100 x Österreich: Sport - Elisabeth Auer - E-Book

100 x Österreich: Sport E-Book

Elisabeth Auer

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Beschreibung

Es lebe der Sport! Wo waren Sie, als Österreichs Fußballer im argentinischen Córdoba ihren legendären Sieg über Deutschland feierten? Wo, als sie in Valencia gegen Spanien eine ihrer bittersten Niederlagen erlitten? Erinnern Sie sich an Thomas Musters French-Open-Sieg oder an die Rekordsiegesserie der österreichischen Skispringer bei der Vierschanzentournee? An Hugo Simons Wunderpferd E. T. oder an die größten Erfolge von Jochen Rindt, Franz Klammer, Renate Götschl und Mirna Jukić? Sportjournalistin Elisabeth Auer versammelt die unvergesslichsten, aufregendsten und emotionalsten Momente der österreichischen Sportgeschichte – ein Buch zum Schmökern, Wiedererinnern und Neuentdecken! Aus dem Inhalt: Siege, Skandale, Storys: Das Wiener Derby Unterm Hakenkreuz: Sport in der NS-Zeit Der schwarze Blitz von Kitz: Toni Sailer Von der Rumpelkiste zum Hochgeschwindigkeitssport: Die Formel 1 in Spielberg Geschwindigkeitsrausch im Eiskanal: Österreichs Rodelstars Ein patschertes Leben: Hans Orsolics Der erfundene Doppelname: Annemarie Moser-Pröll Niki Nationale: Niki Lauda Rekordmeisterinnen und Pionierinnen: Frauenfußball in Österreich Der singende Goleador: Hans Krankl Die Tennisschlacht am Schwarzlsee Eine Nation in der Dopingfalle Österreichs Kristallkaiser: Marcel Hirscher Kämpferin mit Herz und Seele: Anna Veith Erfolgreiches Thiem-Work: Dominic Thiem u. v. a. Mit den besten Sport-Sagern aus Österreich und zahlreichen Abbildungen in Farbe

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ELISABETH AUER

100 XÖSTERREICH

SPORT

MIT 105 ABBILDUNGEN

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2019 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung und Satz: Elisabeth Pirker, OFFBEAT

Umschlagabbildungen sowie Seite 9, 13, 227: © iStock.com

Gesetzt aus der Ostrich Sans und Museo Sans

Designed in Austria, printed in the EU

ISBN 978-3-99050-165-8

eISBN 978-3-903217-45-4

INHALT

Vorwort

001Als der Fußball Einzug hält: Österreichs ältester Fußballklub

002Der König und das gestohlene Gold: Die ersten Olympiasieger der Neuzeit

003Ein Österreicher als amerikanischer Goldmedaillengewinner: Julius Lenhart

004Siege, Skandale, Storys: Das Wiener Derby

005Das Wunderteam und die Schmieranski-Mär

006Die Streif und ihre Siegerinnen: Als Frauen in Kitzbühel Rennen fahren

007Unterm Hakenkreuz: Sport in der NS-Zeit

008Die hohe Fußballkunst des »Papierenen«: Matthias Sindelar

009Skilehrer von Weltformat: Johann Schneider

010Die Beste und die Erste: Österreichs Eiskunstläuferinnen

011Vom Fußball zum Feinschliff: Karl Schäfer

012Als das olympische Feuer erlischt: Judith Deutsch

013Der Aufsteiger und seine Abgründe: Heinrich Harrer

014Ein Hunderter für die Ewigkeit: Bubi Bradl

015Die Legende im Fechten: Ellen Müller-Preis

016Orgelbauer mit Zwischentönen: Gregor Hradetzky

017Bekennender Nazi und Rad-Gott: Ferry Dusika

018Die unangepasste Olympiasiegerin: Herma Bauma

019Grantler und begnadeter »Wödmasta«: Ernst Happel

020Der schwarze Blitz von Kitz: Toni Sailer

021Ein Sonnenstich und ein historischer Erfolg: Die Fußball-WM der Männer 1954

022Von der Rumpelkiste zum Hochgeschwindigkeitskurs: Die Formel 1 in Spielberg

023Bodybuilder, Schauspieler, Gouverneur: Arnold Schwarzenegger

024Der James Dean der Formel 1: Jochen Rindt

025Der Mann, der Weltmeisterin wurde: Erik(a) Schinegger

026Ein Binnenland als Segelnation: Die größten Segelerfolge Österreichs

027Geschwindigkeitsrausch im Eiskanal: Österreichs Rodelstars

028Ein patschertes Leben: Hans Orsolics

029Der einsame Wolf vom Arlberg: Karl Schranz

030Eine Karriere in Gold-Gelb: Franz Klammer

031Der Pferdeflüsterer: Hugo Simon

032Der erfundene Doppelname: Annemarie Moser-Pröll

033Niki Nationale: Niki Lauda

034Rekordmeisterinnen und Pionierinnen: Frauen im Fußball

035Der singende Goleador: Hans Krankl

036Córdoba und was Sie wissen müssen

037Der Jahrhundertfußballer sagt »Gute Nacht«: Herbert Prohaska

038Glänzendes Gold im Schatten der Geschichte: Elisabeth Max-Theurer

039Die Schande von Gijón oder »Bitte ausschalten!«

040Land der Läuferinnen: Die größten Lauf-Events Österreichs

041Vom Olymp in die Flucht: Peter Seisenbacher

042Vom Gipsfuß zur Tennis-Nummer 1: Thomas Muster

043Der Marathon des »Hooorsti« oder das längste Davis-Cup-Spiel der Geschichte

044Rekordhalter und Freunde: Österreichs Nationalteamheroes

045Am Cover der Amis: Petra Kronberger

046Der Erste wird der Erste sein: Patrick Ortlieb

047Mit dem Glauben zu Gold: Thomas Geierspichler

048Die Eisgräfin bittet zum Walzer: Emese Hunyady

049Die Tennisschlacht am Schwarzlsee

050Ein schwarzer Tag auf der Kandahar: Ulli Maier

051Der Supersonntag der Sportgeschichte

052Österreichs letzter Formel-1-Sieger: Gerhard Berger

053Eiskalt durchgezogen: Österreichs einziger Europa-League-Sieg im Eishockey

054Die Speedqueen aus der Steiermark: Renate Götschl

055Vom Hermann zum Herminator: Hermann Maier

056Alle Neune: Die Winterversion mit Happy End

057Alle Neune: Die Sommerversion ohne Happy End

058Mit dem Ball gegen die Wand: Barbara Schett

059Die Golden Girls Österreichs

060Weltklassesegler aus der Alpenrepublik: Roman Hagara und Hans-Peter Steinacher

