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Seelenlos: Zwei Serienkiller handeln einen perfiden Plan aus: Jeder soll das Opfer des jeweilig anderen töten. Ein Flugkapitän muss notlanden, doch der Absturz war nicht das Schlimmste. Eine junge Frau verpasst ihren Zug und fährt hinein in die Nacht des Grauens und ein König wird aufs grausamste für seine Verbrechen bestraft. Diese und weitere Stories sind die Fahrkarten für eine Reise in die Welt des Schreckens. Horror- Kurzgeschichten 212 Seiten Softcover Mit Nachwort vom Autor und Gastbeitrag "Das Serum" von Tobias Albrecht Vorschau auf kommende und bereits erschienene Werke
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Seitenzahl: 226
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S E E L E N L O S
Zwei Serienkiller handeln einen perfiden Plan aus: Jeder
soll das Opfer des jeweilig anderen töten. Ein Flugkapitän
muss notlanden, doch der Absturz war nicht das
Schlimmste. Eine junge Frau verpasst ihren Zug und fährt
hinein in die Nacht des Grauens und ein König wird aufs
grausamste für seine Verbrechen bestraft.
Diese und weitere Stories sind die Fahrkarten für eine
Reise in die Welt des Schreckens.
Max Stascheit wurde am 09.04.1991 in
Vechta geboren.
Schon in jungen Jahren faszinierte ihn das
Unheimliche und Makabre.
Comics, Kurzfilme und Hörspiele sind nur
einige Dinge die ihn begeistern und immer
wieder aufs Neue antreiben.
Erste Erfahrungen mit Horrorliteratur
machte er mit Büchern von Stephen King.
Sein großes schriftstellerisches Vorbild ist nach eigenen
Aussagen Robert Bloch.
Max Stascheit
Seelenlos
Titel der Originalausgabe
>Seelenlos<
Copyright © 2016 -‐ Max Stascheit
Umschlagillustration -‐ Max Stascheit
Korrektur – Luka Spahr
Deutsche Erstausgabe
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2016
Max Stascheit
Inhalt
Rollentausch
Seelenlos
Junge Liebe
Endstation
Tierlieb
Bruchlandung
Königskind
Frohes Neues
Tropenschatz
Treibjagd
Blickkontakt
Quanah
Grampa
Punkt, Punkt, Komma, Strich
Gütertrennung
Nachwort des Autors
Das Serum
von Tobias Albrecht
Ach mein Freund; weshalb du verstarbst?
Aus welchem Grund du den Boden 'darbst?
Aber glaube mir,
Ich sage dir:
Du wirst so nicht verweilen,
Das Leben wird dich bald ereilen.
Nimm dieses Serum; erheb deinen toten Leib.
Genieße deinen neuen Erdverbleib.
Doch ich muss dich warnen:
Es darf dich nicht der Tag umarmen.
Das Licht ist nun dein größter Feind;
Der zweite Tod, wenn ihr euch eint!
Drei Wochen zogen ins Land,
Seitdem ich ihn ans Leben band.
Die Nacht verdarb ihn sehr.
Sein Lebenswille brach dran schwer.
Er kam zu mir in Vollmonds Lichte
Um zu erzählen seine Geschichte.
Erklärte auch woran er litte
und hatte eine einzeln' Bitte.
"Du, mein Freund mir treuer,
Die Nacht gebar in mir ein Ungeheuer.
Mit dunkler Last will ich nicht länger sein.
Bitte treib den Tod durch mein Gebein!"
Schwer fiel es mir ihn zu befrei'n,
Ich werd' es mir wohl nie verzeih'n
Doch letzten Endes traf ihn des Messers Kuss
Und versiegte seinen Lebensfluss
Betroffen ließ ich die Klinge los
Und Fragte mich "Was tat ich bloß?“
Ich gab und nahm ihm das Leben.
Gott zu spielen, kann ich mir je vergeben?
Mein Freund, ich will mich nicht noch selbst gefährden;
Wart auf mich, ich folge dir zu Erden
Das Klassenzimmer war heiß und stickig.
Irgendwo summte das stete Geräusch eines
Deckenventilators.
Cass wischte sich mit dem Ärmel ihrer Schuluniform über
die feuchte Stirn. Ihre nassen Locken klebten kurz
oberhalb ihrer Augen fest.
Mit einem müdigkeitsgeschwängerten Blick schaute sie zur
leise tickenden Uhr am Ende des Raumes.
Viertel nach Zehn. Sie hatte gerade einmal die ersten zwei
Stunden herumgebracht. Was folgte, waren Mathe und
Physik. Sie hasste Mathe und Physik.
Ihre Mitschüler waren in eine Art Wachkoma verfallen,
müde hingen ihre Köpfe zur Seite.
