Der verratene Himmel - Rudolf Braunburg - E-Book

Der verratene Himmel E-Book

Rudolf Braunburg

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Beschreibung

Sommer 1944 an der polnisch-russischen Front. Das letzte Aufgebot der deutschen Jagdflieger wird in die hoffnungslose Endphase des Luftkriegs geschickt: junge Männer, der Schulbank kaum entwachsen. Sie haben das ganze Leben noch vor sich und jede Sekunde den Tod vor Augen. Fliegen aus Leidenschaft und Idealismus – Sterben "für Führer, Volk und Vaterland". Michael Braack ist einer dieser jungen Männer, in deren Gesichtern das Grauen des Krieges seine Spuren hinterlassen hat – einer jener verratenen Generation, die um ihre Jugend betrogen wurde. Auch er ist ein begeisterter Flieger, doch aus seiner Liebe zum Fliegen wird im blutigen Alltag der Alarmstarts und Abwehrschlachten gegen die Übermacht der alliierten Bomberverbände der unheroische Kampf ums nackte Überleben. Seine Kameraden schießen den anonymen Gegner ab, um nicht selbst abgeschossen zu werden, ja, einige von ihnen brüsten sich sogar – aus Verzweiflung oder Verblendung – ihrer Siege und Auszeichnungen. Für sie ist Braack, der sich dagegen wehrt, den längst überfälligen Abschuss zu "liefern", ein verdächtiger Außenseiter – schon seine zukunftslose Liebe zu der Luftwaffenhelferin Maryla, die trügerische Idylle in den masurischen Wäldern, ist Verrat in einer Männerwelt, in der der Einzelne zur Tötungsmaschine reduziert wird. Rudolf Braunburg, der selbst als Zwanzigjähriger Jagdflieger an der Ostfront und nach dem Zweiten Weltkrieg Transatlantikkapitän bei der Lufthansa war, hat mehr als dreißig Jahre gebraucht, bis er 1978 diesen erschütternden Erlebnisroman der Jagdflieger aus dem Zweiten Weltkrieg schreiben konnte. Michael Braack ist eine fiktive Gestalt; das Jagdgeschwader 99 und den Feldflughafen Grojecko hat es so nicht gegeben. Doch es gab die mörderischen Kurvenkämpfe, die Todesängste und das Sterben im Cockpit der Jagdeinsitzer. Rudolf Braunburg war dabei. Dieses Buch stellt die Summe seiner Erfahrungen dar – es ist ein authentischer Kriegsroman gegen den Krieg, wirklichkeitsnäher als so manches Sachbuch. 'Ich habe die negative Seite des Krieges kennengelernt – es gibt keine positive', sagt Rudolf Braunburg.

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Rudolf Braunburg

Der verratene Himmel

Roman

BsB

 

 

 

Der verratene Himmel • Roman

1. Auflage. München

© 1978 by Franz Schneekluth Verlag

 

_____

 

 

EBook Neuauflage 2014

Alle Rechte bei

BestSelectBook_Digital Publishers

 

 

 

 

Ach, Mutter, im Traum

Habe ich einen Engel

mit weißen Flügeln gesehen,

Der Gewehre zerlegt,

Kanonen zerschlägt,

Sie alle in Brand setzt,

Zu Asche werden lässt.

 

Ach, Mutter, im Traum

Habe ich einen Engel

mit weißen Flügeln gesehen,

Er nahm die Asche in die Hand,

Verstreute sie im ganzen Land.

Plötzlich begann die Asche zu leben,

Als Taube am östlichen Himmel zu schweben.

 

Gasub Sirchan,14

Aus dem arabischen Dorf Kfar Jaffia

 

 

 

Vorwort

 

 

 

Herbst 1944: Im Westen hat die alliierte Invasion begonnen. Im Osten stehen sowjetische Verbände zum Kampf um Ostpreußen bereit. Ein britisches Geschwader von 200 Bombern hat Königsberg angegriffen. Der Bombenterror über Deutschland erreicht seinen Höhepunkt.

