Nachtstart - Rudolf Braunburg - E-Book

Nachtstart E-Book

Rudolf Braunburg

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Beschreibung

Zuckerhut und Christusstatue, Märchenbuchten, Traumstrände, Abenteuerdschungel – das ist der atemberaubende Anblick, der sich beim Anflug auf Rio de Janeiro bietet. Als Pilot einer regelmäßig nach Südamerika fliegenden Charterfluggesellschaft ist Bernhard Strehlau dieser Anblick seit Jahren vertraut – und doch ist er immer wieder überwältigt davon. Gerade weil er um die Nachtseiten dieses Paradieses weiß. Und dann der Tag des Grauens. Gewitterstürme über Rio: Das trügerische Paradies wird zur tödlichen Falle. Mit Strehlau und seiner gigantischen Tristar versinken 378 Passagiere und 14 Besatzungsmitglieder in der Bucht von Guanabara. Offizielle Absturzursache: menschliches Versagen. Andreas Ahlfs, der bestinformierte deutsche Luftfahrtjournalist, hält nichts von dieser Erklärung. Strehlau, sein bester Freund, war ein hervorragender Pilot – er konnte nicht an dieser Katastrophe schuld sein. Als Strehlaus Witwe Ahlfs beauftragt, der Sache nachzugehen, willigt er ein. Zehn, zwölf Wochen Rio – doch für Ahlfs ist das alles andere als ein Traumurlaub. Denn wo er mit seinen Nachforschungen auch ansetzt, überall stößt er auf mysteriöse Zusammenhänge. Spannend wie ein Kriminalroman – und doch weit mehr als nur ein reißerischer Thriller. Voller Informationen über Flugzeugkatastrophen und damit hochaktuell. Ein engagierter, aufregender Roman des Schriftstellers und Piloten Rudolf Braunburg. Der Autor zu seinem Roman Nachtstart: Eine deutsche Super-Constellation ( Es handelte sich dabei um den ersten Flugunfall der 1954 neu gegründeten Lufthansa, siehe Internet https: //de.wikipedia.org/wiki/Lufthansa-Flug_502 / Der Verlag) verunglückte kurz vor der Landung in Rio in einem schweren Gewitterschauer. Als Besatzungsmitglied der nachfolgenden Maschine nahm ich an der Unfalluntersuchung teil. Die Erfahrungen bei den Nachforschungen über den ersten Unfall der jungen deutschen Nachkriegs-Zivilluftfahrt regten mich derart an, dass ich mich intensiv mit moderner Katastrophenforschung zu beschäftigen und in Fachzeitschriften darüber zu schreiben begann. Am meisten interessierte mich dabei als Pilot der 'human factor', das sogenannte 'menschliche Versagen'. Abgesehen von diesem weit zurückliegenden Anlass, der meine Interessen so nachhaltig beeinflusste, gibt es keine Beziehungen zwischen der damaligen Katastrophe und dem hier geschilderten Absturz eines TRISTAR-Jumbos. Personen, Motive und die Unfallursache sind fiktiv. Der geographische Hintergrund allerdings ist in jeder Hinsicht ganz real - der Roman wurde in Rio de Janeiro geschrieben.

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Rudolf Braunburg

Nachtstart

Roman

BsB

Alle Rechte vorbehalten

Für A.B.

Der Autor

Mit 16 Jahren schrieb Rudolf Braunburg, Jahrgang 1924, seinen ersten Roman, der bei einem Bombenangriff vernichtet und deshalb nie veröffentlicht wurde. Im Zweiten Weltkrieg war er Jagdflieger. Nach dem Krieg studierte er Pädagogik und Philosophie. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Jazztrompeter und Ghostwriter.

Mit abgeschlossenem Studium wurde er Lehrer in Hamburg. 1955 ging er zur Deutschen Lufthansa und war bis 1979 Flugkapitän.

Nach Anfängen als Navigator und Copilot auf derLockheed Super Constellationund derDouglas DC-3wurde Braunburg Flugkapitän, zuerst auf der DC-3, dann auf derConvair CV 440Metropolitan, später wieder auf derSuper Constellationund, nach Beginn des Jet-Zeitalters auf derBoeing 727, derBoeing 707und schließlich auf derMcDonnell Douglas DC-10.

In seiner aktiven Zeit als Flugkapitän war Braunburg auch Vorsitzender derVereinigung Cockpit.

Braunburg schrieb über 70 Romane, Sach- und Jugendbücher. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Artikel über Umweltschutz und Jazz. Er war engagiert in Fragen der Luftfahrt und der Flugsicherheit und galt lange Zeit als bekanntester deutscher Experte.

Rudolf Braunburg lebte zuletzt in Waldbröl.

Der Autor zu seinem Roman Nachtstart:

Eine deutscheSuper-Constellationverunglückte kurz vor der Landung in Rio in einem schweren Gewitterschauer. Als Besatzungsmitglied der nachfolgenden Maschine nahm ich an der Unfalluntersuchung teil. Die Erfahrungen bei den Nachforschungen über den ersten Unfall der jungen deutschen Nachkriegs-Zivilluftfahrt regten mich derart an, dass ich mich intensiv mit moderner Katastrophenforschung zu beschäftigen und in Fachzeitschriften darüber zu schreiben begann. Am meisten interessierte mich dabei als Pilot der »human factor«, das sogenannte »menschliche Versagen«.

Abgesehen von diesem weit zurückliegenden Anlass, der meine Interessen so nachhaltig beeinflusste, gibt es keine Beziehungen zwischen der damaligen Katastrophe und dem hier geschilderten Absturz einestristar-Jumbos. Personen, Motive und die Unfallursache sind fiktiv. Der geographische Hintergrund allerdings ist in jeder Hinsicht ganz real – der Roman wurde in Rio de Janeiro geschrieben.

Rio-Copacabana, November 1976

Der Roman

Zuckerhut und Christusstatue, Märchenbuchten, Traumstrände, Abenteuerdschungel – das ist der atemberaubende Anblick, der sich beim Anflug auf Rio de Janeiro bietet.

Als Pilot einer regelmäßig nach Südamerika fliegenden Charterfluggesellschaft ist Bernhard Strehlau dieser Anblick seit Jahren vertraut – und doch ist er immer wieder überwältigt davon. Gerade weil er um die Nachtseiten dieses Paradieses weiß.

Und dann der Tag des Grauens.

Gewitterstürme über Rio: Das trügerische Paradies wird zur tödlichen Falle. Mit Strehlau und seiner gigantischen Tristar versinken 378 Passagiere und 14 Besatzungsmitglieder in der Bucht von Guanabara. Offizielle Absturzursache: menschliches Versagen.

Andreas Ahlfs, der bestinformierte deutsche Luftfahrtjournalist, hält nichts von dieser Erklärung. Strehlau, sein bester Freund, war ein hervorragender Pilot – er konnte nicht an dieser Katastrophe schuld sein. Als Strehlaus Witwe Ahlfs beauftragt, der Sache nachzugehen, willigt dieser ein. Zehn, zwölf Wochen Rio – doch für Ahlfs ist das alles andere als ein Traumurlaub. Denn wo er mit seinen Nachforschungen auch ansetzt, überall stößt er auf mysteriöse Zusammenhänge.

Spannend wie ein Kriminalroman – und doch weit mehr als nur ein reißerischer Thriller. Voller Informationen über Flugzeugkatastrophen. Ein engagierter , aufregender Roman des Schriftstellers und Piloten Rudolf Braunburg.

1

Beim Anflug sah ich ihn.