061Eine Frage der Intelligenz: Markus Rogan

062Auf die alten Tage: Mario Matt

063Superstar ohne Grenzen: Claudia Lösch

064Österreichs Stars im Tischtennis: Eine Sammlung an WM-Titeln

065Australia for Austria: Kate Allen

066Schnupperkurs in der Königsklasse: Der erfolgreichste Auftritt im Klubfußball

067Exportschlager im Eishockey: Thomas Vanek

068Absturz eines Aufsteigers: Bernhard Kohl

069Extreme Gipfelstürmerin: Gerlinde Kaltenbrunner

070Tu Felix Austria: Felix Gottwald

071Lang, länger, Bammer: Das längste Spiel der US-Open-Geschichte

072Die mit den Männern spielt: Jasmin Ouschan und das Familien-Gen

073Eine Nation in der Dopingfalle

074Die Heim-Europameisterschaft im Fußball und das Unwort des Jahres

075Emotionale Rückkehr in die Heimat: Mirna und Dinko Jukić

076Die glorreichen Sieben: Österreichs historische Erfolgsserie bei der Vierschanzentournee

077Die schnellste Ärztin Österreichs: Andrea Mayr

078Abschlag in die Weltelite: Bernd Wiesberger

079Österreichs Kristallkaiser: Marcel Hirscher

080Der Platzhirsch von Wimbledon: Jürgen Melzer

081Vom Käfig zum Rekordmeister: David Alaba

082Kämpferin mit Herz und Seele: Anna Veith

083Superadler mit Allzeitrekord: Gregor Schlierenzauer

084Mit Dirndl und Walzer zu Gymnastikgeschichte: Caroline Weber

085Die fliegende Torfrau: Daniela Iraschko-Stolz

086Die Beach Boys der Donauinsel: Alexander Horst und Clemens Doppler

087Die Legende im Fußball: Nina Burger

088Von der Spätzünderin zum Snowboard-Star: Anna Gasser

089Die Bürokauffrau als »Golden Baby«: Eva Voraberger

090Erfolgreiches Thiem-Work: Dominic Thiem

091Hiasi, der Dakar-Held: Matthias Walkner

092Ein großer Wurf: Mensur Suljović

093Ein Großer unter Giganten: Österreichs erster Basketballer in der NBA

094»Heile Welt«?: Missbrauch im Sport

095Fußball-Sommermärchen: Die Frauen als Heldinnen

096Hochgeschwindigkeitsjagd auf Schnee

097Der beste Ultraradfahrer der Geschichte: Christoph Strasser

098Gratwanderung für die Gesundheit: Die Gefahren des Leistungssports

099Die besten Sport-Sager aus Österreich

100Mein schönster Sportmoment

Literatur

Namenregister

Bildnachweis

VORWORT

Die Geschichte des Sports ist so alt wie die Menschheit. Zugegeben, unsere Vorfahren in der Steinzeit sind auf ihrer Jagd nach Essen nicht dem nächsten Olympiarekord nachgehechelt, und es ging ihnen beim Laufen auch nicht darum, ein paar Kilos abzuspecken. Sport war eine Notwendigkeit, um zu überleben. Dennoch ist Schnelligkeit gefragt, auch die richtige Ausrüstung ist ein Thema. Was heute der perfekte Ski ist, ist damals der optimale Schuh, der aus Leder oder Bast zusammengeflickt und sogar mit einer Art Spikes versehen wird (indem Dornen an die Sohlen geheftet werden), um nicht im Sand zu versinken. Die Speere sind natürlich aerodynamisch gebaut und mithilfe einer Speerschleuder ist das Jagdgerät über 100 km/h schnell.

In der Antike nimmt die Entwicklung des sportlichen Wettkampfs Fahrt auf. Die Teilnehmer, meistens Boten- oder Waffenläufer, die im Rahmen ihrer Ausbildung mitmachen, erkämpfen sich damit Privilegien wie einen Job, Steuererleichterungen, Grundbesitz oder Geld, Heldenstatus natürlich inklusive. Frauen dürfen nur teilnehmen, wenn sie unverheiratet sind, und nur bei einem Lauf zu Ehren von Hera, der Göttin der Ehe (!). Was für eine charmante Spezialdisziplin. Wie ernst der Sport damals schon genommen wird, zeigt die Geschichte des Läufers Astylos, der 480 vor Christus für seine Heimat Kroton an den Start geht und danach von Syrakus abgeworben wird. Ein Frevel, das ist, als ob ein Rapidler zur Austria geht oder umgekehrt. Die »Fans« sind so verärgert, dass sie Astylos’ Ehrenstatue zerstören und sein Haus in ein Gefängnis verwandeln. Randalierende Fans haben offensichtlich auch schon eine sehr lange Tradition.

Im Mittelalter ist Pilgern das neue Laufen und es ist die Zeit der Ritterturniere. Danach entstehen mehr und mehr Sportarten oder werden wieder aufgenommen, wenn auch mit anderen Regeln. Fußball wird im 15. Jahrhundert zwischen zwei Dörfern ausgetragen. Das Spielfeld ist der Bereich zwischen den Orten, und dieser kann mehrere Quadratkilometer groß sein. Gespielt wird ohne Regeln, nur Mord und Totschlag sind verboten. Tennis wird ursprünglich zwischen zwei Mannschaften und mit der flachen Hand, also ohne Schläger, gespielt. Dazu werden um 1500 erstmals Sporthallen in ganz Europa errichtet, in Wien lässt der deutsche König und spätere Kaiser Ferdinand I. ein solches Ballhaus, wie die Indoor-Spielplätze genannt werden, in die Wiener Hofburg am Michaelerplatz einbauen, später kommen noch weitere auf dem Areal dazu. Das österreichische Bundespräsidialamt hat heute noch die Adresse Ballhausplatz 1.

Zum »Eventcharakter« des Sports kommt auch der gesundheitliche Aspekt. Das Bewusstsein über seine positiven Auswirkungen verhilft dem Sport zu einem höheren Stellenwert. Die tägliche Turnstunde findet sich im Ansatz bereits in Schuldokumenten aus dem 16. Jahrhundert.

Der Sport, so wie er unserem heutigen Verständnis am nächsten kommt, etabliert sich Ende des 19. Jahrhunderts. Die ersten Fußballklubs werden in England gegründet, kurz darauf auch in Österreich, heimische Sportler nehmen an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit teil. In dieser Phase beginnt auch dieses Buch. Sie werden Spannendes über das Leben bekannter Sportler, besondere Augenblicke, Siege und Niederlagen entdecken. Sie finden aber auch gesellschaftliche und politische Aspekte zum Thema Sport, von dessen Instrumentalisierung in der NS-Zeit über Doping bis hin zum Umgang mit sexualisierter Gewalt.

