2865 Tage - Reinhard Grabher - E-Book

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Reinhard Grabher

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Beschreibung

"Damals hatte ich noch die Hoffnung, dass bei der Hauptverhandlung endlich die Wahrheit ans Licht kommt und ich wieder nach Hause kann. Nach der Verurteilung wegen Raubmordes, den ich nicht begangen habe, brach alles zusammen, ich konnte nicht glauben, was da mit mir geschehen war." Im Juni 1994 wird der Fliesenleger und Präsenzdiener Peter Heidegger wegen Raubmordes in Salzburg verurteilt. Er wird für schuldig befunden, die Taxifahrerin Claudia Deubler beraubt und erschossen zu haben. Peter Heidegger kämpft jahrelang um die Wiederaufnahme des Verfahrens. Seine Verteidiger stoßen dabei auf unzählige Versäumnisse und Fehler in der Arbeit der Kriminalbeamten. Es kommt zu einem zweiten Verfahren: Peter Heidegger wird wieder angeklagt, seine Unschuld klar bewiesen, die Ermittlungspannen werden aufgedeckt. Nach acht Jahren Gefängnis, nach 2865 Tagen Haft, wird er freigesprochen. Der Fall Peter Heidegger ist einer der größten Justizirrtümer Österreichs - wenn nicht der größte überhaupt. Das Buch schildert, sowohl aus der Sicht von Peter Heidegger als auch auf Basis der umfangreichen Protokolle und Akten, das Zustandekommen des Fehlurteils, die Wiederaufnahme des Verfahrens und den Beweis der Unschuld des Fliesenlegers.

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Reinhard Grabher

2865 TAGE

Der Fall Peter Heidegger

Reinhard Grabher

2865 TAGE

Der Fall Peter Heidegger

Czernin Verlag, Wien

Grabher, Reinhard.: 2865 Tage - Der Fall Peter Heidegger / Reinhard Grabher Wien: Czernin Verlag 2007 ISBN: 978-3-7076-0562-4

© 2015 Czernin Verlags GmbH, Wien Covergestaltung: Ulich Schueler Coverfoto: Gedarmerieeinsatz in der Mordnacht; Tatwaffe. ORF Landesstudio Salzburg Lektorat: Eva Steffen ISBN E-Book: 78-3-7076-0562-4 ISBN Print: 978-3-7076-0241-8

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

Vorbemerkung

Ein Buch über einen Justiz- und Ermittlungsirrtum – »Wer braucht schon so etwas?«, könnte man fragen. Wie oft gerät jemand als Verdächtiger unschuldig in Untersuchungshaft oder wird gar für eine Tat verurteilt, die er nicht begangen hat?

Die Tageszeitungen bringen beinahe jeden Tag eine kleinere Notiz oder einen größeren Bericht über unschuldig Verurteilte. Was unterscheidet dabei den Fall des Gmundners Peter Heidegger­ von anderen solchen tragischen Irrtümern? Vielleicht ist es die Tatsache, dass in diesem Fall jemand verurteilt worden ist, obwohl er weder ein Motiv noch in Wahrheit Gelegenheit gehabt hatte, die Tat überhaupt auszuführen.

Peter Heidegger wurde verurteilt, obwohl es keinen einzigen Sachbeweis gegen ihn gegeben hat. Ein falsches – und später widerrufenes – Geständnis, schwer belastende Aussagen der ermittelnden Kriminalbeamten und zweier »Kronzeugen«, vielleicht auch seine Herkunft wurden dem 19-jährigen Fliesenleger und Grundwehrdiener zum Verhängnis. Nichts ist schlimmer als Vorurteile.

Was diesen Fall darüber hinaus so außergewöhnlich macht, ist der Umstand, dass Heideggers Verteidiger so gut wie alle kleineren und größeren bei den Ermittlungen gemachten Fehler in vielen langen Jahren Punkt für Punkt aufgeklärt und aufgezeigt haben. Voreilige Schlüsse, das Festhalten an einem formalen Geständnis und der Glaube an die Unfehlbarkeit der Ermittlungsarbeit haben zu diesem Justizirrtum beigetragen.

Als Grundlage für dieses Buch, das Sie in Händen halten, dienten tausende Seiten an verschiedenen Protokollen und viele Gespräche, vor allem mit dem zu Unrecht verurteilten Peter Heidegger. Ihm gilt für seine Offenheit großer Dank, ebenso wie allen anderen, die uns mit ihrem Wissen, ihrer Kritik, ihrem Optimismus, ihrer Offenheit, ihrer Toleranz, ihrem Mut, ihrem Durchhaltevermögen und ihrer Geduld unterstützt haben.

