Stascheit wurde am 09.04.1991 in Vechta geboren. Im Genre Horror ist er schon lang kein unbeschriebenes Blatt mehr. Bisher sind bereits über neun Veröffentlichungen erschienen, darunter zahlreiche Kurzgeschichtensammlungen & drei Romane. In die Zeitung hat es der passionierte Schriftsteller nun bereits mehrfach geschafft, im Jahr 2016 wurde er im Zuge der Unizeitung Vechta interviewt und einem breiteren Publikum bekannt. Sein Best-Of Werk wurde im ScheinWerfer Bremen rezensiert.

Titel der Originalausgabe

>Zimmer 16<

Copyright © 2020 - Max Stascheit

Umschlagillustration - Max Stascheit

Autorenfoto – Julia Aselage

Korrektur – Florian Fabozzi

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage Juni 2020

Alle Rechte vorbehalten

Copyright 2020

Max Stascheit

Anfragen an [email protected]

Facebook: Max Stascheit - Autor

Der Schatten (von Marek Pieniazek)

Seite 14

Das Fenster

Seite 25

Billy will nur spielen

Seite 36

Puppenzauber

Seite 53

Der richte Verdächtige

Seite 71

Das perfekte Match

Seite 81

Die Affäre

Seite 97

Senderwechsel

Seite 109

Das wirklich gute Gehör

Seite 117

Zimmer 16

Seite 133

BONUS - Der Verehrer

Seite 156

Nachwort des Autors

Seite 172

LESEPROBE - Eine noble Arbeit

Seite 180

Der Schatten von Marek Pieniazek

Die Sonne geht langsam unter, als Jack Lloyd einsam auf der Veranda seines kleinen Ferienhauses sitzt. Er genießt es, wie sich der Horizont orange-rötlich verfärbt, um bald darauf die Dunkelheit zu begrüßen. Das Ferienhaus, das einst seinen verstorbenen Eltern gehörte, liegt in Brighton, einer englischen Küstenstadt. Als die ersten Sterne auf dem Nachthimmel erscheinen, geht er hinein, um seinen schwarzen Kater Maurice zu füttern. Maurice ist ein Halb-Perser, der ein seidenweiches Fell besitzt und sehr gerne herumtobt, was für einen Kater dieser Gattung sehr ungewöhnlich erscheint. Als Jack ihm geräucherte Makrele zum Mahl servieren will, springt der Kater in der Küche hin und her. Erst als er den Geruch des Fisches wahrnimmt, lässt sein Energiewahn nach und er frisst in aller Ruhe. Danach nimmt Jack sein Haustier in die Arme und setzt sich auf das Kanapee im Wohnzimmer. So dasitzend, streichelt Jack den Kater, doch sein leises Schnurren vernimmt er nicht, denn er denkt über den Tod seiner Eltern nach. Sie kamen durch einen Autounfall ums Leben, vor ziemlich genau drei Jahren. Jack kann sich noch grob an einen Zeitungsbericht in The Times erinnern….

- 17. August 1928: Winston und Dorothy Lloyd stürzten mit ihrem Wagen von einer Klippe in der Nähe von Brighton. Beim Aufprall starb das Ehepaar sofort. Die genaueren Hintergründe des Unfalls sind bisher nicht bekannt. -

Wie konnte das passieren? Mein Vater war doch ein sehr guter Fahrer, dachte Jack.

Es vergingen einige Tage und Jack konnte zur Ruhe kommen. Nach dem Tod seiner Eltern beschloss der gebürtige Londoner zur Sommerzeit das Ferienhaus ganzjährig zu besuchen. Als er ein Knabe war, hatten ihn seine Eltern regelmäßig mit nach Brighton genommen, um dort das Wetter und den Strand zu genießen. Einige Jahre vergingen und Jack, der mit seinem Ökonomiestudium sehr beschäftigt war, konnte eines Tages seine Eltern in Brighton nicht auffinden. Zu diesem Zeitpunkt ereignete sich der Unfall.

