Die Botschaft von Kambodscha / The Embassy of Cambodia - Zadie Smith - E-Book

Die Botschaft von Kambodscha / The Embassy of Cambodia E-Book

Zadie Smith

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Beschreibung

Nach ihrem großen Roman »London NW« legt Zadie Smith mit dieser brillanten Erzählung nach – ein literarischer Diamant! Jeden Montag beobachtet Fatou einen Federball, der hinter den hohen Mauern der Botschaft von Kambodscha hin und her fliegt – ein scheinbar unendlich andauerndes Match. Fatou ist auf dem Weg zum Schwimmbad, wo sie jeden Montagmorgen ihre Bahnen zieht. Neben den sonntäglichen Treffen mit Andrew Okonkwo, einem bibelfesten Studenten aus Nigeria, ist dies die einzige Stunde in der Woche, die ganz ihr gehört. Den Rest der Woche arbeitet Fatou als Haushälterin bei den Derawals, kauft ein, kocht, putzt und hütet die Kinder. Nein, eine Sklavin ist Fatou nicht. Hin und wieder wird sie geschlagen, und bezahlt wird sie für ihre Arbeit nicht, das Haus aber verlässt sie regelmäßig und ohne um Erlaubnis fragen zu müssen. Fatou ist stoisch, sie geht durchs Leben, wie sie ihre Bahnen im Schwimmbad zieht, und es scheint fast, als würde alles immer so weitergehen – bis Fatou einem der Kinder zufällig das Leben rettet und damit das eingespielte Gleichgewicht der Familie Derawal durcheinanderbringt.Mit »Die Botschaft von Kambodscha« stellt die großartige Zadie Smith einmal mehr unter Beweis, dass es manchmal nur weniger Worte bedarf, um eine große Geschichte zu erzählen. »Dieses prägnante Glanzstück zeigt einmal mehr, warum Zadie Smith im Alter von 38 Jahren zu den kenntnisreichsten, witzigsten, differenziertesten Beobachtern der post-kolonialen Landschaft zählt.« The Star

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Seitenzahl: 89

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Zadie Smith

Die Botschaft von Kambodscha / The Embassy of Cambodia

Zweisprachige Ausgabe

Aus dem Englischen von Tanja Handels

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Zadie Smith

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Die Botschaft von Kambodscha0–10–20–30–40–50–60–70–80–90–100–110–120–130–140–150–160–170–180–190–200–21The Embassy of Cambodia0–10–20–30–40–50–60–70–80–90–100–110–120–130–140–150–160–170–180–190–200–21
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Die Botschaft von Kambodscha

0–1

Wer rechnet schon mit der Botschaft von Kambodscha? Niemand. Damit konnte, damit kann niemand rechnen. Sie ist für uns alle eine Überraschung. Die Botschaft von Kambodscha!

Gleich neben der Botschaft liegt ein Wellnesscenter. Auf der anderen Straßenseite eine Reihe von Privatresidenzen, die fast alle reichen Arabern gehören (das behaupten zumindest wir, das Volk von Willesden). Gemeinhin haben sie korinthische Säulen zu beiden Seiten der Haustür und – so die verbreitete Vermutung – einen Swimmingpool im Garten. Die Botschaft hingegen ist nicht besonders prächtig. Sie ist lediglich eine Nordlondoner Vorortvilla mit vier, fünf Zimmern, irgendwann in den Dreißigern erbaut und von einer etwa zweieinhalb Meter hohen Backsteinmauer umgeben. Und hinter der Mauer steigt ein Federball empor und fliegt immer hin und her. In der Botschaft von Kambodscha wird Badminton gespielt. Plong, zack. Plong, zack.

Dass die Botschaft überhaupt eine Botschaft ist, darauf verweist im Grunde nur das kleine Messingschild an der Tür (auf dem BOTSCHAFT VON KAMBODSCHAsteht) und die kambodschanische Nationalflagge (jedenfalls gehen wir davon aus, dass sie das ist – was sollte sie sonst sein?), die auf dem roten Ziegeldach flattert. Manche sagen: »Aber da ist doch diese hohe Mauer, allein das zeigt ja schon, dass es keine Privatresidenz sein kann wie die anderen Häuser in der Straße, sondern eine Botschaft.« Es ist albern von diesen Leuten, so etwas zu sagen. Viele Privathäuser haben auch hohe Mauern, mindestens so hoch wie die der Botschaft von Kambodscha – es sind aber trotzdem keine Botschaften.

