101 Dinge, die ein Rennradfahrer wissen muss - Tim Farin - E-Book

101 Dinge, die ein Rennradfahrer wissen muss E-Book

Tim Farin

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Beschreibung

Dieses Rennrad-ABC beinhaltet 101 nützliche, interessante und amüsante Fakten rund um das Thema Rennradfahren. Ob als Geschenkbuch, als Booster für das Rennradtraining oder zur Einstimmung für die nächste Fahrt mit dem Rennrad - dieses Radler-Kompendium ist ein Muss für jeden Rennradfahrer und jede Rennradfahrerin. Das Buch ist nicht nur unterhaltsam, sondern hält auch viele praktische Tipps fürs Rennradfahren bereit. Neben spannenden Rennrad-Geschichten, erhalten Sie zudem wichtige Informationen zu zahlreichen R-Wörtern, wie Rennradtraining, Radlerschmerzen oder Rennradler-Ernährung. Nach der Lektüre sind Sie bestens informiert und es steht nichts mehr im Wege, sich sofort auf den Rennradsattel zu schwingen.

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Autor Tim Farin nach 5.000 Höhenmetern bei La Marmotte

Tim Farin

101 Dinge

die ein

Rennradfahrer

wissen muss

Inhalt

Vorwort

1Quäl dich, du Sau! |Leidensfähigkeit (und Masochismus) gehören dazu

2Wie alles losrollte |Die lange Geschichte der Radrennen

3Die Systemfrage |An Schaltgruppen scheiden sich die Geister

4Die Bräunungskante |Was die Haut über den Trainingszustand verrät

5Es knarzt |Die Suche nach dem Ursprung der Geräusche

6Kampf um KOM und QOM |Das soziale Netzwerk Strava verbindet Sportler

7Silberling und Superfood |Gute Verpflegung unterwegs ist entscheidend

8Der Griff zum Bidon |Trinkflaschen gehören zur Grundausstattung

9Überwiegend sitzende Tätigkeit |Beim Sattel haben Sie die Qual der Wahl

10Das größte Rennen |Die Tour de France ist das Maß aller Dinge

11Im Verein ist Sport am schönsten |Die RTF als sichere Bank für Entdecker und Trainingsgruppen

12Wer verkürzt, verliert |Warum das Dehnen zu Ihrem Training gehören sollte

13Lizenz zum Rasen |Das Papier für den klassischen Rennsport

14Wenn es klickt |Die Power kommt durchs Klick-Pedal

15Von Stürzen und Schürfwunden |Verletzungen gehören zum Radsport

16Die Parallelwelt |Jedermannrennen vereinen Anfänger und Experten

17Gemeinsam ist man stark – und schneller |Über das Fahren in der Gruppe

18Wenn die Luft raus ist |Das Pannenset gehört zu jeder Tour

19The sky’s the limit |Bergpässe fahren will gelernt – und geübt – sein

20Zum Cima Coppi |Das Stilfser Joch gehört auf jede Rennradler-Bucketlist

21Der einsame Gigant |In der Provence lockt der Mont Ventoux

22Sitzen wie angegossen |Mit Bikefitting holen Sie mehr aus Ihrem Rad

23Watt geht? |Puls war gestern – Leistung ist heute

24Der Motor tritt mit |E-Unterstützung kommt auch ans Rennrad

25Wassersport |Der Regen fordert Schönwetterfahrer

26Monumental |Die wichtigsten Eintagesrennen

27Das heilige Flandern |Belgischer Landesteil voll Rad-Liebe

28Schutz für die Griffel |Vieles spricht für Handschuhe

29Hauptsache hart |Intervalltraining bringt’s

30Auf der Rolle |Indoortraining als fester Bestandteil der Saison

31Im Reich der Avatare |Schwitzen beim E-Sport mit Zwift

32Kauf ich in China |Erstaunliche Angebote im Internet

33Die Insel der Glückseligen |Mallorca, das Trainingsparadies

34Weg mit dem Schlauch |Taugen Tubeless-Reifen auch fürs Rennrad?

35Aber doch nicht mit dem Rennrad |Die Regeln gelten. Oder nicht?

36Fragen des Widerstands |Was ist besser: Scheiben- oder Felgenbremse?