Cass drehte sich zum Fenster. Es war verschlossen, die
heiße Sommerluft gelangte so nicht in den Klassenraum.
Noch fünfzehn Minuten bis es klingeln würde, dachte sie.
Mister Adam wischte die Tafel, ein gutes Zeichen, dass er
den Unterricht beenden würde.
Das erlösende Klingeln erscholl. Wie vom Blitz getroffen
standen ihre Klassenkameraden auf und schulterten ihre
Taschen. Cass erhob sich mit schweren Gliedern und ging
auf die Tür zu.
Ihre Freundin Sally wartete vor dem Klassenraum auf sie.
>>Hey, Cass! Na, wieder fast eingeschlafen beim alten
Adam?<<, lachte sie laut in ihre Richtung.
Cass lächelte gequält, schüttelte die Müdigkeit ab und
gähnte herzhaft.
Ihre Uniform spannte sich und der Schweiß rann ihr das
Genick hinab.
>>Fast. Wenn ich bedenke, dass wir anschließend Mathe
und Physik haben. .<< Sie kam nicht dazu, zu Ende zu
sprechen. Sie waren in der Cafeteria angelangt und Sally
hatte sich in die Schlange bei der Essensausgabe
eingereiht. Ihre Worte fraß der allgemeine Lärm.
Cass stellte sich hinter Sally und griff nach einer
erfrischenden Coke.
>>Du kannst dir nicht vorstellen was gestern passiert
ist. .!<<, begann Sally hektisch, während sie in ihr Sandwich
biss. >>Unser Butler hat meine Mutter angegriffen!<<
Cass, von der Hitze apathisch in den großen Raum
blickend, war auf einmal hellwach.
>>Sag das nochmal. .<<, flüsterte sie schockiert.
>>Pete, unser Angestellter. Gestern Abend ist er in Mum’s
Zimmer gekommen und hat sie mit einem Messer
attackiert! Dabei hat er wirres Zeug gebrüllt. . Es reicht, es
reicht, hat er gesagt. Dann hat sich Dad um ihn
gekümmert<<, sagte Sally mit übertriebener Theatralik.
Cass leerte die Cola und schaute auf die große Uhr in der
Cafeteria. Zeit zum Unterricht zurückzukehren.
>>Lass uns heute Abend noch einmal darüber reden, ich
lass dich von unserem Chauffeur abholen. Muss jetzt los,
bis dann, Sal<<, sagte Cass und drückte ihre Freundin,
bevor sie den Saal verließ.
Der Unterricht verging ebenso quälend langsam, wie Cass
es befürchtet hatte.
Sie dachte über die Worte ihrer Freundin nach.
Der langjährige Butler von Sallys Familie griff seine
Arbeitgeberin an.
Sie hatte in letzter Zeit des Öfteren mitbekommen, dass
vermehrt Hauspersonal aufbegehrte, Freiheiten forderte.
Jedoch hatte sie einen Fall wie diesen noch nicht
mitbekommen.
Was war los in dieser Welt? Natürlich, es gab arm und
reich, nicht jeder konnte sich Personal leisten, sie wusste
das.
Dennoch war es für Cass völlig unverständlich, dass Butler
und Angestellte niederen Ranges solch seltsames Verhalten
an den Tag legten.
Ihre Familie hatte selbst über zehn Angestellte. Vom
Butler, über ein Dienstmädchen, den Chauffeur, den
Gärtner und weitere, die Cass allerdings nicht namentlich
kannte. Sie arbeiteten nicht jeden Tag für ihre Familie. Die
restliche Zeit verbrachten sie in ihren Zimmern.
Sie hatte Mathe und Physik überlebt und war auf dem Weg
auf den Hof.
Trotz der sengenden Hitze musste sie das Gebäude
verlassen, drohte sonst zu ersticken.
Sie verließ das Gebäude und ging die Stufen der großen
Eingangstreppe hinab.
Die Sonne nahm ihr kurz die Sicht, eine warme Wand aus
heißer Luft schnürte ihr die Kehle zu.
Der Gärtner der Schule stand vor ihr. Cass schaute ihn an,
selten hatte sie Angestellte der Schule nur eines Blickes
gewürdigt, heute jedoch sah sie das Personal mit anderen
Augen.
Der Gärtner stierte zurück, Schweiß rann seinen
abgemagerten Hals hinab, die Augen traten beinahe aus
den Höhlen. Etwas in seinem Blick verunsicherte Cass.
Dann sah sie die Heckenschere in seiner Hand, die Sonne
spiegelte sich auf der grünlich schimmernden Schneide.
Der Gärtner sprang nach vorn, hob die Schere um sie Cass
in den Hals zu rammen.