Das Flugzeug hatte über dem Bergland von Duque de Caxias eine Schleife gezogen, um Höhe aufzugeben. Als sich die Tragflächen aufrichteten, stand er groß und mächtig hinter dem Kabinenfenster: Christus, auf den Wolken schwebend.

Er breitete weit seine Arme, als wolle er der ganzen gewaltigen Stadt zu seinen Füßen pauschale Absolution und seinen ewigen Segen erteilen. Noch immer entzog sie sich meinem Blick durch dichte Regenschleier. Darin tauchte das Flugzeug jetzt ein.CristoRedentor,der Erlöser, stieg steil aufwärts und verdämmerte in der tropisch-feuchten Atmosphäre wie eine abklingende Vision.

Dafür materialisierte sich die Stadt mit jedem Meter, den wir der Landebahn entgegensanken, deutlich und unwiderruflich. Erst waren da Andeutungen von Sichelbuchten, Bergschatten, Straßengeraden. Während die letzte Ahnung von der Christusstatue auf dem Corcovado entschwand, konnte ich die Sonnenstrände erkennen: Flamengo, Botafogo, Leme, Copacabana.

Mit dem üblichen, aber immer wieder überraschenden Rumpeln fuhr das Fahrwerk aus. Vor uns lag Galeao Aeroporto, die Landebahn 14 des internationalen Flughafens von Rio de Janeiro. Die niedrige Wolkendecke verdeckte jetzt den Gipfel des Corcovado und des Zuckerhuts. Die Stewardess räumte mein letztes, noch halbvolles Kognakglas ab – vorwurfsvoll: der beste französische,ln Rio müssen Sie irre Preise dafür zahlen . . .

»In wenigen Minuten landen wir. Stellen Sie bitte Ihre Rückenlehnen senkrecht und beachten Sie das Nichtrauchen-Zeichen.«

So war auch Bernhard damals gelandet. Bitte beachten Sie das Nichtrauchen-Zeichen! Dann war er untergetaucht. Endgültig! Mit ihm dreihundertachtundsiebzig Passagiere.

Da lag die Baia de Guanabara. Entdeckt von den Portugiesen am 1. Januar 1502 oder 1504. Die Entdecker hielten die Bucht für die Mündung eines Flusses und nannten sie Januarfluss – Rio de Janeiro. Dort war auch Bernhard verschwunden.

Das Dreifachfahrwerk der DC-10 radierte über die Landebahn.

»Würden Sie bitte noch angeschnallt bleiben, bis die Maschine zum Stillstand gekommen ist? Von allen uns hier verlassenden Passagieren möchten wir uns verabschieden . . .«

So weit war Bernhard nicht mehr gekommen. Er war in die Guanabara-Bucht gesunken, ehe seine Stewardessen die letzte Ansage hatten machen können. Um seinetwillen war ich . . .Nein. Um seinetwillen war ich nicht hergeflogen. Ich hatte dieGRAUENVOLLSTEFLUGKATASTROPHE DES JAHRESdazu benutzt, in Rio Urlaub zu machen. Seit Frankfurt hatte ich versucht, Klarheit über meine Motive zu gewinnen. Während meiner letzten Schuljahre war Bernhard Strehlau mein Lehrer in Erdkunde und Geschichte gewesen. Seit damals waren mehr als zwanzig Jahre vergangen. Eines Tages war er aus dem Schulleben verschwunden, wie er vor einem knappen Vierteljahr endgültig aus meinem Leben verschwunden war. Damals, 1957, hatte es geheißen: >Ihr Lehrer, Bernhard Strehlau, verlässt unsere Schule schweren Herzens, weil er glaubt, seinen Traum vom Fliegen endgültig erfüllen zu können. Wie Sie vielleicht wissen, war unser Kollege Strehlau schon während des Zweiten Weltkrieges Pilot. . .<

Ich hatte es nicht gewusst.

Aber sein Lebenslauf begann, mich mehr und mehr zu faszinieren. Das lag in der Natur der Sache. Ich wurde Luftfahrtjournalist – >der bekannteste Fachmann für Luftfahrtangelegenheiten<, der in Deutschland jederzeit telefonisch erreichbar und bereit war,eher vorgestern als gesterneinen Artikel über ein akutes Thema zu schreiben,pilotenstress trotz Automatik?ZWANZIG SPORTFLIEGER-UNFÄLLE IN EINEM EINZIGEN MONAT? WIESICHER SIND UNSERE CHARTERFLUGGESELLSCHAFTEN?

Ich schrieb über alles. Übernotwasserung auf dem nordAtlantikundBruchlandung in den anden.Wenn bei Hamburg-Ütersen eine Piper-Schulmaschine der Bundes-Luftwaffe auf einer Marschwiese niedergegangen war, klingelte bei mir das Telefon genauso, wie wenn in Zentralafrika eine DC-10 deralitaliaentführt worden war:Hier,flug-revue,könnten Sie nicht rasch mal unseren Lesern erklären, weshalb. . .

Ich konnte immer. Ich verdiente eine Menge Geld damit, Deutschlands populärster Luftfahrtjournalist zu sein. Ich schrieb Testberichte über den seligenStarfighter,nicht, um zu beweisen, wie sicher, sondern wie unsicher er war. Ich war auch bei derConcordedabei, als sie, 1974, ihre Testflüge zwischen Casablanca und Rio absolvierte. Intern hatten ihre Testpiloten eine endlose Reihe haarsträubender Erlebnisse, aber die durften nie veröffentlicht werden. Schließlich wollte man die unselige Überschallmaschine endlich verkaufen. Nach der Landung waren die Statements genauso uniform und unglaubwürdig wie die der Politiker:

Nun ja, bei einem neuartigen Experiment gibt es immer. . .Wir werden immer, das garantiere ich Ihnen, alle Probleme. . .Schwierigkeiten? Wissen Sie, welche Schwierigkeiten Lindbergh vor seiner Atlantiküberquerung hatte? Er hat sie alle gelöst.

Bernhard Strehlau hatte sie nicht gelöst. Er war in die Bucht gestürzt. >Menschliches Versagen<, hatte das Urteil gelautet. Der Fall war abgeschlossen: Menschliches Versagen, das war eindeutig, da gab es keine Revision.

 

Wir rollten aus. Position drei; direkt am Terminal. Man stieg aus und ging zu Fuß. Kein Bus. Kein Fingersteig. Rio de Janeiro! Mitte November, morgens um sieben, im Hochsommer . . .

Als ich die wenigen Schritte durch die Morgenluft bis zum Eingang ging, holte ich tief Atem. Als ich zum erstenmal in Brasilien gewesen war, vor zwölf Jahren, da war die Luft noch rein gewesen: Gewürze, Ananas, Meeressalz. Jetzt war, schon weit außerhalb der Stadt, dasandereda, das uns in Europa so zu schaffen machte: Abgase, Abwässergestank. Luftverpestung. Freilich: die Prospekte hatten inzwischen lediglich ihre Farbqualität gewechselt: zum Besseren. Mit jeder Nuance zum Besseren hin hatte sich die Lebensqualität Rios verschlechtert. Aus der Richtung des Zuckerhuts wehte eine sanfte Brise einen infernalischen Gestank von Chemie herüber.

Nein, nicht vom Zuckerhut. Eine lange, gekrümmte Rauchfahne zog sich von dem jenseits der Bucht gelegenen Niteroi übers Wasser und über den Flughafen hinweg – gelb und schweflig. Von meinem Standort aus erweckte sie den Eindruck, als sei der Zuckerhut ein tätiger Vulkan.