0–2

Am 6. August ging Fatou zum ersten Mal an der Botschaft vorbei, auf dem Weg zum Schwimmbad. Das Becken dort ist groß, wenn auch nicht von olympischen Ausmaßen. Um zwei Kilometer zurückzulegen, muss man zweiundachtzig Bahnen schwimmen, was in seiner Eintönigkeit oft nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Übung ist. Die Wassertemperatur ist ungewöhnlich hoch, wie es dem Großteil der Gäste zusagt, die das Wellnesscenter weniger zum Schwimmen aufsuchen, als um am Beckenrand zu liegen oder in der Sauna zu entspannen. Fatou ist bereits fünf-, sechsmal hier geschwommen und senkt den Altersdurchschnitt im Becken oft um mehrere Jahrzehnte. Das Publikum ist im Allgemeinen weiß, manchmal auch südasiatisch oder aus dem Nahen Osten, hin und wieder begegnet Fatou aber auch anderen Afrikanern im Wasser. Wenn sie diese großen Männer sieht, wie sie hektisch paddeln wie die kleinen Kinder und schon Mühe haben, nicht unterzugehen, dann ist sie stolz auf ihre eigenen Fähigkeiten, weil sie sich das Schwimmen selbst beigebracht hat, vor etlichen Jahren, im Carib Beach Resort in Accra. Natürlich nicht im Hotelpool – Angestellte durften nicht in den Pool. Nein, sie hat es gelernt, indem sie sich durch das raue graue Meer gekämpft hat, jenseits der Mauern rund um das Resort. Auf und ab, auf und ab in der verschmutzten Gischt. Kein Tourist setzte je einen Fuß an den Strand (der voller Müll lag), geschweige denn in das kalte, heimtückische Meer. Und auch keins von den anderen Zimmermädchen. Nur ein paar leichtsinnige halbwüchsige Jungs, spät am Abend, und Fatou, früh am Morgen. Es ist praktisch ein Unding, das Schwimmen am Carib Beach mit dem Schwimmen hier im Wellnesscenter zu vergleichen, wo es so warm ist und ruhig wie in der Badewanne. Und wenn Fatou auf dem Weg zum Schwimmbad an der Botschaft von Kambodscha vorbeikommt, sieht sie über der hohen Mauer einen Federball, der zwischen zwei unsichtbaren Spielern hin- und hergeht. Der Federball beschreibt einen sanften weiten Bogen nach rechts und wird dann zurückgeschmettert, und so geschieht es wieder und wieder, jedes Mal schafft der erste Spieler es, den Schmetterball irgendwie zu erwischen und ihn wieder in einem sanften, fließenden Bogen zurückzuschicken. Hoch oben versucht die Sonne, sich durch den Wolkenhimmel zu kämpfen, der grau ist und schwer von Wasser. Plong, zack. Plong, zack.

0–3

Als die Botschaft von Kambodscha vor ein paar Jahren erstmals in unserer Mitte erschien, da sagten manche von uns: »Tja, wären wir Dichter, dann würden wir vielleicht eine Ode auf das überraschende Erscheinen dieser Botschaft verfassen.« (Normalerweise finden sich Botschaften nämlich im Stadtzentrum. Diese war die erste in einem Außenbezirk.) Aber wir sind im Grunde kein dichterisches Volk. Wir sind aus Willesden. Wir neigen zu prosaischem Denken. Ich wage beispielsweise zu bezweifeln, dass irgendwer unter uns, Mann oder Frau, beim ersten Weg vorbei an der Botschaft von Kambodscha nicht gleich »Völkermord« gedacht hat.

0–4

Plong, zack. Plong, zack. Diesen Sommer guckten wir alle Olympia und waren ganz vertraut mit dem Stöhnen und den vielen anderen menschlichen Lauten, die mit Anstrengung und dem Triumph des Willens einhergehen. Doch die Spieler im Garten der Botschaft von Kambodscha sind still. (Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich um einen Garten handelt – die Mauer beschränkt unseren Blick. Es kann durchaus auch ein asphaltiertes Areal sein, das zum Badmintonspielen reserviert ist.) Dass dort überhaupt ein Badmintonspiel im Gange ist, darauf verweist im Grunde nur der fliegende Federball, der abwechselnd gelobbt und geschmettert, gelobbt und geschmettert wird, und das immer zu der Zeit, wenn Fatou vorbeikommt, um im Wellnesscenter schwimmen zu gehen (montagmorgens, um kurz nach zehn). Dazu muss man sagen, dass Fatous Arbeitgeber – und nicht Fatou – die wahren Mitglieder im Wellnesscenter sind; sie ahnen nicht, dass sie ihre Gastausweise zu diesem Zweck verwendet. (Mr und Mrs Derawal wohnen mit ihren drei Kindern – siebzehn, fünfzehn und zehn Jahre alt – in der Straße mit der Botschaft, aber da die Straße fast anderthalb Kilometer lang ist, befindet sich die Botschaft am einen Ende und die Familie Derawal am anderen.) Fatous Betrügerei ist nur möglich, weil Mr Derawal montags immer nach Eltham fährt, um seinem dortigen Minimarkt einen Besuch abzustatten, während Mrs Derawal in Kensal Rise hinter der Theke des zweiten Minimarkts der Familie steht. In der schmalen Schublade eines Pseudo-Louis-Seize-Garderobenschränkchens in der Diele des Familiensitzes der Derawals findet sich ein ganzer Vorrat an Gastausweisen. Außer Fatou weiß das anscheinend niemand.

