101 Dinge, die Sie über München wissen müssen - Britta Mentzel - E-Book

101 Dinge, die Sie über München wissen müssen E-Book

Britta Mentzel

0,0

Beschreibung

Minga, München, Munich, Monaco, die nördlichste Stadt Italiens – für jeden ist sie anders und dabei lieben sie sie alle, ganz gleich ob Münchner, Zuagroaste (dt.: Zugereiste) oder blutige Anfänger aus der Abteilung Tourist. Dieses Buch der 101 Dinge ist der beste gemeinsame Nenner für alle München-Fans: eine sinnliche Entdeckungsreise durch die Isarmetropole und eine vergnügliche A- bis-Z-Gebrauchsanweisung für Stadt, Menschen und Geschichten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 203

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Britta Mentzel

101 Dinge

die Sie über

München

wissen müssen

Inhalt

Vorwort

1—Asam-Brüder

2—Attentate

3—Bally Prell

4—Bau-Meister

5—Bayerischer Löwe

6—Bayerischer Rundfunk

7—Bier

8—Bier-Alternativen

9—Biergarten

10—Botanik

11—François Cuvilliés

12—Deutsche Eiche

13—Deutsches Museum

14—Dialekt

15—Dralle Formen

16—Dult

17—Eis

18—Eisner

19—Englischer Garten

20—Farben

21—Fasching

22—FC Bayern

23—Filmschauplätze

24—Föhn

25—Geburtstag

26—Hauptstadt der Bewegung

27—Haus der Kunst

28—Henriette Adelaide

29—Hofbräuhaus

30—Innenhöfe

31—Innereien

32—Innovationen

33—Isar

34—Italienische Momente

35—Jugendstil

36—Kabelsteg

37—Käfer

38—Kinos

39—Kocherlball

40—Kunstareal

41—Liedermacher

42—Malerfürsten

43—Johann Mannhardt

44—Marienplatz

45—Markt und Großmarkt

46—Die Mass

47—Melancholie

48—Memory Loops

49—Michaelskirche

50—Moderne Architektur

51—Monacensia

52—Montgelas

53—Münchner Kindl

54—Nationaltheater

55—Neunundneunzig Meter

56—Oktoberfest

57—Olympia 1972

58—Open Air

59—Orchester

60—Originale und Fälschungen

61—Planetarium und Co.

62—»Poschi«

63—Privattheater

64—Radeln

65—Residenz

66—Revoluzzer und Revolutionen

67—Rooftop-Bars

68—Sankt Anna im Lehel

69—Schäffler und Schäfflertanz

70—Schlitten

71—Schnäppchen

72—Schöne Münchnerin

73—Schwabing

74—Sightseeing

75—SPD

76—Stachus

77—Stadtteile und Statistiken

78—Stolpersteine

79—Strände

80—Christian Stückl

81—Süddeutsche Zeitung

82—Synagoge

83—Tatort

84—Teufelstritt

85—Tiere

86—Tollwood-Festival

87—Trachten

88—Treppenhäuser

89—Trinkwasser

90—TSV 1860 München

91—Türsteher

92—Umland

93—Universitäten

94—Karl Valentin

95—Väterchen Timofei

96—Verlage

97—Weiße Rose

98—Weißwurst

99—Wirtschaftsmetropole

100—Wittelsbacher

101—Wohnungsmarkt

München, meine Herzstadt

Kann sein, dass diese Formulierung ein bisschen dick aufgetragen erscheint, aber München ist sowieso kein Fall für Untertreibungen, und wenn schon keine Liebe, so handelt es sich doch um eine Leidenschaft fürs Leben. Selbstverständlich vollkommen subjektiv empfunden – andererseits teilen etwa 1,5 Millionen Münchnerinnen und Münchner diese Leidenschaft mit mir und mehreren Millionen, die jedes Jahr aus dem In- und Ausland in die schöne Stadt reisen. Denn daran kann kein Zweifel bestehen: München ist schön. Auf eine für Deutschland ganz eigene Art – großzügig, prächtig und gepflegt; vielleicht ein wenig überdreht, ganz sicher überteuert, aber doch jeden Euro wert, den man hier verschwendet. Egal, ob man ihn am Chinesischen Turm in ein Bier unter blühenden Kastanien investiert oder in einen »Munich mule« mit Giesinger Gin, Gurke und Limette. Und ganz gleichgültig, ob er in die Spendenbox der Frauenkirche wandert oder in die Kasse der lichtdurchfluteten Pinakothek der Moderne.