Eines Morgens erwacht Jack durch Tumult von Maurice, der in seinem Freudenwahn etwas im Keller, so machte es zumindest den Anschein, gefunden hat. In Eile geht er in den Keller um nachzusehen, was dies sein möge. Der Kater kratzt mit seinen Pfoten an einer Kellerwand, was Jack merkwürdig vorkommt. Doch bald schon merkt er, dass das Kratzen hohl klingt, weshalb er selbst an besagte Stelle klopft.

Ist hinter der Wand etwa ein geheimer Gang oder ein Zimmer?, fragt sich Jack.

Er beschließt mit einer Axt die Holzwände des Kellers aufzubrechen und in der Tat verbirgt sich hinter der Wand ein Zimmer, das jedoch nur einen Spiegel beinhaltet.

Warum habe ich ein Zimmer in meinem Keller gefunden, das mit einer Holzwand versperrt war? Beinhaltet dieses Ferienhaus etwa ein finsteres Geheimnis?, überlegt Jack energisch.

Er beschließt sich im Spiegel zu betrachten und bemerkt nichts, was von der Norm abweichen würde. Der Spiegel reflektiert sein Äußeres. Es ist das Erscheinungsbild eines jungen Mannes: Die hohe Statur, das intelligente und freundliche Gesicht. Seine Augen sind so blau wie der wolkenlose Himmel am Tage, während die Haare schwarz sind wie Pech. Jack trägt einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug mit dem dazu passenden Schuhwerk, das die Farbe eines Rabengefieders hat. Nur das Hemd ist weiß und kontrastiert die dunkle Kleidung.

Der Spiegel reflektiert jede Bewegung Jacks, wodurch er auf einer metaphysischen Ebene seinem Doppelgänger begegnet. Voller Neugier nähert er sich mit seinen Finger der Oberfläche des Spiegels, doch anstatt das kalte und harte Glas zu berühren, verschwinden seine Fingerspitzen völlig unerwartet in dem Spiegel. Erschrocken schreit Jack auf und zieht die Finger seiner rechten Hand zurück. Sie sind unversehrt und er kann sie problemlos bewegen.

Im Namen Gottes, auf was bin ich hier gestoßen? Wird mich hinter dem Spiegel eine andere Welt erwarten? Wenn ja, ist es dann der Himmel oder das Inferno? Ich muss es wissen!, bestärkt sich Jack voller Selbstbewusstsein, schließt die Augen und wagt einen Schritt durch die Oberfläche des Spiegels.

Als er die Augen öffnet, erblickt er eine düstere und steinige Welt, die sehr verlassen und verkommen aussieht. Die Winde, die in jener Welt wehen, treiben den Staub umher wie die Winde der Wüste dies mit dem Sand tun. Jack fasst seinen gesamten Mut zusammen und beginnt diese Welt zu erforschen. Als er einen Blick nach hinten wirft, sieht er immer noch die Umrisse des Spiegels und das verschwommene geheime Zimmer seines Kellers. Jack fasst den Entschluss, nur so weit zu gehen, bis er noch den Umriss sehen kann.

Er marschiert einige Minuten in dieser seelenlosen Dimension, bis plötzlich hinter ihm eine Stimme erklingt:

Seid gegrüßt Fremder. Möget Ihr mir mitteilen, aus welchem Anliegen Ihr das Reich der Schatten heimsucht?

Jack dreht sich blitzartig um und erblickt ein schwarzes Wesen, welches eine weiße Maske trägt. Bei diesem Anblick sammelt sich in seinem Halse ein furchterfüllter Schrei, doch als er diesen ausstoßen möchte, kann er ihn nicht hören, was ihn verblüfft und schlagartig klar im Kopfe macht.

Im Reich der Schatten kann man nicht schreien, du Narr! Die Ruhe der Zwischenwelt darf nicht gestört werden! Magst du mir nun deinen Namen nennen, Fremder?, fragt das Wesen mit einer unheimlichen Ruhe in der Stimme.

Jack, dessen Gesicht sich zu einer Grimasse der Fassungslosigkeit verzog, schluckt nervös und beginnt zu sprechen.