Seit dem 6. August (dem Tag, an dem sie zum ersten Mal auf das Badmintonspiel aufmerksam wurde) bleibt Fatou immer ganz bewusst fünf oder zehn Minuten an der Bushaltestelle gegenüber der Botschaft stehen, bevor sie zum Schwimmen hineingeht, müßige Minuten, die sie sich kaum leisten kann (Mrs Derawal kommt um die Mittagszeit wieder nach Hause), auf die sie aber doch nicht verzichten will. So fesselnd ist der sonderbare Bannkreis der Botschaft. Im Allgemeinen bringt das Warten und Beobachten Fatou nichts, aber in ein paar Fällen hat sie gesehen, wie sich Leute der Botschaft näherten und wie ihnen das Tor aufgedrückt wurde. Junge Weiße mit Rucksäcken. Sie wirken oft gammelig und tragen Sandalen, trotz der kühlen Witterung. Bisher war keiner der Besucher als Kambodschaner erkennbar. Wahrscheinlich wollen die jungen Leute Visa beantragen. Ihnen wird aufgedrückt, dann verschwinden sie durch das Tor, und eigentlich müsste sich Fatou auf das Dach des Bushäuschens stellen, um zu sehen, wer sie hereinlässt. Mit Sicherheit sagen kann sie allerdings, dass die vereinzelten Ankömmlinge sich nicht auf das Badmintonspiel auswirken, das weiter seinem steten Muster folgt, erst zart, dann heftig, erst sanft und hoch, dann hart und flach.

0–5

Am 20. August, als die Olympioniken längst wieder in ihr jeweiliges Land zurückgekehrt waren, bemerkte Fatou im entlegensten Eck des Geländes einen Basketballkorb, dessen Netz aus weißer Synthetikschnur so weit über die Mauer ragte, dass man es sehen konnte. Aber es wurde nie Basketball gespielt – zumindest nicht, wenn Fatou vorbeikam. In der folgenden Woche stand der Korb näher an Fatous Seite der Mauer. (Es war wohl ein mobiler Korb, auf Rollen.) Fatou wartete eine Woche, zwei, doch kein Basketball-Match ersetzte das Badmintonspiel, das wie gewohnt weiterging.

0–6

Wenn ich sage, das Erscheinen der Botschaft von Kambodscha hätte uns überrascht, will ich damit überhaupt nicht andeuten, die Botschaft stünde in ihrer Eigentümlichkeit alleine da. Vielmehr befinden sich auf dieser ganzen langen, breiten Straße eine Anzahl sonderbarer Bauwerke, in deren Kontext sich die Botschaft von Kambodscha nicht besonders seltsam ausnimmt. Da ist das große Herrenhaus namens GARYLAND, an dem unter der Aufschrift GARYLAND noch etwas anderes auf Arabisch steht, und sowohl der englische als auch der arabische Text sind in die Säulen aus rosa-grünem Marmor eingelassen, die wie Buchstützen einen gewaltigen Zaun umrahmen, um einiges höher noch als die Mauer der Botschaft, eher für eine Festung geeignet. Theatralisch goldene Torflügel öffnen sich automatisch, um Fahrzeuge ein- und auszulassen. In der Auffahrt von GARYLAND parken praktisch immer fünf bis sieben Wagen.

Da ist das Haus mit dem riesigen rosa Elefanten vor der Tür, der allem Anschein nach aus Mosaiksteinchen besteht.

Da ist das katholische Nonnenkloster, vor dem ein einzelner roter Ford Focus parkt. Da ist das Sikh-Institut. Da ist das Haus im Pseudo-Tudor-Stil mit Swimmingpool, in das sich Mickey Rooney für eine Saison eingemietet hatte, als er im Sommer vor fünfzehn Jahren im West End auftrat. Gleich gegenüber liegt ein schäbiges Altersheim, auf dessen winzigen Balkonen man manchmal eine gequälte Seele sieht, die, kaum verhüllt von ihrem Bademantel, in die Wipfel der Kastanien hinaufblickt.

Sonderbare Bauwerke sind uns hier in Willesden und Brondesbury also beileibe nicht fremd. Trotzdem ist die Botschaft von Kambodscha eine Überraschung für uns. Und irgendwie ist diese Sorte Überraschung nicht ganz das Wahre.

0–7

In einer alten Ausgabe der Metro,