Als ich den Zoll erfolgreich mit meinem Gepäck überwunden hatte und dem Ausgang zum Taxistand zustrebte, entdeckte ich eine alte Frau, die den Passagieren ein Pappschild mit meinem Namen entgegenstreckte. Enttäuscht, nicht Frau Strehlau selber zu treffen, raffte ich meine wenigen Portugiesischkenntnisse zusammen und gab mich zu erkennen.

Sie hieß Serafina und war die Haushälterin in Bernhards ehemaligem Stadtappartement, das mir Tamara Strehlau zur Verfügung gestellt hatte. Ihr runzeliges, uraltes Gesicht strahlte, als sie mich so rasch inmitten der drängelnden, aus dem Terminal quellenden Massen entdeckt hatte. Sie schien Mulattin zu sein. Unter ihrem rechten Auge trug sie eine tiefe Narbe. Ich schätzte, sie stammte schon aus ihrer Kindheit.

Der Brief, den sie mir aushändigte, während meine fünf Koffer im Taxi untergebracht wurden, trug die inzwischen vertraut gewordenen Schriftzüge Tamara Strehlaus. Ich hatte Bernhards Frau nur ein einziges Mal gesehen: vor zehn Jahren, als er mit ihr eine Urlaubsreise durch Deutschland machte und bei mir im Odenwald übernachtete. Sie war damals eine dunkelhaarige, grünäugige Schönheit gewesen – eine aparte Erscheinung. Jedermann beneidete den vierzehn Jahre älteren Bernhard um sie. Jetzt musste sie Anfang Vierzig sein; ich zweifelte nicht daran, dass sie nichts von ihren Reizen eingebüßt hatte. Aber dieser Aspekt des Falles Strehlau ging mich nichts an. »Porfavor, Senhor. . .«

Serafina stieß mich einfach mit dem Finger in die Rippen und lachte dabei. Ihre Haut mochte die Spuren eines rauhen Lebens tragen – ihre Augen leuchteten wie die eines Kindes. Sie deutete eindringlich auf den Brief, und ich öffnete ihn endlich.

 

Lieber Freund! Seien Sie nicht böse, weil ich Sie nicht selbst abhole. Unerwarteter Besuch aus Sao Paulo hindert mich daran. Außerdem kann ich mir vorstellen, wie zerschlagen man sich nach diesem mörderischen Flug aus Deutschland fühlt. Serafina wird sich bestens um Sie kümmern. Aber wenn ich Sie recht in Erinnerung behalten habe, sind Sie ein sehr eigenwilliger, selbständiger Mann, der nichts anderen überlässt, was er selber erledigen kann. Serafina steht zu Ihrer Verfügung; aber Sie können sie genauso gut für die ersten Tage beurlauben . . . Melden Sie sich, sobald Sie ausgeschlafen und Lust haben. Meine Nummer: 394-1788.

Ihre dankbare Tamara St.

 

Strahlend sah ich Serafina an.

»De me, por favor, a chave de casa?«

Sie händigte mir ein ganzes Bündel von Schlüsseln aus. Als sie umständlich und unverständlich die einzelnen Funktionen erklären wollte, schob ich sie sanft, aber unmissverständlich ins nachfolgende Taxi und machte ihr klar, dass ich sie für mindestens vier Tage entbehren konnte. Warum sollte eine altgediente Mulattin aus Bahia oder Belo Horizonte oder Ilheus nicht einmal bezahlten Urlaub genießen?

»Quarta-feira,Serafina?«

»Maravilhoso, senhorl«

Sie fand es wunderbar, dass sie erst Donnerstag wiederzukommen brauchte; ich ebenfalls.

Ich nannte dem Taxifahrer die Adresse: Avenida Atlantica 762; und als er anfuhr, atmete ich tief auf. Dieser Teil meines Unternehmens hatte mir bevorgestanden wie die Durchquerung der Intertropischen Front zwischen Dakar und Rio, auf Höhe des Äquators. Nichts hasste ich so sehr wie Gewitterdurchflüge und die Beschränkung meiner Freiheit!

 

Und dann hatte er mich wieder, der Wahnsinnsverkehr Rios! War er noch hektischer geworden? Das war mir damals unmöglich erschienen. Inzwischen waren Hochstraßen hinzugekommen, die über das Labyrinth der Hafengegend hinwegführten. Aber gleichzeitig hatte sich auch die Autozahl vervielfacht, und das Chaos war das gleiche geblieben. Wir brauchten genauso lang wie vor zwölf Jahren, um bis zur Avenida Presidente Vargas, der hundert Meter breiten Prachtstraße, zu gelangen.

Der Fahrer war ein Draufgänger, das waren alle Taxifahrer Rios. Aber er schien noch draufgängerischer als die anderen zu sein – bremste immer als letzter, fuhr als erster in eine imaginäre Lücke hinein, die erst zu einer wurde, wenn er schon drin war, trat stets kräftiger aufs Gaspedal als die übrigen, wenn es galt, einen Konkurrenten zu rammen. Der allerdings war inzwischen auch längst auf und davon, um wiederum einen anderen Konkurrenten zu rammen. Kurzum, noch vor der Rio Branco, der zweiten Prachtstraße Rios, war ich wieder mittendrin im Nahkampf aller gegen alle, in dem ein Auto erst dann als eingefahren galt, wenn es vom Kotflügel bis zur hinteren Stoßstange mit Beulen- und Schrammen übersät war. Nur eine deutsche Autobahn, nachmittags gegen fünf, war ihm ebenbürtig.

Und da waren sie dann wieder, die magischen Strände:

Flamengo, Botafogo und Leme und, natürlich, Copacabana. Inzwischen hatte sich die Regenwolkenschicht, auf der ichCristo Redentorhatte schweben sehen, aufgelöst. Die Morgensonne stand über einem strahlenden Strand, als wir auf die Avenida Atlantica und zu meinem Appartementhaus einschwenkten. Die tropisch-feuchte Salzluft, die gigantische Brandung, die prickelnde Hektik des Verkehrs hatten mich in genau den gleichen Rausch wie schon vor zwölf Jahren versetzt; ich registrierte das mit Befriedigung. Obwohl ich auf die Vierzig zuging, packte mich noch immer die gleiche kindliche Begeisterung, wenn ich fremde Städte und Landschaften sah. Es war noch immer die Leidenschaft für Tom Sawyer, Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi, Ben Hur und Livingstone, Jules Verne und den Grafen Zeppelin. Sie hatten mich seit meiner Kindheit nicht verlassen.

Natürlich entlohnte ich den Taxifahrer zu reichlich; ich hatte noch nie eine glückliche Hand mit Trinkgeldern. Ich gab stets zuwenig oder zuviel – und auch das noch in der falschen Reihenfolge.

Das Appartementhaus an der Avenida Atlantica hießCalifornia,hatte einen cremegelben Anstrich und war acht Stockwerke hoch. Ich wohnte im vierten; als der Fahrstuhl mich mit meinem Gepäck stöhnend emporschob, fühlte ich mich, trotz der totalen Erschöpfung, rundherum glücklich.

Nachdem ich mein Gepäck mühsam aus dem altmodischen Fahrstuhl mit dem glänzenden Messingschiebegitter gehievt und nach mehrmaligem Probieren den richtigen Schlüssel gefunden hatte, schloss ich auf.

Ich hatte vergessen, wem ich diesen Traumurlaub an der Copacabana zu verdanken hatte: Meinem alten Lehrer und Freund Bernhard Strehlau, der beim Anflug auf Rio am 13. Juni dieses Jahres verunglückt und durch Gerichtsurteil für schuldig befunden war, den Tod seiner 378 Passagiere auf dem Gewissen zu haben. Durch menschliches Versagen.

