111 Orte in Hamburg, die man gesehen haben muss - Jochen Reiss - E-Book

111 Orte in Hamburg, die man gesehen haben muss E-Book

Jochen Reiss

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Beschreibung

Hamburg. Der Hammer! Hamburg hat den Michel. Jetzt die Elbphilharmonie, Kathedrale für Konzerte. Sie hat den Blick der Welt auf die Hansestadt geschärft. Trotz Nein zu Olympia ist Hamburg rasant auf dem Weg zur internationalen Metropole. Im Stadtteil Hammerbrook entsteht Hammerbrooklyn. Dieser digitale Campus soll Brücken bauen zwischen Gegenwart und Zukunft in der Stadt, die mehr Brücken hat als Amsterdam und Venedig zusammen. Hanseatische Tradition und Moderne konkurrieren. Widersprüche, aus denen Inspiration entsteht. Eine Stadt braucht Leben, sonst wird sie zur Kulisse. Hamburg lebt. Und wie!

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Seitenzahl: 203

Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Emons Verlag GmbH

Cäcilienstraße 48, 50667 Köln

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

© der Fotografien: Jochen Reiss

außer Ort 56: © Stefan Lafrentz

© Covermotiv: shutterstock.com/Chi_Chirayu

Gestaltung: Eva Kraskes, nach einem

Konzept von Lübbeke | Naumann | Thoben

Kartografie: altancicek.design, www.altancicek.de

Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap,

© OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL

E-Book-Erstellung: Geethik Technologies Pvt Ltd

Printed in Germany 2025

Erstausgabe 2021

ISBN 978-3-98707-281-9

Aktualisierte Neuauflage Mai 2025

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Vorwort

Hamburg. Der Hammer! Hamburg hat den Michel. Jetzt die Elbphilharmonie, Kathedrale für Konzerte. Sie hat den Blick der Welt auf die Hansestadt geschärft. Hamburg ist rasant auf dem Weg zur internationalen Metropole. Im Stadtteil Hammerbrook wächst Hammerbrooklyn. Dieser digitale Campus soll Brücken bauen zwischen der Gegenwart und der Zukunft der Stadt, die mehr Brücken hat als Amsterdam und Venedig zusammen. Hanseatische Tradition und Moderne konkurrieren. Widersprüche, aus denen Inspiration entsteht. Eine Stadt braucht Leben, sonst wird sie zur Kulisse. Hamburg lebt. Und wie!

Hamburg hat die Alster und die Alsterschwäne. Die geile Meile Reeperbahn. Das Vornehm-Viertel Blankenese. Mitten in der Stadt schlägt Hamburgs Herz, der Hafen. Was ihren ganz besonderen Charme ausmacht. Früher klagte man, Hamburg sei mit sich selbst zufrieden. Mit der Elphi hat man sich Großes getraut, sie war Ausbruch aus der Genügsamkeit. Und da geht mehr! Die Hansestadt arbeitet mit Elan am Morgen. Auch 20 Jahre nach dem ersten Rammschlag für die HafenCity drehen sich Dutzende Krane im neuen Stadtteil, Europas größtem Städtebauprojekt. Im Elbbrückenquartier schraubt sich der XXL-Wolkenkratzer Elbtower 245 Meter in die Höhe. Er ist in sich verdreht, korrespondiert so elegant mit der Elphi und wird deutschlandweite Landmarke sein. Zwei Jahre war Baustopp. Ende 2025 soll es wieder aufwärts gehen. Von der Besucherplattform ganz oben werden sich ungeahnte Perspektiven zeigen.

Bald leben zwei Millionen Menschen in Hamburg. Aus allen Kulturen! Die Stadt ist Magnet für Ideen und Talente. Schauplatz der Avantgarde und des Wandels. Dazwischen kann man 111 versteckte, überraschende, geheimnisvolle Orte entdecken. Den Friedhof nur für HSV-Fans. Das Gemälde der nackten Kanzlerin. Das verbotene Bubendey-Ufer. Das rätselhafte Immendorff-Relief unterm Denkmal für Hans Albers. Kommen Sie mit auf einen ganz besonderen Stadtrundgang.

111 Orte

1__ Der Balkon | Altona-AltstadtWo Norderelbe und Süderelbe sich einig werden

2__ Das Dock 11 | Altona-Altstadt / SteinwerderManufaktur fürs Spielzeug der Milliardäre

3__ Das Dockland | Altona-AltstadtDiagonal denken

4__ Der Gezi-Park-Fiction | Altona-AltstadtWenn Wünsche auf die Straße gehen

5__ Der Kuddl Dutt | Altona-AltstadtPopeye und sein Appetit auf Spinat

6__ Die Perlenkette | Altona-AltstadtFrauen an die Häuserfront!.