Unser besonderer Dank gilt Elfriede Heidegger. Sie wusste, dass ihr Sohn während der Mordnacht zuhause und unschuldig war. Zehn Jahre lang hat sie trotz aller Widerstände und Schwierigkeiten unerschütterlich für die Wahrheit und die Freiheit ihres Sohnes gekämpft.

Abschließend muss betont werden, dass die handelnden Personen in diesem Buch nicht erfunden sind, sondern jede einzelne Person real existiert. Es wurden aber aus besonderer Rücksichtnahme und Gründen des Persönlichkeitsschutzes lebender Personen etliche Namen geändert. Ausnahmen bilden die Familie Heidegger, Richter, Anwälte und Gerichtsgutachter.

Reinhard Grabher

Dr. Franz Mahr

Prolog

Wann genau der Schuss fiel, der die junge Salzburger Taxifahrerin Claudia Deubler in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 1993 augenblicklich getötet hat, blieb lange Jahre im Dunkeln. Dabei wäre es angesichts der Entwicklungen und Fahndungsergebnisse, die dieser Bluttat folgen sollten, in vielerlei Hinsicht von besonderer Bedeutung gewesen.

Ebenso wichtig wäre es gewesen, die genaue Uhrzeit festzuhalten, zu der Zlatko Josipovic und Dunja Danica auf dem Heimweg von der Disco »L.A.« in Salzburg das Taxi gesehen haben, das mit offener Fahrertür und eingeschaltetem Standlicht neben dem Au­schneidersee in Wals-Käferheim gestanden ist. Die beiden waren eigentlich schon am Taxi vorbeigefahren, als sie eine Person neben der Fahrertür liegen sahen.

Käferheim ist ein Ortsteil der Gemeinde Wals-Siezenheim. Die von der Struktur her an sich landwirtschaftlich geprägte Nachbargemeinde von Salzburg hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Vor allem im unmittelbaren Grenzbereich zur Mozartstadt sind Gewerbeflächen und Einkaufszentren entstanden. Allein, davon ist im Jahr 1993 im Ortsteil Käferheim noch recht wenig zu spüren. Kleine Siedlungen, Reihenhäuser und einzelne Wohnhäuser bestimmen das Erscheinungsbild. Gewerbe gibt es kaum. Nur direkt neben der wenig befahrenen Käferheimstraße liegt die Schottergrube der Salzburger Sand- und Kieswerke und der kleine Auschneidersee. Unmittelbar vor der Einfahrt zur Schottergrube steht das Taxi von Claudia Deubler, ein dunkelblauer Ford Sierra Kombi.

»Es hat so ausgesehen, als würde jemand unterm Auto etwas reparieren«, erinnert sich Dunja Danica Jahre später an die Mordnacht und den Tatort.

Erst als sie und ihr Begleiter Zlatko näher kommen, sehen sie die Tote. Der Leichnam der 28 Jahre alten Taxifahrerin Claudia Deubler liegt neben der offenen Fahrertür, der Oberkörper ragt etwas in den Türrahmen hinein, unterhalb des Kinns können sie eine Wunde erkennen.

Dunja Danica wohnt lediglich 300 Meter vom Tatort entfernt. Mit dem Auto brauchen sie und Zlatko Josipovic weniger als eine Minute für diese Strecke. Ein Katzensprung, wie man zu solch kurzen Entfernungen zu sagen pflegt. Die junge Frau betätigt den Notruf der Polizei: Beim Auschneidersee im Ortsteil Käferheim von Wals-Siezenheim liegt direkt vor der Einfahrt zur Schottergrube eine Taxifahrerin tot neben ihrem Fahrzeug.

Gendarmerieinspektor Dieter Schnabel ist in diesen Minuten alleine am Posten in Wals-Siezenheim. Es ist eine milde Nacht. Tagsüber war es zwar wechselhaft, aber doch sommerlich heiß. Der starke und böige Westwind kündigt nun eine weitere Regenfront an. Schnabels Kollegen vom Gendarmerieposten Wals-Siezenheim, die mit ihm Nachtdienst haben, sind gerade unterwegs, einen kleinen Verkehrsunfall aufzunehmen. Auch er wird sich Jahre später nicht mehr genau erinnern können, wann er von der Einsatzzentrale vom Notruf der völlig aufgelösten Dunja Danica informiert worden ist.