Ein zentraler Punkt sind Geschichten über Sportlerinnen. Frauen werden in der Historie lange benachteiligt oder überhaupt ausgeschlossen, noch heute stehen bei den Skiweltcuprennen in Kitzbühel nur Männer am Start. Dabei war das nicht immer so, wie Sie in Kapitel 006Die Streif und ihre Siegerinnen: Als Frauen in Kitzbühel Rennen fahren nachlesen können. In der medialen Berichterstattung gibt es ein Verhältnis von Sportlerinnen und Sportlern von 1 : 10. Das ändert sich nur dann kurzfristig, wenn Frauen bei Großereignissen vertreten sind. In diesem Buch handelt ein Drittel der Geschichten von Sportlerinnen. Damit sind wir noch lange nicht bei 50 Prozent, was daran liegt, dass Frauen in einigen Sportarten, wie dem Fußball, jahrzehntelang gar nicht gespielt haben, und es noch heute Bereiche wie die Formel 1 gibt, in denen sie nicht antreten.

In Summe bietet dieses Buch eine Auswahl an Geschichten über die großen Töchter UND Söhne des Landes.

Viel Vergnügen!

001

ALS DER FUSSBALL EINZUG HÄLT: ÖSTERREICHS ÄLTESTER FUSSBALLKLUB

In den 1890er-Jahren beginnt in Österreich langsam ein neuer Sport um sich zu greifen. In einigen Teilen des Landes laufen plötzlich nach Ende des Arbeitstages Männer einem Lederball hinterher. Schuld an dem Trend sind ein Prager Student und einige in Wien arbeitende Gärtner.

Der Student heißt Georg August Wagner. Er wird von den Eltern nach Graz geschickt, damit er nicht dauernd Fußball spielt und sich, so die Hoffnung der Eltern, in einem neuen Freundeskreis mehr um sein Studium kümmert. Der Plan geht nicht auf, denn Wagner zeigt seinen neuen Freunden, wie man Fußball spielt, und im März 1894 findet in Graz das erste offizielle (wenn auch vereinsinterne) Fußballspiel Österreichs statt, zwischen dem ersten und dem zweiten Team des Akademisch-technischen Radfahr-Vereins.

In Wien sorgt zur selben Zeit bereits eine Gruppe von Gärtnern für Fußball-Euphorie. Die gebürtigen Briten wollen den Sport aus ihrer Heimat auch in Österreich spielen, also tun sie das auf dem Rasen des Barons Rothschild. Unter ihnen sind James Black und der Sohn des Chefgärtners der Rothschilds, Franz Joli, die größten Fußballnarren. Die Exil-Briten stecken die Wiener mit ihrer Begeisterung an, der Einzige, der darunter zu leiden hat, ist der Rasen der Bankerdynastie – woraufhin der Baron sich großzügig zeigt und die Anmietung der Kuglerwiese sowie Trainings- und Spielbetrieb finanziert. Mit dem finanziellen Rückhalt entschließen sich die Männer zur Gründung eines Vereins, und als Dank an den großzügigen Mäzen werden die Vereinsfarben Blau-Gelb, wie die Wappenfarben der Familie Rothschild.

Am 22. August 1894 wird der First Vienna Football Club offiziell eingetragen, die Mitglieder sind Wiener und Briten. Andere Engländer haben bereits seit 1892 einen Verein, den First Vienna Cricket Club, angemeldet – ihre Namensergänzung mit »Football« wird erst einen Tag nach der Anmeldung der Wiener anerkannt. Ein ewiger Streitpunkt zwischen den Vereinen, wobei die Briten auch noch das »First« aus ihrem Namen streichen müssen. Was für eine Demütigung.

Die ersten Spiele zwischen dem First Vienna Football Club und dem Vienna Cricket and Football-Club werden von einer Rivalität begleitet, wie es sie später nur zwischen Rapid und Austria gibt. Die Vienna feiert 1931 zum einzigen Mal den Sieg im Mitropacup. In der Zeit des »Anschlusses« an das Deutsche Reich gewinnt die Vienna drei Mal in Folge die Meisterschaft der »Ostmark« und spielt von 1942 bis ’44 um die deutsche Meisterschaft mit. Es ist paradox, dass die Vienna ausgerechnet in der Nazizeit ihre längste Erfolgsphase feiert, geht die Gründung des Vereins doch auf den jüdischen Gönner Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild zurück. Funktionäre und Mitglieder sind sehr wohl von Vertreibung und Ermordung betroffen, wie Rudolf Grünwald, dessen Jahre später stellvertretend für alle Opfer in einer Zeremonie gedacht wird.

Die Mannschaft des ersten eingetragenen Fußballklubs in Österreich

Zehn Jahre nach Kriegsende holt die Vienna den sechsten und letzten österreichischen Meistertitel in der Vereinsgeschichte. Es folgt ein ständiges Auf und Ab. International kann sich die Vienna 1988/89 und in der Saison darauf für den UEFA-Cup qualifizieren. Der letzte große Erfolg gelingt 1997 mit dem Einzug ins Cup-Finale. Die Döblinger müssen sich aber trotz ansprechender Leistung Sturm Graz geschlagen geben. Trotz allen Ups and Downs bleibt die Vienna ein Kultklub. Sein Heimstadion ist die Hohe Warte, das größte Naturstadion Europas, das einst 90 000 Fans Fassungsvermögen hatte. Zudem gibt es klingende Namen in der Vereinshistorie mit Topstars wie dem ehemaligen Weltmeister Mario Kempes, Karl Decker oder Hans Krankl. Auf der Trainerliste ist Peter Stöger einer der Namen des Vereins. Die letzten Zahlen und Fakten sind nicht so rosig, wenn nicht der Tiefpunkt der Geschichte. 2017 muss der Verein Insolvenz anmelden und steigt in die fünfte Liga ab.

002

DER KÖNIG UND DAS GESTOHLENE GOLD: DIE ERSTEN OLYMPIASIEGER DER NEUZEIT

Es sind die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, 1896 in Athen. Im Fechten treten 15 Sportler aus vier Nationen an, darunter Griechenland, Frankreich und Dänemark. Als einziger Vertreter der Habsburgermonarchie ist Adolf Schmal dabei. Die Medaillen werden in drei Bewerben vergeben, dem Florett, dem Florett für Fechtmeister und dem Säbelfechten. Frauen sind zu dieser Zeit keine zugelassen.