37Verbandsfragen |Die Spitzenorganisationen UCI und BDR

38Kopfschmuck |Warum der Helm dazugehört

39Allein gegen die Uhr |Das unerbittliche Zeitfahren

40Unser Toursieger |Jan Ullrich, die tragische Figur

41Mit allen Mitteln |Doping – der Verdacht radelt mit

42Der Berg der Holländer |Über das Fahren im Wind

43Formfragen |Die Basics der Rennrad-Geometrie

44Zentrum der Bewegung |Die Kurbel bringt die Kraft aufs Rad

45Am Brenner verbrannt |Der Ötztaler Radmarathon als Goldstandard

4660 Minuten im Kreis |Das Projekt Stundenweltrekord

47Auf der Langstrecke |Randonneure fahren einfach weiter

481200 Kilometer am Stück |Das legendäre Paris–Brest–Paris

49Nachwuchssorgen |Rennradfahren und Impotenz

50Druck machen |Pumpen als treue Begleiter

51Figurbetont |Bibs – die einzig legitimen Hosen

52Auf anderen Wegen |Ist Gravelbiking das nächste Level des Rennradfahrens?

53Auf zum Test |Leistungsdiagnostik – nicht nur für Profis

54Alles im Blick |Keine Tour ohne Rennradbrille

55Aus der Kiste |Geliebt, gehasst – Räder vom Versender

56Bella Nostalgia |Der Kult um italienische Räder

57Schnell geschaltet |Elektronische Gruppen setzen sich durch

58Ungeschriebene Regeln |Der unerbittliche Dress- und Verhaltenscode

59Auf und ab am Stiefel |Familiär und heftig: der Giro d’Italia

60Laufen lassen |Nervensache Abfahrt

61Bin dann mal weg |Das Trainingslager als Grundlage

62Höchstgeschwindigkeit |Volle Kraft für den Sprint

63Im Velodrom |Bahnradfahren ist purer Sport

64Krieg auf den Straßen |Immer Zoff mit Autofahrern

65Geschwindigkeitsrausch |Jedermann rast bei den Cyclassics

66Wie die Profis |Die Etape du Tour lockt international

67Unten ohne? |Rasierte Beine als Erkennungszeichen

68Die Raphaisierung des Radsports |Wie ein Unternehmen einen neuen Stil schuf

69Im Eis |Gut eingepackt durch den Winter

70Wummern im Winter |Cyclocross – die Alternative für die kalte Jahreszeit

71Die Perfektionistin |Marianne Vos dominiert ihren Sport

72Auf der Waage |Es geht immer ums Gewicht

73Nichts gefrühstückt |Der Hype ums Nüchterntraining

74Nichts geht mehr |Der berüchtigte Hungerast

75Unter Last |Die effektive Fahrradkette

76Die Schrauber |Handwerk gehört dazu

77Schonzeit |Krank aufs Rad? Bitte nicht!

78Urbane Lieblinge |Von der Bahn in die Stadt: Fixies und Singlespeeds

79Der Kopf siegt |Die mentale Seite des Trainings

80Der Größte |Jeder sollte Eddy Merckx kennen

81Beständig |Stahl und Titan bleiben in

82Schwarz und steif |Willkommen im Carbon-Zeitalter!

83Umweltsauerei |Die negative Bilanz des Radsports

84Beats, Bikes, Bier |Sechstagerennen als Kultveranstaltung

85Rauf, rauf, immer weiter |Der Teide auf Teneriffa

86Prost |Bier gehört dazu

87Die Höhe |Radsport-Macht Kolumbien

88Über die Berge |Herausforderung TOUR Transalp

89Take a Break |Pausen gehören unbedingt dazu

90Feuer verbrennt |Zwischen Entspannung und Burnout

91Autonom |Die Rennrad-Nation Baskenland

92An der Riviera |Ligurien, das Sportparadies

93Gut geplant |Eine passende Route finden

94Vollbeladen |Bikepacking als Abenteuer

95Typenkunde |Welche Fahrerprofile es gibt

96Großer See |Das schwedische Volksfest Vätternrundan

97Das Murmeltier |Die Panoramafahrt La Marmotte

98Ganz unten |Bei Füßen und Schuhwerk braucht es Köpfchen

99Fanatisch |Die Helden der Landstraße stehen am Rand

100Le Jargon |Ein paar wichtige Begriffe fürs Hobby

101Saubermachen |Nach der Runde: putzen

Bildnachweis

Impressum

Wenn alles stimmt: der Stundenweltrekord auf der Radbahn
Hingucker: Rennrad als Hightech-Objekt
Gefährliche Abfahrt: Die Kurven am Glandon in Frankreich

Liebe Leserin, lieber Leser,

während ich diese Zeilen schreibe, scheint draußen die Sonne – Rennradwetter. Nach Abgabe wird es kalt und regnerisch sein, teilt mir die Wetter-App mit. Wenn Sie dieses Buch lesen, schon länger auf dem Rad sitzen oder das Hobby Ihnen etwas bedeutet, werden Sie meine Sehnsucht in diesem Moment nachvollziehen können.