Mein Name ist Jack Lloyd und ich habe einen Spiegel in meinem Keller gefunden, der mich in die Schattenwelt brachte. Wer bist du eigentlich, du mysteriöses Wesen? Ich nehme an, dass du selbst ein Schatten bist.

Du hast Recht Jack, ich bin ein Schatten und als Schatten sehe ich, dass etwas deine Seele trübt. Teile mit mir deine Sorge und ich helfe dir. Dein Nachname, Lloyd, er kommt mir bekannt vor.

Jack schaut fassungslos und erwidert: Meine Eltern Winston und Dorothy Lloyd sind bei einem Autounfall gestorben und dies belastet meine Seele schon seit Jahren, aber was kannst du schon davon wissen? Du bist doch nur ein Schatten!

Du kennst mich nicht, Jack. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde dir die Wahrheit zeigen, vorausgesetzt, du vertraust mir und lässt dich von mir durch die Schattenwelt führen! spricht das Wesen.

Ich habe nichts zu verlieren, zeig mir die Wahrheit, sie wird mein Unterbewusstsein von Nachtmahren der Ungewissheit befreien! erwidert Jack.

Sehr wohl, Jack! Folge mir!

Der Schatten und Jack gingen einige Stunden durch die endlosen, staubigen und finsteren Ebenen der Schattenwelt. Es war eine Welt, wo es keinen Tag und keine Nacht gab. Es gab weder die Sonne noch den Mond, denn der Himmel über ihnen bestand aus der Dunkelheit selbst. Die Oberfläche dieser gottverlassen Welt wurde sporadisch durch Straßenlaternen beleuchtet. Es war weder stockfinster, noch hell. Das Licht reichte aus, um Steine und Felsen klar genug zu sehen, damit sie Jack nicht zum Verhängnis bei der Wanderung werden konnten. Was aber viel wesentlicher war: durch das morbide Licht konnte Jack die Schatten sehen. Sie alle waren schwarz und hatten weiße Masken auf.

Als die beiden durch die staubigen Ebenen gingen, begannen die Winde zu wehen. Ihre Kraft war so stark, dass Jack und der Schatten hinter einem großen Felsen Schutz suchten. Als die Winde nachließen, rief der Schatten:

Wir haben gleich die Stelle erreicht, die Stelle, wo du die Wahrheit erfährst. In dieser Höhle vor uns, da befindet sich das Orakel dieser Welt.

Die beide betreten eine Höhle, die nahezu stockfinster ist. Nur zwei Fackeln, die jeweils an den Seiten angebracht worden waren, spenden ein diffuses Licht. In der Mitte liegt eine schwarze Tafel, die die Maße von Jack hat. Daneben, in einem Gefäß aus Gold, erkennt man eine silberne Flüssigkeit.

Das ist das Serum Veritas, wenn du diese Flüssigkeit auf die Tafel gießt, kannst du deine Vergangenheit erblicken und somit auch die Wahrheit über deine Eltern erfahren! meint der Schatten.

Jack nimmt das Gefäß und verteilt das Serum auf der schwarzen Tafel. Ein hell- silbernes Licht erleuchtet und blendet die beiden. Als sie wieder sehen können, sind sie in einer anderen Welt. Jack hebt sein Blick und stellt fest dass es sich gewiss um die Menschenwelt handelt. Sie sind in einer Stadt, die ihm bekannt vorkommt. Er geht zu einem Zeitungsstand, um nach dem Datum und dem Ort zu schauen.

- 17. August 1872, Brighton - Das ist ebenjener Ort, wo das Ferienhaus seiner Eltern steht, erkennt Jack verblüfft.

Wir sind in der Zeit gereist, die Bewohner der Stadt können uns nicht sehen. Komm mit mir und warte bis zum Einbruch der Nacht, dann wirst du die Wahrheit erfahren. kündet der Schatten.

Die beiden gehen zum Strand eines nahen Sees und warten. Die Stelle, die sie betrachten, kommt Jack sehr bekannt vor, es ist die Stelle, an der das Ferienhaus erbaut werden wird. Die Nacht bricht an und Jack vernimmt die Schritte zweier Männer, die an jener Stelle unter dem Mondlicht auftauchen und zu reden beginnen.