 

Das Jagdgeschwader 99 dieses Romans hat es nicht gegeben. Der polnische Ort Grojecko ist nicht mit dem Ort der Romanhandlung identisch. Aber es gab die jungen Jagdflieger, die sinnlos gegen die Übermacht der Bomberpulks eingesetzt und in eine verlorene Schlacht geworfen wurden. Es gab die mörderischen Kurvenkämpfe, die Todesängste und das Sterben im Cockpit der Jagdeinsitzer. Der Autor war dabei; dieses Buch stellt die Summe seiner Erfahrungen dar.

 

Wo heute noch lebende Persönlichkeiten erwähnt werden, geschieht dies weder zum Zweck der Diffamierung noch der Heroisierung. Die geäußerten Meinungen über diese Persönlichkeiten erheben keinen Anspruch auf objektive Wahrheit. Sie sollen aber die damaligen Stimmungen, Proteste und Gerüchte wiedergeben und sind in diesem Sinn authentisch.

 

Der Autor dankt seinen zahlreichen Freunden, die ihn unterstützten und die im Unterschied zu den wenigen, noch heute populären Ritterkreuzträgern mit den zahlreichen Abschüssen immer nur selber abgeschossen wurden. Er hat, wie sie, die negative Seite des Krieges kennengelernt und ist der Meinung es gibt keine positive.

 

 

»Flieger sind in allen Armeen der Welt feine Leute, extravagante Tiere; sie haben einen Sonderstatus, der nicht nur durch die Kostspieligkeit ihrer Ausbildung bedingt ist, auch durch die Romantik, die gelegentliche Kühnheit und das in vielen Fällen unverkennbare Sportliche ihres Tuns und Seins.

Heinrich Böll

 

»Flieger fühlen sich als Elite...« Georg Leber

 

»Hitler glaubte, dass die Jägerpiloten ein feines Leben hatten. Sie lebten in ihren Messen, um gelegentlich zu fliegen und dann und wann mit dem Gegner ein ritterliches Duell auszutragen.«

General Milch an Adolf Galland

 

»Der Jagdflieger bleibt, bis er entweder seine Munition verschossen, den Gegner abgeschossen hat, er selbst abgeschossen wurde oder seine Maschine fluguntauglich geworden ist.

Dienstvorschriftluftkampftaktikder Royal Air Force

 

Von dem Jagdeinsitzer Focke-Wulf 190 wurden während des Krieges 20001 Maschinen produziert.

 

Im Zweiten Weltkrieg verlor die Deutsche Luftwaffe 44065 Flugzeugbesatzungen. Weitere 28000 Piloten wurden verwundet, 27610 gefangengenommen oder vermisst.

 

Erstes Buch

 

»Ich habe meine Auszeichnungen abgelegt. Ich werde sie nicht wieder anlegen, bevor die deutsche Luftwaffe sich so einsetzt und schlägt wie damals, als ich hohe Auszeichnungen dafür erhalten habe. Es bleibt aber dabei; ich befehle: die Jägerei setzt sich ein bis zum letzten Mann. Das werde ich rücksichtslos durchsetzen. Tut sie dies nicht, dann geht sie in den Infanteriekampf. Um die Verluste der Jäger kümmert sich das deutsche Volk einen Dreck.«

Reichsmarschall Hermann Göring am7. 10. 43auf dem Obersalzberg

1. 

Der Tag beginnt wie eine Bombe: Peng, mitten hinein in die Frühstücksrunde. Leibnizkeks und echter Bohnenkaffee wirbeln mit Mann und Maus und Milchsuppentellern durcheinander. Wir stürzen an die Maschinen. Alarmstart!

Der Befehl dazu kommt aus den allgegenwärtigen Lautsprechern. Sie hängen in den Kasinos, an den Barackendächern, in den Linden der Horststraße und, natürlich, am Platzrand. Eben war da noch eine nassforsche Evelyn Künneke, die ihrSing,Nachtigall,singüber die nachtigallosen, nach Desinfektionsmitteln stinkenden Dachpappendächer rauschen ließ. Dann schaltete sich der Drahtfunk ein:Feindliche Kampfverbände dringen von Süden in den Raum Kattowitz und Oppeln vor...

