24 Türchen für einen Lebendigen Adventskalender - Angela Maria Körner-Armbruster - E-Book

24 Türchen für einen Lebendigen Adventskalender E-Book

Angela Maria Körner-Armbruster

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Beschreibung

24 „unfromme“ Geschichten führen Frauen und Männer heiter, amüsant und bisweilen nachdenklich - aber ohne moralischen Zeigefinger - durch den Advent. Geeignet für Singles, den Familienkreis oder zum Vorlesen bei einem „Lebendigen Adventskalender“ in Stadt und Land.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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Angela Maria Körner-Armbruster

24 Türchen

für einen

Lebendigen Adventskalender

Zu lesen: Allein, in der Familie oder in der Gruppe

Copyright: © 2015 sommer-wind-verlag

Der Druck, Ausdruck oder Nachdruck von Text und Bildern sowie jegliche Art der Veröffentlichung in Medien aller Art ist ohne Absprache mit der Autorin ohne Einschränkung verboten.

Ausdrücklich erlaubt ist das öffentliche Vorlesen etwa bei einem Lebendigen Adventskalender – jedoch immer mit Namensnennungder Autorin.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 

1. Dezember: Rosa 

2. Dezember: Jochen 

3. Dezember: Sabine 

4. Dezember: Bernhard 

5. Dezember: Jessica 

6. Dezember: Thomas 

7. Dezember: Britta 

8. Dezember: Benjamin 

9. Dezember: Margarethe 

10. Dezember: Andreas 

11. Dezember: Anne 

12. Dezember: Heinz 

13. Dezember: Daniela 

14. Dezember: Sarah 

15. Dezember: Eva 

16. Dezember: David 

17. Dezember: Rita 

18. Dezember: Sabrina 

19. Dezember: Julia 

20. Dezember: Martin 

21. Dezember: Marlies 

22. Dezember: Richard 

23. Dezember: Christine 

24. Dezember: Iris und Alex 

Der sommer-wind-verlag 

Vorwort

Müssen die Türchen am Adventskalender immer auf dem Weihnachtsmarkt oder in tief verschneiten Wäldern aufgehen? Ist das die Garantie für kuschelige Adventsstimmung? Nein! Das, was wir uns wünschen, was wir suchen, was wir mit anderen teilen möchten, können wir überall finden.

Aus diesem Grund bringe ich Ihnen 24 völlig unkitschige Geschichten ohne Engel und Glitzerzeug. Menschliche, träumerische, humorvolle Geschichten. Geschichten ohne moralischen Zeigefinger. Geschichten die Ihnen oder mir jeden Tag passieren oder zumindest passieren könnten. Geschichten, die uns irgendwie vertraut sind und bekannt vorkommen.

Warum ist der Handlungsort eine Klinik? Weil ich zu oft in einer war – und am Ende sogar ehrenamtlich als Bücherfrau und Lotsin geholfen hab. Und weil dort das pralle Leben ist! Also, sagen Sie nicht: Oh Mensch, wenn ich das gewusst hätte, hätt ich das Buch nie gekauft!  

Ich wünsche Ihnen eine gute Reise durch den Dezember und viel Spaß beim Türen öffnen. Nach 23 Mal fragen, träumen, planen, suchen und entdecken gibt es schließlich in der letzten Geschichte Plätzchen und Tannengrün und Düfte und Kerzen in Hülle und Fülle!

Alles Gute und viele schöne "Adventsbegegnungen" wünscht Ihnen

1. Dezember: Rosa

Morgens hat Rosa das erste Türchen an ihrem altmodischen, mit Goldglitzerstaub bedeckten Adventskalender geöffnet - und nun liegt sie in der Klinik. Das erste Mal in ihrem Leben. Alles erscheint ihr fremd und sie fühlt sich hilflos. Es gibt so viele Abteilungen und Zimmer, so viele Schilder an Türen, hinter denen wahrscheinlich schmerzhafte Dinge geschehen.

Radiologie klingt nicht schlimm. Röntgen tut nicht weh. Aber Endoskopie gefällt Rosa schon nicht mehr. Einen Schlauch, ein Rohr, eine Kamera in sich zu haben gehört zwar zur modernen Medizin, aber Rosa findet die Vorstellung schrecklich und die Worte Reanimation oder Defibrillator jagen ihr eine Gänsehaut über den Rücken.

