Unter den Gräbern - Max Stascheit - E-Book

Unter den Gräbern E-Book

Max Stascheit

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Beschreibung

Unter den Gräbern Eine falsche Abfahrt wird für einen Reisenden zum Verderben, eine junge Cheerleaderin bekommt es mit einem raffinierten Serienkiller zutun, die Sitzung bei einem Psychiater eröffnet teuflische Abgründe, ein seltsamer Fetisch zieht einen Mann ins Verderben, Weihnachten ist nicht immer das Fest der Liebe und eine Rittergarde erlebt unter Pesthügeln mit Kreaturen aus der Hölle einen Kampf auf Leben und Tod. Diese und weitere Stories aus der Feder des Autoren von DIE MALL und DIE KATHDRALE erwarten Sie.

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Das Buch

Eine falsche Abfahrt wird für einen Reisenden zum Verderben, eine junge Cheerleaderin bekommt es mit einem raffinierten Serienkiller zutun, die Sitzung bei einem Psychiater eröffnet teuflische Abgründe, ein seltsamer Fetisch zieht einen Mann ins Verderben, Weihnachten ist nicht immer das Fest der Liebe und eine Rittergarde erlebt unter Pesthügeln mit Kreaturen aus der Hölle einen Kampf auf Leben und Tod. Diese und weitere Stories aus der Feder des Autoren von DIE MALL und DIE KATHDRALE erwarten Sie.

Zum Autor

Max Stascheit wurde am 09.04.1991 in Vechta geboren. Im Genre Horror ist er schon lang kein unbeschriebenes Blatt mehr. Bisher sind von dem jungen Autor schon über acht Veröffentlichungen erschienen, darunter auch zahlreiche Kurzgeschichten Sammlungen und Romane. Auch in die Zeitung hat es der passionierte Schriftsteller bereits geschafft, im Jahr 2016 wurde er im Zuge der Unizeitung Vechta interviewt und einem breiteren Publikum bekannt.

Titel der Originalausgabe

>Unter den Gräbern< Copyright © 2018 -‐ Max Stascheit Umschlagillustration -‐ Max Stascheit

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage August 2018

Alle Rechte vorbehalten

Copyright 2018

Max Stascheit

Inhaltsangabe

Baumgesicht (Von Daniel Büter) Falsche Abfahrt Schwere Masse

Die Cheerleaderin

Festgefahren Die letzte Sitzung Unter den Gräbern Apartmentschreck Vorsorge Tiefgekühlt

Bikes, Blut und Öl

BONUSSTORY: Licht, Kamera... Tod

Nachwort des Autors

Baumgesicht

von Daniel Büter

Codename: Baumgesicht | Dringlichkeit: Red-Black II

„Ob ich Angst habe vor der schier unendlichen Leere und Schwärze des Raumes? Der Stille? Sie ist unendlich, ja, das stimmt. Doch sie ist weder leer noch schwarz. Ich wünschte, es wäre so. Denn das Baumgesicht zieht in der Sphäre seine Bahnen. Und es giert!“

Werner Taubenstedt, Auszug aus dem ärztlichenProtokollDer Selbstmord von Werner Taubenstedt (04.05.2018) am Anfang des Monats hallte noch immer durch die Presse. Der gebürtige Ahlhorner pendelte beruflich wie privat zwischen Bremen, Oldenburg und Osnabrück, bis ihn ein, der Presse und Allgemeinheit nur oberflächlich bekanntes Ereignis derart geistig erschütterte, dass eine Einweisung aus Gründen des Selbstschutzes notwendig wurde. Sein Tod wäre weniger dramatisch gewesen, hätte ein Pfleger nicht -indiskret- persönliche Aufzeichnungen des ehemaligen Patienten der Geistesgenesungsanstalt „Buchenwald“ nahe Bremen der Presse zugespielt. Taubenstedt führte seit Kindertagen Tagebuch, mal akribisch und penibel, dann wiederum folgten jahrelang keine Einträge. Jemand schien die Einträge sortiert und gewisse Stellen markiert zu haben. Meine Aufgabe in diesem Fall ist es, eineRisikoeinschätzung des Materials vorzunehmen und notwendige Schritte einzuleiten. Denn auch besagter Pfleger ist bereits seit einigen Tagen verschwunden.

Freitag, 10.05.1998

Habe mich mit Laura gestritten, sie soll mir endlich die Pokémon Sammelkarten zurückgeben! Angucken heißt ja nicht schenken! Hausaufgaben sind fertig. Hab keinen Bock auf Montag. Samstag ist Wettschießen, ich hoffe, diesmal gewinne ich beim Kleinkaliber.

Samstag, 11.05.1998

Wettschießen war gut, hab Silber erreicht. Die anderen Jungschützen waren auch ganz gut. Haben den 2. Platz gemacht, unsere Betreuer sind mit uns spontan zu den Fischteichen gefahren, wir haben an der Grillecke gegrillt.

Nachtrag, 16:03 Uhr.