Henry, du willst doch nicht etwa an dieser Stelle das Ferienhaus erbauen, oder? So manche Legenden berichtet davon, dass vor vielen tausenden Jahren an diesem Ort uralte und unaussprechliche Kulte der Kelten stattfanden, um die antiken Schatten zu ehren. Diese Schatten, die jene Kelten ehrten, besaßen eine grenzenlose Begierde nach Blut und zwar nicht irgendein Blut, sondern nach Menschenblut. Einige Manuskripte, die noch älter als die Kulte selbst sind, berichten von mysteriösen Wesen, welche den Kosmos erschufen. Diese Wesen, Henry, ist sind die wahren Kreatoren des Universums und ein Ferienhaus auf diesem verfluchten Strand zu erbauen, gleicht dem Wahnsinn!

Henry!? So hieß doch mein Großvater, der vor über zwanzig Jahren verstorben ist! Sag mir, verehrter Schatten, was ist hier los? ruft Jack laut in seine Richtung, aber der Schatten antwortete nicht!

Sieh weiter zu, du Narr! gibt der Schatten zurück und seine Stimme klingt zum ersten Mal bösartig.

Versuch mich nicht von meinem Vorhaben abzuhalten, William! erwidert Jacks Großvater. Dieser Ort ist so perfekt, um ihnen zu dienen, um ihre Namen zu Ehren. Sie werden eines Tages unzählige Welten und Kosmen beherrschen!

Du hast den Verstand eingebüßt, Henry. Du gleitest langsam aber gewiss in den Wahnsinn und ich muss dich aufhalten! schreit William, als er seinen Colt hervorzog und auf Henry schießt.

Großvater! schreit Jack aus voller Kehle.

Als der Schrei aufhört, merkt Jack, dass er wieder mit dem Schatten in der Höhle ist. Die Vision des Verum Varitas ist abgebrochen. Er blickt auf den Schatten, der beginnt infernalisch zu lachen.

Weswegen lachst du so höllisch, du widerlicher Schatten, ich habe nicht die ganze Wahrheit erwahren! Was ist mit meinem Großvater passiert? Was hat diese ganze Vision mit dem Tod meiner Eltern zu tun?

Jack, mein lieber Junge, die Wahrheit liegt noch vor dir!

Der Schatten hebt seine rechte Klaue und zieht eine Maske vom Gesicht. Was Jacks Augen erblicken, raubt ihm jeden gesunden Menschenverstand. Seine Gesichtszüge verzerren sich zu einer Grimasse des Wahnsinns, die jegliche Menschlichkeit verlieren. Er lässt einen Schrei des Grauens frei, doch es ertönte erneut kein Schrei, da er die Schattenwelt betreten hat.

Jack erwacht im Schlafzimmer des Ferienhauses. Sein schwarzer Kater Maurice springt auf seinen Schoß, um gestreichelt zu werden. Doch Jack streichelt Maurice nicht, sondern steht auf, zieht sich an und geht nach draußen. Er öffnet die Tür seines Wagens, kurbelt den Motor an und fährt vor sich hin. Jack fährt mit ausdrucklosem Gesicht, völlig blass und seine glasigen Augen merken nicht, dass er die Stadt Brighton verlässt. Er erblickt eine Klippe. Und wie einst seine Eltern, stürzt auch er in den Tod.

Der Bericht der The Times lautet:

- 17. August 1931 - Jack Lloyd stürzte unerwartet von einer Klippe in der Nähe von Brighton. Nach Recherchen wie einst seine Eltern. Beim Aufprall verstarb der Fahrer sofort. Die genaueren Hintergründe des Unfalls sind nicht bekannt, es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei der Familie Lloyd um keine gewöhnliche Tragödie handelt. -

Im Laufe der Jahre bildeten sich zahlreiche Gerüchte um die Familie Lloyd, die im Volksmund unterschiedlich weitergegeben worden sind.