Die Patienten, die sich mit ihren piependen Apparaten, Schläuchen und Verbänden mühsam und mit unnahbaren Gesichtern durch die Flure quälen, erfüllen sie mit Unruhe, weil sie weiß, dass sie auch bald dazu gehören wird und weil sie nicht weiß, wo sie hinschauen soll.

Es ist nicht leicht mit fremden Menschen auf so engem Raum zu leben. Dass diese Menschen jedoch alle im Schlafanzug herumlaufen, ist für Rosa zu intim und stößt sie ab.

Vor allem aber hat sie fürchterliche Angst, denn im schlimmsten Fall wird sie morgen nicht mehr sprechen, nicht mehr atmen und nicht mehr schlucken können. Genau betrachtet lähmt sie diese Vorstellung jetzt schon so, dass sie Atembeschwerden hat und schrecklich übel ist ihr obendrein.

„Psychisch“, denkt sie. „Das ist alles psychisch. Ich muss mich einfach nur ablenken.“

Zitternd sitzt sie auf ihrem Bett. Soll sie sich jetzt schon das Nachthemd anziehen? Eigentlich ist sie nicht krank. Erst morgen. Aber was soll sie tun? Aus dem Zimmer kann sie nicht heraus, weil der Narkosearzt noch kommt. Also sitzt sie trübselig im schmuck-losen grau-in-grau-in-beige-Zimmer mit der schlechten Luft und starrt auf den Tannenzweig und das Strohsternchen, die vom Fenstergriff baumeln.

Wieder nimmt Rosa das gelbe Formular zur Hand. Manches hat sie schon ausgefüllt, anderes versteht sie einfach nicht. Das Meiste hat sie sowieso schon mehrmals angegeben. Warum wird man all das Zeug gefragt, wenn es dann doch nicht in der Krankenakte erscheint? Warum kommt eine Stunde später der Nächste und fragt wieder nach Familienkrankheiten und Allergien?

Wird man sie dann morgen aus der Narkose holen und noch mal fragen, ob sie wirklich gegen Heftpflaster allergisch ist? Oder wird man einfach nur den verflixten Knoten aus der Schilddrüse schneiden und alles ist wieder gut?

Rosa fühlt sich fürchterlich hilflos und ausgeliefert und ist deshalb extrem schlecht gelaunt. Alles regt sie auf und genau das regt sie auch auf. Das Telefon funktioniert auch nicht, obwohl sie die Chipkarte aufgeladen hat. Dabei würde sie so gern stundenlang telefonieren. Sprechen, reden, erzählen, plaudern, tratschen. Ehe sie keine Stimme mehr hat. Ob sie hier wohl ein wenig singen kann? Ist das in einer Klinik überhaupt erlaubt? Rosas Herz rast, als wäre sie ein Langstreckenläufer und nur noch hundert Meter vom Ziel entfernt.

„Psychisch“, denkt sie zum zwanzigsten Mal. „Alles ist psychisch. Ich muss mich ablenken.“

Aber wie soll eine Opernsängerin mit der Horrorvorstellung fertig werden, dass ein Hauch von Unachtsamkeit, ein halbes Millimeterchen mit dem Skalpell das Ende ihrer Karriere bedeuten kann?

„Lampenfieber, das ist einfach nur Lampenfieber“ beschließt sie und will die Panik auch so behandeln und das tun, was sie immer hinter der Bühne macht, ehe sich der Vorhang hebt. Atemübungen und etwas Tai Chi. Das Zwölfer-ein-mal-eins aufsagen. Das Lied von der Glocke kommt gleich hinterher. Dreiunddreißig Strophen sollten reichen, um auf andere Gedanken zu kommen.

Rosa ist witzigerweise gerade bei „Herein! herein! Gesellen alle, schließt den Reihen“ angekommen, als es kurz und hart klopft. „Herein“ kann sie gar nicht rufen, da wird die Tür schon aufgerissen.

Mit wehendem Mantel und großer Geste kommt der Narkosearzt. Mit wehender Eile und wehendem Knoblauchatem kreuzt er sich durch das gelbe Formular und redet und redet und redet. Als ob man Angst einfach wegreden kann. Noch dazu eine Angst, die schlimmer ist als Knoblauch.

Und dann, gerade als Rosa sich ärgern will, stutzt er. Dann greift er in seine Manteltasche und zieht einen kleinen Schokoengel heraus.