Doch geht es in diesem Büchlein nicht nur um touristische Aspekte, sondern darum, ein Bild der Stadt in 101 Farben zu malen und ihre Vielgestaltigkeit in mindestens 101 Facetten zu beschreiben. Dabei dürfen die Schatten der Vergangenheit genauso wenig fehlen wie das reine Vergnügen, heute hier zu leben – betört von der schönen Lage, verwöhnt von einem enormen Kulturprogramm, in einer Metropole, die aus allen Nähten platzt und doch von sich selbst nicht genug bekommt. Mehr als eine Momentaufnahme kann es kaum sein, und doch, es geht nicht anders: eine Liebeserklärung in 101 Kapiteln!

»Langsam begreife ich, was das ist, ein echter Münchner. Ein Glücksfall ist es, kein Zufall.«

Napoleon (1769–1821)

Asam-Brüder:

Zwei geniale Architekten für die Ewigkeit

Dass eine Ausnahmebegabung zur Welt kommt, passiert in den normalsten Familien – aber gleich zwei Künstler von Rang in einer Generation? Vielleicht konnte das nur im wundersamen Barock geschehen, dem Zeitalter des Überschwangs und der hemmungslosen Reizüberflutung. Familiär vorgeprägt waren Cosmas Damian Asam, geboren 1686, und Egid Quirin Asam, geboren 1692, auf jeden Fall: Schon ihr Vater Hans zauberte in der Klosterkirche St. Quirin in Tegernsee die Fresken von Leben, Martyrium und Verklärung des Heiligen perspektivisch exakt auf die Decke. Seine Söhne übertrafen den Vater aber noch in Kunstfertigkeit, Ideenreichtum und Geschwindigkeit. In unfassbaren 18 Monaten renovierten sie den Freisinger Dom in Rokoko-Manier, nur zwei Jahre brauchte der Maler-Bruder Cosmas Damian für die Fresken in Deutschlands größter Barockkirche, St. Martin in Weingarten.

In München verbrachten die Geschwister mehr als ein Dutzend Schaffensjahre, in denen sie sich um die Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt sowie die Kloster- und die Damenstiftskirche St. Anna im Lehel kümmerten. Vor allem aber bauten sie im Hackenviertel auf ihrem Privatgrund eine Kirche, die heute ihren Namen trägt, obwohl sie eigentlich nach dem heiligen Nepomuk heißt. Der Gedanke ans Lebensende mag ein Motiv für den Bau gewesen sein – in schauriger Anschaulichkeit schneidet hier der vergoldete Tod den Lebensfaden ab –, die Sorge ums Seelenheil war ganz sicher eines. Und vor allem die totale Freiheit der Gestaltung: Kein Auftraggeber nervte, kein Zeitdruck lastete, und eigentlich waren noch nicht einmal fremde Kirchgeher vorgesehen, aber ihre Mitbürger wollten das »Theatrum sacrum« sehen, das da als perfektes Zusammenspiel von Malerei und Plastik, von Architektur und Lichtspiel inszeniert war.

Hinter dem beinahe schlichten Eingangsportal und der niedrigen Vorhalle mit der Sonnen-Decke entfaltet sich in der Sendlinger Straße 32 die sinnbildliche Pracht: Unten im Dunkel sitzen die Sünder im Jammertal, darüber liegt die weltliche Macht, während die Decke Gott und seinen Engeln vorbehalten ist. Ein ganzes Barockuniversum auf 22 mal 8 Metern, nach Westen statt nach Osten ausgerichtet und oben links mit einem kleinen Fenster versehen. Von dort konnte Egid Quirin aus seinem Wohnhaus gleich nebenan bis auf den Altar sehen. Sechs Jahre nach dem Baubeginn starb der Ältere 1739, der Jüngere überlebte die Weihe 1746 um vier Jahre.