2

Im brasilianischen Sommer türmen sich über dem Bergland der Küstenregion Nachmittag für Nachmittag die Tropengewitter und schmettern ihre Stürme und Hagelschauer gleichermaßen überFavelasund Geschäftszentren hinweg.

Zwischen den Schlechtwettereinbrüchen terrorisieren eine unbarmherzige Sonne und eine Luft mit der Feuchte eines stündlich benutzten Waschlappens Taxifahrer und Touristen, Tankerbesatzungen, Straßenhändler und Mate-Verkäufer an den Stränden. Barfuß lassen sich die glühenden Avenidas zwischen den Hotels und den Sandbuchten nicht überqueren; auch der Sand selber lässt sich nur in Strandschuhen bewältigen.

Vor Ipanema, Leblon und Gavea heben sich graugrüne Inseln aus dem Atlantik, die während der Unwetter von sprühender Gischt, bei ruhigen Perioden von den Luxusbooten und Motorjachten aus Botafogo umtobt werden. Hinter den Wasservorhängen, die aus den Böenwalzen herunterwirbeln, dämmern sie dahin wie mythisches Urgestein, von einem brasilianischen Kyklopen geschleudert. Die schwarze, aufgerührte Luft grollt, wütet, tobt.

Von den Aufwinden und Thermikschläuchen lassen sich die Vögel hinauftragen: Fregattsegler, Sturmvögel, Rabengeier. Von der See her heulen die Jets heran – aus Dakar, Casablanca, Lissabon, von Las Palmas und Recife, Buenos Aires und Montevideo; und wer über Land sich Rio nähert, weicht so weit wie möglich zur Küste hin aus, wo die Gewitter weniger hochreichend und turbulent sind . . .

Ich hatte mich gerade mit einem Scotch in einen der rustikalen, äußerst bequemen Ledersessel sinken lassen, als das Telefon klingelte.

»Herr Ahlfs?«

»Hier Andreas Ahlfs, ja?«

»Ah, Sie sind schon da! Hier Tamara Strehlau. Gut angekommen, wie ich höre?«

Ihre Stimme war warm und faszinierend – wie sich das für die Frau meines verehrtesten Freundes gehörte!

»Ich sitze mit einem Whisky in der Hand am Fenster und schaue auf das Treiben der Copacabana. Die Brandung rauscht. Können Sie sie hören?«

»Warten Sie ... Ja, ich glaube. Schön, nicht? Wie gefällt Ihnen die Wohnung?«

»Ausgezeichnet! Ein Traum!«

»Bernhard hat sie geliebt. Ich weiß das, obwohl ich kaum jemals dort gewesen bin . . .«

Sie wohnte in einem Landhaus auf Ilha de Paqueta, einer romantischen Insel in der Guanabara-Bucht. Bernhard hatte sich dieses Appartement an der Copacabana gemietet, weil er zwischen zwei Flügen oft weniger als zehn Stunden Zeit hatte. Zuwenig, um mit der Fähre die Zweistundenfahrt zur Ilha zu riskieren. Schließlich galt die Zeit zwischen zwei Santiago-Flügen als Ruhezeit.

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir diese TraumWohnung . . .«

»Ich bitte Sie! Sie werden erschöpft sein.Cansado. . .«

»Ja, total. Aber ich melde mich, sobald ich . . .«

»Bitte . . .«Ihre Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens, das seine Wünsche für den Weihnachtsmann aufgibt. »Sie werden mir helfen, nicht wahr?«

»Deshalb bin ich hergekommen«, antwortete ich hölzern. So schlagartig konnte die wundervollste Urlaubsstimmung verwehen.

Und das war es dann. Als sie aufgelegt hatte, blieb ich so total verwirrt zurück wie ein Analphabet, der eine Seite Schönschrift versprochen hat.

Die Richter hatten Bernhard Strehlau für schuldig am Tod von 378 Passagieren befunden. Daran war nicht zu rütteln. Ich hatte nur ein einziges Gegenargument:

Ich glaubte nicht an Bernhards Schuld.

Mitten in der Nacht wachte ich auf: ein Uhr dreißig südamerikanischer Zeit. Halb sechs Uhr morgens im Odenwald. In dieser Jahreszeit pflegte ich da in die Pilze zu gehen; nichts schmeckte mir im Spätherbst so gut wie Steinpilze oder Maronen.

An der Copacabana gab es keine Steinpilze – nur Dodges und Chevrolets, auch nachts um halb zwei. Die Brandung sprühte bleiern im Halbmondlicht. Um weiter zu schlafen, goss ich mir einen tüchtigen Scotch ein; er half nicht. Statt dessen wurde ich nur noch wacher und inspizierte zum erstenmal meine Behausung.

Frau Strehlau hatte mir durch Serafina weiße Rosen in die Zimmer stellen lassen; ich nahm sie erst jetzt bewusst wahr. Was ich ebenfalls am Tag vorher gedankenlos registriert hatte: In Bernhards ehemaligem Stadtappartement gab es noch immer private Dinge von ihm, die Frau Strehlau nicht entfernt hatte. Zum Beispiel ein handgeschnitztes Holzregal voller schöner Bruyere-Pfeifen. Einen Batterie-Plattenspieler mit einem Stapel Jobim-Platten. Einen guten Meter an Büchern. Ich musste ganz schöncansadogewesen sein, dass mich das alles nicht in Erstaunen versetzt hatte. Die beiden Wohnräume standen, leicht gegeneinander verschoben, ohne Türtrennung offen miteinander in Verbindung. Beide hatten Ausblick auf die Copacabana, genauso wie das Schlafzimmer, das ich mir aus den drei zur Verfügung stehenden ausgewählt hatte.

Im größten Wohnraum stand ein riesiger Schreibtisch aus brasilianischem Edelholz. Wie die ganze Wohnung sah auch er so aus, als sei er eben noch benutzt worden. Dabei war es jetzt genau vier Monate her, dass Bernhard ums Leben gekommen war. Die Unfallkommission hatte mit für brasilianische Verhältnisse ungewöhnlicher Schnelligkeit gearbeitet, um zum Urteilsspruch zu kommen.

Auf dem Tisch stand eine riesige Stehlampe, ein seltener Glücksfall von geschmackvoller Gestaltung. Wer oft in Luxushotels amerikanischer Prägung unterwegs ist, kann ein Klagelied davon singen. Der Betonfuß unter dem weit schwingenden Leinenschirm sah aus, als sei er von Miro stilisiert worden. Der Tisch war übersät mit abgegriffenen Exemplaren dernational geography,ein paar dünnen Aktenordnern mit internen Flugbetriebsanweisungen und einem halben Dutzend alter Exemplare vonsternundSpiegel.

Die Wohnräume waren spärlich, aber geschmackvoll möbliert mit rustikalen Ledersesseln und alten, schweren Schränken mit verrosteten oder oxydierten Verschlägen, Scharnieren und Schlüsseln. So stellte ich mir die Einrichtung einer Fazenda im Mato Grosso vor.