Sie schrie, fiel zurück und stolperte über ihre eigenen
Füße. Der knochige Gärtner setzte nach, versuchte Cass zu
erreichen und wurde zurückgerissen. Die Kette um seinen
Fuß hatte ihn zu Fall gebracht.
Schnell rannte Cass die Stufen hinauf, hinein in die stickige
Luft der Schule.
Geschichte, ich Lieblingsfach. Cass öffnete das schwere
Buch und suchte Seite Dreihundertfünf.
Mrs. Carpenter, eine dickliche Frau mit toupierten
schwarzen Haaren, räusperte sich und wandte sich an die
Klasse.
>>Heute nehmen wir das Thema Sklaverei in den
Vereinigten Staaten dran<<, raunzte sie mit ihrer kratzigen
Stimme.
Cass lächelte. Ihr Lieblingsthema. Die Stunden würden
verfliegen. Sie schaute in ihr Geschichtsbuch.
Lincoln, der Unabhängigkeitskrieg, das Ende der Sklaverei.
Sie schmunzelte.
Obama, der erste schwarze Präsident.
Alle im Klassenzimmer teilten ihre Begeisterung.
Die vielen lächelnden schwarzen Gesichter verrieten, dass
Mrs. Carpenter das Thema richtig gewählt hatte.
>>Und nun kommen wir zu dem Teil der Geschichte an
dem wir mit den Weißen die Rolle getauscht haben.. <<
Das schwere Eisentor quietscht im Wind.
Langsam schält sich ein Schatten durch die Schwärze der
Nacht. Eine Gestalt erscheint auf dem Schrottplatz,
Konturen werden sichtbar, dann ein Mann.
Auf seinem Rücken zeichnet sich undeutlich etwas ab, der
Mond lässt es langsam sichtbar werden.
Der Mann atmet schnell, die Last auf seinem Rücken ist
schwer. Er weiß, wohin er will.
Die Schrottpresse.
Der schlammige Boden schluckt seine Schritte, wie ein
Geist schleicht er durch die Nacht.
Es ist Totenstill, abgesehen vom Quietschen des Tores.
Der Mann schaut sich um, er braucht hier niemanden zu
fürchten, der Schrottplatz steht seit Jahren leer.
Die schweren Maschinen und Abfälle sind Wind und
Wetter ausgesetzt, der Zahn der Zeit hat sie rosten lassen.
Wie Mahnmale ragen die alten Geräte in die Nacht, werfen
gespenstische Schatten auf den Hof.
Jedem wäre es in dieser Situation unbehaglich gewesen,
doch nicht Zachary.
Er liebt diesen Ort, hat ihn für sich beansprucht, kennt hier
jeden Winkel und schätzt die Ruhe ungemein.
Ein letzter schwerer Schritt an eine riesige Maschine, dann
hat er die Schrottpresse erreicht.
Mit einem Ruck wirft er die Last von seinem Rücken.
Ein Griff in die Jacke fördert ein Taschentuch zutage.
Er tupft seine schweißnasse Stirn ab und hält inne.
War da etwas? Er schaut sich um.
Nichts.
Mit vielfach geübten Handgriffen öffnet er den Sack zu
seinen Füßen, löst die kompliziert anmutenden Knoten des
dicken Hanfseils. Der Stoff teilt sich, gibt seinen Inhalt
preis.
Eine Frau, sehr jung und höchstens zwanzig Jahre alt.
Zachary schaut auf den toten Körper. Das rosige Fleisch
glänzt im Mondschein. Der Geruch ist intensiv, stört ihn
jedoch nicht im Geringsten.
Er ist für Zachary eine Art Vertrauter geworden, begleitet
ihn seit Jahren.
Mit spielerischer Leichtigkeit öffnet er die Verschlüsse der
Schrottpresse, der Deckel klappt auf. Vor ihm liegt der
Stahlkoloss wie das Maul einer Bestie.
Schwarz klafft die Öffnung der Presse auf und giert nach
Inhalt.
Der Griff um die Frauenleiche ist für Zachary wie eine
Abschiedszeremonie. Nun muss er sie gehen lassen, nun ist
sie nicht länger sein Eigentum.
Mit einer Welle der Enttäuschung hebt er sie über den
Rand der Maschine.
Mit einem widerhallenden Geräusch verschwindet der
Körper in der dunklen Öffnung.
Zachary zuckt zusammen, er hatte nun eindeutig etwas
gehört. War es am Tor?
Er lauschte in die Nacht, versuchte Geräusche zu filtern, zu
katalogisieren.
Er hatte sich nicht getäuscht, da war jemand. Leise und so
behutsam wie möglich schließt er den Deckel der
Schrottpresse, duckt sich und verschmilzt mit dem
Schatten eines alten Geländewagens in der Ecke.
Nun heißt es warten. Die Sekunden des Lauschens
scheinen endlos, wollen nicht vorübergehen.