Attentate:

Als die Geschichte den Atem anhielt

Zufall oder böse Fügung des Schicksals? In den knapp 100 Jahren zwischen 1919 und 2016 wurde München so oft zum Schauplatz politisch motivierter Anschläge wie keine andere deutsche Großstadt, noch nicht einmal Berlin. Und jedes Mal spiegelten die Attentate Zeitströmungen wider, angefangen bei der Ermordung des Ministerpräsidenten Eisner am 21. Februar 1919. Der linke Sozialdemokrat wollte im Landtag seinen Rücktritt anbieten, als ihn die Kugeln Anton Graf von Arcos trafen. Zunächst zum Tode verurteilt, wurde der nationalistische Student später begnadigt und nach vier Jahren Haft entlassen. Mit Verweis auf die Gefühle seiner Witwe scheiterten bis zu deren Tod 1987 alle Anläufe, Eisner durch ein Denkmal oder mit einem Straßennamen zu ehren! Das sagt leider viel über Bayerns gespaltenes Verhältnis zu Politikern mit farbigem Parteibuch. Inzwischen gibt es zwei Gedenkstellen: eine Bodenplatte in der Kardinal-Faulhaber-Straße, dem Tatort, und eine Glas-Licht-Installation am Oberanger mit dem Eisner-Satz »Jedes Menschenleben soll heilig sein«.

Auch das des Tyrannen? Eine Frage für Philosophen. Der Schreiner Georg Elser jedenfalls befand die Lage als ernst genug für ein politisches Attentat: Am 8. November 1939 zündete der Sprengsatz seiner Bombe im Haidhausener »Bürgerbräukeller«. Elser wollte damit nicht nur Hitler, sondern möglichst viele Regierungsmitglieder treffen, die sich pflichtschuldigst zur Erinnerung an den Putschversuch von 1923 versammelt hatten. Weil sein Flugzeug wegen des dichten Nebels nicht starten konnte, mussten »Führer« und Entourage einen Zug nach Berlin nehmen und verließen die Veranstaltung deshalb viel früher als üblich. Pünktlich um 21.20 Uhr löste der Zeitzünder die Explosion aus und tötete acht der etwa 120 noch im Saal arbeitenden Menschen. Georg Elser wurde auf der Flucht beim Grenzübertritt verhaftet und blieb bis zu seiner Ermordung am 9. April 1945 im KZ Dachau interniert. Eine wegen ihrer Unauffälligkeit umstrittene Installation erinnert daran: Jeden Abend zur Tatzeit leuchtet ein kreisförmig-explosionsartiger Schriftzug »8. November 1939« an der Türkenschule (Türkenstraße/Georg-Elser-Platz) für eine Minute auf.

Waren 1919 und 1939 die Zeiten düster, traf der Anschlag während der Olympischen Spiele 1972 die fürs Licht der Weltöffentlichkeit frisch polierte Stadt wie aus heiterem Himmel. Elf Mitglieder der israelischen Ringermannschaft starben bei der Geiselnahme durch palästinensische Terroristen und während der gescheiterten Befreiungsaktion am Militärflughafen Fürstenfeldbruck. Das Olympia-Attentat warf einen Schatten auf die »fröhlichen Spiele« und zog bis in die 1990er-Jahre Vergeltungsoperationen des israelischen Geheimdienstes Mossad nach sich.

Als innenpolitisch motiviert gilt dagegen der Rohrbombenanschlag auf das Oktoberfest am 26. September 1980. Angeblich von einem einzigen Täter aus der rechtsradikalen Szene verübt, fiel die Bilanz grausam aus: 13 Menschen starben, mehr als 200 erlitten Verletzungen, wer sich damals im Umkreis des Anschlags aufhielt, erinnert sich an die Stadt im Ausnahmezustand. Unfassbare Ermittlungspannen verschleppten die Aufklärung des Attentats – so versagte etwa die Fahndung nach dem »Besitzer« einer am Tatort abgerissenen Hand, Zeugenaussagen wurden nicht ernst genommen. Seit Ende 2014 rollt der Generalbundesanwalt den Fall erneut auf.

Und das 21. Jahrhundert? Beim Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum liegen die Fakten auf dem Tisch: Am 22. Juli 2016 erschoss ein in München geborener Sohn iranischer Einwanderer neun Menschen, die meisten unter 20 Jahre alt. Erstmalig beschleunigten soziale Netzwerke die Verwirrung: Obwohl in der Innenstadt kein einziger Schuss fiel, erlitten dort 35 Menschen Verletzungen. War Fremdenhass der Auslöser des Attentats, Abscheu gegen den westlichen Lebenswandel, Mobbing oder Überdruss? Die Motive des 18-Jährigen sind schleierhaft.