Es hätte mich nicht überrascht, in den Schränken noch Kleidungsstücke zu finden. Sie waren leer; aber ich fragte mich, weshalb Frau Strehlau die offensichtlich persönlichen Dinge so betont an ihrem Platz gelassen hatte. In einer der beschlagenen Schubläden fand ich mehrere Mappen mit Aufzeichnungen. Auf den ersten Blick Tagebuchnotizen. Ich blätterte sie flüchtig durch und entschloss mich dann, alles für später aufzuheben. Mein Gehirn lief noch sehr träge wie in dickflüssigem Öl; und eigentlich war ich zur Zeit mehr an einem ordentlichen Drink und an einer kalten Platte interessiert als an der Klärung jenes Problems, das vor vier Monaten Schlagzeilen gemacht hatte:

KATASTROPHE IN RIO. ABSTURZ IN DIE GUANABARA-BUCHT. DER SCHWERSTE JUMBOUNFALL DES JAHRZEHNTS. KEINE ÜBERLEBENDEN.

Jetzt konnte ich mir eine derart nonchalante Betrachtungsweise leisten. Schock und Schrecken hatte ich voll ausgeschöpft. Bernhard Strehlau war einer der ganz wenigen Männer auf dieser Welt gewesen, die ich vorbehaltlos verehrte und bewunderte.

Ich öffnete den überdimensionalen Eisschrank.

Was hier so brandneu und verschlossen stand, konnte nicht von ihm stammen. Dazu war er auch ein zu genialer Alkohol Verwerter. Tamara Strehlau hatte nicht nur mit dem einheimischen Montilla-Rum und Lizenz-Campari auffüllen lassen, sondern auch mit Bourbon und schottischem Whisky und, als überraschende Nuance, mit einer viereckigen Flasche irischem. Immerhin hatte sie von meiner Vorliebe nur durch ihren kurzen, weit zurückliegenden Besuch erfahren.

Damals hatte Bernhard sie gerade geheiratet; er war sozusagen auf Hochzeitsreise gewesen.

Mit der torfbraunen Flüssigkeit und den klirrenden Eisstücken im Glas fand ich, vom Balkon aus die nächtliche Copacabana überblickend, das Leben so schlecht nicht. Mein Lieblingswhisky, die Erschöpfung nach dem Langstreckenflug und die prickelnde Brandung mit der jodhaltigen Luft versetzten mich in eine Stimmung, wie ich sie im tristen Mitteleuropa lange nicht mehr verspürt hatte.

Er hatte einen ganz normalen Anflug gemacht. Er kam bei Nacht aus Lissabon;und während des Instrumentenverfahrens zog sich eine tiefe Stratusschicht über den Platz,in einhundertundfünfzig Meter Höhe. Das war kein Problem,denn das Wetterminimum,bei dem man die Wolken durchstoßen haben musste,lag bei einhundert Metern. Der Flugschreiber,der aus der Bucht geborgen wurde,zeigte dann im letzten Viertel des Anflugs als Höhenaufzeichnung einen jähen Knick nach unten: Strehlau hatte die Maschine steil angedrückt und war aufs Wasser auf geschlagen, keinen Kilometer von der Landebahn entfernt. Technische Störungen? Keine feststellbaren. Fehlanzeigen des auf dem Platz installierten Instrumentenlandesystem-Senders? Alle vorher und nachher landenden Flugzeuge hatten keine Anormalitäten festgestellt. Explosionen, Brände an Bord? Keine.

Ich trank meinen Irischen, beschloss jedoch, der Atmosphäre halber grundsätzlich auf brasilianische Getränke umzusatteln. Es gab ausgezeichneteVinhos de Mesa.

Aber Bernhards Frau hatte noch eine weitere Überraschung parat. Im Rosenstrauß, der auf dem Schreibtisch stand, hing ein winziges Kärtchen:Ich stelle Ihnen meinen alten Karmann Ghia zur Verfügung. Keine Angst, es ist nicht der alte lahme deutsche, sondern ein rassiger Brasilianer. Er steht vor der Tür auf dem Bürgersteig. Sie müssen beweglich sein!

Dazu zwei Schlüssel.

Als ich mir diese Angelegenheit durch den müden Kopf gehen ließ, seufzte ich – trotz aller Begeisterung über den ausgezeichneten Service. Ich geriet immer tiefer in Verpflichtungen hinein, zu denen ich gekommen war wie die Jungfrau zum Kind. Begonnen hatte mein brasilianisches Abenteuer mit einem Beileidsbrief an sie, voller Phrasen, die nur mühsam meinen Schock verbergen konnten. Als Luftfahrtjournalist berichtete ich in mehreren deutschen Leitungen über den Fall, so gut und schlecht, wie es mit den üblichen Statements möglich ist. Als das Urteil verkündet wurde, war ich zunächst betroffen, dann empört. Ich beging den folgenreichen Fehler, Frau Strehlau meine Empörung mitzuteilen. Sie hakte mit Überschallgeschwindigkeit ein; sie glaube, nein, sie wisse ebenfalls, dass ihr Mann niemals durch eigenes Verschulden eine derartige Katastrophe auf diese Art verursacht haben könne. Und ob dieser Fall, abgesehen von meinem persönlichen Anliegen, nicht auch für einen engagierten Journalisten eine – wie sage man? – Bombe mit Zeitzünder sein könne? Für alle Kosten in Rio würde sie aufkommen . . .

Als diese Art von Briefen, drei insgesamt, auf meinem Schreibtisch landete, durchlebte ich wieder einmal eine von jenen Krisen, die mich um so öfter befielen, je erfolgreicher ich als Luftfahrtjournalist wurde. Es war, natürlich, Herbst. Ich hatte Katzenjammer wie nach einer äonenlangen Party. Krisen und Kriege pflegen im Herbst anzufangen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt versuchte ich, meine Karteikarte zu wechseln. Darauf stand beeindruckend in Großbuchstaben:

ZUSTÄNDIG FÜR ALLE LUFTFAHRTANGELEGENHEITEN.ÜBERDURCHSCHNITTLICHEFachkenntnisse.Aber darunter stand eine Menge Kleingedrucktes:Nicht zuständig für Lyrik, Belletristik, Philosophie und Psychologie. Etc., etc., etc.

Ich schenkte mir einen zweiten Irischen ein, randvoll. Der Mond warf bleierne Reflexe auf die Wellen. Die letzten Autos zuckelten über die Avenida heimwärts.

In unserer Welt, in der das Spezialistentum regiert, muss jede auch nur zweiseitige Begabung suspekt erscheinen. Eine Zeitung engagiert einen Reisefachmann, der über Mallorca, einen Musikspezialisten, der über die neueste Karajan-Aufführung der Eleonoren-Ouvertüre, eine emanzipierte Frau, die über die Rechte der jungen, dynamischen Mütter schreiben soll. Undenkbar, dass der Mallorcamann über Familienprobleme, der Karajan-Mensch über seine Erlebnisse auf Mallorca berichtet! Man kann dem Herrgott der Publizisten danken, dass man überhaupt mit einer Karteikarte im strapazierten Bewusstsein der Redaktionen und Verlage existiert. Deren Schematik auch noch durch Zweideutigkeiten wie Mehrfachbegabungen oder -interessen gefährden? Wer hat dafür noch Zeit?

Als Student hatte ich meinen ersten Lyrikband veröffentlicht. Er hatte eine für eine Gedichtsammlung beachtliche Verkaufsziffer aufzuweisen. Leben konnte man davon trotzdem nicht; so wurde ich Fachidiot. Solange ich als solcher noch keinen Namen hatte, gingen auch meine literarischen Kurzgeschichten noch gut. Die damaligen Koryphäen lobten sie; und ich hatte zwar kaum Geld, dafür aber einen Namen, der die Hoffnungen in die junge deutsche Literatur zu erfüllen schien.

