33 Tage zwischen Bangen und Hoffen - Tagebuch eines Bestrahlten - Wolf-Rüdiger Weisbach - E-Book

33 Tage zwischen Bangen und Hoffen - Tagebuch eines Bestrahlten E-Book

Wolf-Rüdiger Weisbach

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Beschreibung

Ein Tagebuch offenbart immer Persönliches, ja Intimes. So auch die Aufzeichnungen des Arztes Dr. Wolf-Rüdiger Weisbach über seine fast 15 Jahre bestehende Erkrankung (Prostatakrebs). Erfolgreich operiert, erlebte er dann doch eine spätes Rezidiv, das erneut mit dem Skalpell behandelt und nachbestrahlt wurde (33 Tage). Ein Arztautor beschreibt ehrlich seine Erfahrungen als Patient, also auf der anderen Seite der "Macht", spricht über seine Beziehungen zur "Bestrahlungsmaschine", geprägt von Vertrauen und Misstrauen, seine Gefühle, oft auch Ängste zwischen "Bangen und Hoffen". Er lässt aber auch Kritik einem "medizinisch-technischen" Komplex zu, der zunehmend geprägt ist von kommerziellen und bürokratischen Zwängen, welche die humanistische Dimension medizinischer Tätigkeit in allen Bereichen mehr und mehr in den Hintergrund drängen. Gerade diese persönlicher Auseinandersetzung des Arztes und Patienten mit seiner Krankheit und dem technischen Instrument "Linearbeschleuniger" verhilft dem "Leidens- Betroffenen" einerseits zu einem gewissen Trost, wie dem im medizinischen Bereich Tätigen anderseits, zu mehr Einfühlungsvermögen. Die vom Autor künstlerisch gestalteten Grafiken aus den 33 Tagen der Bestrahlung, auf dem I-Pad gezeichnet, geben einen bildhaften Eindruck in die Gefühlswelt eines Krebskranken und ergänzen optisch die Aufzeichnungen des 40 Jahre als Landarzt tätigen Doktors.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Gewidmet meiner Frau Annelie, die mir in schwerer Zeit eine treue Seelsorgerin war, und meinen Enkeln

Ronja, Frida und Henri

Ein Vorwort

Dieses Buch ist allen Kranken – auch Kollegen und Kolleginnen – gewidmet, die das menschliche Drama einer plötzlich über sie hereinbrechenden, bösartigen Erkrankung erleben und bewältigen müssen – die von ihrer Angst gequält und zu oft mit ihr allein gelassen werden. Eine Krebserkrankung macht einsam, ja, sie isoliert den Betroffenen nicht selten. Als Arzt und Patient hat mich meine »Krebskatastrophe« dazu gebracht, mir selbst Fragen zu stellen. Sie hat meinen Umgang mit der Zeit, meinen Blick auf das Leben beeinflusst, aber auch nachdenklich und demütig gemacht – ja, mein »Arztsein« verändert. Meine Assoziationen und Gedanken dazu stelle ich in die Öffentlichkeit, in der Hoffnung, mit ihnen so manchem »allein gelassenen« Krebspatienten Mut zu machen. Es ist eine Tatsache, durch Erfahrung bestätigt, dass heute die meisten Krebserkrankungen heilbar sind, insbesondere die uns Männer betreffende Prostataerkrankung, auch dank der so erfolgreichen Strahlentherapie. Trotz dieser Erfolge macht mir das Erlebnis einer scheinbaren »Übergriffigkeit« der Technik, die einerseits Rettung verspricht, anderseits aber auch »Angst auslöst«, große Sorgen. Die humane Dimension des Arztberufes, die notwendige menschliche Zuwendung, scheint sich mehr und mehr den Zwängen einer Hightech- und PC-gesteuerten Intelligenz (KI) unterzuordnen (oder unterordnen zu müssen?).

Das Aufschreiben von Gedanken, Assoziationen und Erlebnissen, verbunden mit dem Anfertigen von Skizzen und Fotografien, war lebenslang begleitendes Element meiner Arbeit und meiner Lebensgestaltung. Diese »Zettelwirtschaft« ist inzwischen zu einer kleinen Bibliothek meines Lebens angewachsen. Nun ist auch dieses Büchlein ein Ergebnis dieser meiner »Schreibzwänge«. Der 2. Teil, das »Tagebuch eines Bestrahlten«, ist durch I-Pad-Grafiken ergänzt, die zu dieser Zeit entstanden sind.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit mir über dieses Buch und Thema diskutieren wollen, kontaktieren Sie mich unter meiner E-Mail-Adresse: [email protected].

Windeck-Herchen, im Frühjahr 2019

Dr. Wolf-Rüdiger Weisbach

Inhalt

Ein Vorwort

Teil 1

Nennen wir es »Krebskatastrophe«!