7__ Des Pudels Locke | Altona-AltstadtDie Elphi und eins drauf

8__ Der schwarze Block | Altona-AltstadtUnbequem und störend soll er sein

9__ Elíassons Raumschiff | AltstadtSpiegelleien am neuen Alten Wall

10__ Das Hochbahnviadukt | AltstadtWarum die U-Bahn Übergrundbahn ist

11__ Das Hulbe-Haus | AltstadtRache für immer und ewig

12__ Die mahnenden Glocken | AltstadtSankt Nikolai, höher als der Petersdom

13__ Der Pudel | AltstadtPadua, Polarstern, Plisch und Plum

14__ Der HSV-Fan-Friedhof | BahrenfeldEs ist ein Kreuz mit der Raute

15__ Die Boberger Düne | Billwerder / LohbrüggeFlugsand buddelt die Bäume ein

16__ Der Elbhöhenweg | Blankenese / RissenGute Aussichten, gute Einsichten

17__ Ulrike Meinhofs Haus | BlankenesePinkeln für die Revolution

18__ Uns Uwe | BlankeneseGeheimnisvoller Friedhof der Schiffe

19__ Die Villa Michaelsen | BlankeneseDrama um das Bauhaus-Schmuckstück

20__ Die Einflugschneise | FinkenwerderSchiff voraus!

21__ Der Lindenlaubengang | Fuhlsbüttel»Herzlichen Unfug treiben dürfen«

22__ Das Moor in der Stadt | Gross BorstelParadies für Flattermänner

23__ Die Waitze | Gross FlottbekHelfen Vollpfosten gegen den Fluch?

24__ Die Bohne | Hafencity»Ei! Wie schmeckt der Coffee süße!«

25__ Der Elbtower | HafencityBauruine oder Hamburgs neuer Fernseh-Turm?

26__ Die Fuge | HafencityKein Ausweg auf dem Weg ins Gas

27__ Das Hafenkran-Hotel | HafencityIm Bett mit der Elphi

28__ Die Hanseatische Materialverwaltung | HafencityWarenhaus kreativer Wiederverwertung

29__ Der Himmelsberg | HafencityErst die Menschen, dann die Rendite

30__ Die Leuchtcontainer | HafencityUntergrundkonzert und Lightshow

31__ Die Oberhafen-Kantine | HafencityEine schräge Sache

32__ Das Wasserschloss | HafencityZuckerguss-Zuhause für fleißige Arbeiter

33__ Hammerbrooklyn | HammerbrookDie Box, aus der die Zukunft kommt

34__ Das Zusatzstoffmuseum | HammerbrookTapetenkleister auf Fischstäbchen? Lecker!

35__ Der Kunstpfad | HarburgEine Stunde für die Sinne

36__ Das Nest der Terrorzelle | HarburgWo der Todespilot vom 11. September wohnte

37__ Der Palmspeicher | HarburgChannel Hamburg: Altes und Neues wird eins

38__ Das trauernde Kind | HarburgEs weint um den Vater, um die Brüder

39__ Das Alstervorland | Harvestehude / RotherbaumChillen vor Villen

40__ Der Tempel | HarvestehudeVolles Programm im Rolf-Liebermann-Studio

41__ Das Bunkerbild | Hoheluft-OstMieter malten mit

42__ Die Fahrradhäuschen | Hoheluft-OstZwölf Ecken für zwölf Räder

43__ Dittsche sein Imbiss | Hoheluft-West»Ma sagn« sein TV-Studio

44__ Die Peking | Kleiner GrasbrookLetzte Reise des schnellen Frachtenseglers

45__ Die Fußspuren | Neuengamme»Wirklicher, wahnsinnig nagender Hunger«

46__ Die Agentur des Rauhen Hauses | NeustadtIm Keller traf sich die Weiße Rose

47__ Der Feuersturm | NeustadtAlfred Hrdlickas Antwort auf den »Kriegsklotz«

48__ Die Gustaf-Adolfskyrkan | NeustadtSuppe und Lebertran! Von hier kommt Hilfe

49__ De Jung mit’n Tüdelband | NeustadtQuiddjes üben Hamburgs Hymne

50__ Die Jungfern am Steig | NeustadtUnterirdisches aus dem 13. Jahrhundert

51__ Die Mellin-Passage | NeustadtJugendstil beim Biskuitbäcker

52__ Das Mors Mors | NeustadtAntwort auf die Politik

53__ Die Rathausschleuse | Neustadt»Wasser ziehen«, damit die Stadt nicht absäuft