Bally Prell:

Tenörin und Schönheitskönigin von Schneizlreuth

Wie kann ein Kind nur Agnes Pauline heißen, das immer schon derart nach Bally ausgesehen haben muss? Rund war sie, seelenvoll und um ihr Aussehen wenig besorgt – denn sie hatte ja ihre wunderbare Tenorstimme, echtes komödiantisches Talent und einen »Vatl«, der ihr die Lieder auf den Leib schrieb. Auch dieses eine, mit dem sie auf der Volkbühne am Münchner Platzl das erste Mal 1953 auftrat und danach immer wieder: »Mich, die Salvermoser Zenz,/habens zur Schönheitskonkurrenz/nach München aufigschickt«, sang Bally Prell als »Miss Schneizlreuth« und bekam 28 Vorhänge. Gewandet in ein grelles Rüschenkleid, mit langen Handschuhen, Sonnenschirm und Krönchen parodierte sie den aufkommenden Schönheitswahn der 1950er-Jahre.

Im anderen Dauerbrenner, dem »Isarmärchen«, heißt es »Wer einmal g’sehn dich hat, dich nimmermehr vergisst« – das galt der Stadt München, die Bally Prell seit ihrer Geburt am 14. September 1922 in Schwabing nur zu Gastauftritten verließ. Bereits im Alter von fünf Jahren hatte sie ihren ersten Auftritt im Odeon, der Konzerthalle mit legendärer Akustik, die der Krieg bis auf die Außenmauern zerstörte (als Bayerisches Innenministerium überwölbt den Klenze-Bau heute ein 700 Quadratmeter großes Glasdach). Bis zu ihrem Tod 1982 folgten ungezählte weitere Darbietungen auf Kleinkunst- und Wirtshausbühnen, meist in der Paraderolle als »Miss Schneizlreuth«. Irgendwie passt es zur liebenswert altmodischen Erscheinung Bally Prells, dass nur wenige unscharfe Mitschnitte einen Eindruck ihrer Bühnenpräsenz geben: »Jo, jo, bin Schönheitskönigin/dass dieses Wunder geschah,/verdanke ich nur/meiner zierlichen Figur« von zuletzt geschätzten 100 Kilo. Trotz der schlechten Bildqualität lohnt diese Begegnung mit der Volkssängerin und ihrem wunderschönen Bairisch. Und sogar ihr Ende passt ins Klischee: Bally Prell starb nach einer Kropfoperation.

Vor dem großen Jugendstilhaus in der Leopoldstraße 77, in dem sie ihr ganzes Leben lang wohnte, steht seit gut 20 Jahren ein Gedenkbrunnen. Eine Ehre, die in München nur wahren Volksschauspielern oder -sängern zuteil wird.

Bau-Meister:

Klenze versus Gärtner – im kreativen Clinch

Dass Konkurrenz das Geschäft belebt, hat im 19. Jahrhundert vielleicht niemand so gut verstanden wie der bayerische König Ludwig I. Der großzügige Verschwender (Wittelsbacher) brauchte für seine Träume von einem Isar-Athen geniale Architekten, und so zog er gleich drei Großmeister der Baukunst an sich, hätschelte sie, ließ sie zappeln und spielte sie gegeneinander aus, um aus jedem ein Maximum an Leistung herauszuholen. Einer von ihnen, vielleicht der Begabteste, Karl von Fischer, starb bereits 1820 – da war Ludwig noch Kronprinz, aber der nur vier Jahre ältere Fischer hatte schon einen »Generalplan« zur Neugestaltung Münchens entworfen, mit einer Achse Stiglmaierplatz, Königsund Karolinenplatz, er hatte das Prinz-Carl-Palais und das Nationaltheater gebaut und war der erste Architekturprofessor der Akademie der Bildenden Künste. Insgesamt 36 Gebäude errichtete Fischer in seiner kurzen Lebensspanne – heute ist keines mehr im Original erhalten.