Da seine Kollegen gerade mit dem Verkehrsunfall beschäftigt sind, beordern die Beamten in der Einsatzzentrale einen Streifenwagen aus dem Nachbarort Großgmain zur Schottergrube am Auschneidersee. Notrufe landen in der Funkleitstelle des jeweiligen Bezirkskommandos, von dort werden dann über Funk der zuständige Posten und jener Streifenwagen alarmiert, der den kürzesten Weg zum Einsatzort hat.

Vom Gendarmerieposten Wals-Siezenheim bis zum Tatort im Ortsteil Käferheim sind es für Schnabel mit dem Auto nur wenige Minuten, auch der Streifenwagen aus dem Nachbarort Groß­gmain ist innerhalb kurzer Zeit am Tatort.

Ein kurzer Blick und die Alarmierungskette wird in Gang gesetzt. Über Funk werden weitere Streifenwagen angefordert, die Spurensicherung und die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Salzburg werden informiert. Dort hat in dieser Nacht Herwig Lanschützer Bereitschaftsdienst. Ehe er sich selbst auf den Weg von der Zentrale in Salzburg hinaus zum etwa zehn Kilometer entfernten Tatort in Wals-Siezenheim macht, verständigt er der Reihe nach die Kollegen.

Einer der Kriminalbeamten, der erfahrene und lang gediente Hans-Jörg Lassnig, wohnt sogar in der Nähe des Tatorts, er ist deshalb nach den uniformierten Streifenbeamten und dem Gendarmerieinspektor Dieter Schnabel der erste Ermittler am Tatort. Schnabel informiert aber auch unverzüglich die Polizei in der benachbarten Stadt Salzburg, die Grenzkontrollposten und die Militärstreife der vier Kilometer entfernten Schwarzenbergkaserne, und bittet sie alle, die Augen offen zu halten.

Die Gemeinde Wals-Siezenheim liegt nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft zu Salzburg, sondern auch zur Grenze nach Deutschland. Der viel befahrene Autobahngrenzübergang Walserberg gehört zum Gemeindegebiet und ist nicht weit vom Tatort entfernt. In Wals befindet sich zudem eine der größten Kasernen in Österreich.

Auch Wolfgang Walkner sollte sich später nicht mehr genau entsinnen können, wann er im Polizeifunk auf den Mord aufmerksam wurde. Der damals 40-Jährige verdiente sein Geld damit, bei Unfällen und Verbrechen als Erster am Ort des Geschehens zu sein. Seine Fotos und seine Filmaufnahmen waren bei Zeitungen­ und Fernsehen sehr geschätzt. Dass er dafür ständig illegal den Polizeifunk mithörte, war seinen Auftraggebern und Kollegen ebenso bekannt wie vielen bei Polizei und Gendarmerie. Das eine oder andere Mal hatte er deswegen zwar schon eine Verwaltungsstrafe aufgebrummt bekommen, diese Strafen nahm er aber achsel­zuckend zur Kenntnis.

Wie so oft ist Wolfgang Walkner auch an diesem Abend der Schnellste. Er hat am Handfunkgerät, das er ständig mit sich trägt, gleich die erste Alarmierung mitbekommen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Pressefotograf in der Nähe des Salzburger Hauptbahnhofes. Raus aus dem Lokal, ins Auto einsteigen und losfahren, oder eigentlich: losrasen – das ist bei Wolfgang Walkner eine einzige zusammenhängende Bewegung. In seinem Auto hat er stets alles bei sich, was er für die begehrten Fotos und Videoaufnahmen braucht.

Fast zeitgleich mit dem ersten Streifenwagen trifft Wolfgang­ Walkner am abgelegenen Tatort ein. Im Schlepptau des rasenden Reporters befinden sich auch zwei Journalisten der »Kronen Zeitung«. Sie sind gerade dabei, ihren Arbeitstag in einem Lokal, dem »Fidelen Affen«, in der Salzburger Altstadt ausklingen zu lassen, als sie vom Roten Kreuz angepiept werden. Auch dort, in der Funkleitzentrale, hat man die Mordalarmierung mitbekommen.

Als die beiden bei der Fahrt von der Stadt Salzburg Richtung Wals vor sich plötzlich das Auto von Wolfgang Walkner und das Blaulicht eines Streifenwagens erkennen, brauchen sie sich nur anzuhängen – was schwierig genug ist –, um zum Tatort zu finden.