Adolf Schmal ist am 9. April im Zappeion, einer der Wettkampfstätten, am Start. Er ist einer von fünf Athleten aus drei Ländern. Er liegt mit zwei Siegen in Führung, als plötzlich der griechische König und Schirmherr der Olympischen Spiele, Georg I., ins Stadion kommt. Damit der König der Hellenen das gesamte Turnier beobachten kann, werden die bisherigen Wettkämpfe gelöscht und wieder von vorne begonnen. Zum Leidwesen von Adolf Schmal, denn in diesem zweiten Durchgang verliert er seine beiden Kämpfe und wird nur Vierter. Wäre der König pünktlich gewesen, wer weiß … Dabei haben vor allem die Sportler Probleme mit der Pünktlichkeit. Denn in Athen gilt der Julianische Kalender und der bereitet den angereisten Athleten oft Mühe, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Adolf Schmal ist ein österreichischer Fecht- und Radsportler.

Nach dem Rückschlag im Fechten stehen für Schmal noch die Radbewerbe auf dem Programm, und da beginnt es für ihn zu laufen. Er gewinnt zwei Bronzemedaillen im Sprint über 333 und 10 000 Meter. Bronze geht in Athen an den Zweitplatzierten. Der Dritte bekommt aufgrund des finanziellen Mangels gar nichts, der Erste bekommt eine Silbermedaille. Und auf die hat es Schmal zwei Tage später abgesehen. Er holt sich den Sieg im 12-Stunden-Rennen. Er fährt eine Runde Vorsprung heraus und verteidigt ihn bis ins Ziel. Nach 314,997 Kilometern ist Schmal der erste österreichische Olympiasieger der Neuzeit und bis heute der einzige mit einer Olympiamedaille im Radsport.

In Athen ist Schmal aber nicht allein, mit Paul Neumann und Otto Herschmann aus Wien sind auch zwei Schwimmer zu den Spielen gereist.

Neumann ist österreichischer Meister im Flussschwimmen von 1882. Bei Olympia tritt er über 500 Meter Freistil an und gewinnt. Kurz darauf wandert er in die USA aus, wird Arzt und stellt für Amerika mehrere Weltrekorde auf.

Olympiasieger Paul Neumann

Otto Herschmann schwimmt über 100 Meter Freistil zu Bronze (für Platz zwei). Das Ergebnis wird 116 Jahre später korrigiert: Nach intensivem Studium von Zeitdokumenten erklären das Österreichische und das Internationale Olympische Komitee Herschmann zum Sieger.

Geschwommen wird übrigens im offenen Meer in der Bucht von Zea nahe Piräus, da es noch keine Schwimmbecken oder -hallen gibt. Die Wassertemperatur beträgt 13 Grad Celsius. Die Wettbewerbe finden alle an einem Tag statt, daher ist es aufgrund des engen Zeitplans keinem Athleten möglich, an anderen Wettkämpfen teilzunehmen.

1912 gewinnt Herschmann bei den Spielen in Stockholm mit der Mannschaft im Fechten Silber, zu dem Zeitpunkt ist er auch Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees. Damit ist er bis heute der einzige Präsident, der während seiner Amtszeit eine olympische Medaille gewinnt.

Herschmann wird 1942 wegen seiner jüdischen Abstammung in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Er stirbt im selben Jahr im Durchgangslager Izbica.

003

EIN ÖSTERREICHER ALS AMERIKANISCHER GOLDMEDAILLENGEWINNER: JULIUS LENHART

Julius Lenharts Erinnerungen an die Olympischen Spiele 1904 (Ausschnitt)

Julius Lenhart war ein österreichischer Turner und ist bis dato Österreichs einziger Olympiasieger im Gerätturnen. Zu Lebzeiten wird der Wiener in sämtlichen Statistiken als amerikanischer Olympiasieger geführt. Seine Erfolge werden in Österreich ignoriert, ein Irrtum, der erst nach seinem Tod korrigiert wird.

Lenhart wird im Jahr 1875 in Wien geboren. Als Jugendlicher ist er Mitglied des Turnvereins Wien-Mariahilf und fällt mit seinem sportlichen Talent auf. Er wird gefördert, trainiert hart und wird bald zum Spitzenturner. 1893 legt er die Vorturnerprüfung ab. Im Alter von 26 Jahren beginnt er zu reisen. Seine erste Station führt ihn nach München. 1903 zieht es Lenhart nach Amerika. Er landet in Philadelphia, bekommt einen Job in einer Maschinenfabrik und sucht sich wieder einen Sportverein. In den ersten Jahren ist er in der dortigen »deutschen Turngemeinde« aktiv. 1904 wird er als Gastturner zu den Olympischen Spielen in St. Louis entsendet und fährt einen unglaublichen Erfolg ein. Er holt sich zwei Mal Olympiagold, wird Olympiasieger im Reckturnen und in der Mehrkampf-Mannschaftswertung, dazu gewinnt er im gemischten Zwölfkampf-Einzel die Silbermedaille. Kurz darauf, im Jahr 1906, kehrt Lenhart nach Wien zurück und damit auch wieder zu seinem Turnverein Mariahilf. Doch bald darauf endet seine sportliche Karriere und er geht seinem Beruf als Maschinenbauingenieur nach.

Dass Lenhart der erste Olympiasieger im Gerätturnen für Österreich und sogar der erste Doppelolympiasieger ist, wird daheim nicht beachtet. Er scheint nirgendwo auf. Seine Medaillen werden lange Zeit den USA zugeschrieben, obwohl er nie die amerikanische, sondern immer nur die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat. Da im Turnen in St. Louis aber nur Vereinsteilnehmer zugelassen waren, wurde er automatisch als Amerikaner gewertet. Lenhart selbst reklamiert 1936, doch als Österreicher gewertet zu werden. Im selben Jahr veröffentlicht er in der Sportzeitung der Neuen Freien Presse unter dem Titel Als Österreicher »amerikanischer« Olympiasieger seine Erinnerungen an die Teilnahme bei den Spielen.

Österreichs erfolgreichster Sommerolympionike

Doch die Anerkennung lässt auf sich warten. Lenhart stirbt 1962. Erst zehn Jahre später, nachdem der Grazer Sporthistoriker Erich Kamper das Österreichische Olympische Komitee über den jahrelangen Irrtum bezüglich der Herkunft des Sportlers informiert, prüft das ÖOC den Sachverhalt und beschließt, Lenhart als Olympiasieger aufzunehmen.