Wir dürfen auf dem Gelände zelten. Hab zwar keine Lust, aber ich will kein Spielverderber sein. P.S. Annika nervt alle mit ihrer neuen Kamera und Fotografiererei. Gott sei Dank kann sie sich diese Digitalkameras nicht leisten. Hoffentlich ist der Film bald voll. Mein Tamagotchi hat Hunger, und ich muss bald die Batteriewechseln. Bin gespannt, ob der Speicherstand diesmal hält.

Wichtiger Nachtrag, 22:44 Uhr:

Annika ist schmollend in den Wald gelaufen, weil wir klar gesagt haben, dass sie dieses blöde Fotografieren lassen soll. Die Betreuer machen sich Sorgen, ich weniger. Gut, ich hätte das F-Wort nicht sagen dürfen, aber die hat ja auch nicht aufgehört, mich zu ärgern. Wir bilden jetzt 3er Gruppen und suchen sie. Wie ich sie kenne, ahmt sie nur ihre große Schwester nach, Lisa ist das, was die älteren Jungs „Dramaqueen“ nennen.

Wichtiger Nachtrag I, 23:20 Uhr:

Wir haben Annika gefunden, sie saß auf einem der alten Jägerhochsitze. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr, sie nickt zwar und schüttelt den Kopf, spricht aber nicht und schaut meistens auf den Boden. Total seltsam, wie lange sie braucht, um auf irgendetwas zu reagieren. Die Betreuer meinen, sie wäre in einem Schock-Zustand. Gegen 23:30 Uhr schließlich fing Annika laut an zu schreien. Erst als der Notarzt ihr eine dicke Spritze gab, beruhigte sie sich.

Sonntag, 12.05.1998:

Am frühen Morgen bauten wir das Lager ab, ich machtenoch einen kleinen Spaziergang. Einige Meter neben dem Hochsitz, in dem Annika gekauert hatte, fand ich ihre Kamera. Ich weiß nicht, was seltsamer war. Annikas heilige, geliebte Kamera hier zu finden, oder die Tatsche, dass die völlig verbrannt wirkte von außen. Da ich nicht wollte, dass man mir die Schuld hierfür gab, habe ich den Film herausgenommen und die Kamera in die Nähe des Lagers gebracht, wo ein Betreuer sie dann fand. Natürlich dachte man, jemand von uns hätte die Kamera mit einem Feuerzeug und Feuerzeugbenzin so zugerichtet, und 170 DM Schaden verursacht. Das wir nichts davon dabei hatten, überzeugte sie nicht.Den Film wollte ich Annika bei Gelegenheit geben. Er war zwar etwas verformt und stank nach angebranntem Plastik, wirkte aber soweit in Ordnung.

Montag, 19.05.1998

Natürlich gab es in der anstehenden Schulwoche damals kaum ein anderes Thema. Annikas Goldmedaille beim Schießen. Annikas Weglaufen. Annikas Kamera. Annikas Nervenzusammenbruch. Was immer in der kurzen Zeit passiert war blieb ein Rätsel. Auch Annikaäußerte sich nie mehr dazu. Bis zu ihrem Verschwinden vor zwei Tagen war das Thema vom Tisch. Die Polizei sucht nun nach ihr, und wir wurden alle befragt. Heute habe ich den Film in meine Erinnerungskiste gepackt. Und hoffentlich kommt Annika wieder, damit ich ihr den Film geben kann. P.S. die Karten habe ich von Laurabekommen. Pikachu ist zerknittert. P.P.S: Ihr nichts mehr ausleihen.Was hierauf folgte, waren einige kurze und vergilbte Zeitungsartikel aus der regionalen Presse. Oberflächlich betrachtet, nur die logischen Ergebnisse der vorangegangenen Ereignisse.

„Mysteriöser Zwischenfall an den Ahlhorner Fischteichen- Mädchen schweigt zu Geschehen“ (16.05.98)

„Schülerin (14 Jahre) nach Klinikaufenthalt vermisst – Suche ohne Ergebnis“ 17.05.98

„Annika Menser. – zwei Jahre verschwunden – Kleidungsreste an den Fischteichen entdeckt“

17.05.2000

Bis heute hat man von dem Mädchen keine Spur gefunden. Abgesehen von einigen Kleidungsstücken. Selbstverständlich wurde seinerzeit in alle Richtungen ermittelt. Keine Verdächtigen. Werner Taubenstedt selbst hat unseren Erkenntnissen nach die Schule abgeschlossen. Dann Ausbildung, Beruf, keine festen Beziehungen. Aus unerfindlichen Gründen kam ihm Jahre später die Idee, den Film entwickeln zu lassen. Meiner persönlichen Recherche nach führte ein kürzlich stattgefundenes Klassentreffen dazu. Die entwickelten Fotos waren von schlechter Qualität und soweit unauffällig, eher typische Albernheiten, die manzwischen 12-14 Jahren mit einer Kamera anstellt. Drei der letzten Bilder zeigten lediglich einen abgesägten Baumstamm.