Lange noch bevor die Spurensicherung am Tatort mit ihrer Arbeit beginnt, hat Wolfgang Walkner schon die ersten Fotos geschossen und etliche Szenen für das österreichische Fernsehen mit seiner Kamera aufgenommen. Ausgerechnet seine Fotos und nicht jene der Spurensicherung sollten viele Jahre später vor Gericht eine besondere Bedeutung erlangen. Wolfgang Walkner fotografiert die Tote, wie sie neben dem Auto halb aufgerichtet liegt. Im Hintergrund dieser Fotos werden Teile des Fahrzeuginneren festgehalten: Lenkrad, Sitze, Armaturenbrett, Taxameter.

Den beiden Beamten der Spurensicherung und den ermittelnden Kriminalbeamten steht der Pressefotograf nicht im Weg. Sie kennen sich seit langer Zeit, keiner behindert den anderen. Für die Spurensicherung sind die Kriminaltechniker der städtischen Polizei Salzburg zuständig. Fritz Demoser hat die undankbare Aufgabe, den Leichnam oberflächlich zu untersuchen. Während sein Kollege Alfred Häusle am Tatort zahlreiche Fotos zur Beweissicherung macht, sucht Fritz Demoser nach Ungereimtheiten, nach Indizien und Beweisen, die erkennen lassen, wie es zur Gewalttat gekommen ist und ob der Fundort der Leiche auch der Tatort ist. Schon nach wenigen Minuten steht für ihn fest, dass Claudia Deubler hier getötet wurde, vermutlich durch einen Schuss aus unmittelbarer Nähe knapp unterm Kinn in den Hals.

Unterdessen kommen weitere Kriminalbeamte zum Tatort, darunter der mit knapp 33 Jahren noch relativ junge stellvertretende Leiter der Kriminalabteilung der Salzburger Gendarmerie, Albert Laschober. Da der eigentliche Chef der Kriminalabteilung derzeit auf Urlaub ist, übernimmt Laschober die Koordinierung der Ermittlungen und die Pressearbeit. Ein Kriminalbeamter nach dem anderen erscheint am Tatort, auch Peter Tutschku, Leiter der Salzburger Funktaxivereinigung, wurde aus dem Bett geläutet und ist von Salzburg nach Wals-Siezenheim geeilt. Es ist inzwischen weit nach Mitternacht.

Tutschku ist es, der die Kriminalbeamten auf den Taxameter im Auto von Claudia Deubler hinweist. Die Uhr läuft nämlich noch immer, zählt genau geeicht in Warteposition alle 22 Sekunden eine Einheit weiter, das ist nach damaliger Währung ein Schilling. Seiner Meinung nach könne man mit Hilfe des Taxameters eventuell den Abfahrtsort des Taxis ermitteln. Es ist genau 1:40 Uhr, als die Kriminalbeamten seiner Anregung nachkommen und 470 Schilling auf der Taxiuhr ablesen. Es sollten aber dann viele Jahre ins Land ziehen, ehe diese Notiz eine Bedeutung erlangte.

Ansonsten verläuft die erste Arbeit am Tatort für die Spuren­sicherung und die Kriminalbeamten wenig erfolgreich: Weder ein Projektil noch eine Patronenhülse, geschweige denn die Tatwaffe können sie in einer ersten Suchaktion rund um den Tatort finden. Sogar zwei Suchhunde werden zum Tatort beordert, ein brauch­bares Ergebnis, eine konkrete Spur, einen Hinweis können aber auch die feinen Nasen der Spürhunde nicht erschnüffeln.

Ebenfalls unauffindbar bleiben die Papiere der Toten und ihre Brieftasche. So gibt es nur wenig, was die Aufmerksamkeit der Spurensicherung erregt. Dazu gehört ein frischer Schuhabdruck im Türrahmen auf der Beifahrerseite des Taxis. Zwar ist dieser nicht vollständig, die Spurensicherer können aber einen Abdruck sicherstellen. Es handelt sich dabei um einen stark gegliederten, stollenartigen Schuhabdruck, wie ihn zum Beispiel schwere Stiefel oder Wanderschuhe hinterlassen.

Etwa 15 Meter vom Auto entfernt, in der Einfahrt zur Schotter­grube, liegt außerdem ein umgestülpter, einzelner, schwarzer Finger­handschuh aus Wolle. Am frühen Abend hatte es noch kurz, aber intensiv geregnet, nachher war das Wetter trocken und mild. Da der Handschuh ebenfalls trocken ist, nehmen ihn die beiden Spurensicherer Demoser und Häusle als möglicherweise tatrelevant mit zur weiteren Untersuchung.