Dann jedoch sieht er etwas, der Mond wirft den Schatten
einer weiteren Person über den Platz. Er hört gedämpfte,
matschige Schritte, vernimmt hektisches Atmen in der
Stille der Nacht.
Dann tritt der Mann in sein Sichtfeld.
Er ist hager, beinahe dürr. Die schwarzen langen Haare
umspielen ein knochiges Gesicht. Die tief in den Höhlen
liegenden Augen, suchen forschend den Platz ab.
Er sucht etwas, Zachary ist sich sicher.
Er zieht sich tiefer in den Schatten des Wagens zurück und
wartet.
Der Fremde trägt ebenfalls etwas auf dem Rücken, einen
Sack. Jedoch ist er kleiner und scheint leichter zu sein.
Was zur Hölle macht der Kerl hier draußen um diese Zeit?
Der Fremde scheint gefunden haben, was er zu suchen
schien.
Mit zielsicheren Schritten kommt er auf Zachary zu.
Nein, nicht auf ihn. Auf die Schrottpresse.
Zacharys Muskeln spannen sich. Mit einem schnellen Griff
in die Jackentasche, fördert er eine kleine, silbrig glänzende
Pistole zu Tage, spannt den Hahn und zielt auf den
Fremden.
Dieser bleibt vor der Presse stehen, schaut sich um und
wirft seine Last von der Schulter.
Mit einem dumpfen Geräusch schlägt der Sack auf.
Will der Kerl Abfall entsorgen?
Zachary starrt zu dem Fremden, seine Züge verhärten sich.
Mit unglaublicher Anspannung beobachtet er, wie der
Fremden die Verschlüsse der Schrottpresse öffnet, den
Deckel aufklappt und hineinschaut.
Nun muss er handeln, muss den Fremden erschießen.
Mit einem Sprung aus dem Schatten des Wagens, landet
Zachary auf dem Hof, die Waffe vor sich ausgestreckt und
schussbereit.
Doch der Fremde ist fort.
Wo ist er? Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.
>>Keine Bewegung, Arschloch!<<, nimmt Zachary hinter
sich wahr, spürt den kalten Lauf einer Waffe an seinem
Hinterkopf.
>>Ganz langsam umdrehen.. <<, herrscht die Stimme ihn
an. Er gehorcht, dreht langsam den Kopf und dann den
Körper.
Das Gesicht des Fremden ist eine Maske der
Entschlossenheit. Das knochige Antlitz lächelt.
>>Sieh mal einer an, wenn das kein Zufall ist<<, lächelt der
Fremde ihn boshaft an.
>>Wolltest wohl auch was loswerden, wie?<<
Zachary überlegt, ob er seine eigene Waffe hochreißen und
den Kerl erschießen soll, entscheidet sich aber schließlich
dagegen.
>>Was willst du?<<, fragt er ernsthaft überrascht.
Der Fremde verliert das Lächeln.
>>Was fragst du so dumm? Du bist anscheinend nicht der
Einzige hier, der etwas entsorgen will. Pech für dich, dass
ich diesen Platz für mich beansprucht habe!<<
Zachary starrt auf den Sack neben dem Fremden.
>>Was ist da drin?<<, fragt er.
Mit einem Fußtritt gegen den Sack öffnet sich dieser.
Im diffusen Licht erkennt Zachary, dass es sich bei dem
Inhalt um menschliche Körperteile handelt.
Rosig glänzende, am Schulterblatt abgeschnittene Arme,
ein am Kniegelenk durchtrenntes Bein und ein weiblicher
Kopf ohne Augen.
>>Siehst du? Was machen wir jetzt mit dir?<<, fragt der
Fremde.
Zachary schluckt, weiß, dass seine Tarnung aufgeflogen ist.
Schutzlos ausgeliefert, steht er auf einem alten
Schrottplatz, wo niemand einen Schuss hören, jemals seine
Leiche finden würde.
>>Wie wär es, wenn ein jeder von uns seines Weges gehen
würde, ich habe dich nie gesehen und du mich nicht?<<,
schlägt Zachary vor. Der Fremde scheint darüber
nachzudenken, kippt den Kopf leicht zur Seite.
>>Nee. Sorry, Kumpel! Ich denke, ich werd‘ dich hier und
jetzt kaltmachen!<<, lacht der Fremde.
>>Bin übrigens Harry.<<
Wieso verrät der Scheißkerl mir seinen Namen?
Weil er nichts zu verlieren hat, der Idiot, er wird dich
kaltmachen. Und außerdem ist er geisteskrank.
>>Wie ist dein Name?<<, fragt Harry.
>>Leck mich.<<
Der Schlag mit der Waffe kam schnell und
unvorhergesehen. Hart trifft der Griff der Pistole Zachary
auf der Nase.