Dezember 2014 – Der Rückfall

Februar 2015

17.3.15 – Der Tag vor der Operation

OP-Tag! 18.3.15

Teil 2

33 Tage – Tagebuch eines Bestrahlten

4 Wochen später … auch ein »Nachwort«!

Heute – am Beginn des Jahres 2019. 3 Jahre nach Bestrahlung

Teil 1

Nennen wir es »Krebskatastrophe«!

Die Diagnose – 2002!

Dramatischer Beginn meiner persönlichen »Krebskatastrophe« – 2002! Erschrecken, nein, mehr noch, Panik befällt mich augenblicklich! Hatte ich doch, wie alle Jahre zuvor, im eigenen Labor meinen PSA-Wert ermitteln lassen. Erschrocken blicke ich am nächsten Morgen auf das per Fax aus dem Labor übermittelte Ergebnis: 11!! (Normalwert bis 4,0.)

Bin wie blockiert, ziehe mich in mein »Chefzimmer« zurück, versuche die Fassung wiederzugewinnen. Muss weiterarbeiten. Das Wartezimmer ist voll, Patienten warten auf meine Hilfe – mir schießen Gedanken durch den Kopf: Wer hilft mir nun?? Wen konsultiere ich? Was kommt da auf mich zu? Angst schleicht sich ein … Ich muss handeln …

Mittagspause zu Hause – Annelie, meine Frau, erfährt den Befund … ist still. Wir versuchen, unsere Angst vor der Zukunft, vor dem, was da möglicherweise auf uns zukommt, zu verdrängen. Vor meinem inneren Auge tauchen Patienten auf, die ich mit der Diagnose »Prostatakrebs« bis zu ihrem oft qualvollen Ende begleitet habe. Schicksal von uns Helfern in medizinischen Berufen: Es fällt schwer, uns unvoreingenommen unserer eigenen Krankheit zu nähern.

Wir beide diskutieren das Pro und Contra der Möglichkeiten. Wissen, dass die Diagnose erst einmal durch eine Punktion und Ultraschalluntersuchung gesichert werden muss. Ich entschließe mich, Prof. B. zu konsultieren. Schätze ihn aus persönlichen Kontakten. Fachlich einer der Besten in unserer Gegend.

Termin einige Tage später, rektale Untersuchung: »Deutlich vergrößert«, »verhärtet«, höre ich wie durch einen Nebel. »Wir machen gleich eine PE! Einverstanden?« »Selbstverständlich – ich will ja schnell Klarheit haben!« »Die Wahrscheinlichkeit, dass der Befund eine Bösartigkeit zeigen wird, ist groß«, höre ich ihn noch, bevor die Prozedur des Punktierens (8 x Stiche in die Prostata) beginnt.

Unangenehm, aber nur jeweils ein kurzer erträglicher Schmerz. Wir vereinbaren einen Gesprächstermin eine Woche später.

Annelie ist dabei. »Leider maligner Befund« wird uns mitgeteilt. »Bei der Größe des Tumors – wir müssen wohl operieren!« (Damals gab es noch keine Brachytherapie mit SEEDs, bei der die strahlende Substanz direkt in die erkrankte Prostata eingebracht wird.) »Eilt aber nicht sehr, machen Sie vorher noch den geplanten Urlaub an der See, dann bitte zwecks Termin melden!«

Wenige Monate später dann, im heißen Sommer des Jahres 2003, die erfolgreiche Operation. Bald darauf aber, nach fast 2 Jahren: PSA-Werte steigen! Anfangs sorgenvoll registriert … Beruhigend jedoch der sehr langsame Anstieg. Die »Verdoppelungszeit« – fast 2 Jahre – schien ein »abwartendes Beobachten« zuzulassen. Regelmäßige bildgebende Maßnahmen ohne Befundnachweis (Ultraschall und PET) beruhigten.

Dezember 2014 – Der Rückfall

12 Jahre sind seit der ersten Diagnose vergangen. Heute, im Dezember 2014, hat mich meine »Krebskatastrophe« wieder »am Wickel«. Ein Rezidivtumor, festgestellt durch Ultraschall, gesichert durch eine PET-Untersuchung, eine fast walnussgroße »Raumforderung« im Bereich der vor Jahren entfernten Geschwulst. »Bei der Größe nicht operabel – vermintes Gelände«, so die Auskunft des Professors in der Urologischen Uniklinik Bonn (UKB). Gemeint ist die Problematik, in einem bereits operierten Bereich erneut zu operieren. Augenblicklich sinkt meine Stimmung auf einen Nullpunkt. Aber der Professor macht mir umgehend Hoffnung. »Wir führen eine Behandlung mit LRH/Hormonentzug (Spritze alle 3 Monate) und Biculatamid, auch ein Hormonblocker, durch. 3 Monate, dann sehen wir weiter!« »Hoffen wir, dass der Tumor auf diese Behandlung anspricht, dann kann ich mich evtl. doch an eine OP wagen.« Gesagt, getan! Wir machen noch am gleichen Tage die erste Spritze in die Bauchhaut. Zuversichtlich beginne ich den ersten Schritt in das Jahr 2015!