Keiner weiß jedoch, was Jack erblickte, das ihn in den Wahnsinn und schließlich in den Tod trieb. Noch im Moment seines Aufpralls, kurz bevor er mit seinen Auto tödlich verunglückte, sah er etwas, das hinter der weißen Maske des Schattens steckte: Es war ein Gesicht. Es war sein eigenes Gesicht.

Das Fenster

»Falls was sein sollte, ruf einfach über das Walkie-Talkie. Ich bin gleich dort oben im Haus, Mobilfunkempfang kannst du hier vergessen, sorry.«

Der alte Copperson klopfte der zierlichen Emilia auf die Schulter wie ein Großvater seiner Enkelin.

»Danke, Sir. Aber ich komme zurecht, denke ich.«

»Na klar, kann halt manchmal echt einsam hier unten sein, Kleines. Aber wie gesagt, ich bin gleich da oben und schlafe meinen Schönheitsschlaf, bin aber leicht zu wecken.« Er entblößte eine Reihe schiefer Zähne, die zu Emilias Verwunderung noch alle echt waren, trotz seines hohen Alters.

»Also dann, bis morgen Früh.« Er drehte sich beim Weggehen noch einmal um und lächelte.

Emilia saß allein in der kleinen Kabine. Sie war nicht breiter als jeweils einen Meter zu allen Seiten. Die Höhe maß sie auf knapp drei Meter. Von außen sah die Box wie eine englische Telefonzelle aus, diese hier stand allerdings nicht in einem britischen Vorort, sondern war im sandigen Wüstenboden einbetoniert und diente nicht zum Telefonieren, sondern als Kassier Häuschen einer kleinen Tankstelle.

Emerald Coppersons Tankstelle war für mehrere hundert Meilen die letzte Chance zu tanken. Und das wusste er, also waren die Preise exorbitant hoch.

Die junge Frau dachte an ihre Klausur in wenigen Tagen, sie hatte diesen Job als Nebenverdienst in den Ferien angenommen. Copperson kannte ihre Eltern, er war spendabel was die Bezahlung anging und die Arbeit würde ihr Zeit zum Lernen geben: Eine Win-Win Situation also.

Den Schlüssel für die gläserne Box in das Schloss steckend, betrachtete Emilia die Umgebung: Jetzt, mit der untergehenden Sonne, wurde ihr die Landschaft unheimlich. Der rauschende Wind, der Sand, der manchmal in scheinbar kleinen Tornados mannshoch aufgewirbelt wurde und das Heulen der Kojoten, all dies wäre bei Tag angenehmer gewesen. Ihre Eltern wussten zwar, wo sie war und dass ihre Schicht gegen fünf Uhr endete, aber das half ihr bei einem Kojoten- Angriff auch nichts. Also schlüpfte sie rasch ins Innere der Kabine und zog die Tür zu.

Jetzt fühlte sich die junge Frau wie in einem gläsernen Sarg, mit Milchglas zu allen Seiten. Nur ein schmaler Streifen am vorderen Fenster war durch normales Glas einsichtig, zur Geldübergabe.

Copperson wollte nicht, dass man erkannte, wer nachts allein in dem Kasten saß. Er erklärte immer wieder wie sicher seine eigens geschaffene Kassierstation war. Einbruchsicher, nur von innen entriegelbar, von außen konnte man zwar den Schlüssel einstecken, doch das Schloss wurde von innen wieder mit einer Vorrichtung blockiert, sodass man nichts tun konnte, um die Tür von außen zu öffnen.

Sie war also sicher in dieser Kiste, dachte Emilia und ließ ihren Rucksack am Rücken hinabgleiten. Sie konnte sich gerade so drehen und setzen, mehr Spielraum bot der Raum nicht. Wer klaustrophobisch veranlagt war, drehte hier drin sicher durch, dachte die junge Frau und legte ihre Hefte auf den schmalen Tisch vor ihr ab.

Algebra, ihr Lieblingsthema. Aber besser als stundenlang ohne Smartphone in der Nacht in dieser Kiste zu hocken, fand sie und begann zu lernen.