Nachdem ich die ersten aufsehenerregend unkonventionellen Berichte über Luftfahrtshows in Farnborough und Paris, über den Absturz einer Tupolew 144 und die Hintergründe einer Notwasserung im Pazifik geschrieben hatte, machte ich mir das Vergnügen, noch einmal einige meiner früher hochgelobten Gedichte und Storys zu veröffentlichen.

Ein gelungener Gag!

Inzwischen namhaft gewordene Literaturapostel, die zur Zeit meiner ersten Druckerzeugnisse sozusagen noch in die literarischen Windeln geschissen hatten, rieten mir gönnerhaft, keinesfalls feindselig, doch bei meinem Leisten zu bleiben. Das Philosophieren, die Zivilisationskritik, von der Lyrik ganz zu schweigen – das alles solle ich getrost den dafür Zuständigen überlassen. Die würden das bestens erledigen. Im übrigen sei mein Bericht über einen Napalmangriff im Sinai die großartigste journalistische Leistung, die ihnen jemals zu diesem Thema begegnet wäre. Da läge meine Stärke. Amen.

Köstlich!

Während ich auf einem der drei Balkons stand, die Bernhards Appartement aufwies, versuchte ich sozusagen, durch derartige Rückerinnerungen mein Hiersein zu entschuldigen.

Wieder einmal war ich in eine Falle gegangen, gestellt von der Hoffnung, aus meiner Karteikarte ausbrechen zu können. Mein Bericht über den vor kurzem zu Ende gegangenen Pariser Luftfahrtsalon und den sensationellen Rekordflug eines militärischen Überschallbombers um die Erde hatte mich auf den Höhepunkt meiner Karriere katapultiert. Stürzte irgendwo auf der Erde ein Airliner katastrophenträchtig genug ab, klingelte bei mir von frühmorgens bis spätabends das Telefon. Keine vierundzwanzig Stunden nach dem Unfall wollte man meine Meinung über die Ursachen hören. Mein Wort in Ikarus' Ohr. An Honorar konnte ich längst verlangen, was ich wollte.

Wenn ich nur wollte.

Statt dessen wollte ich gleichzeitig mit meinem Atombomber-Weltflug-Report ein dreizeiliges japanisches Gedicht drucken lassen. Ein Haiku, das vor zwanzig Jahren bei der Erstveröffentlichung mit einer großen Reproduktion des Malers Chang Dai-Chien eine ganze Seite im Wochenend-Feuilleton von Deutschlands namhaftester Zeitung abgegeben hatte. Und natürlich, da kamen die üblichen vorgedruckten Antwortschreiben zurück . . .gewiss ausgezeichnet, leider für Jahre Platzmangel, kein Werturteil, um Himmels willen nicht. . . etc.Köstlich, wiederum. Keine der Redaktionen kam auch nur auf die Vermutung, dass der Name des Lyrikers und der jenes teuren Journalisten, den man eben noch so flehentlich um Mitarbeit gebeten hatte, identisch sein könnten.

Und da war sie dann wieder, meine Illusion, auf dem Balkon über der Avenida Atlantica, nachts um zwei – nicht totzuschlagen! Wieder die Chance, vom reinen Vordergrund der Facts wegzukommenund die ganz große Reportage über die menschlichen Hintergründe zu bringen.Weshalb hatte man für die Katastrophe des Jahrzehnts einen Piloten wegen menschlichen Versagens verantwortlich gemacht – einen der fähigsten unter allen Fliegern, die ich kannte?

Und ich kannte eine ganze Menge.

Unter den Büchern, die im Zimmer standen, entdeckte ich eine bibliophile Kostbarkeit: das erste deutsche Buch, das über Brasilien erschienen war. Ein Bericht des hessischen Chronisten Hans Staden:Wahrhaftig Historia und Beschreibung einer Landschaft der wilden, nackerten, grimmigen Menschenfresser, Leuten, in der Neuen Welt gelegen.1557 gedruckt.

Darunter fand ich einen Sammelprospekt des Versandhauses Breher Ltda., der es mit jedem Neckermann-Katalog hätte aufnehmen können.

Die Spezialitäten, deren sich die Breher Ltda., Rio de Janeiro, Niteroi, Sao Paulo, Brasilia, rühmte, lagen auf dem Sektor des Kinderspielzeugs. Das Versandhaus war die erste Firma Südamerikas, die Nürnberger Spielzeug (original aus der Bundesrepublik Deutschland) nicht nur importierte, sondern auch über den Versandhandel anbot.

Da gab es, original verpackt (es ging auf Weihnachten zu), holzgeschnitzte Hirten- und Christkindfiguren, Weihnachtsställe (A-7250 bis A-7283), Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge und Maria und Josef aus Oberammergau. Alles, was ein altes Urgroßmutterherz an die einst verlassene Heimat zurückerinnern lassen konnte. Und die Standardartikel: Kuckucksuhren, Zinnsoldaten, Holzlokomotiven. Und dazwischen auch, unaufhaltsamer Fortschritt, viel Plastik. Soldaten der modernen brasilianischen Armee, Modelle von Luftwaffenbombern des Zweiten Weltkriegs: Ju-88, He-111 (noch immer alsBlitzbomberim Katalog angepriesen), die sagenhafte Ju-52. Als Transporter für (sehr naturgetreu) Fallschirmjäger, Kranke, tödlich und realistisch Verwundete, Granatennachschub für Stalingrad.

Ich blätterte gedankenverloren im Katalog. Welch ein Gegensatz zwischen dem alten Brasilien und dem der Breher-Versandhaus-Ltda.! Als die ersten französischen Entdecker bei Cabo Frio, nördlich von Rio, an Land gingen, stießen sie auf Gruppen von Wilden. Die Tuupinambaults allerdings nahmen sie freundlich auf. Schwärme von Papageien zogen über das ankernde Schiff hinweg. Von Cabo Frio aus fuhr man in die Bucht ein, die von den EingeborenenGanabara,von den PortugiesenGeneuvregenannt wurde, weil sie von ihnen im Januar gefunden worden war.

Jetzt waren andere dabei, das Land zu erobern: die Breher Ltda.

3

Am nächsten Morgen wachte ich gegen elf Uhr auf.

Jetzt war ich endlich wieder voll da. An das Intermezzo der vergangenen Nacht vermochte ich mich kaum noch zu erinnern. Kein Wunder – der Blick auf den Strand, die Gischt und den azurblauen Himmel verscheuchte jeden Rest von Melancholie.

Ich kochte mir einen starken Kaffee; die Küche war bestens ausgerüstet. Keramiktassen, frischer Brasilkaffee – Tamara Strehlau hatte an alles gedacht. Oder durch Serafina denken lassen. Das Wasser entnahm ich einem Emaillebehälter, der an einen Filter angeschlossen war.

Mit einer dampfenden Tasse setzte ich mich auf einen der Balkons und sah dem Treiben am Strand zu. Vor meinem Haus lief ein breiter Fußgängerstreifen, der mit wellenförmigen Mosaikmustern versehen war. Hier parkten abends die Wagen der Appartementbewohner. Auch meinen zukünftigen Ghia sah ich darunter – karminrot.

Dahinter folgten drei Fahrspuren – für die Richtung nach Süden. Dann ein Inselstreifen. Dann drei Spuren in nördlicher Richtung. Dann wieder ein mosaikgeschmücktes Trottoir. Dann kam der Sandstrand, breiter als sechs Fahrbahnen plus Fußgängerinseln zusammen. Endlich die Brandung. Immer dreimannhoch. Ich hatte sie noch nie anders gesehen.