54__ Das Schiff | NeustadtBullaugen und Backsteinpantoffeln

55__ Die Tänzerriege | NeustadtStapelmännchen am Brahms Kontor

56__ Der Große Wall | Nienstedten…und Pulvermanns Grab

57__ Luzifers Kiosk | NienstedtenLieblingsort zwischen Himmel und Hölle

58__ Das 1962er-Denkmal | OhlsdorfHamburg schläft, als die Flutwelle kommt

59__ Der Primus-Gedenkort | OhlsdorfKilometerweit rote Fahnen

60__ Die blauen Pyramiden | OsdorfGeschenk des Emirs

61__ Der Boxer | Othmarschen / OttensenUnterwegs mit Hans Dampf

62__ Der Hafenblick | OthmarschenMit stolzem Sound

63__ Die Lotsensiedlung | OthmarschenQuartier der Wassermänner

64__ Der Reemtsma-Park | OthmarschenIm Badeteich des Zigarettenkönigs

65__ Die vier Männer auf Bojen | OthmarschenWackeln wie die Wellenreiter

66__ Die bahn_hoefe | OttensenSchwermut lässt sich operieren

67__ Klopstocks Grab | Ottensen… und die Suppenschüssel

68__ Die Klunkerturm-Kuppel | OttensenSchöner wohnen in der »größten Urne der Welt«

69__ Der Schlepper-Anleger | Ottensen / St. PauliSo wird ein Pott an die Pier genagelt

70__ Die Billstraße | RothenburgsortVom Schrottbasar nach Afrika

71__ Der goldene Pavillon | Rothenburgsort»Eine Insel des Lichts«

72__ Die Schieberhäuschen | RothenburgsortMit Wasserkunst gegen Pest und Cholera

73__ Der Anleger Rabenstraße | RotherbaumOhne Hutnadel, bitte!

74__ Klein Jerusalem | RotherbaumJüdisches Leben am Grindel

75__ Der Yu Garden | RotherbaumBöse Geister kommen nicht um Ecken

76__ Die Kindermord-Stele | Schnelsen»Wie Bilder an die Wand gehängt«

77__ Das Alteisen | St. GeorgPlanken, die nicht nur der Wind bewegt

78__ Das Koppel 66 | St. GeorgKünstlerkollektiv in der Revolverfabrik

79__ Die Balduintreppe | St. PauliBlack lives matter! Auch in Hamburg!

80__ Der Barkassen-Hafen | St. PauliWenn der »He lücht« in Fahrt kommt

81__ Der Beatles-Platz | St. Pauli»Macht Schau!« Und sie machten Show

82__ Das Dschungeldach | St. PauliGrüne Oase auf dem Weltkrieg-Monstrum

83__ Der Enkel | St. PauliRickmer Rickmers Abenteuer

84__ Die Fähre 62 | St. PauliKleine Kreuzfahrt auf dem Bügeleisen

85__ Das Immendorff-Relief | St. PauliWas der Künstler ins Albers-Denkmal ritzte

86__ Das Karoviertel | St. PauliHier wohnen Kreativität und Widerstand

87__ Die Kiez-Kirche | St. PauliAuch Sexarbeiterinnen beichten

88__ Der Pferdeaufzug | St. Pauli / SteinwerderAbwärts ruckeln und durch!

89__ Die Ritze | St. PauliKaschemme und Kunstwerk

90__ Das Salambo | St. PauliBühnen-Sex mit Dracula

91__ Das Seewetteramt | St. PauliWorauf Kapitäne sich verlassen können

92__ Das Sperrgebiet | St. PauliMit Abstand!

93__ Die Stadionwache | St. PauliSt. Paulianer bezahlen sie

94__ Der Musical-Boulevard | SteinwerderSkyline im Breitwandformat

95__ Die Pylonen | Steinwerder/WaltershofLuftschlösser überm Köhlbrand

96__ Der Giraffen-Mann | StellingenEinfach mal putzen

97__ Die Draußen-Galerie | Sternschanze»Lieb sein« und »Hallo Karlo« sind Stars

98__ Das Netz des Fischers | SternschanzeSeebär im World Wide Web

99__ Die Susannenstraße | SternschanzeWird die Szenemeile zum Ballermann?