>>Blöder Name. Also noch mal…Wie heißt du?<<, fordert
Harry.
>>Fuck! Ich bin Zachary. .<<, gibt dieser gequält von sich.
>>Geht doch, Zach. Und nun lass uns in Ruhe eine andere
Lösung finden. Ich mag dich nämlich, ehrlich. Man trifft
nicht oft einen Gleichgesinnten in dieser Welt. .<<, lächelt
Harry Zachary an.
>>Was willst du, Arschloch?<<
>>Erst mal...dass du deine Waffe wegwirfst!<<, lacht Harry.
Zachary überlegt, wägt seine Chancen ab. Dann wirft er die
Waffe in hohem Bogen außer Sichtweite. Mit einem nassen
Geräusch landet die Waffe in einer Pfütze. Seine letzte
Hoffnung aus dieser Situation lebend zu entkommen, ist
nun bei Null.
>>Find gut, was du mit der Kleinen gemacht hast. .<<
Zachary überlegt. Welche Kleine? Dann fällt ihm die tote
Frau in der Schrottpresse ein.
>>Hast du Spaß mit ihr gehabt?<<, grinst Harry ihn an.
>>Hab meine seit fünf Wochen, langsam fängt sie an zu
stinken. .Kühltruhe kaputt<<, lacht Harry, die weißen
Zähne strahlen im Mondlicht. Er hat zu viel Zahnfleisch,
sein Grinsen wirkt falsch und unnatürlich.
>>Man kann nicht alles gebrauchen, die ungenießbaren
Teile werf‘ ich meistens weg!<<
Zachary ekelt der Fremde an. Er würde Frauen niemals
essen. Foltern, vergewaltigen und ermorden war ok, aber
essen? Niemals.
>>Warum erzählst du mir das alles?<<, fordert er Harry
auf.
>>Weil ich mit niemandem sonst darüber reden kann. Sag
an, wie viele hast du umgebracht?<<
Zachary lacht nun auch.
>>Scheiße, wieso soll ich dir das erzählen?<<, fragt er.
>>Weil die Chance groß ist, dass du heute Nacht noch
deinem Schöpfer gegenübertrittst. Sieh es als eine Art
Beichte an, ich erteile dir dann die Absolution<<, grinst
Harry.
>>Hab aufgehört zu zählen<<, lügt Zachary.
>>Blödsinn! Damit hört man nie auf, es sei denn, man ist
schlecht in Mathe. Bist du schlecht in Mathe, Zach?<<
>>Neunzehn.<<
>>Wie?<<
>>Es waren neunzehn. Die hier ist die Neunzehnte.<<
In Zacharys Kopf dreht es sich. Was macht er hier? Wieso
erzählt er einem Wildfremden seine Lebensgeschichte,
offenbart ihm seine Morde. Weil er ihn auf eine kranke Art
irgendwie sympathisch findet.
>>Geht doch! Find ich gut, Ehrlich währt am längsten. Die
Kleine hier im Sack war meine dreißigste!<< Er grinste
wieder.
Sichtlich stolz über sein Werk, prahlte er, wie er sie
gefunden hatte.
>>Ich geh‘ immer in diese Kneipen. Striplokale, wenn du
sie so nennen willst. Ich lern‘ die Arbeitsschichten der
Schlampen auswendig, fahr‘ ihnen hinterher und hol‘ sie
mir, vereinfacht gesagt. Da gehört natürlich noch eine
ganze Menge mehr dazu. Aber im Grunde ist es recht
simpel, Frauen zu entführen die kein Schwein vermisst. Ist
wie etwas klauen, das keiner haben will.<<
Der knochige Leib Harrys zuckt. Er scheint es zu genießen,
mit Zachary reden zu können.
>>Wie machst du es? Wie erlöst du deine Beute?<<
Zachary lächelt ihn an.
>>Schneid‘ ihnen die Kehlen durch. Oder erdrossle sie.
Schon mal einen Kabelbinder benutzt?<<, fragt er Harry.
Was war los mit ihm? Wieso spricht er über seine
intimsten Geheimnisse mit diesem Soziopaten, wie andere
Männer über die Ergebnisse des letzten Fußballspiels?
Harry grinst breit.
>>Ist die beste Art<<, beginnt er begeistert. Find ich
angenehmer, als sie nur zu erschießen. Immerhin
bekommt man dann noch ’ne ordentliche Show zu sehen.
Dauert teilweise vier Minuten, bis die Schlampen ihren
Atem ausgehaucht haben. Aber Kabelbinder? Nö, ist mir zu
langweilig, will selbst entscheiden, wann’s vorbei sein soll.
Das mach ich lieber mit meinen eigenen Händen.<<
Zachary wartet ab, lässt eine kurze Pause entstehen.