004

SIEGE, SKANDALE, STORYS: DAS WIENER DERBY

Das Wiener Derby ist in Österreich und vor allem in Wien eine Institution. Das Duell Rapid gegen Austria gilt für viele als Saisonhighlight, und es ist nach dem »Old Firm« in Schottland zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers das am zweitmeisten gespielte Fußballderby Europas und das älteste Derby auf dem europäischen Festland. Wenn in Wien Derbyzeit ist, dann teilt sich die Stadt in Grün-Weiß für die Rapid-Anhänger und Violett für die Austria-Fans. In den Tagen davor und danach herrscht Ausnahmezustand, es ist die Phase der großen Emotionen und auch immer wieder Skandale.

Es gibt eine Menge Zahlen zum historischen Duell: Das erste Wiener Derby findet am 8. September 1911 auf dem WAC-Platz statt. Rapid geht mit einem 4 : 1-Erfolg als erster Sieger aus dem Duell hervor. Die höchsten Siege feiert Rapid mit 9 : 0 im Jahr 1916 und 10 : 1 1942. Der größte Erfolg der Austria gelingt 1969 mit dem 6 : 0-Sieg im Praterstadion, dreifacher Torschütze ist der spätere Rapidler Josef Hickersberger.

Ein Spiel geht als Jahrhundertderby in die Geschichte ein. Es ist Sonntag, der 17. September 1950. Es gießt in Strömen. Einige Bundesligapartien sind aufgrund des Starkregens abgesagt, im Prater wird trotzdem gespielt. 55 000 Zuschauerinnen und Zuschauer trotzen dem Wetter und gehen Derby schauen. Aufgewärmt wird im Vorraum beziehungsweise in der Kabine, damit die Spieler nicht komplett durchnässt auf den Rasen kommen. Der Spielverlauf gestaltet sich absolut verrückt: Rapid überrascht gleich einmal mit einer veränderten Aufstellung. Leopold Gernhardt, der hauptsächlich auf der rechten Seite zum Einsatz kommt, läuft als Mittelstürmer auf, ein Schachzug, der den Gegner auf dem falschen Fuß erwischt. Gernhardt erzielt in den ersten zwölf Minuten zwei Treffer. Nach dem Anfangsschock fängt sich die Austria und Adolf Huber erzielt den Anschlusstreffer zum 2 : 1. Die Torparade geht quasi im Minutentakt weiter. Diesmal baut Rapid den Vorsprung wieder aus, Alfred Körner stellt auf 3 : 1. Während es weiterschüttet, übernimmt bis zum Pausenpfiff die Austria das Kommando, gleicht nicht nur aus, sondern dreht die Partie vor dem Kabinengang auf 3 : 4. Der Tor-Wahnsinn geht in der zweiten Hälfte munter weiter. Der Regen auch, doch das scheint niemanden ernsthaft zu stören. Rapid erzielt den Ausgleich, die Austria legt wieder vor und Grün-Weiß gleicht wieder aus. Beim Stand von 5 : 5 geht es für die Wiener Klubs in die Schlussphase und da verlassen die Austria die Kräfte. Erstmals seit der 33. Minute gehen die Hütteldorfer wieder in Führung. Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff der Wasserschlacht fällt das letzte Tor zum Endstand von 7 : 5 für Rapid.

Volles Haus und harte Zweikämpfe im Jahrhundertderby 1950

Ein denkwürdiger Abend für beide Teams. Ein noch torreicheres Spiel ereignete sich nur in der Saison 1929/30. Damals ging allerdings die Austria mit einem 8 : 4 als Sieger vom Platz.

In der Geschichte des Wiener Derbys kommt es immer wieder auch zu Ausschreitungen und Skandalen. Anfangs sind es noch Platzverweise, zum Beispiel, als es zwischen Austrias Andreas Ogris und Rapids Samuel Ipoua zu Rangeleien kommt. Rashid Rachimov weiß sich gegen den Rapid-Legionär aus Kamerun einmal nur mit Kopfstoß zu wehren und fliegt mit Rot vom Platz. Trauriger Höhepunkt ist 2005 das Brutalo-Foul von Austria-Tormann Joey Didulica gegen Axel Lawarée, den er mit einem Kung-Fu-Tritt niederstreckt. Der Fall landet vor Gericht. Die Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung wird später aufgehoben.

Aber auch die Fans sorgen immer wieder für Skandale. So erzwingen 2011 Rapid-Ultras einen Spielabbruch, weil sie, teilweise maskiert, den Platz stürmen.

005

DAS WUNDERTEAM UND DIE SCHMIERANSKI-MÄR

Sie gilt als goldene Epoche des Fußballs, die Anfangsphase der 1930er-Jahre, in der die Nationalmannschaft »Wunderteam« genannt wird, eine Niederlage wie ein Sieg gefeiert wird und Journalisten dem Teamchef die Aufstellung diktieren: Fußballromantik in Reinkultur.

Der Chef der Truppe ist der legendäre Verbandskapitän Hugo Meisl, weniger Romantiker als Pragmatiker. Mit dem »Scheiberlspiel« von Superstar Matthias Sindelar kann er wenig anfangen, und noch weniger, wenn dadurch das Team verliert. Doch er macht die Rechnung ohne die Journaille, die Meisl beim traditionellen Treffen im Ring-Café in Wien die Aufstellung vorgeben will. Meisl ist ein weltgewandter Mann aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, ein Intellektueller, der die Professionalisierung des Fußballs vorantreibt, den Mitropapokal, den Vorläufer der Champions League, mitbegründet, einer, der weiß, was er tut. Nun sitzt er im Jahr 1930 mit Sportjournalisten im Café und muss sich belehren lassen. Einem Mann seines Formats ist das zu blöd. Mit den legendären Worten »Da habt’s euer Schmieranski-Team!« wirft er ihnen den Zettel mit der gewünschten Aufstellung auf den Tisch. Natürlich mit Sindelar.