100__ Die Kirche Finkenau | UhlenhorstPasst genau!

101__ Das Bubendey-Ufer | WaltershofEin verwegener und verbotener Ort

102__ Der Club Duckdalben | WaltershofFür Seeleute ein sicherer Hafen

103__ Die Container-Ballerinas | WaltershofComputer schreiben die Choreographie

104__ Der Hafen Waltershof | WaltershofRückwärts einparken für Fortgeschrittene

105__ Das Bunthaus | WilhelmsburgJetzt backbords oder steuerbords?

106__ Der Energiebunker | WilhelmsburgWas macht man mit vier Meter dickem Beton?

107__ Der Horizontweg | Wilhelmsburg»Gefährlichster Berg der Welt«

108__ Der Bootsverleih | WinterhudeStechen! Ziehen! Heben!

109__ Der Mühlenkampkanal | WinterhudeKaffeehaus-Service direkt ins Boot

110__ Das Promi-Pantheon | WinterhudeWarum ist Angela Merkel nackt?

111__ Die Waschküche | WinterhudeZu Hause in der Rotklinker-Burg

ALTONA-ALTSTADT

1__ Der Balkon

Wo Norderelbe und Süderelbe sich einig werden

Pallamaglio hieß ein beliebtes Spiel, das aus Italien im 17. Jahrhundert auch nach Altona kam. Es galt, eine Kugel mit einem schweren Holzhammer und möglichst wenigen Schlägen durch einen kleinen eisernen Torbogen zu treiben. Auf dem Elbhang legte man eine Bahn dafür an, einen halben Kilometer lang. Hunderte Linden spendeten Schatten. Die Niederländer nannten Pallamaglio, ein Vorläufer des Krockets, Palmaille. Das haben die Altonaer übernommen. Heute ist die Palmaille vierspurige Autopiste, von Kanzleien in herrschaftlichen Häusern gerahmt. Unterm Blätterdach über dem autofreien Mittelstreifen spielt man zwischen Parkbuchten Boule.

Parallel zur Palmaille verläuft am Gesthang Hamburgs größter Balkon, 27 Meter über der Elbe. Das Altonaer Rathaus, das einmal Bahnhof war, hat man im Rücken. Und vor sich ein großartiges Panorama. Wer sich orientieren will, wie weitläufig der Hafen ist, und wie sich alles zusammensortiert, ist auf dem Altonaer Balkon am richtigen Ort. Hier fließt die Elbe wieder zusammen, die sich an der Bunthäuser Spitze in Norderelbe und Süderelbe geteilt hat. Direkt voraus die Köhlbrandbrücke, welche die Elbinsel Wilhelmsburg mit der Autobahn A 7 verbindet. Bald soll eine neue Brücke, 74 Meter hoch, die Querung ersetzen. Links der Container-Terminal Tollerort und die Schwimmdocks der Werft Blohm + Voss. Rechts der Hafen Waltershof, dahinter Finkenwerder, Airbus und das Alte Land. Direkt unterhalb des Plateaus, früher ein privater Garten, das Dockland. Auf der Balkonwiese strecken drei Bronze-Fischer des Künstlers Gerhard Brandes ihre Ruder in den Himmel, grüßen die Schiffe.

Unterm Balkon verläuft ein Bahntunnel, mal Schellfischtunnel, mal Heringstunnel genannt. Am Tag des offenen Denkmals im September darf man hindurch. Er verbindet den Altonaer Hafen mit dem Bahnhof. Den frisch gefangenen Fisch schnellstmöglich weiterverfrachten, das war die Idee.

Adresse Ecke Palmaille / Max-Brauer-Allee, 22767 Hamburg | Hochbahn S 1, S 2, S 3, Haltestelle Königstraße; Bus 2, Haltestelle Behnstraße; Bus 111, 113, Haltestelle Elbberg; Bus 112, Haltestelle Rathaus Altona | Tipp Ein Treppchen im Westen des Parks führt zu einer Grotte am Fuß des Balkons. Die »Störtebekerhöhle« war lange zugewuchert. Ein Gitter schützt sie.