Die Sonne stand fast senkrecht über der Bucht. Schon seit Stunden. Im Odenwald fegten jetzt wahrscheinlich die Herbststurmwirbel die letzten Blätter von den Ästen. Zur Linken wurde meine Aussicht begrenzt durch einen Berg, der wie eine Miniaturausgabe des Zuckerhuts aussah. Dort endete der Strand, der zum Schluss nicht mehr Copacabana, sondern Leme hieß. Hinter dem Berg stand dann, das hatte ich noch in Erinnerung, der echte Zuckerhut; dahinter begann die Botafogo-Bucht. Zur Rechten gab es, weiter entfernt, ähnliche Bergbegrenzungen. Dort ging die Copacabana über in die nächste Bucht: Ipanema.

Auf dem Ozean vor mir dampften Tanker schwarzrauchig in die Bucht, die die portugiesischen Seefahrer einst für einen Fluss gehalten hatten. Seltsamerweise legten sie hier nie eine Niederlassung an. Auch Martim Afonso de Sousa fuhr weiter. Erst die Franzosen besetzten erstmals die Guanabara-Bucht und verbündeten sich mit den Tamoyo-Indianern. Sie wollten von hier ausLa France Antarctiqueschaffen.

Ein U-Boot der brasilianischen Marine fuhr aus. Von meinem Balkon glaubte ich erkennen zu können, wie die Mannschaften, schon weit außerhalb der Bucht, noch immer auf dem Deck angetreten standen. Ein U-Boot-Jäger, eineneptun,flog Scheinangriffe. Oder Schein-Verabschiedungsflüge, was auch immer.

Die Portugiesen kämpften fünf Jahre, um die Franzosen zu vertreiben. Endgültig. Manuel da Nóbrega siegte dadurch, dass er ihnen die Tamoyos abspenstig machte. So blieb Südbrasilien portugiesisch und katholisch!

Als die ersten Reklameflugzeuge die Copacabana abzufliegen begannen, wurde mir klar, dass Sonntag war. Ich kannte diese Sportflugzeuge, die Banner zogen, schon von meinem letzten Besuch her. 1565 gründeten die Portugiesen endlich mal die Ansiedlung Sao Sebastiao in der Nähe des Zuckerhuts. Die Keimzelle der heutigen Stadt. Erst einhundertundfünfzig Jahre später versuchten die Franzosen wiederum, sich der Stadt zu bemächtigen. Beim zweitenmal siegten sie sogar noch, begnügten sich jedoch mit einer Plünderung und einem diskutablen Lösegeld.

Jetzt sah ich auch den Zeppelin.

Er kreuzte – ja, er kreuzte wie ein Luxusschiff – über die Bucht hinweg. Er war nichts als ein Reklameblimp, wenn auch größer als die bisher üblichen. Er erinnerte mich fast an diehindenburg,die ich einmal gesehen haben musste. Nein, es war diezeppelin,und ich war höchstens drei Jahre alt gewesen. Ich wusste überhaupt nichts davon, außer aus den Schilderungen meiner Eltern, die beschrieben, wie sie mich auf dem Arm gehalten hatten, als das technische Weltwunder tief und riesig vorbeibrummte. Und jedes Mal, wenn sie mir später, in den fünfziger Jahren, davon gesprochen hatten, glaubte ich das mysteriöse Geräusch der Dieselmotoren wiederzuhören. Es war in mir eingeprägt wie die Erinnerung an eine Grimmsche Schwanenjungfrau.

Und jetzt, als der Reklameblimp vorbeischwebte, kamen diese Erinnerungen zurück. Freilich: dieses Luftschiff hatte ein handfestes Anliegen. Es war vollgestopft mit elektronischen Tricks. Wie ein Farbleuchtband liefen an seiner fülligen Seite Botschaften ab, die alle das eine verkündeten: Man warb für die Produkte der Firma Breher Ltda.; und sie waren, wie konnte es anders sein, die besten auf der südlichen Erdhalbkugel.

Ich ging zurück, um Kaffee nachzuschenken; und dabei klingelte das Telefon. Tamara Strehlaus Stimme schien etwas dunkler geworden zu sein und vibrierte sanft, als striche eine Meeresbrise über weiche Wollgrasfelder.

»Ich habe Sie hoffentlich nicht im Schlaf gestört?« »Keinesfalls! Ich hatte gerade meine Nervenenden wieder zusammengeknotet und den ersten Gehirngang eingelegt. Nimmt einen Kurzstreckenreisenden ganz schön mit – so eine Äquatorüberquerung!«

»Dann habe ich richtig kalkuliert. Bernhard pflegte um diese Zeit auch immer wieder ganz da zu sein, wenn er aus Europa zurückkam.«

»Hat er immer erst hier übernachtet, ehe er nach Hause fuhr?«

»Nur nach langen Flügen. Oder zwischen zwei kurzen, wenn sich die Fährfahrt nicht lohnte. Tut mir leid, dass ich Sie nicht abholen konnte. Serafina hat mir schon berichtet, dass Sie ein sehr selbständiger Mann sind. Gefällt Ihnen die Wohnung?« »Großartig. Insbesondere der Kühlschrank!«

»Freut mich, dass er nach Ihrem Geschmack ausgestattet wurde.«

»Den Ghia habe ich noch nicht benutzt. Ich muss erst mal den Verkehr aus der Fußgängerperspektive studieren. Ich fürchte, mir steht ein etwas mühsamer Akklimatisationsprozess bevor !«

»Lassen Sie sich Zeit! Wann darf ich Sie erwarten?«

Ich überlegte. So rasch, so gern ich Tamara Strehlau Wiedersehen wollte, sosehr sträubte ich mich gegen neue Verpflichtungen. Ich redete mir immer noch ein, ich sei lediglich nach Rio gekommen, weil ich seit einem halben Leben auf diesen Urlaub gespart hatte. Durch das Akzeptieren von Wohnung und Auto hatte ich mir schon die ersten Fesseln angelegt.

»Ist Ihnen morgen Nachmittag recht?«

Ich spürte ihre Enttäuschung.

»Natürlich! Gegen halb vier? Nehmen Sie die Fähre um halb zwei, dann hole ich Sie hier ab.«

»Gern. Heute fühle ich mich einfach noch nicht. . .«

»Also gegen halb vier. Ich freue mich . . . zur Praca 15 de Novembro nehmen Sie am besten den Bus. Mit dem Wagen dauert es länger, und Sie finden keinen Parkplatz.«

Ich spürte das Bedürfnis, noch ein paar persönliche Worte über den traurigen Anlass unseres Wiedersehens oder eine Frage nach ihrem Befinden zu äußern; aber nach kurzer Verabschiedung legte sie auf. Sie schien kein Freund konventioneller Gepflogenheiten zu sein und die Probleme nüchtern und sachlich anzugehen.

Dieser erste Tag verging in köstlichem Nichtstun. Das war sonst nicht meine Art; hier aber drängte es sich angesichts der Laissez-faire-Atmosphäre des Vergnügungsstrandes geradezu auf. Am Nachmittag ging ich selber hinüber an die Brandung, die sich erst drei Meter vor dem endgültigen Erlöschen in voller Höhe auf den Strand warf. Niemand an der fünf Kilometer langen Bucht zwischen Ponta do Leme und Ponta do Arpoador schien im Wasser zu sein. Natürlich konnte ich nur einen Bruchteil überblicken; aber wie ich das anonyme Heer der Sonnenanbeter kannte, würde es anderswo nicht anders sein als bei mir in Leme.