1.1.15 – Neujahr

365 Tage liegen vor mir!! Meine Gedanken? Ich freue mich nicht unbedingt auf diese Zukunft, steht doch in jedem Falle Unangenehmes ins Haus. Bestrahlung oder Operation. Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Besser zwischen Pest und Cholera. Anderseits sollte ich froh, ja glücklich sein, dass ich diese beiden Chancen noch habe. Soll mich also freuen. Fällt aber schwer. Stimmung auch sehr gedrückt. Mein Optimismus als Basis meines bisherigen Lebensgefühls, meiner Bemühungen und meines Strebens ist mir abhanden gekommen. Ich hoffe, dass dieser Zustand in den Griff zu bekommen ist.

Ein Highlight heute: der Besuch der Kölner Familie. Ablenkung pur! War fast den ganzen Nachmittag mit den Enkelkindern Henri und Frida »zugange«. Habe Geschichten vorgelesen, z.Zt. ist »Conni« Fridas Liebling. Immer wieder die gleiche Geschichte will sie hören. Ein unglaubliches Phänomen. Ich frage mich, warum. Kann es aber nicht klären. Erfinde eine Geschichte, die ich erzähle (!), das findet sie gut. Die Erzählung »The Canterville Ghost« habe ich frei abgewandelt: Ein bedauernswertes Schlossgespenst wird von den Kindern des neuen amerikanischen Schlossbesitzers nicht ernst genommen, quasi »verarscht«. Darüber wird es depressiv und kann nur durch die jüngste Tochter Anna von seinem Leid erlöst werden. Henri sitzt gerne auf meinem Schoß und hört zu. Wir malen dann noch in meinem Zimmer. Was für ein Geschenk, nein, ein Schatz sind Kinder und Enkelkinder im Alter, besonders in solchen bedrückenden Lebenssituationen!

Bin eigentlich froh, dass bald die Reihe von Festtagen beendet ist. Will meine »Maikäfer-Aufzeichnungen«, Kindheitserinnerungen, weiter bearbeiten, einige Interviews durchführen, um Fakten nicht falsch darzustellen. Der Rückblick auf Kindheit und mein Leben beschäftigt mich. »Gelungenes Leben gehabt?« – eine Frage, die wohl jeden Nachdenklichen in einer lebensbedrohlichen Situation beschäftigt. Begeistere mich z.Zt. für Botho Strauß, gerade 70 Jahre alt geworden, hat eine bewegende Chronik seiner »Herkunft«, so der Titel seines Buches, geschrieben. Ein positives Bild seines Vaters und seiner Kindheit gezeichnet. Hier ein Zitat, das ich für meine Aufzeichnungen, vielleicht wird’s auch ein Buch, nutzen möchte:

»Ich wundere mich, wie diese frühe Prägung nun, da ich ins ›Alter des Vaters‹ eintrat, langsam, aber unerbittlich, ihre Wirksamkeit entfaltete. … Man altert, trotz der sozialen Bedeutungslosigkeit von Tradition, immer noch geradewegs in das hinein, was man einst als rettungslos veraltet empfand … Und es tut sich auf einmal unter dem klapprigen, zugigen Verschlag einer deutschen Nachkriegsherkunft ein festerer Boden auf, als man ihn bei den späteren Landnahmen je unter die Füße bekam.«

2.1.15

Draußen Regen, 4 Grad, vom Winter nichts zu erkennen. Welche Zukunft hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln? Meine Krankheit und ihre unsichere Prognose erzwingt auch unbequeme Fragen! Unser Klima? Die Katastrophe wird langsam, aber sicher zum Fanal! Wir »Schlafwandler«! (Titel eines aktuellen Buches von Christopher Clark über den Beginn des Ersten Weltkrieges.) Unseren Enkeln hinterlassen wir ein aufkommendes Chaos. Jetzt schon branden Kriegsflüchtlinge vor allem aus dem Syrienkrieg gegen unsere Grenzen. Soeben die ersten Frachter mit 300 bis 400 Menschen aus Afrika, die, oft ohne Besatzung, auf die Küsten Italiens zutreiben. Zum Glück gerettet werden. Wohin mit ihnen? Wir in D. nehmen die meisten auf. Viele Länder in Europa sperren sich. Was wird sein, wenn in einigen Jahrzehnten Klimaflüchtlinge hinzukommen, wenn ganze Küstenstriche Pakistans im Meer versinken werden? Große Landstriche durch Überhitzung verwüstet werden? Städte unbewohnbar werden, weil sie von Flüchtlingen und Immigranten überschwemmt werden? Zurück aufs Land??? Wir versagen!! Reichtum macht blind. Verantwortung? Die sollen mal andere übernehmen.

8.1.15