ALTONA-ALTSTADT/STEINWERDER

2__ Das Dock 11

Manufaktur fürs Spielzeug der Milliardäre

Wenn Männer reicher sind als Dagobert Duck, geht es wie bei kleinen Jungs um die Länge. Zweimal schon hat die Werft Blohm + Voss die Eclipse gestreckt, den schwimmenden Palast des Oligarchen Roman Abramowitsch. Er hat mit Gummienten angefangen, ist mit Öl, Gold, Flugzeugen und allerhand dubiosen Geschäften Milliardär geworden und war bis zum Ukraine-Krieg 19 Jahre Eigentümer des Londoner Fußballclubs Chelsea. Die Werftarbeiter haben die Eclipse in zwei Teile gesägt und ein neues Stück eingepasst, damit Abramowitsch der Größte ist. Der Besitzer der größten Yacht auf den Ozeanen. Der 163-Meter-Abramowitsch-Kahn ist einen Meter länger als die Dubai des Scheichs Muhammad bin Raschid al-Maktum, zwielichtiger Herrscher des gleichnamigen Emirats. Leider hat der Rekord nicht lange gehalten. Die Azzam des Kalifen bin Zayid al Nahyan aus Abu Dhabi ist heute mit 181 Metern der größte private Protz-Pott.

Eclipse ist Englisch, heißt Finsternis. Dabei ist das Schiff mit neun Decks eine strahlende Schönheit. Im Dock 11 von Blohm + Voss war es immer wieder zu Gast, um geliftet zu werden. Die Werft, auf der die Schiffslegenden Bismarck, Vaterland, Wilhelm Gustloff, Gorch Fock oder Cap Arcona vom Stapel liefen und im Krieg Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge geschunden wurden, hat die Eclipse auch gebaut. Abramowitsch wollte viel Luxus, viel Schnickschnack. Platz für 36 Gäste und 90 Bedienstete. Kino. Disco. Laserkanonen, die Paparazzi-Kameras abwehren. Ein Klein-U-Boot mit eigener Garage. Beweise für ein Raketenabwehrsystem an Bord gibt es nicht.

Von der Fischauktionshalle aus ist Dock 11 auf der anderen Elbseite gut zu sehen. Es ist mit seinen vier Kranen das größte Schwimmdock Europas. Die Außenwand ist begehrte, unübersehbare Werbefläche. Man hat ausgerechnet, dass ein Transparent dort in vier Wochen mehr als zwei Millionen Kontakte erreicht. Das muss man sechsstellig bezahlen.

Adresse Aussichtspunkt: Große Elbstraße 9, 22767 Hamburg; Dock-Liegeplatz: Wendemuthkai, 20457 Hamburg | Hochbahn S 1, S 3, Haltestelle Reeperbahn; Bus 2, Haltestelle Fischmarkt; Bus 111, Haltestelle Fischauktionshalle; näher kommt man dem Dock bei einer Barkassenfahrt | Tipp Das Trockendock Elbe 17 links daneben misst in der Länge 351 Meter. Der Luxus-Liner Queen Mary 2 passt noch rein, ist regelmäßig fürs Lifting zu Gast.

ALTONA-ALTSTADT

3__ Das Dockland

Diagonal denken

Einmal wie Kate Winslet fühlen! Einmal Leonardo DiCaprio sein! Sie steht mit geschlossenen Augen am Bug, der Wind zaust an ihren Haaren. Unter ihr nur Wasser, vor ihr die Weite des Elbstroms. Der Liebste tritt von hinten dicht an sie heran, breitet ihre Arme wie Flügel aus. Sie fliegen! Wer seinem Schatz ein flammendes Geständnis machen will wie Jack seiner Rose im Filmklassiker »Titanic«, ist auf der Aussichtsplattform des Docklands am richtigen Ort. 40 Meter weit ragt der Bug dieses futuristischen Schiffes über den Fluss. Sportliche nutzen das Highlight fürs Fitnesstraining, rennen die 136 Stufen bis aufs Deck auf und ab. Wer das zehnmal schafft, hat 250 Höhenmeter überwunden – ohne die Abwärtsstrecke.

Für Hadi Teherani ist wichtig, dass ein Gebäude nicht nur eine Funktion erfüllt, sondern ein Gefühl, eine Stimmung vermittelt. Ein guter Architekt sei nur, wer »gleichzeitig Ingenieur, Jurist, Künstler, Kaufmann und Dirigent ist«. Teherani hat die Kranhäuser am Kölner Rhein komponiert, den Berliner Bogen und eben das Dockland. Er hat die Seitenwände des rasanten Bürokomplexes wie in einem Parallelogramm in die Diagonale gezogen. So ragt die elbabwärts gelegene Seite weit über die Grundfläche am Ende des Edgar-Engelhard-Kais hinaus. Durch die Auskragung entsteht in der Gesamtansicht der Eindruck eines Schiffes. Teherani hat sich zugleich einen Wunsch erfüllt. Er hatte immer von der spektakulären Dachtreppe der Villa Malaparte auf Capri geträumt, die Brigitte Bardot im Film »Verachtung« im roten Bademantel hinabschreitet. Hier konnte er diesen Traum realisieren.