Andererseits: Beim Schreiben und beim Auswählen der Fotos bin ich innerlich hineingefahren ins Herz des Rennradsports. Mit diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen auf diese Tour und kompakt das ganze Spektrum dieses wunderbaren Zeitvertreibs vorstellen. Ich möchte für Interessierte und Einsteiger etwas Orientierung bieten und für Fortgeschrittene ein wenig Inspiration zu neuen Entdeckungen.

Alles geben und reintreten – das ist Radsport.

Das hier ist sicher kein Fachbuch. Es gibt für jedes Spezialthema im Radsport – vom Werkzeug über den Materialkauf bis zur Trainings- und Ernährungslehre – hervorragende, detaillierte Literatur und auch Hilfe im Internet. Damit kann und will ich nicht ins Wettrennen gehen. Mir geht es um die Vielfalt dieses Sports. Deshalb bekommt auch Profisport einigen Platz. Selbst wenn wir als Hobbyfahrer mit Berufsfahrern wenig gemein haben, wenn wir uns auch die Rennen nicht anschauen – der Rennradsport zieht seine Essenz immer wieder aus den Bildern und Wegmarken, die die begabtesten, leidensfähigsten und skrupellosesten Vertreter der Art produzieren.

Radsport ist Teamsport. Deshalb ist Dank geboten. Ich bedanke mich bei Maria Bravo für die Hilfe bei der Recherche. Bei David Korsten für wichtiges Feedback. Bei Orhan Akkus und Philipp Hympendahl für optische und mentale Bereicherung. Vor allem bin ich meiner Frau Stephanie und meinen beiden Töchtern Luise und Leni dankbar, die mich für meinen Zielsprint zu diesem Titel aus dem Wind gehalten haben.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung – und warne vor gelegentlicher Ironie!

Kette rechts,

Ihr Tim Farin

1 Quäl dich, du Sau!

Leidensfähigkeit (und Masochismus) gehören dazu

Sind Sie sicher, dass Sie Rennrad fahren wollen? Mögen Sie es, sich über Stunden zu kasteien, über Monate auf das Weizenbier am Abend zu verzichten und bei Eiseskälte oder glühender Hitze den Elementen zu trotzen? Neigen Sie vielleicht dazu, sich selbst unter Druck zu setzen und dann durchzuziehen, wenn andere schon auf der Couch entspannen?

Wenn Sie gerade ganz laut und mehrfach »ja« gedacht haben, könnten Sie mit diesem Hobby gut bedient sein. Denn der Rennradsport bedeutet zu einem großen Teil, kontinuierlich äußere und innere Widerstände zu überwinden. Egal, wie Sie es drehen und wenden: Sie müssen Spaß daran haben, in Probleme zu geraten. Sonst sind Sie hier falsch.

»Quäl dich, du Sau!« Dieser Ausruf beschreibt ziemlich gut, was gefordert wird von einem Rennrad-Athleten – egal ob Spitzensportlerin oder Hobbyfahrer. Inzwischen ist er zum geflügelten Wort geworden, das Zitat hört man in Trainingsgruppen immer wieder. Es stammt von Udo Bölts, einem Arbeitstier von Profisportler aus der Pfalz. Bölts, der gestandene Kollege, schrie mit diesen wenig zimperlichen Worten auf den noch bubenhaften deutschen Shootingstar Jan Ullrich ein. Und »Ulle« schindete sich, überwand sich besser als die Konkurrenz, triumphierte 1997 bei der Tour de France. Bölts hat über seine Erlebnisse und Ethik ein Buch geschrieben, das den Aufruf ebenfalls im Titel trägt.

Anstiege überwinden, hoch hinauskommen – etwa in Sa Calobra, Mallorca.

Nichts wird einfacher

Wie die meisten Konditionssportarten bietet der Radsport seinen Aktiven ein verlockendes System: Wer sich viel abverlangt, bekommt dafür auch etwas zurück. Das mag draußen in der Welt oft anders erlebt werden, wo Einsatz und Ertrag nicht selten im Missverhältnis zueinander stehen. Aber beim Radfahren bleibt der Konnex erhalten. Investieren wir viel, werden wir stärker, und wenn wir stärker werden, wollen wir weiterkommen und steilere Berge mit besserem Tempo bezwingen. Es ist diese Steigerungslogik, die einen Teil des Leidenskults ausmacht. »It doesn’t get any easier, you just get faster«, hat der amerikanische Toursieger Greg LeMond in einem Zitat für die Ewigkeit formuliert. Es wird nicht leichter, man wird nur schneller.