Die Bilanz des beinahe gleichaltrigen Leo von Klenze (1784–1864) fällt da glücklicher aus. Klenze verabscheute den verspielten Rokoko und ließ angeblich alle Zeichnungen seines Vorvorgängers François de Cuvilliés vor der Stadt verbrennen – nicht Pflanzenranken, sondern die klassische Antike war ihm Vorbild. Der gebürtige Niedersachse baute die Münchner schwindelig, beauftragt, gefördert und finanziert von Ludwig I. Angefangen beim Hofgartentor, errichtete Klenze den Königsbau und den Marstall der Residenz, die Allerheiligen-Hofkirche, das Konzerthaus Odeon, das Palais Leuchtenberg, die Glyptothek, die Propyläen, die Alte Pinakothek, das 1823 abgebrannte Nationaltheater, die ehemalige Residenzpost (heute das teuerste Mietshaus Münchens), den Karolinenplatz-Obelisken und den (gerade frisch sanierten) Monopteros im Englischen Garten. Daneben noch etliche Palais und auswärtige Projekte wie etwa die St. Peterburger Eremitage. Klenze legte den Odeonsplatz und die Ludwigstraße zur Verherrlichung seines Königs an … und doch kühlte sich das Verhältnis Ludwig–Leo irgendwann ab. Der Wittelsbacher lobte seinen Starachitekten auf den Chefposten der neu gegründeten Obersten Baubehörde – und gab dem jüngeren Friedrich von Gärtner den Vorzug.

Der Rheinländer baute die heutige Staatsbibliothek, er durfte den Odeonsplatz mit der Feldherrnhalle vollenden und das Siegestor entwerfen sowie das Universitätsgebäude mit der Ludwigskirche, die ein wunderbares Deckenfresko ziert. Als Gärtner 1847 überraschend starb, konnte Klenze zwar noch die Ruhmeshalle bauen, aber auch seine besten Zeiten waren vorbei – Ludwigs Nachfolger Maximilian II. hatte seine eigenen Favoriten.

Klenze und Gärtner stehen einerseits für die Klassik, andererseits für eine romantisch angehauchte Rückbesinnung aufs Mittelalter – die Geschmacksschwankungen, denen ihr König unterlag und die sie jeweils genial verkörperten. Bei aller Konkurrenz, der persönlich gefühlten wie der von oben geschürten: Eines hätte ihre kreativen Köpfe verbinden können: das Leiden unter ihrem launischen Auftraggeber, der überall mit- und reinredete. Aber wer zahlt, schafft an, und so fügten sich Klenze und Gärtner zumeist und gelten bis heute als Gegensatzpaar, deren Büsten sich sogar die Rücken zuwenden – auf dem Gärtnerplatz, um den herum die Klenzestraße verläuft.

Bayerischer Löwe:

Über ein Raubtier mit Migrationshintergrund

Nicht etwa der familiäre Hang zur Großmäuligkeit hat den Wittelsbachern den Löwen als Wappentier beschert, sondern – oh Schreck! – die Pfälzer, und die liehen ihn bei den Welfen. Der bayerische Löwe hat also einen Migrationshintergrund, auch wenn er inzwischen beinahe als einheimisch gilt, immerhin begleitet er die Bayern schon seit 1214. Herzog Otto, genannt der Erlauchte, erhielt die Pfalz durch (Kinder-)Hochzeit mit der kurpfälzischen Prinzessin Agnes – und mit ihr den Löwen. Seitdem sitzt und steht er an jeder sich bietenden Stelle, mal bunt bemalt als WM-Maskottchen, mal als Symbol der vier Kardinalstugenden Klugheit, Stärke, Gerechtigkeit und Mäßigkeit. Aber Vorsicht! Unter die bayerischen Löwen hat sich ausgerechnet in der Feldherrnhalle ein preußischer gemischt: erkennbar am geöffneten Maul. Sein Schöpfer, Wilhelm von Rümann, war ein echter Löwen-Experte, der auch das liegende Exemplar auf dem »Löwenbräukeller« geschaffen hat. Woher Rümann kam? Aus Hannover, tiefstem Welfenland.