Der Architekt hatte das Glück, dass es dem Investor nicht auf die preisgünstigste Lösung ankam. Und dass es keinen Architektenwettbewerb gab, an dessen Ende eine Jury oft kühne Entwürfe verwässert. Wie schräg Teheranis Ideen sind, zeigt auch der Fahrstuhl. Auch der fährt die sechs Etagen diagonal nach oben.

Adresse Van-der-Smissen-Straße 9, 22767 Hamburg | Hochbahn Bus 111, Haltestelle Kreuzfahrtterminal Altona; Fähre 62, Anleger Dockland / Fischereihafen | Öffnungszeiten zu jeder Zeit zugänglich | Tipp Auch das Cruise Center Altona hat ein begehbares Dach. Kreuzfahrtschiffe von 300 Metern Länge werden hier abgefertigt. Der Terminal hat Landstromanschluss, Kapitäne können während der Liegezeit die Maschinen stoppen (Van-der-Smissen-Straße 5).

ALTONA-ALTSTADT

4__ Der Gezi-Park-Fiction

Wenn Wünsche auf die Straße gehen

Dass es Tote geben könnte, hatte man befürchtet. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände um die besetzten Häuser an der Hafenstraße waren eskaliert. Der Senat wollte sie abreißen. Die Bewohner, unterstützt von schwarz vermummten Schlägern, wehrten sich. Weltweit wurden Fernsehbilder gesendet, welche die kreativ bemalten Fassaden zeigten. Die schwarz-rot-goldene Banane als Persiflage auf den Staat. Den Nato-Draht, mit dem die Besetzer die Dächer sicherten. Die Barrikaden auf den Straßen. Zum Showdown, für die Räumung, hatte der Innensenator 5.000 Polizisten zusammengezogen. Im letzten Augenblick gab Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sein Ehrenwort, dass es eine Lösung für die Bewohner geben werde, wenn die Straßensperren fallen. Sie fielen. Die Stadt verkaufte die Häuser an die Genossenschaft »Alternativen am Elbufer«. Seither ist – weitgehend – Ruhe.

Aus dieser Bewegung ist auch der Park Fiction entstanden. Anwohner der Gegend um den Pinnasberg und aus dem angrenzenden St. Pauli forderten eine Grünfläche im dicht bebauten Viertel. Die Künstler Christoph Schäfer und Cathy Skene entwickelten erste Pläne. Sie stellten einen Wunschcontainer auf. »Die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen«, war das Motto. Jeder konnte seine Ideen einbringen. Das Projekt wurde auf der Documenta in Kassel vorgestellt. Am Ende hat man am Elbhochufer teils auf dem Dach einer Sporthalle den Park angelegt. Mit stählernen Palmen auf einer Pirateninsel, mit Basketballfeld und einer gewellten Rasenfläche als fliegender Teppich. Nach der Räumung des Gezi-Parks 2013 in Istanbul mit 8.000 Verletzten hat man den Park Fiction solidarisch in Gezi-Park-Fiction umbenannt.

Es gibt neue Pläne. Eine Betonfläche unten am Elbufer, jetzt von Wohnmobilen genutzt, soll neuer, begrünter Flanierboulevard werden. Dass er bei Sturmflut mal unter Wasser stehen kann? Das geht auch wieder weg.

Adresse St. Pauli Fischmarkt 27, Ecke Pinnasberg / Antonistraße, 20359 Hamburg | Hochbahn S 1, S 3, Haltestelle Reeperbahn; Bus 2, 112, Haltestelle Hafentreppe | Tipp Wer die Antonistraße hundert Meter nach Norden geht, kommt zum Hein-Köllisch-Platz. Ein altes Torhaus von 1820 ist jetzt die Kneipe Doppelschicht. Genau hier verlief die Grenze zwischen den Städten Altona und Hamburg.