>>Also, willst du mich immer noch umbringen?<<
Harry grinst.
>>Ich denke, da fällt mir was Interessanteres ein. .<<
Sie schließen den Deckel der Presse und betätigen den
Schalter der Maschine. Brummend beginnt der Koloss
seinen Inhalt zu zermahlen.
Die breiigen Überreste vergraben sie, waschen das Gerät
mit einem Wasserschlauch aus, streuen Kalk darüber und
schließen den Deckel.
>>Also dann.. <<, beginnt Zachary und streckt Harry die
Hand entgegen.
>>War interessant dich kennen zu lernen.<<
>>Ganz deiner Meinung, Kumpel<<, sagt Harry und
erwidert den Handschlag.
>>Ich melde mich in zwei Tagen bei dir. Bis dahin, viel
Erfolg.<<
>>Dir auch, Harry. .<<
Wieder im Wagen angekommen, lässt Zachary die letzten
Minuten Revue passieren.
Sie hatten über ihre Opfer gesprochen, über die
vergangenen und über die kommenden.
Sie haben übertrieben, geprahlt und gelogen, was ihre
Techniken, ihre Tricks und ihre Methoden angeht.
Jeder wollte den anderen übertrumpfen.
Dann hatte Harry etwas vorgeschlagen, was Zachary nicht
für möglich gehalten hatte, ja nicht einmal daran gedacht
hatte.
Sie hatten sich von ihren potentiellen neuen Opfern
erzählt.
>>Lass uns doch tauschen<<, hatte Harry gesagt.
Was hatte Zachary getan? Er hatte zugestimmt. In der
seltsamen Situation hatte er zugestimmt, hatte keine
Schwäche zeigen wollen, hatte ihm wirklich zugestimmt.
Sein Herz klopft ihm bis zum Hals.
Morgen Nacht sollte er es tun, Harrys Idee in die Tat
umsetzen.
Es war Wahnsinn, bisher hatte er noch immer selbst
entschieden, wen er töten wollte.
Jetzt aber hatte er den Namen der Familie.
Die Portsmiths. Jack, Elise und deren Tochter Becky.
Bisher hatte er nur junge Frauen ausgewählt,
Studentinnen. Höchstens eine Nutte.
Nun aber eine ganze Familie. War es der Ehrgeiz? Wem
wollte er etwas beweisen?
Noch völlig im Rausch der Eindrücke erreicht er seine
Einfahrt. Er drückt auf den Knopf für das elektrische
Garagentor und fährt in die Garage.
Diese Nacht wird er kein Auge zubekommen.
Als der nächste Morgen anbricht, hat Zachary gerade eine
Stunde geschlafen. Er hat geträumt: Von Harry, von den
Portsmiths, die gesichtslos in einem Meer aus Blut
versanken.
Der Kaffee wird ihn wachmachen, den Schlaf vertreiben
und seine Sinne schärfen.
Heute Nacht ist es soweit, heute Nacht wird er die Wette
des Geisteskranken in die Tat umsetzen.
Das Telefon klingelt.
Zachary schleppt sich zum Telefon.
Er nimmt ab und vernimmt die Stimme seines Chefs.
>>Guten Morgen, Zach. Gut geschlafen? Tut mir leid, falls
ich dich geweckt haben sollte! Aber hier ist die Hölle los.<<
Zachary atmet schwer ein.
>>Was ist los?<<, fragt er.
>>Doppelmord. Eine rivalisierende Gang<<, sagt Officer
Brad Koontz.
Er verflucht seinen Job. Wäre er nur niemals Polizist
geworden.
>>Ich lieg noch im Bett. .<<, lügt er.
>>Hab ’ne starke Erkältung. Fieber und all das.<<
Am anderen Ende der Leitung raschelt es.
>>Bedauerlich<<, meldet sich die Stimme wieder.
>>Ich versuche Jim zu erreichen, ruh‘ du dich aus und
komm‘ wieder zu Kräften. Gute Besserung, Zach.<<
Die Leitung war tot.
Zachary atmet tief ein, entspannt seinen Körper und trinkt
einen großen Schluck Kaffee.
Nun kann er den Abend planen und seine Werkzeuge
einpacken.
Der Abend kam schneller als erwartet, die Zeit schien
verflogen zu sein.
Das Telefon klingelt. Wieder sein Chef?
Zachary nimmt den Hörer ab.
>>Ja?<<, meldet er sich knapp.
>>Na, Zach? Bereit für deinen großen Auftritt?<<, schallt es
aus dem Hörer.
Harry.
>>Woher hast du diese Nummer?<<, fährt Zachary ihn an.
>>Mensch Zach! Du nennst mir wirklich deinen richtigen
Namen! Hut ab! War nicht schwer, deine Nummer
rauszukriegen, hab‘ einfach im Internet nachgesehen.