Die Krise gehört zum Radsport wie das Rad.

Stürze, Blut und Schotter

Wer den Radsport liebt, für den gehören gerade die Geschichten der größten Überwindung zum Repertoire. Man sucht sich die spannenden Herausforderungen, zum Beispiel ein Rennen auf derselben Strecke wie die Profis. Wer das als Normalsterblicher bezwingen will, wird garantiert keinen lockeren Tag erleben. Nach einem Alpenmarathon oder einer Frühjahrsrunde durch die Ardennen spricht kaum jemand über das, was glatt gelaufen ist. Kaltes Wetter, fieser Regen, Materialprobleme, vielleicht noch Stürze – das sind die Zutaten für eine Radsporterzählung, die hängenbleibt.

Natürlich sind es die Besten, die dieses Bild mitprägen. Die Profis, die stürzen und meistens wieder aufstehen. Die mit blutigem Trikot ins Ziel rollen. Bei denen Knochenbrüche einfach dazugehören. Wer sich länger mit dem Hobby auseinandersetzt, wird über Kurz oder Lang die Bilder aus den Urzeiten des Sports sehen – und sie bewundernd abspeichern. Die schwarz-weißen Bilder von Männern, die auf Schotterwegen über die Bergpässe fahren, damals noch umzingelt von wilden Tieren. Wer das sieht, weiß, dass sie noch zäher waren als wir heute: Schließlich hatten sie all das moderne Material nicht, fuhren schwerere Räder ohne Gangschaltung. Also bitte nicht jammern!

2 Wie alles losrollte

Die lange Geschichte der Radrennen

Der Radsport hat eine lange Tradition. Sie reicht weit zurück ins 19. Jahrhundert, in dem überhaupt erst die Fortbewegung auf zwei Rädern in die Welt gekommen war. Das erste Radrennen, so ist es zumindest überliefert, soll am 31. Mai 1868 im Parc de Saint-Cloud in der französischen Hauptstadt Paris stattgefunden haben. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, schrieb der Schweizer Verleger Paul Salvisberg, habe 18,75 Stundenkilometer betragen. Eine andere Quelle beziffert den Speed auf 22,5 Stundenkilometer. Über den Sieger gibt es verschiedene Behauptungen, weil an dem Tag mehrere Rennen stattfanden und nicht so recht klar ist, welches als erstes ausgetragen wurde. Häufig genannt wird der Brite James Moore, und er selbst blieb Zeit seines Lebens dieser Ansicht. Moore wurde 1849 geboren und war einer der besten Rennfahrer der frühen Ära. Seine Version wird aber bestritten, nicht nur vom niederländischen Soziologen Benjo Maso in seinem großartigen Buch »Der Schweiß der Götter«. Überhaupt soll es bereits vor diesem Renntag an anderen Orten Wettbewerbe gegeben haben.

Ein Bild aus dem Jahr 1909 zeigt den US-Profi Robert Walthour.

Wer gewann wirklich?

Moore erzielte seine ersten Erfolge auf einem Veloziped, einem der frühen Fahrräder mit Pedalen am Vorderrad. Er saß auf einem schmiedeeisernen Rahmen, die Holzräder mit Eisen umspannt. Diese Gefährte waren eine Weiterentwicklung des Laufrads, das Karl Drais 1817 vorgestellt hatte. Der Radtyp, auf dem Moore seine Karriere machte, wurde von den Zeitgenossen »Boneshaker«, Knochenschüttler, genannt. Moore war es auch, der das erste Straßenradrennen gewann, in 10:45 Stunden legte er die 123 Kilometer von Paris nach Rouen zurück. Über seine Materialwahl an jenem Tag sind die Quellen ebenfalls diffus.

Der Diamantrahmen

Die frühen Räder, die Michaulinen und Hochräder, haben wenig gemeinsam mit den Rennrädern von heute. Doch blickt man auf die Bilder der ersten Tour de France von 1903, dann sind die Grundzüge der Technik seither ähnlich geblieben: Räder mit Diamantrahmen, also ein Konstrukt aus zwei Dreiecken, Oberrohr/Unterrohr/Sitzrohr und Sitzrohr/Kettenstreben/Sitzstreben. Den Kettenantrieb in der heute bekannten Form gibt es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Gangschaltung gab es in den frühen Zeiten noch nicht, aber die Fahrer waren dennoch flott unterwegs.