Anmerkung: An dieser Stelle musste ich meine Arbeit das erste Mal unterbrechen, da mir der Kreislauf zu versagen drohte.

Für einen Augenblick glaubte ich, in dem Baumstumpf ein Gesicht zu erkennen. Ein Blinzeln später war es auch schon verschwunden. Die Tagebücher von Werner Taubenstedt hierzu waren lückenhaft. Nach der Filmentwicklung drehten sich seine Gedanken zunehmend um die verschwundene Mitschülerin. Und eine Obsession, er fühlte sich seitdem „von etwas“ beobachtet. Kurz vor seiner eigenen geplanten undärztlich angeordneten Einweisung, war er ebenfalls schreiend an dem Ort gefunden worden, wo das Mädchen seinerzeit verschwand. Zeugenaussagen nach soll er vor einem Baumstumpf gekniet und diesen angebrüllt haben, immer wieder „Annika“. Blut tropfte aus einer Schnittwunde am rechten Arm. Dann verschwand auch Werner Taubenstedt in den verwinkelten Wegen und Gassen des Labyrinth artigen Waldgebietes bis zu seiner Ergreifung. Nach dem derzeitigen Stand der Recherche gehe ich davon aus, dass die Ursache des Phänomens etwas mit der Entstehung der Fischteiche bzw. dem aufgegebenen Militärflugplatz zu tun hat.Ich selbst habe zunehmend das Gefühl, beobachtet zu werden. Nicht von Menschen. Unsere technischen Spielereien, die Psywellenscanner, transphasenmodulierte Schilde und Subraumabtaster haben nichts gefunden- oder bewirkt. Ich probiere es jetzt mit einem Pentagrammschutzring, den mir ein Kollege der SCP Foundation nach einem gemeinsamen Einsatz freundlicherweise überlassen hat. Eine Breitband PKE Analyse (Psycho-Kinetische Energie der Stufen 0-8) läuft derzeit. Baumstümpfe und Bäume selbst scheinen jetzt ein Gesicht zu haben. Nur sichtbar für mich. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Auch auf dem flüchtigen, verwackelten Foto. Die zeige ich jedoch niemandem mehr. Ich habe sie versiegelt. Mein Drang, zurück zu diesem Ort an den Fischteichen zu gehen, nimmt zu. Als X-COM Agent habe ich schon einiges gesehen. Das meiste davon extra-terrestrisch oder mutiert. Oft auch beides zusammen.Ich habe bereits eine Zusammenfassung der Daten an die SCP Foundation, zu Händen von Agent T. Stascheidt gesendet. Denn auch ich höre sie rufen. Werner Taubenstedt. Annika Menser. Den Pfleger Paul Baltes. Und noch mehr Stimmen. Ich soll zu einem Teil von ihnen werden. Ich empfehle eine Abriegelung des Gebietes und weitere Untersuchung in Zusammenarbeit mit der SCP Foundation.Anmerkung der Direktion:Agent C. Mittelstaedt ist kurz nach Absendung der Meldung verschwunden. Nach Ortung der letzten GPS- Daten konnten private und berufliche Kleidungsstücke im Waldgebiet um Ahlhorn aufgefunden werden. Der Bereich um die Baumstümpfe wurde abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt.Der Datensatz ist laut Sicherheitsdienst teilweise von Dritten abgefangen worden, mutmaßlich Hacker. Es muss davon ausgegangen werden, dass Bilder der Baumstümpfe angesehen werden und somit eine Epidemie der Baumgesichter droht.