Bayerischer Rundfunk:

Vom Staatssender zum Funk für alle

Die Bilanzen können sich sehen lassen: Fast 84 Prozent der Bayern hören täglich Radio, und beinahe die Hälfte von ihnen schaltet eines der Hörfunkprogramme des Bayerischen Rundfunks ein. Macht in nackten Zahlen 6,2 Millionen Hörer, die sich zwischen dem regional ausgerichteten Bayern 1 und dem Infokanal BR 5, zwischen dem Pop-»Lieblingsmix« auf Bayern 3, dem Jugendsender PULS und Bayern 4 Klassik, einer Insel im Charts-Brei, entscheiden. Auch das Bayerische Fernsehen verzeichnet Zuwachsraten und steckt mit Produktionen wie Christoph Süß’ Frechmoderation »Quer« und der Soap »Dahoam is dahoam« den medialen Freistaatgeschmack zwischen seinem Hang zur Renitenz und gefühlter Ortsliebe ab.

Als Vorläufer des heutigen BR mit seinen über 3000 Mitarbeitern gründete sich die »Gesellschaft für drahtlose Belehrung« am 12. September 1922 und produzierte mit der »Deutschen Stunde in Bayern« erste Hörfunksendungen. Der 1931 eingesetzte Name Bayerischer Rundfunk mutierte in der NS-Zeit zum »Reichssender München«. Erst im Januar 1949 erhielt der Sender wieder die Lizenz als »Anstalt öffentlichen Rechts«. Das »Rechts« nahm der BR vor allem in seiner Anfangszeit wörtlich, boykottierte anstößige Lieder und strahlte unliebige Kabarettbeiträge nicht aus. Bis heute gilt das Funkhaus als konservativster Sender im ARD-Reigen. Viele Themen berührt das freilich nicht, etwa die ausgezeichneten Hörspielproduktionen oder auch das Funkformat BR 2 – ein Informations- und Bildungskanal für wissensdurstige Hörer. Zuletzt heimsten Funk und Fernsehen derart viele Preise für Reportagen, Dokumentationen, Kino-Koproduktionen und Filme ein, dass es scheint, als sei der lange Anlauf nötig gewesen, um schließlich solche Qualität hervorzubringen.

Dennoch: Immer mal wieder setzt sich die Tendenz zur Schönfärberei durch – und es fehlt bis heute dem einen oder anderen Intendanten und (Chef-)Redakteur an Distanz zur politischen Klasse – aber gottlieblob gibt es kritische Moderatoren und herrliche Parodisten, die den BR daran erinnern, dass er alles sein darf, nur kein Staatsfunk.

Bier:

Der Münchner und der Gerstensaft: die Geschichte einer großen Liebe

Nicht viele Dinge sind in München heilig: Das Bier ist so eines davon. Zwischen den echten Münchner und sein Bier passt nur der Rand vom Masskrug, so innig, ja existentiell scheint die Beziehung. Ein Klischee? Vielleicht, aber warum sollte es nicht wahr sein. Schließlich leistete das Bier, wenn auch verdünnt, über weite Zeiträume einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Stadtbevölkerung; es brachte sie nach Pestepidemien wieder auf die Beine und half in der Stark-Version über die Fastenzeit hinweg. Bis 19,3 Prozent Stammwürze erreicht die gehaltvollste Sorte Starkbier mit dem schönen Namen Giesinger Sternhagel – da mag das Hungergefühl drin ersaufen! Wenn zu Ostern die Starkbiersaison zu Ende geht, darf sich der Biertrinker trösten: Der nächste Höhepunkt naht mit dem Maibock.

Das ganze Jahr über bieten die Craft-Biere Abwechslung, die ihre Sorten nach Johannisbeere, Melone oder Whisky schmecken lassen. Freilich ohne das Reinheitsgebot zu brechen, denn auch Craft-Biere bestehen nur aus Hopfen, Malz bzw. Gerste und Wasser. Nur dass sich im »handwerklich gebrauten« Getränk (so ließe sich Craft übersetzen) die natürlichen Geschmacksnuancen der Ausgangsstoffe abheben und etwa das Whiskyaroma von der Aufbewahrung in Spirituosenfässern herrührt. Die Beschränkung auf die drei Grundsubstanzen legte die Münchner Brauvorschrift bereits um 1487 fest. Ihrem Beispiel folgte das später sogenannte Reinheitsgebot, das Herzog Wilhelm IV. am 23. April 1516 aus unerfindlichen Motiven in Ingolstadt erließ, um landesweit bierunkompatible Bestandteile wie Harze, Beeren oder Gräser auszuschließen.