Und jetzt ist da das Scheppern, Knarren und Knacken des aufgeschalteten Stabs-Gefechtsstandes, der im internen Geschwaderjargon BK -m – BE heißt:Blinde Kuh mit Blecheimer.Denn so weitsichtig sind oftmals seine futuristischen Planungen, so akustisch ansprechend würgt sich die Befehlsstimme durch Draht und Äther. Keine Nachtigall mit Gold, sondern eine Krähe mit Weißblech in der Kehle.

Und wir also hinaus in den betörenden Frühherbstmorgen, hinein in die Kombi, Rückenfallschirm umgelegt, die immer hilfreichen Ersten Warte halten, hieven hoch, helfen nach... Und da ist Ketsch neben mir, verstellt mir schon fast den Weg. »Sie doch wohl nicht, Braack!«

Mein hochaufgesprudelter Unternehmungsgeist fällt schnell zusammen. Eine neckische Parkfontäne, der die Städtischen Wasserwerke den Saft abdrehen.

»Ich fühle mich durchaus...«

»Wie ein junger Gott mit Doppelsternmotor. Wissen wir. Aber Ihr Urlaub geht erst morgen früh zu Ende!«

»Geschenkt!«

»Sie steigen mir in keine Hundertneunzig, bevor Sie nicht durch meine Hände gegangen sind. Das ist ein Befehl!« Ketsch, Staffelkapitän, sieht ungeduldig hinter den Vorbeispurtenden her. »Mann, Sie waren zehn Tage weg. Sie wissen doch kaum noch, wo der Steuerknüppel sitzt. Dies hier ist kein Sandkastenspiel! Kein Netz, kein doppelter Boden! Keine Himbeersoße – das Blut ist echt! Sie haben bis zu meiner Rückkehr Startverbot! Ist das klar?«

Jetzt müsste ich ihn mit strahlenden Augen fest anblicken und ein zackiges Bekenntnis loslassen, das Protest und Verpflichtung gleichermaßen ist. Irgendeinen markigen Satz mit sehr vielLeben, Opferbereitschaft und Dasmachenwirschon– diese Art von fotogener Propaganda-Kompanie-Tour. Statt dessen würgt der niedere Teil meines gespaltenen Ichs derartige Äußerungen im Keim ab.

»Kapiert?« drängt Ketsch.

Niederes Ich an alle übrigen Ichs:

»Jawohl, Herr Hauptmann!«

Sie hat sich im Dunst des heraufdämmernden Morgens aufgelöst, meine Staffel.

Sie ist querfeldein mit anderen Staffeln über den Feldflugplatz gedonnert. Pulle rein und dem Feind entgegen, und nach dem Abheben hat man sich gesammelt, hat mühsam Fast-Zusammenstöße vermieden; einer hat aus purer Nervosität zu früh die Bordwaffen entsichert und aus Versehen schon mal auf alle Knöpfe gedrückt: kleiner Feuerzauber zum schrecklichen Ergötzen der Umfliegenden.

Einer ist überhaupt erst gar nicht gestartet: Brenneisen aus der 1. Staffel. Kleiner Motorbrand beim Anrollen, der Wart kommt mit dem Löscher dazu und hält drauf, als wolle er einen ganzen Pulk russischer Panzer vernichten. Für Brenneisen ist der Krieg für heute schon wieder aus.

Ich wende mich vom Rollfeld ab und schlendere die Horststraße zurück zum Ausgang und auf meinen Lieblingshügel, von dem aus man den ganzen Fliegerhorst überblicken kann: Grojecko, Feldflugplatz für das Jagdgeschwader JG 99Steppenadler.Lenz und ich haben uns auf den Namen >Thymianhügel< geeinigt. Während des Sommers waren seine Hänge mit violetten Blüten übersät. Jetzt strecken sich nur noch die langstieligen, spindeldürren goldgelben Blüten des Zindelkrauts in die Morgenluft. Sie ist kühl, der Himmel klar.