Falsche Abfahrt

„...muss man vermehrt mit teils orkanartigenSchneestürmen rechnen...“Arthur Gamley drehte mit einem Seufzer den Knopf des Radios nach links und ließ den Nachrichtensprecher verstummen. Er war bereits jetzt eine dreiviertel Stunde zu spät und dass es schneite, sah er auch ohne es von einem Klugscheißer wie diesem Moderator zu erfahren. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren und kamen beinahe nicht gegen die enormen Massen an kaltem Schnee an, der augenblicklich an der Frontscheibe des Wagens festzufrieren schien. Obwohl er die Autoheizung auf Maximum eingestellt hatte, fröstelte der Mittfünfziger in seiner dicken Thermojacke. Nur halb auf die Straße achtend, schielte er auf den Beifahrersitz, auf dem sich neben einer Flasche Single Malt, natürlich verschlossen, denn betrunken fuhr Arthur niemals, eine Schachtel Luckys und ein, in wattiertes Papier eingeschlagenes Frauenkleid befand. Wenn Arthur auf Geschäftsreise ging, dann brachte er immer etwas mit. Meistens Kleinigkeiten, aber diesmal, so erforderte es der Anlass, war er darauf bedacht, etwas Größeres im Gepäck zu haben. Gamleys Verlobte Rebecca hatte Geburtstag und er wollte ihr dieses Gucci-‐ Kleid schenken, auch wenn es ein halbes Vermögen und diegenauen Angaben ihrer Kleidungs-‐Maße durch ihre Schwester, heimlich erfragt, erforderte. Arthur hatte sie angerufen und sich erkundigt, ob sie ihm bei dieser Wahl helfen könne. Er mochte Rebeccas Schwester nicht, sie war grob und irgendwie immer eine Spur daneben, aber diesmal hatte sie ihm gern geholfen. Vielleicht hatte sie ihm ja auch einfach die falschen Maße genannt und er würde sich blamieren, wenn seine Verlobte das Kleid anzog. Diesen Gedanken rasch wegwischend, blickte Arthur erneut zu der Schachtel mit den Kippen. Er hatte Lust eine zu rauchen, also fingerte er, die linke Hand nicht vom Steuer abweichend, nach der kleinen Pappschachtel und entrang dessen Innerem einen Glimmstängel. Rasch schob er sich die Zigarette in den Mundwinkel und grub die nun leere Hand in die Hosentasche. Er fand das Feuerzeug unter seiner Brieftasche und riss es aus der Hose. Im Radio summte leise ein Song vor sich hin und Arthur drehte das Gerät wieder lauter, das Feuerzeug zwischen Zeige-‐ und Mittelfinger geklemmt.Bing Crosby, der gefiel ihm, stimmungsvoll um diese Jahreszeit. Arthur entzündete die Flamme des Feuerzeugs und steckte die Kippe an. Tief inhalierend schaute er nach vorn und versuchte durch die Schneemaßen etwas sehen zu können. Der Sturm hatte zugenommen. Das hatte der Radiofuzzi ja auch gesagt, dachte er und lächelte.Diese Strecke fuhr der Börsenmakler eigentlich nie.Er versuchte sich zu erinnern, weshalb es ihn auf diese Landstrecke verschlagen hatte, doch er kam nicht mehr darauf. Vielleicht wollte er nur Ruhe von den Autokonvois haben, die schlangenartig über den Freeway krochen. Diese Strecke führte ihn vorbei an malerischen, zugefrorenen Seen, mit Schnee und Eis verhangenen alten Bäumen und durch eine beinah märchengleiche Natur, die direkt aus einem Gemälde entsprungen zu sein schienen. Ok, er wusste doch wieder, warum er diesen Weg gewählt hatte. Er war einfach schön. Doch durch den enormen Schneesturm und die glatten Straßen, wurde die Schönheit ein wenig getrübt, zumal er auch zu spät dran war. Die Sonne versank bereits hinter den Baumwipfeln und Eiskristallen an dessen Ranken. Es würde bald finster werden und die Scheinwerfer hätten dann gehörig zu tun, durch den Sturm zu leuchten. Er würde es schaffen, dachte Arthur und zog an seiner Zigarette. Ein Schild tauchte in seinem Blickfeld auf, vereist und ziemlich abgenutzt. Er erhaschte einen Blick auf die Lettern und stellte ernüchtert fest, dass ihm dieser Name nichts sagte. Er hatte sich also doch verfahren, die falsche Abfahrt vor einigen Meilen genommen. Mist, dachte er und überlegte nach dem Smartphone zu greifen, welches in der Mittelkonsole des Wagens ruhte. Doch er dachte auch an seine eigene Idee: Er wollte Rebecca überraschen und nur ihre Schwester wusste, dass er kam. Wenn sie ihr nichts gesagt hatte, dann würde die Überraschung doch funktionieren, sospät war es noch nicht. Denn wenn er sie anrief, würde womöglich alles in die Hose gehen. Also ließ er das Telefon dort, wo es war.Der Sturm peitschte gegen den Wagen, brachte ihnseicht zu schaukeln. Arthur Gamley zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und drückte sie, ohne hinzuschauen, in dem kleinen Aschenbecher neben dem Schaltknauf aus. Etwas vibrierte. Arthur blickte sich rasch um, es kam aus der Mittelkonsole.Die Scheibenwischer knirschten über den harten Schnee, der wie ein schmieriger, glänzender Film auf der Frontscheibe klebte. Nun wurde es doch schneller dunkel als gedacht, bemerkte Gamley und klappte den Deckel der Mittelkonsole auf, um nach seinem Smartphone zu greifen, von dem das Vibrieren ausgehen musste.Ein leichter Lichtschein durchflutete das Wageninnere, das Display mit einem Foto von Arthur und Rebecca, bei einem Ausflug in die Berge wurde sichtbar. Und darüber, in dicken Lettern, stand ein Name und eine Telefonnummer. Es war Rebeccas Schwester, Ann. Weiterhin die Hand am Lenker haltend, fischte Arthur das Gerät aus der Konsole und versuchte mit dem Daumen das Smartphone zu entriegeln und den Anruf anzunehmen, was sich als schwieriger als gedacht herausstellte. Beinahe wäre ihm das mobile Telefon aus der Hand gerutscht und zwischen seinen Beinen verschwunden, dann schaffte er es doch.„Hey.“ sagte er gepresst.„Was gibt’s?“ Die Verbindung war schlecht, es knackte und rauschte in der Leitung. Liegt sicher an meinem Standort, dachte Arthur und lauschte.„Hey, Art.“ vernahm er mehr schlecht als recht. „Ich bin´s, Ann. Sag mal, wo steckst du?“ Die Stimme von Rebeccas Schwester klang wie eine Mischung aus echtem Interesse und Ungeduld. „Warte hier bei...“ Die Verbindung brach ab.„Mist.“ murmelte Arthur und schaute auf das Display. Er wurde leicht geblendet und die Scheibenwischer rissen ihn aus seiner Ablenkung. Er musste auf die Straße acht geben, sonst riskierte er womöglich einen Unfall. Doch er wollte Rebeccas Schwester sagen, dass es anscheinend noch ein wenig dauerte, bis er bei ihnen ankam. Obwohl er so etwas sonst nicht machte, schaute Arthur auf das Smartphone und scrollte durch sein digitales Telefonbuch, auf der Suche nach Anns Nummer. Er fand sie, nachdem er einmal über sie hinweg gescrollt hatte. Ein leiser Anwähl-‐Ton wurde hörbar und ein Freizeichen erklang gedämpft. Dann, endlich, ging sie ran.„Sorry, die Verbindung hier draußen ist schlecht.“sagte er rasch und hoffte, sie konnte ihn hören. „Bin auf dem Weg, brauche sicher nicht mehr lang.“ Die Verbindung riss wieder ab, hoffentlich hatte sie ihn... Etwas tauchte vor Arthurs Wagen auf, etwas großes, haariges. Nur für einen Sekundenbruchteil hatte er es gesehen, dann folgte ein lauter Knall undArthur hatte das Gefühl, gegen eine Betonwand gefahren zu sein. Die eisige Frontscheibe wurde mit einem Schlag tiefrot, Glas barst und flog in sein Gesicht. Etwas war durch die Scheibe gebrochen, etwas Spitzes, das auseinander lief.Ein Geweih.