Doch Meisl geht noch weiter. Er spannt das Trio Matthias Sindelar, Anton Schall und Friedrich Gschweidl zusammen und stellt ihnen mit Karl Zischek rechts und Adolf Vogl links zwei Debütanten zur Seite. Ein Gespann im Sturm, an dem Meisl zum größten Teil festhält. Wobei die Aufstellung ursprünglich eine Idee von Meisl gewesen sein soll und die »Schmieranski-Story« eine sehr freie Interpretation der Journalisten war. Immerhin ist es eine Geschichte, die sich jahrzehntelang gut verkaufen lässt. Nach einem Jahr stellt sich der erste internationale Erfolg ein, als das Team die damalige europäische Großmacht Schottland 5 : 0 besiegt. Die Aufstellung funktioniert. Das zweite Match in Berlin gegen Deutschland gewinnen die Österreicher 6 : 0. Die englischen FIFA-Delegierten in Berlin sind begeistert: »What a wonderful team!«, eine Bezeichnung, die die Medien übernehmen. Meisl ist über das Wording ganz und gar nicht glücklich. Er empfindet die Bezeichnung als Last für die Mannschaft. »Die Idioten, die ihm diesen Namen gegeben haben, gehören aufgehängt. Überall verfolgt einen die verwünschte Phrase. Wunderteam! Heute gibt es keine Wunder mehr, und am allerwenigsten bei uns. Der Teufel möge denjenigen holen, der diesen albernen Ausdruck erdacht hat.« Sein Unmut ist deutlich. Doch auch der Erfolgslauf ist deutlich genug.

Die einzige Niederlage gibt es am 7. Dezember 1932 an der Stamford Bridge. Das erste Antreten des Wunderteams in London sorgt für einen Riesenhype, in Österreich wird die Radioreportage live am Heldenplatz übertragen. Obwohl Gschweidl und Vogl an dem Tag nicht fit sind, lässt sie Meisl aus Respekt vor dem englischen Königshaus auflaufen. Österreich verliert dieses Spiel 3 : 4, aber die Briten sind voll des Lobes und bewundern das technisch hochwertige Spiel der Österreicher. In Erinnerung an das legendäre Spiel entsteht 1948 das Gemälde Das Wunderteam von Porträtmaler Paul Meissner.

Das Wunderteam läuft in England auf, 7. Dezember 1932

Nach dem England-Match feiert die Mannschaft von Hugo Meisl Siege gegen Belgien und Frankreich. Torhüter Rudolf Hiden zeigt so spektakuläre Paraden, dass er sofort vom französischen Racing Club de Paris abgeworben wird. Danach löst sich das Wunderteam auf. Auch andere Spieler wandern ab. Das Wunderteam ist offiziell Geschichte, wobei Anfang und Ende des legendären Nationalteams unterschiedlich angegeben werden. Für manche ist die Geburtsstunde die Schmieranski-Mär im Kaffeehaus, für andere das erste Länderspiel im selben Jahr, einige nennen den Sieg gegen Schottland 1931. Das Ende wird manchmal mit der umjubelten Niederlage gegen England datiert, manchmal mit dem letzten Spiel beim 4 : 0-Sieg gegen Frankreich in Paris 1933. Mit der Zuordnung Anfang der 1930er-Jahre liegen Sie auf keinen Fall daneben.

006

DIE STREIF UND IHRE SIEGERINNEN: ALS FRAUEN IN KITZBÜHEL RENNEN FAHREN

Riesenandrang in Kitzbühel 1956

Eine kleine 8000-Seelen-Gemeinde im Nordosten Tirols wird an einem Wochenende im Jahr zum Mekka des alpinen Skisports. Im bedeutendsten Wintersportort der Alpen liegt eine der gefährlichsten Abfahrten der Welt, die Kitzbüheler Streif. Sie ist der Inbegriff für extremen Skisport. Mit 50 Prozent Gefälle hat sie den steilsten Startschuss im Skiweltcup. Rennläufer beschleunigen in weniger als drei Sekunden von 0 auf 60 km/h. In der berühmt-berüchtigten Mausefalle geht es mit 85 Prozent Gefälle fast senkrecht bergab. Die Spitzengeschwindigkeiten liegen jenseits der 150 km/h. Mausefalle, Alte Schneise, der Seidlalm-Sprung, die Hausbergkante sind neuralgische Stellen der 3,3 Kilometer langen Strecke, die Herrn und Frau Österreicher von Kindesbeinen an ein Begriff sind.

Dass alle Skirennläufer den Höllenritt sturzfrei überstehen, kommt selten vor. Unzählige ziehen sich zum Teil schwerste Verletzungen zu, beenden nach Horrorstürzen ihre Karriere. Einen der schwersten Stürze erleidet 2009 Daniel Albrecht, der mit Schädel-Hirn-Trauma und Lungenquetschung drei Wochen im Koma liegt und nach 22 Monaten in den Skizirkus zurückkehrt. Hans Grugger befindet sich 2011 nach einem Sturz mit schweren Kopf- und Brustkorbverletzungen in Lebensgefahr und wird fünf Stunden notoperiert. Ein Katastrophenjahr ist 2016: Max Franz und Florian Scheiber werden im Training brutal abgeworfen. Das Rennen selbst wird von drei schweren Stürzen von Aksel Lund Svindal, Hannes Reichelt und Georg Streitberger überschattet, alle drei an der gleichen Stelle, am Übergang von der Kompression zur Schrägfahrt. Aufgrund der schlechten Bodensicht wird das Rennen nach dem 30. Läufer abgebrochen. Rekordsieger auf der Streif ist der Schweizer Didier Cuche mit fünf Siegen, vor Franz Klammer und Karl Schranz mit jeweils vier.

Zu Beginn fahren auch Frauen bei den Hahnenkammrennen mit. Die erste Siegerin ist 1932 die Kufsteinerin Rini Andretti, die letzte ist 1961 die 17-jährige Tirolerin Traudl Hecher (Mutter der späteren Skirennläufer Lizz und Stephan Görgl). Im Frauenblatt von 1960 findet sich über Hecher und ihre amerikanische Kollegin Penny Pitou ein Artikel, in dem die Jugendlichen als »Skiküken« betitelt werden, die beweisen, »dass auch das schwache Geschlecht heutzutage elegant und schneidig zugleich Ski fährt und für sportliche Sensationen gut sein kann«. Dann ist Schluss, weil FIS und ÖSV trotz heftigen Widerstands des SC Kitzbühel den Beschluss fassen, die Frauenrennen einzustellen. Offiziell, weil es zu gefährlich wäre. Ein anderer Grund ist, dass Bad Gastein unbedingt ein Rennen haben will und die Funktionäre daraus ein Startverbot für Frauen am Hahnenkamm machen.

Anfang der 1990er-Jahre wird ein Versuch unternommen, dass Frauen in Kitzbühel wieder Rennen fahren dürfen. Doch der neuerliche Anlauf scheitert, angeblich sind die Wetterbedingungen schuld. Die Rennen der Herren finden statt. Das Prozedere wiederholt sich Ende der 90er-Jahre, wieder ist das Wetter an der kurzfristigen Absage schuld.

Als Lindsey Vonn 2012 ankündigt, gerne bei den Herren und auch auf der Kitzbüheler Streif fahren zu wollen, erhält sie von allen eine Warnung: Das sei zu gefährlich.