Kurze Zeit später, so gegen zwei Uhr früh, setzt wieder heftiger Regen ein. Die Spurensicherer Fritz Demoser und Alfred Häusle haben ihre Arbeit am Tatort gerade noch rechtzeitig beenden können. Auch die Leiche der jungen Taxifahrerin ist bereits abgeholt worden und befindet sich auf dem Weg zur Gerichtsmedizin, das Taxi wird aufgeladen und zur weiteren Untersuchung zur Spurensicherung nach Salzburg gebracht. Auch die Journalisten, zum Pressefotografen Wolfgang Walkner und den Journalisten der »Kronen Zeitung« haben sich noch Reporter der »Salzburger Nachrichten« gesellt, haben ihre Story und sind wieder abgezogen.

Schon etwas müde fahren die Kriminalbeamten vom Tatort zum nahe gelegenen Gendarmerieposten nach Wals-Siezenheim. Der stellvertretende Leiter der Kriminalabteilung der Salzburger Gendarmerie, Albert Laschober, bespricht sich mit den beiden anwesenden Kriminalbeamten aus der Mordabteilung, dem schon routinierten 49-jährigen Wolfgang Grader und dem 14 Jahre jüngeren Josef Enigl. Zur Unterstützung haben die drei Hans-Jörg Lassnig dabei, er ist an sich für Raub und Diebstahl zuständig. Während die vier die weitere Vorgangsweise besprechen und erste Vermutungen in Richtung Raubmord anstellen, haben ihre Kollegen Franz Hintner und Herwig Lanschützer in diesen Nachtstunden noch unangenehme Aufgaben zu erfüllen.

Hintner hat schon in der Zentrale der Funktaxivereinigung ermittelt. Dort werden alle über Taxifunk vermittelten Fahraufträge zwei Wochen lang gespeichert. So lässt sich innerhalb weniger Minuten feststellen, dass der letzte bekannte Auftrag Claudia Deubler um 22:15 Uhr in die Pichlergasse im Salzburger Stadtteil Maxglan geführt hat. Dort ist die Volksschullehrerin Helga Sonnleithner eingestiegen und hat sich ins Stadtzentrum, in die Griesgasse, fahren lassen. Sonnleithner hat dort das Auto ihres Lebensgefährten abgeholt. Er hatte das Fahrzeug stehen lassen, weil er alkoholisiert war.

Nach einem Aufruf der Funktaxizentrale an alle Kolleginnen und Kollegen meldet sich Matthias Zehetner. Er hat Claudia Deubler nachher noch gesehen. Zehetner war gerade auf dem Weg vom Flughafen Salzburg hinein in die Stadt Salzburg, als ihm das spätere Mordopfer im Salzburger Stadtteil Maxglan begegnet ist. Deubler fuhr stadtauswärts, ist sich Matthias Zehetner später sicher, sie war damit genau auf jener Straße unterwegs, auf der man in weiterer Folge zum Tatort kommt. Neben Claudia Deubler sah er einen Mann, einen eher »dunklen Typen«, sitzen. Ob sonst noch jemand im Taxi saß, dazu konnte Zehetner nichts sagen.

Es ist fraglich, ob die beiden Kriminalbeamten Franz Hintner und Herwig Lanschützer alle diese Informationen schon haben, als sie sich gegen vier Uhr früh mit der Mutter und der Schwester des Mordopfers treffen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich diese bedrückte und bestürzte Stimmung in der Wohnung von Deublers Schwester vorzustellen. Hintner und Lanschützer treffen hier auch auf eine Freundin und einen Freund des Opfers sowie ihren Lebensgefährten Rupert Schneider, der ebenfalls Taxi fährt und mit Claudia Deubler wenige Stunden vor ihrem Tod gemeinsam zu Abend gegessen hat. Dann sind beide in ihre Taxis gestiegen, er hatte sie später mehrmals am Mobiltelefon erreichen wollen, aber sie habe sich nie gemeldet.

Alle Anwesenden konfrontieren die beiden Kriminalbeamten mit einem konkreten Verdacht. Für sie kommt als Täter zuerst einmal nur Drazen Franjko in Frage, der ehemalige Freund von Claudia Deubler. Die beiden hatten sich vor etlichen Monaten getrennt. Claudia wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, habe sich aber vor Drazen bis zuletzt gefürchtet, erzählen Mutter und Schwester.