Ich habe einen Hirsch angefahren, dachte er noch, als der Wagen aufjaulte und die Reifen durchdrehten. Arthur stemmte sein Bein auf die Bremse, versuchte sein Gefährt zu Stillstand zu bringen. Doch in seinem Kopf hämmerte es, er spürte, wie seine Beine nicht genügend Kraft aufbrachten. Die Reifen brachen aus. Schlitternd drehte sich sein Gefährt und vollzog eine halbe Drehung. Arthur blickte panisch zu allen Seiten. Er sah nichts als Dämmerung und Schnee.

Hoffentlich krache ich nicht gegen einen Baum,

durchzuckte es seinen Verstand.Angsterfüllt schrie er auf, als der Wagen auf der rutschigen Fahrtbahn abkam und weiterdrehendüber eine vereiste Grasfläche wie eine Rakete schoss.Vor seinem Gesicht stießen feine Rauchwolken in dasWageninnere.Der Hirsch, tödlich verwundet, schnaubte aus Leibeskräften und trat mit seinen Hufen gegen die Kühlerhaube des Wagens. Es polterte und Arthur versuchte das Auto abzubremsen, doch die Elektronik leuchtete nur immer wieder warnblinkend auf.Der Wagen rutschte weiter und ratterte über vereisteSteine hinweg. Etwas unter Arthur riss auf, ein harterRuck ging erneut durch den Wagen und schüttelte den Mann durch, er wurde jedoch langsamer. Beinahe glaubte der Mittfünfziger, sein Gefährt käme zum Stillstand, als er bemerkte, dass die Straße hinter ihm abzusacken drohte.