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UNTERM HAKENKREUZ: SPORT IN DER NS-ZEIT

In den 1920er-Jahren etablieren sich immer mehr Verbände. Fast jeder Ort hat zu dieser Zeit einen lokalen Sport- oder Turnverband. Die populären Sportarten sind Fußball, Skifahren und Eiskunstlauf wie auch Tennis, Leichtathletik, Radfahren und Boxen, Schwimmen und Kraftsport. Der Sport wird in dieser Zeit zu einem Massenphänomen. Dollfuß inszeniert ihn 1932 als nationale Idee, als Instrument zur Volksertüchtigung und Wertevermittlung. Disziplin, Kontrolle, Leistung und Einsatz sind die neuen Normen des Austrofaschismus. Durch die Auflösung der Sozialdemokratischen Partei und deren Unterorganisationen werden offiziell auch ihre Sportverbände ASKÖ, ARBÖ und die Naturfreunde beseitigt. Die endgültige Kontrolle aller Sportverbände erfolgt im Oktober 1934 durch die Installierung der Österreichischen Sport- und Turnfront. Die ÖSTF umfasst 15 Fachgruppen und wird von Ernst Rüdiger Starhemberg, dem Bundesführer der Vaterländischen Front und Vizekanzler, geleitet. Ziel ist die Instrumentalisierung des Sports zu politischen Zwecken.

Mit dem »Anschluss« an das nationalsozialistische Deutschland am 12. März 1938 verschwindet Österreich als Nation und wird durch den Kunstbegriff »Ostmark« ersetzt, anstelle der alten Bundesländer treten die »Gaue«. Die Sportprinzipien nach NS-Vorbild werden von der Deutschösterreichischen Turn- und Sportfront, dem Alpenverein und Skiverband voll übernommen; vereinzelt finden sich Fußballvereine, die die neue Ideologie nicht aktiv mittragen. Laut Sporthistoriker Matthias Marschik ist sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem, was die NS-Führung beabsichtigte, und dem, was tatsächlich umgesetzt wurde. Der Sport soll als gesundheitliches Gesellschaftsereignis etabliert werden, inklusive der traditionellen katholischen Rollenzuschreibungen der Geschlechter. Das Idealbild der Frau ist »natürlich-weiblich«, Sportlerinnen werden jedoch als männlich wahrgenommen, weshalb die Ausübung eines Sports nicht erwünscht ist. Insofern dürfen Frauen höchstens turnen, aber nur, um sie am gesellschaftlichen Gefühl teilhaben zu lassen, und zur Präsentation ihrer Grazie. Mehr als leichte Übungen wird nicht goutiert. Männer hingegen soll der Sport stärken, als Ersatz für den fehlenden allgemeinen Wehrdienst. Das höhere Ziel ist der Dienst am Vaterland, am Volk. Sport und Turnen werden als Schule der Härte und Disziplin, Gehorsam und Opferbereitschaft inszeniert. Für die Zivilgesellschaft ist der Unterhaltungsfaktor des Sports in Kriegszeiten unentbehrlich, um die Menschen bei Laune zu halten. Boxkämpfe und sonstige sportliche Wettbewerbe werden inszeniert, um die psychisch belasteten Menschen auf andere Gedanken zu bringen.

Der Wiener Stabhochspringer Josef Haunzwickel wird 1938 deutscher Meister.

Die Arisierung trifft insbesondere den Wiener Eislaufverein. Die Hälfte der 5515 Mitglieder und Funktionäre wird 1938 nach den nationalsozialistischen Rassengesetzen als jüdisch definiert und ausgeschlossen. Die hohe Zahl an Ausschlüssen ist darauf zurückzuführen, dass der Eislaufverein in der Gesellschaft breit verankert ist und auch Menschen gemeldet sind, die dem Sport als Hobby und Freizeitbeschäftigung nachgehen. Bei der genannten Zahl ist nicht berücksichtigt, dass viele jüdische Mitglieder schon vor dem »Anschluss« gegangen waren. Die zahlreichen Ausschlüsse haben zur Folge, dass der Wiener Eislaufverein in schwere finanzielle Turbulenzen gerät, da die Hälfte der Mitgliedsbeiträge wegfällt und die Eintrittsgelder zurückgehen.

Die Fußballklubs positionieren sich selbst als unpolitisch, steuern aber ohnehin das Identifikationspotenzial mit Österreich, der Nation, bei. Ein direkter Zugriff wird daher nicht als nötig erachtet. Der Österreichische Skiverband hat dagegen bereits seit 1923 einen Arierparagrafen in den Statuten und setzt ihn auch um.

Eine zentrale Rolle nehmen die Nazi-Spiele, die Olympischen Spiele 1936, ein. Die österreichische Sportführung untersagt zunächst die Teilnahme, um sich von NS-Deutschland abzugrenzen. Der Boykott ist aufgrund der neuen Zusammenarbeit zwischen Berlin und Rom, den Achsenmächten, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Bei Sportveranstaltungen wird eine Olympiasteuer eingehoben, um Sportlern eine perfekte Vorbereitung zu finanzieren. In Auswahlspielen und Länderkämpfen verlaufen die Bewerbe aus österreichischer Sicht gut. Zweifel und Skepsis weichen der Vorfreude auf Medaillen, auch Sportlerinnen werden zugelassen. Die Intention dahinter: Es soll ein Volksfest für alle sein. Österreich stellt mit 60 Athleten, darunter zehn Frauen, das größte Kontingent bei den Winterspielen in Garmisch. Bei den Sommerspielen in Berlin sind von 234 österreichischen Athleten 17 Athletinnen. Die Frauen dienen dem Regime vor allem dazu, ein »modernes« Frauenbild zu transportieren, ein Gegensatz zur Rolle der Hausfrau und Mutter. Der jüdische Weltsportverband Makkabi boykottiert die Spiele. Das Österreichische Olympische Komitee entsendet dennoch acht jüdische Athletinnen und Athleten. Für Makkabi ein Ding der Unmöglichkeit, auch der nationale jüdische Verband Hakoah versucht das zu verhindern. Das ÖOC verweist auf die persönliche Entscheidungsfreiheit der Sportler. Der Gewichtheber Robert Fein wird Olympiasieger. Jüdische Sportlerinnen wie Judith Deutsch, Lucie Goldner oder Ruth Langer werden dagegen aufgrund ihrer Ablehnung der Teilnahme für zwei Jahre gesperrt. Das NS-Regime fährt im Sport eine doppelgleisige Strategie. Aber auch manche Sportler nutzen einerseits das System für ihren Erfolg, sind andererseits politisch aber nicht klar zuzuordnen. Fakt ist, dass spätestens seit den Spielen 1936 Sport und Politik nicht zu trennen sind, wie gerne glauben gemacht wird.