Sie rücken mit weiteren Details und Gerüchten zur Person Drazen Franjko heraus, die ihn schon wenige Stunden nach dem Mord tatsächlich zum Tatverdächtigen Nummer eins werden lassen. Er gehöre dem Rotlichtmilieu an, habe Claudia auch in Animierlokalen beschäftigen wollen, habe die Trennung nicht verkraftet und ihr wiederholt gedroht. Zudem bestehe gegen den jugoslawischen Staatsbürger ein Aufenthaltsverbot in Österreich, erfahren die beiden Kriminalbeamten.

»Taxifahrerin in Wals ermordet!«

Bereits in den Frühnachrichten im lokalen Radioprogramm des österreichischen Rundfunks in Salzburg ist die Tote vom Auschneidersee in Wals-Siezenheim das große Thema. Obwohl völlig übermüdet, hat es sich der aufstrebende stellvertretende Leiter der Kriminalabteilung der Gendarmerie, Albert Laschober, nicht nehmen lassen, noch im Morgengrauen persönlich ins ORF-Landesstudio zu kommen, um erste Informationen zu liefern und vor allem Fragen aufzuwerfen. Zeugen würden gesucht, Hinweise dringend erbeten, lässt Laschober via Rundfunk verlauten.

Zur selben Zeit herrscht bei den Ermittlern trotz der frühen Morgenstunden große Hektik. Um sechs Uhr früh beginnt beim Salzburger Institut für Gerichtsmedizin bereits die Obduktion der Leiche, die der mittlerweile verstorbene Pathologe Gerhardt Sorgo durchführt. Die ebenfalls anwesenden Kriminalbeamten Wolfgang Grader, Josef Enigl und der junge Helmuth Matt haben zu diesem Zeitpunkt noch kein Auge zugetan. Jetzt bei der Obduktion stößt auch Paul Felderer hinzu. Der 53-Jährige ist zu diesem Zeitpunkt bei der Kriminalabteilung der Salzburger Gendarmerie als Fachbereichsleiter für Gewaltverbrechen tätig.

Sehr schnell sind wesentliche Fakten klar. Claudia Deubler ist an einem Schuss aus unmittelbarer Nähe gestorben, der ihr durch Hals und Wirbelsäule ging. Die auffällige Verletzung am Kinn ist eine Streifwunde. Aufgrund der ungewöhnlichen Schmauchspuren tappen die Kriminalbeamten bei der Tatwaffe aber noch im Dunkeln. Der Öffentlichkeit gegenüber sprechen sie wenig später entweder von einer Vorderladerwaffe oder einem Schlachtschussapparat als möglicher Tatwaffe.

Die Gruppe der ermittelnden Kriminalbeamten wird in diesen Morgenstunden kontinuierlich größer, aus anderen Abteilungen helfen Kollegen bei den Hausbefragungen in der Nähe des Tatorts mit. Als dann gegen Mittag am Tag nach der Bluttat Taucher der Berufsfeuerwehr Salzburg im Auschneidersee nach der Tatwaffe suchen, ist ein Kamerateam des österreichischen Fernsehens nicht weit.

Abseits der medialen Öffentlichkeit wird aber bereits intensiv im Umfeld des Exfreundes der Ermordeten ermittelt. Bekannte von Drazen Franjko erhalten ebenso Besuch von Kriminalbeamten wie seine Mutter, die im Salzburger Stadtteil Aigen in einer kleinen Wohnung lebt. Diese Befragungen bringen aber keine konkreten Ergebnisse.

Unter Salzburger Taxifahrern ist der 25-jährige Drazen kein Unbekannter. Etliche Kollegen von Claudia Deubler können sich erinnern, dass sie von ihrem Exfreund immer wieder angerufen oder sogar persönlich aufgesucht worden sei, ja, dass sie sich sogar vor ihm gefürchtet habe.

Der Presse gegenüber halten sich die Kriminalbeamten aber zurück. An diesem, dem ersten Tag nach dem Mord nennt Pressesprecher Albert Laschober der Öffentlichkeit zwei Spuren: Raubmord oder Eifersuchtsdrama. Da der letzte dokumentierte Auftrag die Taxifahrerin ins Stadtzentrum geführt hat, sei ihr späterer Mörder vermutlich dort, etwa am Taxistandplatz Hanuschplatz an der Salzach, eingestiegen.

In einem Fernsehinterview bestätigt Laschober, dass der Taxameter im Auto des Mordopfers ausgewertet worden sei und demnach der Mörder mit großer Wahrscheinlichkeit im Stadtzentrum von Salzburg, also konkret am Standplatz Hanuschplatz, in das Taxi von Claudia Deubler eingestiegen sei.