Die Liebe des Münchners zum Bier reicht weit zurück. Die älteste bis heute existierende Brauerei der Stadt, das Augustiner, produziert seit 1328; erst in Klostermauern, seit der Säkularisation 1803 und dem Umzug in die Neuhauser Straße unter privater Leitung. Ihr folgten mit Spaten, Löwen- und Hofbräu, Hacker-Pschorr und Paulaner fünf weitere Großbrauereien und ungezählte kleine, darunter das Giesinger Bräu, gegründet 2006. Münchens jüngste Brauerei hat inzwischen die Jahresproduktion von 1000 Hektolitern überschritten – so viel trinken Oktoberfestbesucher in fünf Stunden. Zum größten Volksfest der Welt liefern die sechs hiesigen Traditionsbrauereien ein eigens gebrautes Bier, da muss sich der Besucher nur noch fürs schönste Zelt entscheiden.

Kein Problem mit dem Proporz hat auch der Biergarten auf dem Viktualienmarkt: Hier kommt an jedem Tag eine andere Marke auf den Tisch. Zu Brezn und Weißwurst, aber auch ohne sie, frei nach Sigi Sommer: »Das Bier ist das einzige G’müas, das ich noch beißen kann«. Inzwischen gibt es Bier sogar für den Kopf (und damit ist nicht der Kater gemeint): Im ältesten Bürgerhaus Münchens, in der Sterneckerstraße 2, ist ein sehr sehenswertes Bier- und Oktoberfestmuseum eingerichtet, und nur eine Stunde Autofahrt entfernt liegt das schöne Hopfenmuseum der Hallertau, mitten im größten Anbaugebiet der Welt.

Bier-Alternativen:

Munich Mule & Swimmingpool – die Ersatz-Drinks

Manchmal stellt sich der Verdacht ein, die sonst so ausgeschenkten Flüssigkeiten schmecken in München deshalb so schlecht, weil eine erzieherische Absicht hin zum einzig wahren Getränk (Bier) dahinter steckt. Aber vermutlich liegt das nur am falsch gewählten Ort: Wer einen Kaffee im Biergarten trinkt, darf sich nicht wundern, wenn der nach einer Mischung aus Spül- und Seewasser schmeckt. Man holt sich einfach keinen Kaffee im Biergarten und auch nicht im Brauhaus oder auf der Wiesn (dort höchstens beim Käfer, um das Haferl zu behalten). Für die richtigen Etablissements, etwa die »Morso Caffeteria« in Schwabing oder die »Aroma Kaffeebar« und »Man versus Machine« im Glockenbachviertel, trifft das nicht zu. Hier schmecken Espresso & Co. aus der fair gehandelten Bohne oder halogenlampengekocht. Auch für das gute Glas Wein empfiehlt sich der Gang zu den Experten: traditionell die »Pfälzer Weinstube« in der Residenz oder das Weinfest auf Schloss Blutenburg, die »Kork Weinbar« in der Angertorstraße oder Haidhausens »Wein Cantina«.

Und sonst? Seit Charles Schumann hier den Curaçaoblauen Swimmingpool erfunden hat, fühlt sich München führend auf dem Gebiet des Modegetränks. Das zu genießen ist heute schwieriger als zu Kir-Royal-Zeiten: Da gab die Bestellung eher Auskunft über den Geldbeutel als über die Geschmacksvorlieben. Erschwerend wirkt der schnelle Wechsel der In-Getränke. Sicher scheint nur, dass derzeit kein Trendsetter mehr Aperol Spritz und Lillet Berry anrührt. Stattdessen munden der Hugo-Nachfolger »Summer in London«, Wein-Slushie-Kreationen oder die alkoholfreie Maulbeerlimonade. Anstelle des einen Saisonsiegers färben heute viele Mixturen die Getränkekarten bunt. Wichtigstes Accessoire der 2016er-Favoriten war die Gurke: beim Lilleto oder zusammen mit Gin und Malzbier im »Munich Mule«. Gin der Marke The Duke stammt übrigens aus der Maxvorstadt – wohl der einzige Wacholderschnaps weltweit, der auch eine Hopfen- und Malznote enthält; na also!