Karriere vor und nach dem Ersten Weltkrieg: der Franzose Léon Georget

Ende des 19. Jahrhunderts war auch bereits an der nächsten, bis heute relevanten Technik geforscht worden, die moderne Rennradfahrer auf jeden Fall benötigen – es sei denn, sie gehören der Bahn- oder Fixieszene an. Auch damals gab es Widerstände gegen Neuerungen, der Tour-de-France-Gründer Henri Desgrange etwa lehnte Schaltungen vehement ab. Dennoch zogen sie in den Sport ein. Schon in den 1930ern kamen die Gebrüder Nieddu mit einer Schaltung namens Vittoria Margherita auf den Markt, die allerdings nur beim Rückwärtstreten benutzt werden konnte. Es war also nicht die Firma Campagnolo, wie oft behauptet wird, die die Kettenschaltung einführte. Aber: 1946 lieferte sie das erste wirklich nützliche System zum Schalten während der Fahrt, benutzbar mit Hebeln am Rahmen.

3 Die Systemfrage

An Schaltgruppen scheiden sich die Geister

Vor ein paar Jahrzehnten war die Sache einfach: Rennradfahren war eine Sportart, deren Erscheinungsbild und technische Ausstattung in Italien definiert wurde. Wer in den 1970ern und 1980ern mit Leidenschaft Rennrad fuhr, hatte ziemlich sicher eine »Campa« am Rad. Aus jener Zeit stammt der magische Ruf der Firma aus dem italienischen Ort Vicenza.

Allerdings sieht die Lage heute deutlich anders aus: Wer sich für eine Ausstattung – Schaltung, Bremsen, Kurbeln, Umwerfer und so weiter – entscheidet, kann gleich zwischen vier Anbietern wählen. Längst sind die Pioniere von Campagnolo vom japanischen Riesen Shimano überholt worden – zumindest in Sachen Marktanteile. Daneben gibt es mit SRAM einen noch recht neuen Herausforderer, der immer wieder mit technischem Erfindergeist punktet. Mit Rotor hat sich schließlich vor Kurzem ein weiteres Unternehmen auf den Markt vorgewagt – und mit einem komplett hydraulischen System einen eigenen Ansatz gewählt.

Preis, Gewicht, Glaube

Die Frage, was man an seinem Rad einsetzt, könnte man ganz nüchtern angehen. De facto ist die Ausstattung für viele Rennradfreaks eine Glaubensfrage. Es geht um nichts weniger als die Emotionen und das, was man in der Welt für richtig hält.

Es ist auch nicht so, dass eine Firma eindeutig bessere Produkte herstellt als die andere. Schalten tun sie inzwischen eigentlich alle sehr gut, egal ob beim Top-Modell oder in der Einsteigerklasse. Was sich aber weiterhin unterscheidet, ist das spezifische Handling und die spezifischen Ausgestaltungen der Systeme. Das Gewicht ist ein Faktor. Und die Kombinierbarkeit des jeweiligen Systems. Was sich auch unterscheidet: der Preis. Aber das hängt wiederum auch von der gewählten Qualitätsstufe ab. Sie sehen: Es ist kompliziert.

Noch immer geliebt: Teile von Campagnolo
Die elitäre Shimano-Gruppe Dura Ace

Tatsächlich gibt es in der Handhabung der Schalt- und Bremshebel zwischen den Systemen markante Unterschiede. Wer normalerweise mit einem Shimano-System unterwegs ist und dann mit einer SRAM-Gruppe schalten möchte, braucht erst einmal Orientierung. Die Amerikaner haben nämlich eine Technik auf den Markt gebracht, bei der man mit derselben Griffbewegung hoch- und runterschaltet – und mit demselben Hebel auch noch bremst. Entscheidend ist dabei der Druck. Campagnolo wiederum zeigt sich ebenfalls gern als Innovationstreiber, doch setzt bewusst auf analoge Gefühle. Wer etwa die neueste elektronische Schalttechnik der Italiener nutzt, hat trotz der Hightech immer noch das Gefühl bewährter Mechanik.