Auch ein Zeugenhinweis wird publik, wonach dort zur fraglichen Zeit, also um 22:00 Uhr des Vortags, ein Mann mit einer Faustfeuerwaffe gesehen wurde. Dieser Hinweis wird nur einen Tag später von den Kriminalbeamten als unergiebig abgetan. Die vermeintliche Waffe sei nur ein großer Schlüssel gewesen, wird vom Kriminalisten Wolfgang Grader am 7. Juli in einem Aktenvermerk festgehalten.

Wirklich entscheidend sind die Kriminalbeamten am Tag nach dem Mord an der 28-jährigen Claudia Deubler also nicht weitergekommen. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, als seien die zahlreichen Beamten am ersten Tag ihrer Ermittlungen auf mehr Fragen als Antworten gestoßen.

Dies ändert sich am folgenden Tag. Nachdem mehrere Zeugen aus dem Bekanntenkreis von Claudia Deubler ihren Exfreund weiter schwer belasten, beantragen die Kriminalisten Haftbefehl gegen Drazen Franjko und leiten die Fahndung nach ihm ein.

Er habe sich mit der Trennung von Claudia Deubler nicht abfinden können, trotz eines Aufenthaltsverbots für Österreich sei der Kroate immer wieder beim späteren Mordopfer aufgetaucht, es habe dabei auch Streit gegeben, begründet der stellvertretende Leiter der Kriminalabteilung der Salzburger Gendarmerie, Albert Laschober, die Fahndung nach Drazen Franjko.

Nach wie vor tappen die Kriminalisten hinsichtlich der Tatwaffe im Dunkeln. Trotz der groß angelegten Suchaktion scheinen sowohl Tatwaffe als auch Projektil und Patronenhülse wie vom Erdboden verschluckt.

So greift auch die Standesvertretung der Taxifahrer in die Ermittlungen zumindest indirekt ein. 13.000 Schilling Belohnung werden für Hinweise, die zur Klärung des Mordes an Claudia Deubler führen, in Aussicht gestellt. Die Bluttat bleibt auch deshalb in Salzburg das Tagesgespräch, weil alle der mehr als 250 Salzburger Taxifahrer mit Trauerflor an ihren Fahrzeugen unterwegs sind. Zudem werden sie nicht müde, gegenüber Journalisten von Zeitung, Radio und Fernsehen zu betonen, wie unsicher, wie gefährdet, wie wehrlos sie sich fühlen. All dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Kriminalbeamten bei ihren Ermittlungen nicht so recht von der Stelle zu kommen scheinen.

Längst haben die vier Kriminalisten aus der Abteilung für Gewaltverbrechen, Leiter Paul Felderer sowie Wolfgang Grader, Josef Enigl und Helmuth Matt, Unterstützung erhalten. Bis zu sechs Beamte aus dem Bereich Raub und Diebstahl, angeführt vom erfahrenen Kriminalisten Hans-Jörg Lassnig, klappern im Nahbereich des Tatorts Wohnungen und Häuser, Geschäfte und Lokale ab, sie fragen in der nahen Kaserne nach, erkundigen sich bei Taxifahrern nach Hinweisen, durchleuchten das Leben von Claudia Deubler, ihres Lebensgefährten Rupert Schneider und vor allem das ihres Exfreundes Drazen Franjko, den sie nun, zwei Tage nach dem Mord, in Italien, genauer gesagt in Rimini, vermuten.

Der 8. Juli zieht ins Land, ein sommerlich heißer Donnerstag, ein Tag mit zwei Gesichtern.

Es ist der Tag, an dem sich der mit Haftbefehl gesuchte Drazen Franjko über seinen Anwalt sowohl bei den Kriminalbeamten als auch der Presse meldet. Er habe nichts zu verbergen, lässt er über seinen Rechtsanwalt ausrichten. Mit dem Mord an Claudia Deubler habe er nichts zu tun. Drazen Franjko ist bereit, nach Salzburg zu kommen, um hier einvernommen zu werden.

Mehr Berichtenswertes bekommen Zeitungen, Radio und Fernsehen an diesem Tag nicht geliefert. In der Kriminalabteilung der Gendarmerie gibt man sich ungewöhnlich reserviert. Man werde Franjkos Bedingungen für die Einvernahme, das sind Rechtsbeistand und Aufhebung des Aufenthaltsverbots, erfüllen, teilt Albert Laschober seitens der Kriminalisten mit. Noch einmal wiederholt er seinen Aufruf, dass seine Kollegen und er dringend Zeugen und Hinweise suchen. Mehr ist ihm an diesem Tag, dem dritten Tag nach dem Mord, nicht zu entlocken.