Officer Zachary Flannigan, bei der LA Mordkommission,
spezialisiert auf Bandenkriminalität. Abschluss auf der
Polizeidienstschule im Jahr ´05 und wohnhaft in der
Mansfield Road 124. Ich würde mich nicht wundern, wenn
man dort deinen Facebook-‐Account finden würde.<<
Er lacht herzhaft auf.
>>Komm zur Sache, Harry! Oder ist das nicht dein richtiger
Name?<<, sagt Zachary ärgerlich.
>>Nope, ist nicht mein richtiger Name. Ist aber auch
nebensächlich, was zählt ist, dass du heute Abend bei der
Familie bist.<<
>>Warum diese Familie?<<, fragt Zachary.
>>Sagen wir es so, ich habe ein ernsthaftes Interesse
daran, die drei tot zu sehen, mehr sollte dich nicht
interessieren!<<
>>Und du kümmerst dich um mein Objekt der Begierde?<<
>>Exakt, ich werde die Kleine mit gehörigem Respekt
behandeln, stört dich sicher nicht, wenn ich von ihr koste,
nicht wahr?<<
Zachary schüttelt sich, denkt daran, wie Harry die schöne
junge Studentin tötet und sie anschließend verspeist.
Ekelhafter Kerl, dennoch sehr faszinierend.
>>Nein, mach mit ihr was du willst!<<, spricht er mit
übertriebener Selbstsicherheit.
>>Ach, eine Sache noch Zach.. << Er macht eine lange
Pause, Zachary hört ihn atmen. Schnell und voller
Begeisterung.
>>Wir sehen uns.<<
Die Leitung klickt und verstummt.
>>Harry?<< Die Leitung ist wieder tot.
An der ganzen Sache zweifelnd, gießt sich Zachary einen
frischen Kaffee ein, zieht seine Jacke an und verstaut den
Werkzeugkoffer im Wagen.
Das Haus ist riesig.
Eine Einfahrt bis zum Eingang schlängelt sich zweihundert
Yards durch einen großzügig angelegten Garten.
Der Mond ist aufgegangen und ein Hund bellt leise
irgendwo im Nachbargarten.
Zachary hat seinen Wagen einige Blocks weiter geparkt,
steht lauernd vor dem Tor.
Mit einem beherzten Schwung klettert er über die Mauer,
landet mit sanftem Aufschlag auf dem gepflasterten Weg
und atmet sacht ein und aus.
Showtime.
Ein Fenster steht halb geöffnet an der Hinterseite des
Hauses.
Mit vielfach geübten Bewegungen schiebt Zachary einen
dünnen Draht mit Schlinge durch die Öffnung, zieht und
löst den Hebel des Fensters.
Langsam und völlig lautlos öffnet sich das Fenster zur
Gänze.
Flink wie ein Wiesel schlüpft Zachary in das dunkle Haus.
Geräuschlos schleicht er geradeaus und legt den
Werkzeugkoffer ab.
In der Dunkelheit ist das Zusammenschrauben der Waffe
mit dem Schalldämpfer eine Leichtigkeit.
Mit einem sanften Druck öffnet er die vor ihm liegende Tür,
späht hinein.
Das Zimmer liegt im Dunkeln.
Nein, im Hintergrund vernimmt er leise Geräusche.
Beinahe so, als ob jemand den Fernseher angelassen hat.
Auf leichten Sohlen schleicht er zu einer Wand und späht
um die Ecke.
Tatsächlich, hinter der Ecke flimmert ein Fernseher im
Dunkeln.
Irgendeine Homeshopping-‐Sendung.
Davor, auf einer großen Couch, drei Köpfe.
Zachary umrundet wie eine Gazelle das Möbel und hebt die
Waffe.
>>Keine Be. .<< Doch die Worte bleiben ihm im Halse
stecken.
Vor ihm auf der Couch sitzen drei Personen, an Händen
und Füßen zusammengebunden mit Drahtschlingen.
Was wird hier gespielt?
Das schreckerfüllte Gesicht einer knapp vierzigjährigen
Frau schaut ihn an.
Warum sind sie gefesselt?
Dann bemerkt Zachary das Gesicht der zweiten Frau. Sie ist
vielleicht sechzehn, hat kurz geschnittenes blondes Haar,
kleine feste Titten, wie Zach sie liebt und einen
Gesichtsausdruck, den er nur allzu gut kennt. Todesangst.
Doch nicht das verunsichert ihn, es ist das Gesicht.
Er kennt es.
Es ist das Gesicht der Studentin, das Gesicht der jungen
Frau, die er töten wollte, das Opfer, das nun Harry für sich
beansprucht.