ALTONA-ALTSTADT

5__ Der Kuddl Dutt

Popeye und sein Appetit auf Spinat

Die aufgepumpten Unterarme mit den Anker-Tattoos. Matrosenanzug und immer ein schiefes Gesicht, weil im Mundwinkel die Pfeife hängt und er beständig ein Auge zukneift. Das sind die Markenzeichen von Popeye. Und natürlich der Spinat aus der Dose. Die zerdrückt der Seemann mit der Hand, damit der Deckel aufploppt. Büchsenweise schüttet er das Grün in sich hinein. Deshalb war der rotzfreche Schlacks in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auch für viele Eltern ein Held. Popeyes Spinatexzesse machten es ihnen leichter, Kindern – vor allem den Jungs – das Gemüse schmackhaft zu machen. Alle wollten so stark werden wie ihr Comic-Champion. Vor jeder Keilerei verschlingt der mindestens eine Dose Spinat. Und Popeye prügelt sich oft. Bevorzugt mit dem Grobian Bonzo.

Seinen Mordsappetit auf Spinat hat Popeye erst im Laufe der Jahre entwickelt. Den gibt’s noch nicht, als der maritime Haudrauf in die Comic-Welt eintritt. Zum ersten Mal erscheint er 1929 in Cartoons, die Elzie Crisler Segar für das New York Journal zeichnet. Wenige Monate später küsst ihn die süße Olivia aus Versehen auf die Wange. Popeye ist sofort unsterblich verliebt. Oft gibt er sich knurrig, aber eigentlich ist er herzensgut. Popeye wird ein Bestseller. Hunderte Trickfilme werden gedreht. Die Hamburger Morgenpost druckt als eine der ersten deutschen Zeitungen in den 1950er Jahren die Popeye-Strips. In der Morgenpost heißt der Seemann Kuddl Dutt. Nach Auskunft des Wörterbuchs »Platt för Plietsche« lässt sich »Kuddl« ins Hochdeutsche mit »Karl« übersetzen. »Dutt« steht für »Klumpen«, »in’n Dutt haun« heißt »zusammenschlagen«.

Vor Hamburgs ältester Seemannskneipe Schellfischposten, in der die NDR-Show »Inas Nacht« aufgezeichnet wird, steht der Kuddl Dutt als Eichenholzskulptur. Der österreichische Bildhauer Erich Gerer zeigt ihn zusammen mit seiner Olivia in ihren viel zu großen Schuhen.

Adresse Carsten-Rehder-Straße 62, 22767 Hamburg | Hochbahn S 1, S 3, Haltestelle Königstraße; Bus 2, Haltestelle Fischmarkt; Bus 111, Haltestelle Sandberg | Tipp In seinem Rücken hat der Kuddl Dutt die Köhlbrandtreppe. Sie war ab 1887 der tägliche Weg der Arbeiter aus ihren Quartieren in Altonas Oberstadt zum Elbufer und zum Hafen.

ALTONA-ALTSTADT

6__ Die Perlenkette

Frauen an die Häuserfront!

Die Frau im weißen Kittel drückt den nassen Feudel aus, bevor sie den Boden wischt. Sie hat ihre Arbeitsutensilien auf einem Rollwagen verstaut. Den Eimer mit Wasser. Lappen. Aggressive Reinigungsmittel. Klopapierrollen, die sie auf den Toiletten nachlegen will. Blaue Müllsäcke stehen bereit. Wortstreifen umrahmen das Gemälde an einem Hinterhof-Treppenaufgang. »Rücken«, »Nachtschicht«, »Wisch und weg«, »Hetze«, »Geringfügig« ist zu lesen. Die Begriffe sollen dem Betrachter Assoziationen erleichtern. Das Bild der Putzfrau ist eines von mehr als einem Dutzend Murales entlang der Großen Elbstraße. Sie erzählen vom Wandel und der Vielfalt weiblicher Wirtschaftskraft im Hafen in der Geschichte und in der Gegenwart. Die Reinemachfrau in den Kontoren gehört dazu.

Die Frauen-Freiluft-Galerie ist eine Initiative der Kunsthistorikerin und Frauenrechtlerin Elisabeth von Dücker (1946 – 2020) sowie der Malerin Hildegund Schuster. Die Künstlerin selbst hat zusammen mit Kolleginnen aus New York und London und der Argentinierin Cecilia Herrero, die in Bielefeld lebt, etliche der Bildcollagen erstellt. »Erinnerungsspuren der entschwindenden oder unsichtbaren Historie weiblicher Hafenarbeit werden verknüpft mit aktuellen Perspektiven von heute hier beschäftigten Frauen«, wird Elisabeth von Dücker zitiert. Ihre »kulturelle Perlenkette« zeigt nicht nur die Frauen beim Rollmopsrollen, die Bananenwäscherinnen, die Sexdienstleisterinnen am Uferstrich. Sie sind auch ein Kaleidoskop der heutigen Kapitäninnen, der Hafenlogistikerinnen, der Frauen, die auf ihren Container-Brücken die Schiffe entladen. Das erst seit 2006.