Dass an diesem sonnigen Donnerstag zu Mittag unter den Kriminalbeamten plötzlich große Hektik ausbricht und Betriebsamkeit herrscht, das kommt erst einen Tag später ans Licht.

Am Freitag wartet bereits ein Fernsehteam vom ORF Salzburg, als der seit zwei Tagen gesuchte Drazen Franjko um acht Uhr früh in Begleitung seines Rechtsanwalts die Stufen zum Eingang der Kriminalabteilung der Salzburger Gendarmerie an der Alpenstraße in Salzburg hinaufgeht. Lässig bleibt der 25-Jährige, braun gebrannte Mann stehen und gibt bereitwillig ein kurzes Fernsehinterview. Er werde jetzt alles aufklären, sagt er beinahe schon aufreizend gutmütig. Die Mordnacht habe er in einem Lokal in der Nähe von Zagreb verbracht, das ließe sich leicht überprüfen.

Drazen Franjko verschwindet mit seinem Anwalt im Gebäude der Gendarmerie. Das Kamerateam des österreichischen Rundfunks fährt mit der vermeintlichen Top-Story des Tages im Kasten zurück ins Studio, nicht ahnend, dass im Keller des Gebäudes, vor dem man den Exfreund des Mordopfers interviewt hat, die Kriminalbeamten seit Stunden einen anderen Tatverdächtigen eingesperrt haben.

Es ist kurz nach Mittag an diesem Freitag, als die Bombe platzt.

Drazen Franjko scheidet als Verdächtiger aus. Der Exfreund der ermordeten Taxifahrerin habe ein wasserdichtes Alibi vorweisen können, teilt Albert Laschober der Presse in einer Aussendung mit. Es stehe einwandfrei fest, dass er sich zur Tatzeit nicht in Salzburg aufgehalten hat.

Die Kriminalbeamten verweisen nun völlig überraschend auf einen anderen Tatverdächtigen. Indizien und Beweise liegen vor, so Laschober, die Einvernahme läuft, und für 16:00 Uhr kündigt er eine Pressekonferenz im Mordfall Deubler an.

Vier Tage nach dem Mord, pünktlich um 16:00 Uhr, ist das Besprechungszimmer in der Sicherheitsdirektion Salzburg brechend voll. Dicht gedrängt und voller Ungeduld warten die zahlreichen Reporter auf die Informationen der Kriminalbeamten. Äußerlich ruhig, mit eher monotoner Stimme, die wenig von seiner Anspannung verrät, verkündet Albert Laschober, dass der Mord an der Taxifahrerin Claudia Deubler aufgeklärt sei.

Als Täter präsentiert er den aufmerksam zuhörenden und sich Notizen machenden Journalisten einen 19 Jahre alten Grundwehrdiener aus Gmunden in Oberösterreich, stationiert in der Schwarzenbergkaserne in Wals-Siezenheim. Peter Heidegger, so sein Name, sei jener Mann, der in der Nacht von Montag auf Dienstag Claudia Deubler erschossen habe.

Heidegger habe vom Bundesheer abhauen wollen, so Albert Laschober, der stellvertretende Leiter der Kriminalabteilung der Gendarmerie. Zu diesem Zweck habe er die Taxifahrerin ausrauben wollen. Als Tatwaffe habe ein Signalstift gedient, mit dem man zum Beispiel als Wanderer in Bergnot oder als Segelsportler Hilfssignale abfeuern kann.

Auf die Spur des Soldaten habe sie ein Kellner einer Pizzeria in der Nähe des Tatorts gebracht. Er habe einen Soldaten mit Namen »Peter« zur fraglichen Zeit mit seinem Auto zum Bahnhof in Salzburg mitgenommen.

Dies sei zuerst nur ein vager Hinweis gewesen, erzählt Albert Laschober den gespannt zuhörenden Reportern. Aber dieser Hinweis habe zwei Tage später, also am Abend des 8. Juli 1993, in Gmunden zur Festnahme Peter Heideggers geführt. Nach stundenlangen Verhören sind die Kriminalbeamten am Ziel, sie präsentieren der versammelten Presse einen geständigen Mörder.

Das »Geständnis«

»Wir haben einen Zeugen!« »Ausflüchte helfen dir nicht!«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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