Wie kommt sie hierher? Was um alles in der Welt wird hier
gespielt?
Der Schlag auf seinen Hinterkopf kommt völlig unerwartet.
Die Welt verschwimmt im Dunkeln.
>>Aufwachen, Zach<<, flüstert die Stimme in sein Ohr.
Benommen nimmt Zachary das knochige Gesicht wahr, das
sich wenige Zentimeter vor seinem befindet.
>>Sieh dir an, was ich getan habe. .<<, triumphiert die
Stimme. Harry.
Zachary blinzelt und schielt zu der Couch, auf der die
Familie festgebunden saß.
Mit Schrecken bemerkt er, dass der Frau der Kopf fehlt.
Der blutige, schief abgesägte Halsstumpf dampft noch
warm.
>>Sieh mal, wer dich kennenlernen will. .<<
Schwenkend vor seinem Kopf lässt Harry den blutigen
Schädel der Frau vor Zacharys Gesicht baumeln.
>>Was hast du getan?<<, stammelt Zachary.
>>Ich hab‘ mir die Sache anders überlegt. Wenn schon
Morde in dieser Stadt verübt werden, dann doch wohl nur
von einem. Nämlich von mir!<<, lacht er.
Die junge Frau hinter ihm stöhnt und weint.
Mit einem schnellen Sprung ist Harry hinter ihr, schlingt
ihr etwas um den Kopf.
>>Hab‘ von dir gelernt Kumpel<<, lacht Harry.
Zachary erkennt den Kabelbinder, den er der jungen Frau
um den Hals gezurrt hat. Das einrastende Geräusch, als das
Band zugezogen wird, ist ihm wohl vertraut.
Das Gesicht der jungen Frau verzerrt sich, die Augen treten
hervor.
>>Darf ich vorstellen: Gracy Portsmith, dein potentielles
nächstes Opfer. Was für ein Zufall, nicht wahr? Ich wollte
ihre Familie umbringen und du ihre Tochter, die auf das
College geht. Ironie des Schicksals, oder? Manchmal ist Gott
doch wirklich ein Zyniker, was meinst du? Führt uns in
dieser magischen Nacht zusammen und verändert unser
Schicksal so enorm.<<
In Zacharys Schädel nimmt die Geschichte Form an.
Es war alles ein Zufall. Die junge Frau, die Zachary töten
wollte, hieß Portsmith. Sie hatte eine Familie, die sie heute
anscheinend besuchte.
Harry wusste das bis zu dem Zeitpunkt nicht, als er ihm die
Beschreibung und den Vornamen der Schlampe gegeben
hatte.
Er war wie ein blutiger Anfänger in die Falle dieses Irren
getappt.
Wie wollte er hier wieder herauskommen?
Der Todeskampf der jungen Frau schien ein Ende zu
nehmen, Speicheln rinnt aus ihrem verzogenen Mund, die
Augen hatten sich verdreht und der blau angelaufene Kopf
hängt schlaff zur Seite. Urin läuft unter ihr auf die Couch,
die Beine zucken nur noch unregelmäßig.
>>Wunderschön, nicht wahr?<<, lacht Harry.
Der Mann auf der Couch ist noch immer bewusstlos,
anscheinend der Vater der Familie.
>>Was hast du vor?<<, stammelt Zachary.
Harry grinst, entblößt dabei wieder sein Zahnfleisch.
Die fettigen Haare kleben an seinem knochigen Schädel, er
sieht wie ein Dämon aus.
Seelenlos.
>>Schauen wir mal, was du in deinem Werkzeugkasten
hast Kumpel. .ich denke, wir fangen mit dem Hobel an. .<<
In den nächsten Stunden lernt Zachary eine neue Art
Schmerzen kennen. Harry kennt sich mit der menschlichen
Anatomie bestens aus, weiß, wo er schneiden, stechen,
brennen und verätzen muss, damit Zacharys Herz nicht
aufhört zu schlagen.
Das eiserne Tor öffnet sich leise im Wind.
Der Schatten huscht flink über den Schrottplatz, findet sein
Ziel ohne Umwege.
Die Schrottpresse glänzt im Mondschein.
Harry öffnet die Klappe und hievt den schweren Körper in
die dunkle Öffnung.
Lange blickt er in die Presse hinein, schaut auf den völlig
zerstörten Körper Zacharys.
Langsam schließt er die Klappen.
Er schaltet die Maschine ein.
Sie beginnt brummend ihre grausige Arbeit.
Mit Genugtuung betrachtet Harry, wie Dampf aus den
Kolben steigt, der maschinelle Arm niederfährt.
Der unmenschliche Schrei aus dem Innern ist Musik in
Stöhnend windet Sandra sich unter mir, heiß spüre ich den
Atem meiner Geliebten an meinem Hals. Ich sehe in ihre