Einfachschaltgruppen im Kommen

Welches System Sie wählen sollen? Keine Ahnung! Das hängt natürlich auch davon ab, in welcher Preisklasse Sie unterwegs sein möchten. Bei SRAM, Shimano und Campagnolo gibt es unterschiedlich teure, präzise und leichte Gruppen im Angebot. Spannend ist, dass SRAM und Rotor nun versuchen, die Vorzüge der Einfach-Schaltung am Rennrad in die Breite zu bringen. Damit preschen sie voran. Die Idee: Man kann mit nur 11, 12 oder 13 Gängen genauso gut durch den Nachmittag kommen wie mit einem hochpräzisen Schaltwerk mit allerlei Hebeln. Aber Achtung: Machen Sie sich auf die Reaktion der Campagnolo-Anhänger gefasst!

4 Die Bräunungskante

Was die Haut über den Trainingszustand verrät

Jetzt mal ganz ehrlich, ganz unter uns: Freuen Sie sich auch, wenn Sie irgendwann im März oder April die ersten paar Stunden mit richtiger Frühlingssonne gefahren sind? Natürlich mit kurzen Sachen. Und wenn Sie dann im Spiegel sehen, dass Ihre Haut genau bis dorthin dunkler wird, wo die strengen Bündchen an Arm und Bein das Trikot begrenzen?

Ja, dann sind Sie soweit! Sie haben es in jenen Zirkel von Menschen geschafft, bei denen der Sport zu einer merkwürdig veränderten Wahrnehmung der Ästhetik führt. Jetzt sind Sie das Gegenstück zu jenen Leuten, die sich möglichst nahtlos bräunen und dafür entweder die knappestmögliche Kleidung auftragen oder gleich ganz auf Textil verzichten.

Blick auf die Vorbilder

Aber Sie sind jetzt ein richtiger Radsportler, eine richtige Radsportlerin – und das möge man bitte auch sehen! Vielleicht lassen Sie deshalb sogar auch mal absichtlich die Sonnencreme weg, damit sich der Effekt schneller einstellt (wovon natürlich aus medizinischer Sicht dringend abzuraten ist). Verständlich wär‘s: Schließlich prägt nicht nur die objektive Vernunft unser Selbstbild, sondern auch der Blick auf die Vorbilder.

Und da möchten wir eben gern so ausschauen wie die jungen Topsportler, die schon im Februar mit Sommersprossen aus dem Trainingslager auf den Kanaren kommen. Im Sommerurlaub wollen wir am Strand auffallen mit unserem weißen Bauch, aber wahnsinnig braunen Armen. An der Bräunungskante sollt Ihr uns erkennen. Oder finden das die Nichtrennradfahrer womöglich etwas schräg?

Gut gebräunte Beine – zumindest teilweise

5 Es knarzt

Die Suche nach dem Ursprung der Geräusche

Aktive Rennradfahrerinnen und Radrennfahrer lassen sich durch kleinste Dinge aus der Ruhe bringen. Eines dieser Dinge ist das Knarzen. Es ist wie die Maus, von der wir wissen, dass sie da irgendwo in der Wohnung nagt. Wir suchen und suchen, das Knabbern, Fiepen und Schaben quält uns, aber wir finden sie nicht.

Das Knarzen ist elementarer Bestandteil des Rennradfahrens. Es tritt schlagartig auf oder schleicht sich heran. Es ist nur bei Wärme da oder wenn wir vorne auf dem kleinen Blatt fahren. Es hängt vielleicht an der Hose oder daran, dass man schon länger nicht mehr in der Inspektion war. Jedenfalls nervt es tierisch. Man versucht dann, während der Ausfahrt den eigenen Tritt anzupassen, und ja, für ein paar Momente hilft das vielleicht. Oder man rückt auf dem Sattel ein bisschen nach vorne.

Woher kommen bloß die störenden Geräusche?

Man hat niemals Ruhe

Wenn es knarzt, hat man keine Ruhe, auch wenn das Rad in der Ecke steht. Denn die Ursachenforschung erweist sich meist als ziemlich kompliziert. Hier ein paar Tipps: Oft ist es nicht das Tretlager, auch wenn es beim Fahren so klingt. Häufiger ist es eine Schraube an der Sattelstütze, die man lieber nochmal auf Drehmoment festschrauben sollte. Oder ist es doch das Plättchen unterm Schuh, das uns nervt?

In jedem Fall gilt: Viel Erfolg bei der Suche. Sie werden Geduld brauchen. Vor allem, wenn der Schrauber Ihres Vertrauens das Geräusch in der Werkstatt nicht hört.

6 Kampf um KOM und QOM

Das soziale Netzwerk Strava verbindet Sportler

Der Wettbewerb um Bestzeiten tobt heute überall und jederzeit. Plötzlich leuchtet das Smartphone auf und benachrichtigt den Nutzer: Er hat seinen Rekord verloren! Mist, schnell reinschauen, wer war das und wie war das möglich?