„Den schenk ich Ihnen“ sagt er kurz und knapp. „Einen süßen Schutzengel gegen ihre Ängste und für eine schöne Adventszeit!“

2. Dezember: Jochen

Jochen bürstet sich sorgfältig die Fingernägel und hört mit einem Ohr auf das Plaudern der Kollegen. Er ist hochgewachsen, strohblond und sehr korrekt. Mehr noch als korrekt jedoch ist er zurückhaltend. Die anderen sagen, er sei kühl und sachlich. Manche nennen ihn gar gefühllos. Das sagen sie natürlich nicht direkt zu ihm, aber er weiß es trotzdem.

Keiner weiß, dass er vor einem Jahr noch in einer Nervenklinik war. Nicht als Arzt. Keiner weiß, dass er völlig verzweifelt aus Berlin geflohen ist, weil er den Grausamkeiten seines Berufs nicht mehr leben konnte.

Notfallambulanz in Kreuzberg. Dort sieht man Verletzungen von stumpfen Gegenständen bei Frauen. Schlagringspuren bei Drogensüchtigen. Messerlöcher bei Kleingangstern. Brandwunden bei Verrätern. Und immer mehr misshandelte Prostituierte und überfallene Touristen. Dazu Babys, die schon mit 1,2 Promille geboren werden.

Am meisten bekümmerten ihn jedoch die Kinder. Nicht jede Nacht, aber jede zweite. Verbrüht, zerkratzt und mit Kippennarben. Ausgehungert, vertrocknet und bei jedem lauten Wort zitternd. Blaue Flecken am ganzen Körper, dazu zahlreiche frische und verheilte Brüche. Und leere Augen ohne Hoffnung.

Sein letzter Nachtdienst in Kreuzberg hatte mit Florian begonnen. Nach einem Reitunfall hatte er zwölf Wochen lang am Bett des Jungen gehofft, gelacht und philosophiert. Und nun lag der Junge wieder vor ihm und sogar im Koma. Überfahren bei einem illegalen Autorennen. Zwei bittere Stunden hatte das Ärzteteam um sein Leben gekämpft, ehe auf dem Monitor die gefürchtete gerade Linie erschien.

Als Jochen mit versteinertem Gesicht seinen blutbeschmierten Kittel in den Abwurf pfefferte, zitterte er am ganzen Körper. Er schrieb seine Kündigung, ging er nach Hause, packte einen kleinen Kofferund fuhr in eine Klinik im Harz. Jetzt, ein halbes Jahr später,  steht er wieder am Tisch und arbeitet zuverlässig.

Immer noch sind ihm Wetter-Gespräche ein Gräuel und der Kampf um einen Parkplatz oder einen besseren Platz im Kino erscheint ihm lächerlich. Doch nur noch selten kommt es ihm absurd vor, dass die Sonne tatsächlich immer noch scheint, obwohl er gerade einem jungen Mann sagen muss, dass seine Frau an Weihnachten zu schwach zum Feiern sein wird.

Die nächste Patientin ist eine junge Dame, die ehrgeizig den Begriff „endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie“ auswendig gelernt hatte. Ihre Augen sind unglaublich grün und erinnern ihn an einen winzigen See auf Lanzarote. Dort hat er schon viele Stunden lang sein Leben sortiert. In einem gar nicht kühlen Moment hatte er ihr davon erzählt.

„Wenn ich gesund bin, können wir zusammen dort sitzen“ hatte sie gelacht und seither überlegt Jochen, wie ernst ihr dieses Angebot ist. Er könnte mit ihr vom Fischerdörfchen "El Golfo" bis zum See laufen. Sie würden am Strand Olivine finden, fangfrischen Fisch essen und auf einen besonders schönen Sonnenuntergang hoffen.

„Nimm dich zusammen. Denk nicht an Halbedelsteine, denk an Gallensteine. Du hast sie nicht mal auf einen Kaffee eingeladen und planst schon einen Urlaub.“

Natürlich kann Jochen jetzt im Operationssaal noch nicht wissen, dass sie ihn drei Tage später am Ende der Visite zurück halten wird.

„Ach, Herr Heimann - da wär noch was...“ wird sie sagen und Jochen wird den eigenartigen Unterton in ihrer Stimme bemerken. Er wird die Kollegen hinaus schicken und ans Bett treten. Sie wird ihn ganz wunderbar und liebenswürdig anlächeln und eine Packung Zimtsterne und ein Buch unter der Decke hervorzaubern.

Ungläubig wird Jochen den Titel lesen: „Lanzarote. Die schönsten Vulkanwanderungen“.

Und dann wird er zaghaft seine Hand ausstrecken. Nicht nach dem Buch. Nach ihr.