Das Bild am Treppenaufgang zur Palmaille (Große Elbstraße 210) haben Schülerinnen im Alter von 13 bis 18 Jahren gestaltet. Die Teilnehmerinnen eines Kurses an der Kunsthalle haben zuvor in Hafenbetrieben mit Auszubildenden gesprochen. Das Gemälde zeigt Seilerinnen.

Adresse Große Elbstraße 164, 22767 Hamburg | Hochbahn S 1, S 3, Haltestelle Königstraße; Bus 2, Haltestelle Behnstraße; Bus 111, Haltestelle Große Elbstraße; Fähre 62, Anleger Altona / Fischmarkt oder Dockland | Öffnungszeiten Mo 10 – 14 Uhr; Duschbetrieb am Millerntor, in Bergedorf und am Steintorplatz unter www.gobanyo.org| Tipp Weiter ums Eck des Gebäudes 164: Hildegund Schuster und Cecilia Herrero thematisieren auf der Rückwand eine Frauen-Demonstration.

ALTONA-ALTSTADT

7__ Des Pudels Locke

Die Elphi und eins drauf

Die Ansage ist so phantasievoll wie die Idee selbst. Der Golden Pudel Club ist »ein Ort alternativer Notwendigkeit, an dem Selbstbestimmtheit, Kratzbürstigkeit, Beklopptheit und Wärme zusammenkommen«. So steht’s in der Präambel des Vereins für Gegenkultur, der den Club trägt. Dieser sei »Kunstraum, Happening-Ort, diskursive Kneipe oder Leerraum für Zwecklosigkeit«. Nichts ist unmöglich. »Der Pudel begreift sich als gelebte Alternative zur Wertschöpfungskette einer fresssüchtigen Eventmaschine in einer immer stärker kommerzialisierten Stadt«, heißt es in einem anderen Papier. Sicher ist: Unter den ikonischen Clubs der Stadt ist der Goldene Pudel der Prinzipal. Eine Bastion alternativen Lebens in Nachbarschaft zur einst umkämpften Hafenstraße. Spielplatz nationaler und internationaler Untergrundmusiker. Themenabende haben Mottos wie »Die Kotze hat meine Jacke verklebt« oder »Die Welt zu Gast beim Feudeln«.

Die Allround-Künstler Schorsch Kamerun und Rocko Schamoni haben den Pudel gegründet. Vor einigen Jahren zerstört ein Feuer den Club im alten Gefängnis für Schmuggler. Zunächst kann nur das Erdgeschoss wiederaufgebaut werden, zuletzt kommen zwei Obergeschosse unterm sägezahnförmigen Scheddach obendrauf. Es erinnert an alte Fabriken, soll bekunden: Hier wird gearbeitet. Musik, Raum für Kunst, Diskussionen über Politik und Literatur, Karaoke. Das ist das Konzept.

Der Golden Pudel Club wird auch »Elbphilharmonie der Herzen« genannt. Barboncino Zwölphi ist in den ersten Jahren der Name des Kulturzentrums obendrüber. »Barboncino« kommt aus dem Italienischen, heißt auf Deutsch »Pudelchen«. Die Elphi steht in Sichtweite. Man hat unbedingt noch eins draufsetzen wollen. Jetzt ist das Barboncino mit neuem Team die Location Locke. »Wir wollen zeigen, dass wir zum Pudel gehören«, sagt Mitinitiatorin Lu Dolgner. »Das Erkennungsmerkmal eines Pudels sind seine Locken.«

Adresse Am St. Pauli Fischmarkt 27, 20359 Hamburg, Tel. 040/28468911 | Hochbahn S 1, S 3, Haltestelle Reeperbahn; Bus 2, 112, Haltestelle Hafentreppe | Öffnungszeiten und Programm unter www.pudel.com und www.locke.hamburg| Tipp Ella Fitzgerald und Duke Ellington sind hier aufgetreten, die Riverkasematten nebenan waren legendärer Jazz-Club. Eine Brauerei mit Pub und Pizzeria ist eingezogen (Am St. Pauli Fischmarkt 28 – 32).

ALTONA-ALTSTADT

8__ Der schwarze Block

Unbequem und störend soll er sein