Das soziale Netzwerk Strava gehört für Millionen Radsportler und Radsportlerinnen fest zum Training und zur Nachbearbeitung, dient zum Kontaktaustausch mit Gleichgesinnten, zur Inspiration für Trainingsstrecken und auch zur schlichten Prahlerei. Strava, das sich aus dem schwedischen Wort für Anstrengen ableitet, verleiht dem Rennradfahren eine zweite, virtuelle Ebene.

Das 2009 in San Francisco gegründete Start-up zeichnet die Trainingsfahrten der Sportler zunächst einmal auf. Das funktioniert mit GPS-Daten, die entweder mithilfe von Smartphone, Tacho, Trainingsuhr oder Navigationsgerät am Tacho dokumentiert werden. Diese Strecken laden die Nutzer dann in ihren persönlichen Account hoch. So entsteht ein Trainingstagebuch, das sich über Jahre zurückverfolgen lässt. Das ist praktisch, weil man etwa auch Pulsdaten, Wattwerte und weitere Informationen hinterlegen kann.

Alle Leistungen vergleichbar

Aber Strava nutzt niemand für sich allein. Auf der Plattform geht es immer auch um Wettbewerb. Klar, das lieben wir Radsportler. Auf der virtuellen Plattform geht das so: Die User legen auf den Strecken sogenannte Segmente an. Das können die letzten zwei Kilometer auf einem Feldweg vor der Hauptstraße sein oder alpine Passstraßen vom Kreisverkehr bis zum höchsten Punkt. Strava ordnet nun automatisch die Leistungen auf diesen Segmenten ein. Jedes Mal, wenn ein Sportler seine Aktivität beendet hat, legt das Netzwerk die Daten ab. So lässt sich blitzschnell herausfinden, wie man an einem beliebigen Tag, in einem bestimmten Jahr oder seit Beginn der Aufzeichnung auf diesem Segment abgeschnitten hat.

Die höchste Auszeichnung ist natürlich der Titel KOM oder QOM – was für »King« bzw. »Queen of the Mountain« steht, auch wenn die Spitzenleistung im Flachen geschieht. Dann verteilen die Strava-Fans »Kudos«, indem sie die Aktivitäten anderer Sportler mit einem Daumen nach oben versehen. Es gibt Kommentare und Herausforderungen, die man jeden Monat aufs Neue bestehen kann. Auf Strava gibt es also immer was zu tun und zu sehen. Wie bei den meisten sozialen Medien besteht auch immer die Gefahr, darin zu versinken.

Betrug auf den Segmenten?

Während die Software-Ingenieure in Kalifornien weiter daran arbeiten, dass die GPS-Daten möglichst genau die tatsächlichen Werte einer Fahrt widerspiegeln, spielen sich draußen in aller Welt wilde Diskussionen ab. Manchem Segment-Rekord ist einfach nicht zu trauen. Trainingsgruppen legen mitunter alles darauf aus, die perfekten Bedingungen für einen Rekord zu nutzen. Man muss sich bei manchen Zeiten schon fragen, ob der KOM wohl mit dem E-Bike oder doch mit dem Auto unterwegs war. Aber das, sagen die Gründer von Strava, ist eben auch Teil des Spieles. Und wenn eine Sache wirklich merkwürdig wirkt, kann man sie immer noch bei den Betreibern der Plattform melden.

Natürlich gibt es sie, die Retrofans, die immer noch nicht auf Strava mitmachen. Aber die haben bestimmt auch keinen Fernseher zuhause und kein smartes Phone. Wir dagegen, die wir genauso wenig stillstehen wie unsere Räder und der Fortschritt, steuern schon jetzt auf den nächsten Strava-Upload zu.

Tracking mit Strava gehört heute vielerorts dazu.

7 Silberling und Superfood

Gute Verpflegung unterwegs ist entscheidend

Die Fantasie kennt beim Essen kaum Grenzen. In Israel zum Beispiel zog ein Gesprächspartner einen ganz besonderen Radfahrersnack aus der Trikottasche: einen in Alu eingepackten Fladen, in der Mitte selbst zubereiteter Hummus – ein schneller Nährstoffspender nach einer Bergtrainingsfahrt. Lecker, abwechslungsreich, nahrhaft. Auf Mallorca gibt es Riegel aus Feigen – süß und wirksam.