Biergarten:

Ein Platz fürs Lebensgefühl

Kann es, sehr frei nach Adorno, ein richtiges Getränk im falschen geben? Wohl kaum, dafür aber das falsche Getränk am richtigen und auch am falschen Ort (Bier-Alternativen). Am besten schmeckt unbestreitbar das richtige Getränk am richtigen Ort, also das Bier im Biergarten. Zu dessen Wesensmerkmalen zählen die Kastanien, der Kies und die hölzernen Tische und Bänke, am liebsten ohne Tischtuch. Im Münchner Biergarten müssen zwar die Getränke geholt werden, den Düften von Steckerlfisch und Hendl darf man dagegen widerstehen und seine eigenen mitgebrachten Radieserl essen, wenn man möchte. Der raue Umgang bei der Getränkeausgabe gehört zum guten Ton, und der biergartentypische Klangteppich aus Gelächter, Gläserklirren und Kindergeschrei bildet jenes unverwechselbare Stadtgeräusch, an das sich auch hartgesottene Exilanten mit Rührung erinnern.

Der Biergarten ist eine grunddemokratische Einrichtung. Hier gibt es keine Standesunterschiede, und es hat noch nie jemand mit der goldenen Kreditkarte bezahlt. Zwar kann das Umfeld ein gewisses Stammpublikum anziehen, doch kommen und bleiben darf jeder und das, so lange er will. Etwa 1000 Biergärten soll es in München geben, allein 200 zwischen Bahnhof und Gärtnerplatz, gefolgt von 170 in der Innenstadt, 160 in der Maxvorstadt und 130 in Haidhausen und der Au. Das Angebot ergänzen 600 Wirtsgärten und mehr als 1000 Gasthäuser, die Tische und Stühle auf die Gehwege stellen – der gelockerten Freischankverordnung sei Dank geht das von Juni bis August am Freitag und Samstag bis Mitternacht.

Welcher Biergarten der schönste sei, darüber streiten wohl die wenigsten: Gemessen an der Größe von 8000 Plätzen und der umgebenden Fauna muss es der »Hirschgarten« sein, beurteilt nach der Nähe zur Isar die »Menterschwaige« oder die »Waldwirtschaft« in Großhesselohe, bewertet nach dem Essen z.B. der Biergarten am »Löwenbräukeller« – hier gibt es den Ochsen am Spieß. Im »Aumeister« am Nordende des Englischen Gartens geht es mangels Anwohnern bis in die Nacht hoch her, der »Augustiner«-Biergarten an der Hackerbrücke ist wie eine grüne Insel zwischen Gleisen und Beton, und beim »Hofbräukeller« am Wiener Platz ist das Publikum bunt und bezaubernd. Doch auch der »Taxisgarten« in Neuhausen/Gern, der »Biergarten am Chinesischen Turm« oder das »Asam-Schlössl« in Thalkirchen haben treue Anhänger, manchmal sind sie auch prominent.

Dass die Kastanie der bevorzugte Biergartenbaum ist, lässt sich historisch begründen: Ihre großen Blätter lieferten den tiefsten Schatten, den die Brauer brauchten, um im Sommer das Bier zu kühlen. Das durfte nur zwischen Michaeli am 29. September und Georgi am 23. April produziert werden; in der warmen Jahreszeit lagerte es in Kellern und kam via Ausschank direkt und günstig an den Endabnehmer. Um die Gastwirte nicht zu verprellen, war den Brauern jedoch das Servieren von Speisen untersagt – deshalb kann bis heute jeder Gast seine Brotzeit selbst mitbringen. Der bayerischen Brauordnung des Jahres 1539 also haben die Münchner und ihre Besucher zu verdanken, dass es an warmen Tagen nur einen place to be gibt: den Biergarten.

Botanik:

Wo die Stadt in allen Farben aufblüht

Trotz Englischem Garten, Olympiapark und Maximiliansanlagen: München ist die am dichtesten bebaute Stadt der Republik. Rund 4500 Einwohner tummeln sich auf dem Quadratmeter, fast doppelt so viele wie in der freizügigen Hansestadt Hamburg. Da kommt den Grünflächen eine besondere Bedeutung zu und, für die Ästheten unter den betonmüden Bewohnern, den Buntflächen: den Beeten, Blumen und Gärten.

Als eine der schönsten Anlagen gilt der Hofgarten, gegen 1560 vor die Residenz gepflanzt, um dem Hoftratsch freien Ausgang zu ermöglichen – heute erfüllt er die gleiche Aufgabe