Wie ist das möglich, fragte er sich verwirrt, nur um im

nächsten Moment zu sehen, wie die Grasfläche nach oben gerissen wurde. Arthur Gamley sackte mitsamt seines Wagens in eine Art Spalte.Eis und Dreck stoben hinweg und der, dem Tode geweihte Hirsch wurde regelrecht aus seinem Sichtfeld gerissen. Er vernahm noch ein heiseres Schnauben, dann war die Sicht nach vorn wieder frei und Gamley sah eine glänzende, rasch absackende Erdwand, an der feine Eiskristalle absprangen. Dann bemerkte er die Leichtigkeit in seinem Körper. Alles fühlte sich an, als schwebte er. Mit einem Entsetzen, stellte der Mann fest, dass dies nicht an seinem Unfall und dessen körperlichen Folgen lag, sondern an der Tatsache, dass er sich im freien Fall befand.Mit seinem Leben abschließend, dachte Arthur nocheine Sekunde vor dem Aufprall an Rebecca. Obwohl alles in ihm wusste, dass er diesen Absturz in die Spalte nicht überleben würde, folgte kein Aufprall. Stattdessen wurde er in seinem Anschnallgurt nach oben gerissen und prallte hart mit dem Hintern auf den ledernen Fahrersitz.Dann war alles wieder still.Arthur Gamley betastete seinen Kopf, er brummte,hatte aber anscheinend keine offene Wunde, auch wenn er dies bei den schwachen Lichtverhältnissen nicht sagen konnte.Es war dämmrig, kalt und still.Wo war er da nur hineingefallen?Der fehlende Aufprall, diese Spalte im Boden, was zum Teufel war das, fragte sich der zitternde Mann. Gamley dachte an sein Smartphone, irgendwo musste es doch noch liegen. Er tastete im Zwielicht umher, seine Finger glitten über Glasscherben und warme Spritzer, doch nirgends war sein Telefon zu finden. Hoffentlich war es nicht aus dem Wagen geschleudert worden, hoffe Arthur und ergriff in diesem Moment etwas kaltes, glasiges, das in seinen Daumen schnitt. Das Smartphone. Eilig zog er es aus dem Fußraum und löste seinen Anschnallgurt, der noch immer um seine Brust gespannt war und ihm die Luft abzuschnüren drohte.Das Gerät hatte einen tiefen Sprung im Displayglas, das hatte er bereits gefühlt. Aber vielleicht funktioniert es ja noch, hoffte er. Schon öfter hatte Arthur Jugendliche mit defekten Displays bei ihren Geräten gesehen, die funktionierten doch auch noch. Als ob seine Gebete erhört worden waren, flackerte das Gerät schwach auf und gab den Blick auf das gesprungene Glas frei. Der Akku war beinahe noch voll, doch Empfang war nicht vorhanden.Gamley entsperrte das Gerät und tippte den Notrufein. Nichts geschah, kein Ruf erklang und auch keinehelfende Stimme, die ihm versicherte, in einer halben Stunde sei er im Krankenhaus und man kümmere sich um ihn. Stattdessen erscholl eine mechanische Stimme mit den Worten.