Essen und Trinken beim Sport, kurz davor und auch danach sind wichtig, um während der Tour nicht einzubrechen und danach zu regenerieren. Deshalb sollte die Ernährung bei einer Ausfahrt nicht unterschätzt werden. »Das Wichtigste, damit du durchhältst, ist immer das Essen«, hat vor ein paar Jahren ein Ultrasportler gesagt, der beim Langstreckenrennen Mallorca 312 in der Schlussgruppe die Teilnehmer eskortierte. Es ist eine simple Botschaft, die man aber während der Belastung mitunter vergisst. Es lohnt sich, sie zu beherzigen.

Wissenschaftliche Berechnung

Das erste – und wichtigste –, das man wissen muss: Gerade bei längeren und kraftzehrenden Touren sollte man sich möglichst sklavisch an einen Plan halten. Es geht darum, dem Körper genug Energie zu spenden, um ihn vor einer Unterversorgung zu schützen. Das geht hochwissenschaftlich. Bei Rennen etwa gibt es nicht wenige, die ihren Bedarf an Kohlenhydraten wie folgt berechnen: 50–60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde, was natürlich vom Umsatz abhängt. Oder: an jeder Verpflegungsstelle anhalten und abwechslungsreich nachfüllen, was gerade reinpasst.

Grundsätzlich gilt: Während der Belastung und kurz danach sind Kohlenhydrate wichtig. Die lassen sich im Körper nur begrenzt vorhalten. Wenn der Körper die eigenen Fettreserven zurückwandelt, liefert er den Muskeln zwar auch Energie. Aber eben nicht schnell genug, um das Tempo zu halten. Deshalb bunkern Radsportler in der Trikottasche gern spezielle Kohlenhydrat-Snacks, die während der Fahrt Energie spenden.

Von Riegeln und Gels

Früher nannte man den mitgebrachten Snack noch Silberling. Der Name geht auf die Alufolie zurück, in die der Imbiss eingewickelt war. Heute sind die meisten Sportler mit gekauften Snacks unterwegs. Bei gut sortierten Drogeriemärkten findet man Riegel, die für Radsportler geeignet sind – leicht kaubar, schnell verdaulich. Gerade für Rennen greifen viele Athletinnen auf Gels zurück. Das sind klebrige Flüssigkeiten mit Kohlenhydraten, Salz und manchmal auch Koffein. Sie stellen dem Körper die nötige Energie blitzschnell zur Verfügung. Ganz neu ist auch so etwas wie Gummibärchen für Sportler. Wer all das dabeihat, dem geht schnell auf, dass Radfahren auch umweltschädlich ist. Achtung, dass der Müll nicht auf die Straße fliegt!

Unterwegs sollten ständig Kohlenhydrate nachgeführt werden.

Ein weiteres wichtiges Element der Verpflegung sind Elektrolyte. Beim Schwitzen gerät der Flüssigkeitshaushalt durcheinander. Wer dann über längere Zeit nur Wasser nachführt, bekommt es über Kurz oder Lang mit einem Salzmangel zu tun. Das kann schmerzhaft enden, mit schweren Krämpfen oder gar Krampfanfällen. Daher empfiehlt es sich, regelmäßig Elektrolyt-Pulver ins Wasser der Trinkflasche zu geben. Als akute Hilfe gegen Krämpfe haben sich übrigens gepresste Salzpastillen bewährt.

Nach dem Sport kommt es besonders auf zwei Dinge an: Hat man sich richtig verausgabt, sollte man direkt im Ziel Zucker zu sich nehmen. Die Profis essen häufig Gummibärchen. Na also! Das hilft der Muskulatur und verhindert auch eine Energie-Unterversorgung, die das Immunsystem schwächt. Außerdem ist bald danach die Zeit für Eiweiß gekommen. Ob es wirklich ein Superfood-Weizenproteinshake sein muss? Es geht auch mit Vollmilch-Kakao.

8 Der Griff zum Bidon

Trinkflaschen gehören zur Grundausstattung

Die Dinger sauber zu bekommen und dann auch noch von innen wirklich trocken, weckt bei vielen Radsportlern einen erheblichen Konstrukteursgeist. Sie bauen sich für die Spüle Drahtgestelle und versuchen, mit Bürsten noch in den letzten Winkel des Gefäßes vorzudringen. Es soll bloß kein Schmutz oder Schimmel zurückbleiben in den harten Plastikflaschen. Das kann man durchaus verstehen, schließlich sind die »Bidons« (französisch für Kanister) jene Begleiter auf der Straße, die so intimen Kontakt zum »Rouleur« haben, wie sonst nur ein Partner beim französischen Kuss.