Ich stellte mich mit dem Rücken zur Brandung und blickte die ganze gewaltige Fünf-Kilometer-Häuserfront entlang. Wie Vampirzähne hoben sich aus dem blitzenden Gebiss der Avenida rechts und links zwei Wolkenkratzer im Rohbau. Die nächste Generation von Hotelbauten kündigte sich an, und eines Tages würde auch sie wieder überholt sein. Vor den gigantischen Bauwerken nahm sich die höchstens zehn Geschosse hohe Avenida-Front genauso bescheiden aus wie die Favelas der Hügel gegenüber den darunter liegenden Vorortreihenhäusern. Und hinter der Szenerie menschlicher Behausungen hoben sich die runden Zuckerhüte der urwaldbewachsenen Berge. Der imposante Anblick, die Urgewalt der Brandung, die prickelnde Brise, die senkrecht herabstechende Sonne, der Trubel des Strandes und die Kakophonie der Autostraßen – all das machte mich sofort wieder geradezu süchtig. Berauscht vom Rio-Fieber, schienen mir alle Probleme, die ich mir unvorsichtigerweise aufgehalst hatte, lösbar.

Da die späte Nachmittagsstunde gleichzeitig die Stunde meiner höchsten geistigen Aktivität ist, setzte ich mich in eines der zahlreichen Straßencafes und bestellte nach alter Gewohnheit einen Cafezinho, dazu einen Apéritif Raphael, der in Brasilien, genauso wie Cinzano, Campari und Martini, in Lizenz hergestellt wird. Der Kellner hieß Jorge; und da mir sein uraltes Gesicht gefiel (er hätte der Mann Serafinas sein können), beschloss ich von vornherein, hier stets meine geistigen fünfzehn Nachmittagsminuten zu verbringen.

Übers Mosaiktrottoir flanierte die Creme derjeunesse feminine:schmalhüftige Brasilianerinnen mit breitem Gesäß, englische, deutsche oder amerikanische Töchter der Millionärsehepaare, Appartementbewohner wie ich, Andreas Ahlfs, der ein fluktuierendes Monatseinkommen von fünftausend brutto hatte – und meistens fluktuierte es nach unten. Auch die nicht auszurottenden obligatorischen amerikanischen Witwen waren darunter, wie überall in der Welt mit grellen Farben, verkalkten Leichengesichtern und flatternden Teenager-Fähnchen.

Ich bestellte einen Raphael nach. Die Sonne war jetzt hinter den Bergen verschwunden; die Promenade quoll über von Schönheiten und solchen, die sich dafür hielten. Der Blimp war wieder da und zog parallel zum Strand dem unsichtbaren Zuckerhut und der Guanabara-Bucht zu.

Eigentlich hatte ich meine ganze Hoffnung auf Bodmer gesetzt. Bodmer war stellvertretender Chefredakteur deraviation internationale,das heißt, der deutschen Ausgabe dieser berühmten internationalen Luftfahrtzeitschrift. Als Stellvertreter hockte er mehr oder weniger Tag und Nacht am Schreibtisch, während der, den er vertrat, in der großen weiten Welt umherschwirrte.

»Allmählich wirst du größenwahnsinnig!« hatte er meine Pläne kommentiert. »Einen derartigen Lustflug auf unsere Kosten kannst sogar du dir nicht leisten. Du müsstest uns schon garantieren, dass einimmenser amountan Sensation darin steckt!«

Immenser amountwar damals ein Lieblingsausdruck von ihm. »Aber dich nach Rio schicken, bloß damit du an seinem Kapitänsgrab ein bisschen darüber sinnieren kannst, dass du ihm eigentlich kein Verschulden zutraust? Zieh mal die Reißleine und komm aus der Stratosphäre zurück auf die Erde! Mit beiden Beinen, bitte!«

»Und wenn ich dir deinen verdammtenimmensen amountdoch noch liefere?« fragte ich, wütend, weil er recht hatte. Bodmer räkelte sich hinter seinem Mahagoni und lächelte maliziös. »Oh! Dann zeigen wir uns großzügig wie immer! Wenn's ein Knüller ist, ersetzen wir dir alles: Flug Erster Klasse, Aufenthalt und Spesen. Und ein fürstliches Honorar, du kennst uns. Wir lassen uns nicht lumpen, hinterher!« »Erinnert mich verdammt an die erste Ost-West-Atlantiküberquerung mit Kohl, von Hühnefeld und Fitzmaurice, neunzehnhundertundachtundzwanzig!« sagte ich.

»Ja, bitte?« sagte er, schon geistesabwesend in einer Mappe mit Aufnahmen des neuesten Kampfhubschraubers dernatoblätternd.

»Kohl war Pilot der Deutschen Lufthansa. Die distanzierte sich sofort von ihm, als sie von dem waghalsigen Unternehmen erfuhr. Kohl musste, du weißt das, bei Nacht und Nebel mit seiner Junkers W-33 verschwinden.«

»Na ja, bei Nacht und Nebel nicht. . .«

»Aber als dann die spektakuläre Überquerung gelungen und auch Kohl in New York einen triumphalen Empfang erlebt hatte, da konnte die Lufthansa gar nicht plump genug herausstreichen, dass er ja schließlich ihr Pilot sei.«

»Ja, genau!« kommentierte Bodmer, der Unmensch. »Und so machen wir das hier auch! Zu deinem Glück! Sonst wären wir innerhalb von drei Monaten pleite – und wer sollte dann noch deine Döntjes drucken?«

»Ich gehe zurflug-revue!«sagte ich – von Diplomatie und Geldmachen hatte ich noch nie etwas begriffen.

»Gute Idee!« lobte er. »Die zahlt dir auch keinen Pfennig im voraus für deine Schnapsidee – und davon dann sogar nur die Hälfte!«

Und das war es dann.

Es gab eigentlich nur einen einzigen Satz Bodmers, der mir Mut machte und mich darin bestärkte, ich könnte einen Traumurlaub an der Copacabana endlich mal gebrauchen.

»Aber wenn wirklich was dahinter steckt an Explosivstory... mit Vertuschung und Untersuchungsbehinderung durch die brasilianischen Behörden und so... Wenn du beweisen kannst, dass der erfahrenste Südatlantikpilot seit Saint-Exupéry unschuldig am Tod von 378 Passagieren und 14 Besatzungsmitgliedern ist... Wir lassen uns nicht lumpen... Und das käme dann auch in die französische, englische, italienische und spanische Ausgabe.«

Trotz der erregendsten Show schlanker Fesseln, wackelnder Hüften und Pos seit langer Zeit nahm meine Bedrückung sprunghaft zu, als meine Erinnerung jetzt automatisch auf Tamara Strehlau schaltete.

Obwohl ich keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass ich ganz privat und aus persönlichen Gründen zu ihr kam, schien sie vom ersten Briefwechsel an davon überzeugt, ich hätte frappierende Beweise für Bernhards Unschuld in der Hand und suchte nur noch nach dem letzten missing link in der Kette. Oder wusste sie selber mehr, als ich bisher erfahren hatte? Hatte sie mich als ihren genialen Privatdetektiv angestellt, der nach Fernsehkrimimanier in höchstens eindreiviertel Stunden die fertige Lösung auf den Bildschirm packte? Oder war ich der allerletzte Strohhalm, an den sie sich klammerte? Ich sah meiner Begegnung mit ihr entgegen wie ein Abiturient, der sich zuviel zugetraut hat.

4

Am nächsten Tag war ich wieder ganz der alte. Selbst das Ohrenrauschen, das bei mir die geringste Erschöpfung ankündigte, war verschwunden.

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