Ich lausche hinter dem Geschwader her wie auf geheimnisvoll geflüsterte Botschaften: was wird ihm dieser Morgen, dieser Start, dieser Einsatz bringen? Vor mir liegt der Fliegerhorst wie eine flüchtig hingekritzelte Fünf. Am unteren Ende Eingang und Wache.

Vor drei Stunden, als ich ankam, hat der Posten gefordert: »Ausweis, bitte!«

Soldbuch gezückt und vorgezeigt.

»Oberfähnrich Braack, dritte Staffel.«

Der mickrige Obergefreite vom Bodenpersonal, Akne im missmutigen Gesicht, hat mir seltsame Blicke zugeworfen, das Soldbuch nicht beachtet.

Die Horststraße zieht sich von diesem unteren Anfang der Fünf mit Schwung und einer einzigen Kurve westwärts. In ihrer Krümmung sind die wichtigsten Unterkünfte eingeschlossen: Kasino, Lehrsäle, Baracken, Horstkommandantur. Dahinter knickt die Straße senkrecht und kerzengrade nordwärts, um dann genauso rechtwinklig zum waagerechten Strich der Fünf nach Osten abzubiegen. Daran grenzt der Flugplatz, seine Sumpfgraspiste leicht von Südwest nach Nordost gestreckt. Aber im Alarmfall, wie soeben, wird aus allen Richtungen gestartet, sozusagen aus dem Stand heraus; denn die Jagdmaschinen sind geradezu minuziös gleichmäßig um den ganzen Platz verteilt.

Dies ist meine Welt.

Besser: dies wird meine Welt erst richtig werden! Grojecko liegt wie eine Insel in der Gabelung der Piliza, die irgendwo weiter nordöstlich von hier und nördlich von Radom der Weichsel ungetrübtes Wasser zuführt. Die Piliza wirkt von meinem hochgelegenen Beobachtungsposten aus wie ein breiter Bach mit Miniatursandbänken. Brackiger Boden, versumpfte Erlenwiesen umgeben die Insel Grojecko, ihre Fünf treibt wie auf modrigem Untergrund. Die einzige Verbindung mit dem Festland, mit der äußeren Welt, bildet die Zufahrtsstraße an der Wache vorbei.

Ich schlinge die Arme um die angezogenen Knie. Hinter meinem Rücken schlängelt sich die Bahnlinie nach Petrikau weiter. Hier bin ich vor drei Stunden aus der asthmatischen Kleinbahn gesprungen. Grojecko ist keine Bahnstation, nicht einmal für ein Lokalbähnle. Leinenkoffer und Rucksack raus, nichts wie hinterher. Wozu haben wir wochenlang Fallschirmabsprung, federndes Aufsetzen und Rolle vorwärts geübt, wenn auch nur primitiv und wenig realitätsgerecht an Sprungturm und Sandkasten?

Als ich vor zehn Tagen den Horst verlassen habe, hat bleigrauer Staub Bäume, Gräser und Dächer verschmiert. Ging die Sonne auf, hat sie sich sofort entsetzt wieder im Dunst verkrochen, der schwer die Flussniederung verhängte.

Jetzt ist die Sicht endlos, der Himmel weit.

Ich atme tief durch: erster Herbsttag. Eigentlich hätte ich – sechstes Kriegsjahr, totaler Krieg, Frauen in Munitionsfabriken und Jägerleitstellen, Krüppel und Kinder an der Front – nach vier Urlaubstagen wieder zurück sein sollen. Statt dessen knallte mir auf dem heimatlichen Gutshof meine Mutter ein Rübensaftfass dermaßen wirksam auf den linken Fuß, dass der seit dreißig Jahren für unser Haus zuständige Arzt, ein Dr. Balzulat aus Lötzen, meinen Rücktransport nicht verantworten zu können glaubte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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