„Sorry-‐ out of range.“

Arthur bebte, vor Wut und vor Kälte. Das riesige Loch in der Frontscheibe ließ die kalte Eisluft gnadenlos ins Innere des Wagens kriechen. Bereits jetzt spürte er, wie die Kälte seine Beine lähmte und seine Reaktionen verlangsamte.Das Display nach vorn haltend, leuchtete er aus demSeitenfenster.Was er sah, überraschte und verunsicherte ihn: Schwärze, nichts als Schwärze.Und doch, etwas in dieser Schwärze funkelte. Ermusste aus diesem Wagen, dachte er. Vielleicht war etwas an der Unterseite aufgerissen und Benzin lief aus. Nur ein kleiner Funke genügte und er würde wie ein Brathähnchen gegrillt werden.Gamley betätigte den Schalter des automatischenFensterhebers. Er surrte kurz auf, dann war es wieder vollends still in dem Wagen. Die Elektronik hatte ihren Dienst quittiert. Das Smartphone klemmte er in einen Getränkehalter, sodass dessen schwaches Licht das Wageninnere erhellen konnte.Arthur umfasste zitternd den Türgriff zu seinerLinken. Er nahm all seinen Mut zusammen und drückte ihn hinunter.Nichts geschah.Wahrscheinlich hatte sich durch den Unfall der Rahmen verzogen oder etwas blockierte die Tür von außen. Mit aller Kraft umschloss Gamley den Griff erneut und stemmte sich wuchtig dagegen. Von seinem Eigengewicht angetrieben, schwang die Tür urplötzlich auf und Arthur kippte, die Hände noch an der Tür, nach draußen. Seine Beine auf dem Tür-‐ Schweller verharrend, hing er wie eine Puppe zwischen Autotür und Fahrersitz und blickte hinab. Arthurs Beine zitterten und in seinem Kopf schien etwas die Fassung zu verlieren.Arthur Gamley blickte in einen gähnenden Abgrund, aus dessen Schwärze sich nicht einmal erahnen ließ, wie tief er gefallen wäre, wenn er nicht an der Türklinke hängen geblieben wäre. Mit aller Kraft versuchte er sich nach hinten zu ziehen. Seine Fußspitzen hingen noch immer auf dem Schweller und er konnte es schaffen, wenn auch nur unter größter Anstrengung. Mit der Angst im Nacken in die Tiefe zu stürzen, konzentrierte er sich auf das, auf was es nun ankam: Überleben.Mit aller verbliebener Kraft, drückte er sich mit den Armen nach hinten und winkelte die Beine an. Ruckartig zog er die Tür in seine Richtung und ließ sich mit dem Hintern auf den Sitz fallen. Die Tür flog derart heftig zu, dass eine Schraube in die Dunkelheit fiel.Arthur hielt den Atem an und lauschte.Die Schraube fiel, noch Sekunden nach der Aktion mitder Tür, in die Schwärze und kam leise auf.Arthur pustete aus. Wenn er richtig geschätzt hatte, dann war dieser Abgrund um die vierzig Meter tief. Wo zur Hölle gibt es so tiefe Erdspalten, schoss es ihm durch den Kopf. Wobei Hölle es ziemlich gut traf, dachte Arthur in einem Anflug von wahnsinnigem Zynismus.Wenn unter ihm nichts als Abgrund war, worauf warer dann überhaupt aufgekommen? Auch wenn er nicht explizit darauf geachtet hatte, bei seiner waghalsigen Aktion war ihm kein Felsvorsprung aufgefallen und auch der vermeintliche Aufprall war nicht auf hartem Grund geschehen. Etwas stimmte da nicht, ganz und gar nicht, dachte Gamley und lugte aus dem Türspalt, der durch den harten Aufschlag gegen den Rahmen entstanden war.Ihm kam eine Idee: Noch einmal würde er sicher nicht nach draußen klettern, aber er konnte sehen, auf was er sich da befand, indem er sein Smartphone nutzte. Vom Eifer gepackt, langte er nach dem kleinen Gerät im Getränkehalter und öffnete die Fahrertür noch ein paar Zentimeter mehr. Die Videofunktion des Gerätes einschaltend, wechselte er das Kleinod in die andere Hand und hielt es vorsichtig aus dem Wagen. Mitäußerster Vorsicht, sodass ihm das Gerät nichtebenfalls in den Abgrund fiel, filmte er, was sich unter dem Wagen befand. Nach einigen Sekunden, die Arthur als ausreichend erachtete, zog er seine Hand zurück und schaltete dieAufnahmefunktion wieder aus.Seine Galerie auswählend, wischte er mit dem Fingerüber das gerissene Display und fand das gesuchte Video. Es war dunkel und nicht sehr scharf, grobe Körner tanzten über den Bildschirm, aber dennoch erkannte man etwas.Wobei Etwas das richtige Wort war. Denn was Arthur auf dem kleinen Bildschirm sah, ließ sich nicht auf Anhieb logisch zuordnen. Die Aufnahme zeigte, im Schein das Smartphone-‐Lichts, eine Art Netz.Gamley hielt sich das Gerät näher vor das Gesicht, umbesser erkennen zu können, was er aufgenommen hatte.Es stimmte, es musste sich um ein Netz handeln. Jedoch um kein Fischernetz, dieses wäre niemals stark genug, um einen Wagen und dessen Fahrer zu tragen. Ein Stahlnetz würde ihn zwar tragen, aber man würde es ächzen hören, meinte Arthur undüberlegte. Dieses Netz, welches seinen metertiefen Sturz mit dem Wagen so verhältnismäßig sanft aufgefangen hatte, konnte es so gar nicht geben. Es schien grau zu sein und alles funkelte, so wie Eiskristalle.Stirnrunzelnd schaute sich der Mann das Video erneut an und noch einmal. Auch beim fünften Mal verstand Arthur nicht, was solch gigantische Ausmaße haben konnte, um beinahe über eine Tonne Gewicht zu tragen.Als er sich das Video ein sechstes Mal anschauenwollte, hörte er über sich ein seltsames Jaulen. Angespannt blickte Arthur nach oben, lauschte nach dem Geräusch, das sich jedoch nicht wiederholte. Dann beschloss er, es auf der anderen Seite des Wagens zu probieren, vielleicht stand er ja doch auf einem Felsvorsprung, welcher irgendwann nachgeben würde und ihn in die Tiefe riss. Vielleicht stand er ja auch nur auf einem Geflecht von einer seltsamen, fremden Pflanzenart, welche netzartigüber den Stein gewachsen war. Als sich Arthur über die Mittelkonsole schob, flackerte das Smartphone kurz auf. Gamley dachte an ein leeren Akku, dann besann er sich wieder darauf, dass er dies bereits gecheckt hatte. Als er die Beifahrertür erreicht hatte, jaulte es wieder leise hallend über ihm auf. Die Tür ließ sich leichter öffnen als die Fahrertür. Mit einem Poltern schwang sie in die Dunkelheit und bot Arthur den gleichen Anblick, wie auf der anderen Seite. Gähnende Leere und Dunkelheit. Nur in der Ferne glänzte etwas in der Finsternis.Gamley mutmaßte, dass es sich dabei um Eiskristallehandeln musste, welche an den Wänden klebten und das schwache Licht des mittlerweile aufgegangenen Mondes spiegelten.Arthur schloss die Tür wieder und kroch auf seinenFahrersitz. Was sollte er jetzt tun, fragte er sich verzweifelt und in ihm keimte ein leiser Anflug von Panik auf, die seinen Verstand zu lähmen drohte. Doch er musste rational denken, durfte nicht denKopf verlieren, sonst käme er niemals hier heraus. Vielleicht hatte ja auch schon jemand auf der Straße die Spuren seines Unfalls entdeckt? Doch wenn es so weiter schneite wie zuvor, dann waren die Spuren unter einer frischen Schicht Schnee für alle Augen begraben. Das Jaulen erklang wieder und Arthur beugte sich nach vorn, er wollte durch die geborstene Frontscheibe nach oben schauen. Vielleicht waren dort ja Spaziergänger mit einem Hund, auch wenn dieses Szenario äußerst unrealistisch erschien. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Gamley, nahm sein Smartphone in die rechte Hand und kroch auf die offene Scheibe zu.Er vermied es, mit der Haut an die Glasscherben zu kommen und krümmte sich durch die Öffnung. Den Kopf leicht gedreht und das Mobiltelefon nach oben gerichtet, fixierte er die Öffnung der metertiefen Spalte und lauschte. Nun war wieder nichts mehr zu hören, nur der Schneesturm, dessen einzelne Flocken immer wieder in das Innere der Erdspalte wehten. Etwas verdunkelte den Spalteingang.Dann, urplötzlich, jaulte es erneut auf und etwas stürzte in die Tiefe. Arthur zog seine Kopf so rasch zurück, dass ihn eine Glasscherbe in den Hinterkopf schnitt. Doch dies war das geringste Übel, denn mit einem lauten Krachen landete ein felliges, über undüber mit Blut besudeltes Etwas auf dem Kühlergrill des Wagens und ließ die Haube eindellen. Es war ein Hirsch, auch wenn sich Arthur nicht sicher war, ob es