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DIE HOHE FUSSBALLKUNST DES »PAPIERENEN«: MATTHIAS SINDELAR

Matthias Sindelar wird 1903 in Böhmen geboren und kommt als Kind mit seinen Eltern, so wie viele in der damaligen Zeit, in der Hoffnung auf bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen nach Wien. Die Familie bezieht eine Wohnung in Favoriten, in der Quellenstraße 75. Auf der »Gstett’n«, der sogenannten Steinmetzwiese, gegenüber dem Wohnhaus trainiert das Kind Fußball. Sindelar ist sehr mager und zählt körperlich zu den Schwachen. Diesen Nachteil versucht er mit Technik und Raffinesse wettzumachen. Trotz der nicht idealen Bedingungen durch einen geflickten Fußball (ein Fetzenlaberl, das aus Stoffresten zu einer Kugel geformt ist), den unebenen Platz und den körperlichen Mangel entwickelt er eine schnelle, geniale Ballführung, möglichst ohne Körperkontakt mit dem Gegner, denn da würde er den Kürzeren ziehen. Aufgrund dieser Spielweise wird ihm später der Name »der Papierene« verliehen.

Im Jahr 1917 – Sindelar ist 14 Jahre alt – fällt sein Vater im Ersten Weltkrieg an der Isonzofront. Der Bursche beginnt eine Schlosserlehre und arbeitet in einer Karosserie- und Automobilfabrik. Seine Freizeit aber gehört dem Fußball, er beginnt beim ASV Hertha zu spielen. Eine schwere Meniskusverletzung, die eine Operation nach sich zieht, zwingt ihn mit 23 Jahren dazu, seine »körperlose« Spielweise weiter auszubauen, zu groß ist die Angst, sich im Zweikampf eine weitere Verletzung zuzuziehen, was möglicherweise das Karriere-Aus bedeuten würde. Seit dieser Zeit trägt er immer einen Kniestrumpf über dem rechten Knie, der zu seinem Markenzeichen wird.

Sein Verein hat Geldprobleme und muss Spieler verkaufen. Sindelar geht zu den Amateuren, der späteren Wiener Austria, und wird bald zu einem der Lieblingsspieler der Fans. Parallel wird er ins Nationalteam berufen, und dort schießt er die Tore, die er anfangs bei den Amateuren schuldig bleibt. Unter Trainer Hugo Meisl bleibt das »Wunderteam« in zwölf Spielen in Folge gegen die stärksten Mannschaften unbesiegt, den Auftakt macht ein 5 : 0-Sieg über Schottland vor knapp 40 000 Zuschauern auf der Hohen Warte. Im Jahr 1932 gewinnt Österreich mit Sindelar als Kapitän den Europapokal der Fußballnationalmannschaften, den Vorläufer der Europameisterschaft. Im selben Jahr kommt es am 7. Dezember zum auswärtigen Jahrhundertspiel Österreich gegen England, bei dem die Siegesserie endet.

Auch mit der Austria läuft es danach gut weiter, 1933 und 1936 gewinnt Sindelar mit dem Klub den Mitropacup, den ersten internationalen Klubbewerb in Europa. 1938 wird das österreichische Nationalteam, das sich eben für die WM in Frankreich qualifiziert hat, aufgelöst, ein letztes Mal vor dem »Anschluss« soll die österreichische Nationalmannschaft gegen Deutschland spielen. Vor 60 000 großteils NS-Anhängern gewinnt die »Ostmark« 2 : 0, den Führungstreffer erzielt Sindelar. In zahlreichen Publikationen wird von Sindelars patriotischem Verhalten berichtet, dass er nach seinem Tor einen Freudentanz vor der Nazi-Tribüne aufführte oder dass er dem Team angeordnet habe, anstelle der traditionellen schwarz-weißen Trikots rot-weiß-rote zu tragen. Die Belege für diese Überlieferungen fehlen. Eine Einberufung ins reichsdeutsche Team lehnt Sindelar ab.

Im selben Jahr endet seine Fußballkarriere. Sindelar ist sehr geschäftstüchtig. Schon in seiner aktiven Zeit arbeitet er nebenbei für die Sportartikelfirma Pohl und ist Werbe-Testimonial für Fußbälle, Uhren, Hüte, Anzüge und Joghurt. Sogar im Film Roxy und ihr Wunderteam spielt er mit. Nach Ende seines Profivertrags übernimmt Sindelar das Café eines jüdischen Freundes, in dem er jahrelang als Gast zum Tarockieren war.

Ein Jahr später wird Matthias Sindelar gemeinsam mit seiner halbjüdischen, italienischen Freundin Camilla Castagnola tot in seiner Wohnung aufgefunden. Die Fußballwelt trauert. Die Todesursache ist laut Polizei eine Kohlenmonoxidvergiftung infolge eines Gasgebrechens. Weil angeblich kein Gasgeruch wahrnehmbar ist, beginnen wilde und anhaltende Spekulationen über die wahre Todesursache: von Selbsttötung ist die Rede, einmal wegen verschmähter Liebe, dann wieder aus politischen Gründen. Auch von einem Racheakt wird gesprochen oder einem Verbrechen der Gestapo.

Sindelars früher Tod unter fragwürdigen Umständen trägt wesentlich zur Legendenbildung bei. Sein Begräbnis in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof wird von den Nationalsozialisten als Staatsakt inszeniert. Die ruhmreichen Geschichten rund um Sindelar werden ausgeschmückt und weitergetragen, bis 2003 Zweifel am »Antifaschisten« Sindelar laut werden. Journalist Peter Menasse recherchiert als Erster in der Causa und wühlt sich durch das Dokumentationsarchiv, mit dem Ergebnis: Sindelar profitiert vom »Anschluss« und bekommt zu einem »günstigen« Preis das arisierte Café Annahof in Favoriten. Der ehemalige Besitzer Leopold Drill kommt im KZ Theresienstadt ums Leben. Ob Sindelar einer von vielen Mitläufern und Profiteuren oder aktiver Ariseur ist, können letztlich auch mehrere Kommissionen nicht eindeutig klären.

Eine Legende des österreichischen Fußballs: Matthias Sindelar

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SKILEHRER VON WELTFORMAT: JOHANN SCHNEIDER

Johann »Hannes« Schneider ist ein Phänomen der 1930er-Jahre. Zu der Zeit gibt es keinen Skifahrer, der weltweit so berühmt ist wie der Arlberger.