In der ersten Stunde geschah nichts, außer, dass sie das Thema ihrer Klausur satt hatte. In der zweiten kamen zwei Autos vorbei, tankten und zahlten. Die eigens konstruierte Freischaltung für die Säulen stammte auch von Copperson, nur wer zahlte, konnte fahren, sonst verhakte sich der Zapfhebel in der Tankeinfüllung indem er zu beiden Seiten auseinanderklappte, wie auch immer er das gebaut haben mochte. Bis man den befreit hatte, waren die Cops da, ohne Telefon, aber mit Walkie-Talkie, dachte Emilia.

Beide Fahrer waren Männer, sie beugten sich bei ihrer Stimme mit der Preisforderung automatisch an den schmalen Streifen des Fensters, doch sie erhob sich und verbarg ihr Gesicht. Es war ein mulmiges Gefühl in der Kiste, so allein und doch im Haus Coppersons, der sicher tiefer schlief, als er ihr anvertraut hatte.

Danach war wieder alles still und sie wieder allein.

Der Wind pfiff an die Seitenwände des Kassier Häuschens, er klang wie das Wehklagen einer alten Frau, was sich Emilia nur einredete und sich wieder auf Mathe konzentrierte.

Es musste gegen Mitternacht gewesen sein, als sie erwachte. Etwas hatte sie aus dem Schlaf gerissen: Ein Auto? Nein, draußen war es stockdunkel und im Häuschen brannte noch immer über ihr die durch einen Generator angetriebene Lampe. Was war es dann gewesen? Ein Kojote?

Sie beugte sich vor und erkannte nichts vor dem Kassier Kasten, nur undurchdringliche Dunkelheit. Also war es der Wind gewesen. Der Schlitz für die Geldübergabe war hochgerutscht, kalter Wüstenwind wehte ihr entgegen. Es war das gewesen, der Wind, der hier hineinpfiff, dachte sie und wollte das Sichtfenster herunterschieben, es waren nur etwa zehn Zentimeter, doch die Verriegelung klemmte.

Entnervt stemmte sie ihr gesamtes Gewicht auf den kleinen Metallgriff, der als Schiebehilfe diente, doch es geschah nichts.

Fluchend griff sie unter die Scheibe und wollte diese von außen lockern, da packte sie ohne Vorwarnung eine lange, bleigraue Hand und ein Gesicht schob sich vor die Scheibe, das nur schwerlich als solches durchgehen konnte: Der Schädel war lang und spitz zulaufend, wie der eines Kojoten, nur dass dieser aschfahl und mit harter Haut überzogen war.

Die Augen wirkten wie nach hinten gezogene Stecknadelköpfe, in ihnen war kein Glanz, nur Leere. Der Schädel schien sich durch das Fenster pressen zu wollen, die Klaue schob sich durch den Spalt und kratzte über Emilias rechte Brustwarze. Schreiend riss sie sich los und griff nach ihrem Mathebuch, hämmerte es immer wieder auf die Schiebeleiste. Stück für Stück rutschte die Scheibe hinab, erst einen, dann fünf Zentimeter. Der Kopf und die Pranke ruckten herum, sie wollte sich befreien, doch Emilia sprang auf den Tisch und trat mit aller Macht nach dem Fensterschieber, wie eine Guillotine sauste das Glas hinab und trennte der Kreatur die Hand ab, der Kopf schabte noch geradeso an dem Fenster und seiner tödlichen Wirkung vorbei.

Keuchend ließ sich Emilia auf den Boden fallen, sie bekam kaum Luft und ihr Herz raste. Sie musste den alten Copperson erreichen, riss das Walkie-Talkie aus der Tasche und hämmerte wie wild auf die SEND-Taste.

»Mister Copperson, bitte kommen!« Ihre Stimme überschlug sich, sie biss sich auf die Zunge, doch rief weiter nach ihm. Endlich, nach quälend langen Sekunden, vernahm sie ein Rauschen und die vertraute Stimme des alten Mannes.

»Emilia? Was ist los, alles ok bei dir?«