der Hirsch war, der von seinem Unfall. Das Tier sah schrecklich aus, sofern man dies erkennen konnte. Große Fleischstücke fehlten und der Kopf sah seltsam eingedrückt aus. Das Tier musste von einem Wolf oder ähnlichem angefallen worden sein, wenn es nicht der Wagen war.

Der Hirsch, den Arthur mit seinem Wagen erwischt hatte, musste aber längst tot sein. Dieses Tier, war nicht von einem Auto überfahren worden. Etwas irritierte den Mann und er leuchtete mit dem Smartphone über den Rücken des Tieres. Außer Schneeflocken, die sich mit dem glänzenden Blut vermischten, war über das Tier eine Art Sekret verteilt, hing in schlierigen Fäden über die Wunden, welche an den Rändern beinahe verheilt aussahen. Wie kauterisiert.„Was zum...“ begann Arthur und hörte ein schweres Kratzen über sich. Einige Steinbrocken, sicher nicht sehr groß, polterten auf das Wagendach. Arthur wollte aus dem Fenster sehen, doch er wusste nicht, was dort draußen war. Vielleicht war ja der Wolf, oder was auch immer den Hirsch so zugerichtet hatte, in die Spalte gestürzt und war jetzt verwundet und besonders aggressiv. Gamley presste sich an seinen Sitz, wagte kaum zu atmen. Etwas kam auf dem Dach des Wagens auf und bewegte sich. Das Blech bog sich durch, ja, es kam näher auf Arthurs Kopf zu, so als würde man in einer riesigen Müllpresse sitzen und warten, bis man zerquetscht wurde. Das Gewichtpasste zu keinem Wolf oder einem ihm bekanntenRaubtier, das hier war größer, schwerer.Das Gewicht auf dem Dach wurde verlagert, es schien sich weiter zu bewegen. Nun wurde der hintere Teil des Daches eingedrückt, es ächzte und Arthur biss die Zähne so stark aufeinander, dass er dachte, sie würden brechen. Er umklammerte sein Smartphone und bedeckte das Display mit seinen Handflächen. Er wollte keinen Laut von sich geben, doch er wollte auch wissen, was sich da auf dem Dach des Wagens befand. Krampfhaft nachdenkend, wie er sich nun verhalten sollte, spürte der Mann, wie der Wagen ins Kippen geriet. Wenn er nicht in den Abgrund stürzen wollte, musste er etwas unternehmen.Und zwar schnell.Gamley hörte eine Art Rasseln, ein klapperndes Atmen. Die Luft neben dem Wagen, durch den Mondschein des Spaltes erhellt, waberte unheimlich. Ein fauliger Gestank, wie verdorbenes Obst, hing in der Luft, drang durch die Öffnung in der Frontscheibe des Wagens ins Innere zu Arthur und lähmte seinen Verstand. Wenn er nicht die Luft anhielte, würde er sich übergeben müssen.Das Dach des Wagens quietschte lauter, das Tier, oder was immer es war, schob sich weiter über das Automobil und brachte es erneut zum Schwanken. Arthur Gamley, Zeit seines Lebens immer besonnen und nie vorschnell, umfasste sein Smartphone und drehte die Helligkeit herunter, nun leuchtete dasGerät kaum merklich und würde nicht so schnell entdeckt werden. Er wollte, nein, er musste wissen, was sich dort auf dem Dach befand. Gamley beugte sich Millimeter um Millimeter nach vorn und streckte den Arm aus. Er wollte durch den offenen Spalt der Frontscheibe das Dach des Wagens filmen, vielleicht reichte aber schon die Spiegelung des Displays aus, um zu erkennen, was dort vor sich ging. Wie das Teleskop eines U-‐Bootes, ragte sein Arm einige Zentimeter aus der Frontscheibe heraus und drehte sich langsam, sodass der Mann die Spiegelung sehen konnte. Arthur Gamley entfuhr ein entsetzter Schrei, als er sah, was auf dem Dach des Wagens hockte: