A Kingdom Beyond (Kampf um Mederia 6) - Sabine Schulter - E-Book

A Kingdom Beyond (Kampf um Mederia 6) E-Book

Sabine Schulter

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Beschreibung

Sie teilen ein gemeinsames Schicksal, doch kann dieses eine ganze Welt vor dem Untergang bewahren? Auch wenn Arina sich nichts sehnlicher wünscht, als ihrer Heimat endlich den lang ersehnten Frieden zu bringen, so weiß sie doch: Mederia steht kurz davor, den Kampf gegen die dunklen Mächte zu verlieren. Ihr und dem Prinzen der Dämonen bleibt nur ein einziger Ausweg, aber dieser wird ihnen alles abverlangen – ihre Hoffnung, ihre Leben und ihre gemeinsame Bestimmung ... Der Kampf um Mederia geht weiter – DAS Lesevergnügen des Jahres für alle Fans von Fantasy-Liebesromanen mit Suchtfaktor! //Dies ist der sechste Band der magisch-romantischen High-Fantasy-Buchreihe »Kampf um Mederia« von Sabine Schulter. Alle Bände der Buchserie bei Impress:  -- A Kingdom Darkens (Kampf um Mederia 1) -- A Kingdom Resists (Kampf um Mederia 2) -- A Kingdom Shines (Kampf um Mederia 3) -- A Kingdom Fears (Kampf um Mederia 4) -- A Kingdom Stolen (Kampf um Mederia 5) -- A Kingdom Beyond (Kampf um Mederia 6)// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Sabine Schulter

A Kingdom Beyond (Kampf um Mederia 6)

Sie teilen ein gemeinsames Schicksal, doch kann dieses eine ganze Welt vor dem Untergang bewahren?

Auch wenn Arina sich nichts sehnlicher wünscht, als ihrer Heimat endlich den lang ersehnten Frieden zu bringen, so weiß sie doch: Mederia steht kurz davor, den Kampf gegen die dunklen Mächte zu verlieren. Ihr und dem Prinzen der Dämonen bleibt nur ein einziger Ausweg, aber dieser wird ihnen alles abverlangen – ihre Hoffnung, ihre Leben und ihre gemeinsame Bestimmung …

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Vita

Glossar

Danksagung

© privat

Sabine Schulter wurde 1987 in Erfurt geboren, lebt nun aber mit ihrem Mann in Bamberg. Trotz ihres abgeschlossenen Oecotrophologie-Studiums fokussierte sie sich auf das Schreiben von Fantasy-Büchern. Sie liebt das Spiel mit den Emotionen und möchte ihre Leser tief in ihre Bücher ziehen, die oft von dem Zusammenspiel der Protagonisten untereinander geprägt sind. Viel Spannung gehört in ihre Geschichten genauso wie ein Happy End und unvorhergesehene Wendungen.

Für Mederia – ein Land voller Geheimnisse

Kapitel 1

Leise fluchte Nathiel, während er mit kräftigen Flügelschlägen über Dekatra hinwegflog. Eben noch hatte er einen ruhigen Moment mit Triss an seiner Seite genossen und gehofft eine Atempause zu bekommen – und nun brach die Hölle über der geheimen Stadt an der Grenze zwischen Mederia und Karashin herein. Die Erde bebte und eine Staubwolke, die am nördlichen Zugang der Stadt in den Himmel stob, breitete sich immer weiter aus, schluckte die ersten Häuser und verbarg, was dort vor sich ging.

Geschickt wich Nathiel mehreren Gesteinsbrocken aus, die von den über ihm aufragenden Felswänden herabstürzten, während er immer weiter auf den Ort des Geschehens zustrebte. Dabei bemerkte er, wie unter ihm ein Haus von den Bruchstücken beschädigt wurde. Schutt fiel auf die Straße, wo einige der El’Shirenara, die den Elben so sehr ähnelten und doch ganz anders waren, voller Angst schrien und nur mit Not ausweichen konnten. Bitter knirschte Nathiel mit den Zähnen. Es war vielleicht zwei oder drei Stunden her, dass sie gegen die dunkle Priesterin Kaloris und ihre Schattendrachen gekämpft hatten, und schon wurde die Ruhe erneut zerrissen. Hatten sie sich denn keine Pause verdient?

Anscheinend nicht.

Nathiel veränderte die Stellung seiner Schwingen, sodass er an Höhe verlor und in die Straßen Dekatras eintauchte. Voller Entschlossenheit legte er an Geschwindigkeit zu, manövrierte zwischen herabfallenden Steinen hindurch und stieß hier und da einen der fliehenden Bewohner beiseite, wenn derjenige drohte von den Brocken getroffen zu werden. Eine Frau packte er sogar und trug sie mehrere Meter, ehe er sie wieder absetzte, weil sie sonst unter einem einstürzenden Haus begraben worden wäre. Er half, wo er konnte, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren: den nördlichen Zugang. Überrascht riss er die Augen auf, als er in all dem Chaos einen Steppentiger erkannte. Sein sandfarbenes Fell war fleckig, nur noch stellenweise vorhanden und aus seinem Maul tropfte eine dunkle Flüssigkeit – deutliche Zeichen für ein von Finsternis verändertes Tier.

»Nein«, murmelte er, als er verstand, was hier geschah.

Kaloris war ihnen entkommen, allerdings zog sie sich nicht zurück, wie sie vermutet hatten. Die feindliche Priesterin schickte ihnen weitere Grausamkeiten und damit eine Seuche, die sie in all dem Durcheinander kaum abwehren konnten. Sein Blick zuckte nach vorn, zu der Staubwolke, die vielleicht noch mehr furchtbare Dinge verbarg. Doch ein Aufschrei direkt unter ihm zog seine Aufmerksamkeit zurück in die Straßen der Stadt. Mehrere El’Shirenara waren aus ihren einbrechenden Häusern geflohen, nicht wissend, dass auch hier draußen Gefahr lauerte. Die drei Leute hatten sich zusammengerottet, drängten sich an eine Wand und versuchten vier Kinder vor mehreren Schattenwölfen zu schützen.

Diese Wesen nun auch noch … Das glich einer Invasion.

Nathiel wusste nicht, wo er zuerst eingreifen sollte. Da er zudem ohne Schwert aufgebrochen war, konnte er den giftigen Zähnen und Klauen der Bestien ebenfalls viel zu schnell zum Opfer fallen. Ein Knurren entwich ihm, weil er hin und her gerissen war. Schließlich ruckte er herum, legte die Schwingen an den Körper und stürzte hinab, direkt auf eines der Schattenwesen zu, die die Familie bedrohten. Das Tier merkte nicht einmal, was über ihn kam, da versenkte Nathiel bereits seine Klauen in seinen wabernden Leib, riss das weiße Skelett heraus, dass diese Abscheulichkeit am Leben erhielt. Noch bevor die Schatten zerfaserten, wandte sich Nathiel dem nächsten Gegner zu, tötete auch diesen. Indes versuchte ein weiterer die Familie anzugreifen, doch Nathiel sprang dazwischen und nahm einen schmerzhaften Kratzer am Arm hin, um rechtzeitig zur Stelle zu sein. Die Kinder schrien, während die Erwachsenen ihn mit angsterfüllten Augen anstarrten.

Als Nathiel ihnen einen Weg freigekämpft hatte, deutete er die Straße hinab – weg von der Staubwolke, die sie fast erreicht hatte. »Los, lauft! Ich halte euch den Rücken frei.«

Das ließen sich die El’Shirenara nicht zweimal sagen, hoben die Kinder auf ihre Arme und rannten los. Nathiel wandte sich derweil den Schatten zu, die wachsam und knurrend näherkamen. Auch veränderte Tiere schlossen sich ihnen an und langsam färbte sich Nathiels Welt rot. Er überließ sich seinem dämonischen Kampfrausch mit dem Willen, so viele dieser Abartigkeiten mitzunehmen, wie er konnte.

Plötzlich tauchte jemand rechts und links von ihm auf.

»Na, Herr Prinz? Sieht aus, als ob du Hilfe gebrauchen könntest.« Arina, die Wächterin der Shaas und gleichzeitig Nathiels Schicksal, zwinkerte ihm zu, während der Assassine Keytha zwei Dolche in den Händen drehte und finster auf die Gegner vor ihnen schaute. Sein Schicksal trug nur seine enge Hose und ein Band um die Brüste, während Keytha sogar nur eine Unterhose anhatte – ein deutliches Zeichen, dass die beiden direkt aus dem Bett hierhergeeilt waren.

Nathiel grinste sie mit Kampfeslust im Bauch an. »Dazu sage ich auf jeden Fall nicht Nein.« Er sah voraus. »Wir müssen die Bevölkerung schützen, gleichzeitig aber herausfinden, was hier los ist.«

»Überlass den Schutz meinen Leuten«, sagte Keytha und deutete hinauf zu den Dächern, wo nun mehrere Assassinen auftauchten. »Weiter vorn ziehen sich die Gebäude zurück, um Platz vor dem Durchgang nach Karashin zu lassen. Dort finden wir vielleicht mehr heraus.«

Nathiel nickte und schickte ihn voran. Schon rannte Keytha los und Nathiel und Arina folgten ihm. Obwohl Arina unbewaffnet war und Nathiel dachte, dass er sie schützen müsste, war das nicht der Fall. Ihr Funke, den sie von Mederias Göttern als eine ihrer Priesterinnen erhielt, hatte sich von den vorangegangenen Strapazen wohl bereits erholt, denn sie zeichnete in Windeseile Runen, um gegen die Schatten anzukommen. Diese vergingen augenblicklich, wenn sie mit ihr oder einer der Runen in Berührung kamen, und Nathiel sorgte dafür, dass keines der veränderten Tiere in die Nähe seines Schicksals kam. Sie funktionierten gut miteinander, was Nathiel ein zufriedenes Lächeln entlockte und ihn beinahe Spaß bei dem harten Kampf empfinden ließ. Er war eben zur Hälfte ein Dämon, so sehr er auch darauf bedacht war, sein temperamentvolles Wesen im Griff zu behalten. Er liebte das Kämpfen, die Perfektion, mit der man Waffen führte, und das gute Gefühl, wenn man jemanden vor Unheil bewahrte.

Schon erreichte sie der Staub und sofort wurde ihre Sicht eingeschränkt. Es war nicht so schlimm, dass sie gar nichts mehr sahen, aber der morgendliche Schimmer wurde deutlich vermindert und auch das Licht der magischen Laternen wirkte nun braun und unstet.

»Passt noch mehr auf eure Umgebung auf!«, rief er seinen beiden Freunden zu. »Ich will später nicht sehen, dass ihr verletzt seid.«

Arina lachte hart. »Du meinst so wie du am Arm?«

»Das ist keine Verletzung.«

»Nur ein unbedeutender Kratzer?«, entgegnete Keytha angespannt.

Endlich erreichten sie das Ende der Straße und die Häuser blieben hinter ihnen zurück. Das Beben war vergangen und der gefährliche Regen aus Steinen endete. Doch die Flut aus Schatten und veränderten Tieren nahm zu. Auf dem Platz stießen sie auf Dutzende Assassinen, die wie ein Bollwerk gegen die Bestien anmuteten. Sie gaben ihr Möglichstes, den Weg in die Stadt mit ihren eigenen Körpern zu versperren, aber die Masse an Gegnern würde sie nach und nach in die Knie zwingen. Sie hatten nicht einmal die Luft, um sich einigermaßen zu formatieren.

Nathiel fluchte. »Wenn ich wenigstens mein Großschwert hätte.«

Arina brummte. »Mir wären Pfeil und Bogen ganz recht.«

»Gebt mir eine Minute«, meinte Keytha dazu und verschwand von ihrer Seite.

Nathiel sah zu seinem Schicksal, das bereits schwer atmete. »Bereit?«

»Wenn du es bist«, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen, das von derselben Kampfeslust zeugte, die auch er empfand. Er konnte nicht anders und erwiderte es. Gemeinsam rannten sie voraus, direkt auf die ersten Bestien zu. Bevor sie diese jedoch erreichten, ertönte ein ohrenbetäubendes Brüllen und der Staub wurde von dem Wind gigantischer Schwingen vertrieben.

»Trinisia!«, rief Arina voller Freude, während Nathiels Herz bei dem Anblick des Drachenweibchens einen Satz machte. Einerseits weil er sich für einen Sekundenbruchteil an den Kuss erinnerte, den sie vor wenigen Minuten erst miteinander geteilt hatten, andererseits weil Triss noch unvorstellbar schwach war. Beinahe wäre sie im vergangenen Kampf von Dunkelheit übernommen worden und nun warf sie sich erneut mitten ins Getümmel. Außerdem befanden sie sich bereits über der Landesgrenze, also außerhalb von Mederia, was hieß, dass ihre natürliche Widerstandskraft sank. Wie konnte sie nur beständig sagen, es würde ihr an Mut mangeln? Zum Glück agierte sie nicht kopflos. Statt in ihrer Verfassung mitten zwischen den Monstern zu landen, setzte sie hinter den Assassinen auf – weit genug weg von jeglichem Handgemenge.

Ihr Blick suchte den von Nathiel und entschlossen nickte er ihr zu. Triss brüllte daraufhin erneut. Die Göttlichkeit in ihrer Stimme brachte die Schatten dazu, voller Qual innezuhalten. Sie wanden sich, während ihre ganze Struktur flackerte. Die Assassinen zögerten nicht, stürzten vor und zerstörten die Skelette, die den wabernden Wesen Halt in der Welt gaben. Die veränderten Tiere bedeuteten hingegen eine ganz andere Gefahr. Jede Wunde, die sie schlugen, konnte den Betroffenen infizieren, Dunkelheit sähen und noch mehr Schaden verursachen.

»Hier.« Keytha tauchte atemlos neben ihnen auf, drückte Arina einen Köcher samt Bogen und Nathiel ein Großschwert in die Hand. Die Waffe war bei weitem nicht so gut ausbalanciert wie seine eigene, doch es würde genügen. Entschlossen blickte er die beiden an, während Triss noch einmal brüllte. Seine Begleiter nickten und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, eilten Nathiel und Keytha voraus.

Arina blieb hinter den beiden, schätzte den Kampf ab und spürte ihr Herz dabei schwer in der Brust schlagen. Sie war eine ausgezeichnete Kämpferin, aber in sonderlich vielen Schlachten hatte sie noch nicht gefochten. Bisher war das meiste nur Training gewesen und sie merkte wieder einmal, wie anders sich das zu einem richtigen Kampf verhielt. Zögern durfte sie trotzdem nicht. Sie atmete daher tief durch und legte den ersten Pfeil auf die Sehne. Gleichzeitig griff sie auf ihren Funken zu, dankte ihrem Gott Romalias für seinen Segen und ließ dann ein wenig Energie in die Pfeilspitze gleiten. Diese begann golden zu funkeln und Arina hob die Waffe, um auf einen Punkt vor Nathiel und Keytha zu zielen. Dabei bemerkte sie, wie unendlich viele Monster da auf sie zukamen. Die Schatten waren durch Trinisia kaum noch ein Problem, aber die veränderten Tiere …

Sie ließ den Pfeil fliegen, der eine goldene Spur durch den Himmel zog und am perfekten Ort landete. Er blieb im Pflaster stecken und verströmte dort seinen Schimmer, was Nathiel und Keytha einen weiten Kreis bot, in den kein Schatten eindringen konnte.

»Arina«, hielt sie jemand auf, als sie weiterhetzen wollte. Eine hübsche ältere Frau mit langem schwarzem Haar stand plötzlich vor ihr. Sie trug dunkle Kleidung, genau wie die Assassinen, verbarg ihr Gesicht jedoch nicht, weswegen sie sie als Kimire identifizierte. »Segne mir einige deiner Pfeile, dann kann ich dir helfen.«

»Gute Idee.« Arina riss einige aus dem Köcher und zeichnete Runen darauf, ehe sie sie an die Elbin weitergab. Die nickte ihr zu und eilte auch schon davon.

Gemeinsam schafften sie den Verteidigern immer mehr Inseln, auf denen sie den veränderten Tieren begegnen konnten, ohne dass die Schatten ihnen gefährlich wurden, während Trinisia verhinderte, dass weitere Wesen in die Stadt eindrangen. Doch Arina merkte, dass ihre Kraft viel zu schnell erlahmte. Sie hatte sich kaum vom vorherigen Kampf erholt und bereits jetzt zitterten ihre Hände und Schwindel ließ sie taumeln. Um sie herum herrschte das pure Chaos, obwohl sie das Gefühl hatte, dass die Verteidiger langsam eine geordnete Linie bilden konnten. Daher musste sie weitermachen. Also hob sie ihren Bogen und den darauf liegenden Pfeil und schoss ihn in einen Bereich des Platzes, der noch hart umkämpft wurde. Dabei versiegte ein weiteres Stück ihrer Kraft und mit einem Keuchen wankte sie. Es waren zu viele Gegner, zu viele Orte, wo sie helfen musste, und sie war noch zu geschwächt.

Sie prallte sogar gegen jemanden, der hilfsbereit nach ihren Schultern griff. »Arina, überanstrenge dich nicht.«

Überrascht sah sie auf und direkt in sehr bekannte grüne Augen.

»Iljan«, rief sie freudig, was dem Magier aus Tetra ein aufmunterndes, aber ernstes Lächeln entlockte.

Er stützte sie und betrachtete die Szenerie mit gerunzelter Stirn. Seine blonden Locken verwirbelten in dem Wind, den Trinisia verursachte, um die Reste des Staubs zu beseitigen. »Was ist nun schon wieder los?«

»Das frage ich mich auch«, murrte Arina und lehnte sich an den schlanken Mann. Wenigstens für ein paar Sekunden wollte sie ihm ihre Sicherheit anvertrauen und durchatmen.

Die Flut an Monstern schien nicht abzubrechen, trotzdem spürte Arina Erleichterung, denn in diesem Moment landeten Eleana und Gray auf dem Platz – das Königspaar der Dämonen und Nathiels Eltern. Obwohl auch sie nicht unbesiegbar waren, überkam Arina das Gefühl, dass ab jetzt alles besser werden konnte. Schon trat König Gray zwischen den Assassinen hindurch, sein Schwert dabei fest in der Hand, und warf sich direkt in den am stärksten umkämpften Bereich. Er sah allein wegen seiner schwarzen Schwingen und den rotglühenden Augen beeindruckend aus, aber es war vor allem die Ruhe, die er ausstrahlte, die Mut machte und die Verteidiger zu neuer Kraft motivierte.

Seine Frau sah ihm einen Moment hinterher, ehe ihre Gestalt golden aufleuchtete. Wie immer war es faszinierend, wenn Eleana ihr Talent nutzte. Sie, die einzige Gestaltwandlerin Mederias. Ihre Götterbotin. Neben ihren goldenen Schwingen erschienen auch Schuppen auf ihrem ganzen Körper, ihre Beine veränderten sich, wurden katzenähnlicher, während der Wind auffrischte. Dämonen, Drachen, Faeles und Cashir – all das vereinte die berühmte Frau in sich. Als Eleana auf all ihre vier Gestalten zeitgleich zugriff, erinnerte kaum noch etwas an ihr ursprüngliches Aussehen und ein Raunen ging durch die Verteidiger. Sie verstanden nun, wer sich ihrem Kampf anschloss. Selbst unter den El’Shirenara, die seit Jahrhunderten den Kontakt zu den anderen Völkern gemieden hatten, waren Gerüchte über sie weitergegeben worden. Wie eine Katze ließ sich Eleana auf alle Viere sinken und sprang mit einem Satz ihrem Mann hinterher.

»Komm, lass uns helfen«, rüttelte Iljan sie auf, ergriff ihre Hand und wollte sie mit sich ziehen.

Aber Arina wehrte sich. »Warte, das bringt nichts. Der Strom an Monstern lässt nicht nach. Anscheinend sollen wir überrannt werden.«

Iljan wandte sich mit einem Stirnrunzeln zu ihr um. »Was sollen wir sonst dagegen tun, wenn nicht kämpfen?«

Arinas Gedanken schossen wie wild umher – bis ihr eine Idee kam. »Ich muss zu Trinisia.«

Schon wirbelte sie herum und rannte los. Iljan gab ein ungehaltenes Geräusch von sich, schloss sich ihr aber an, was sie dem Magier hoch anrechnete.

Obwohl sich das Drachenweibchen hinter den Kämpfen hielt, war es von ihrer Position mitten im Geschehen ein Spießrutenlauf, zu ihm zu gelangen. Monster sprangen wild umher, Verteidiger wurden zurückgeschleudert oder neue strömten heran, Schatten stürzten zischend auf sie und Iljan hatte alle Hände voll damit zu tun, sie mit seiner Magie von Arina fernzuhalten. Grauen wollte sich in ihr festsetzen. Das hier war nicht einfach nur ein Kampf gegen Tiere. So stellte sie sich Krieg vor …

Ihr Blick fokussierte sich auf den Weg zu Trinisia und sie wich gekonnt den am härtesten umkämpften Gebieten aus, bahnte Iljan einen Weg durch das Chaos, weil er bei weitem nicht so schnell wie sie war und zudem beständig seine Magie nutzte, um andere zu unterstützen. Arina knirschte mit den Zähnen und hätte ihn am liebsten an der Hand gepackt und mitgeschleift. Sein Wille zu helfen in allen Ehren, allerdings würden sie nur überleben können, wenn sie ihre Idee durchführten.

Dass sie jedoch zu fokussiert auf ihr Ziel war, merkte sie, als ein gigantischer Wolf durch die Reihen der Verteidiger brach und sie mit sich zu Boden reißen wollte, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Erschrocken schrie sie. Aber noch während sie unter dem Stoß des Tieres fiel, wurde es nicht nur von einem Zauber Iljans getroffen, auch zwei Schwerter fuhren auf seinen Leib nieder, schlitzten ihn auf, ehe das Wesen von Trinisias Schwanz getroffen davonflog. Eine Frau mit blonden Haaren und schwarzen Schwingen sah auf Arina herab und reichte ihr mit brennendem Blick eine Hand.

»Du solltest besser auf deine Umgebung achten«, empfahl ihr Prue, Nathiels Cousine.

Arina hätte sich denken können, dass sie in Trinisias Nähe Wache hielt. Dankbar ergriff sie die Hand der Dämonin und ließ sich auf die Beine ziehen. »Entschuldige, ich musste unbedingt zu Trinisia.«

Das Weibchen senkte den Kopf und schnaufte fragend. Auch Prue und Iljan schwiegen abwartend, obwohl es beiden schwerzufallen schien, nicht weiter in den Kampf einzugreifen. Daher erklärte Arina gehetzt ihren Plan. »Wenn wir nicht überrannt werden wollen, müssen wir diese Flut an Monstern stoppen.«

»Eine gute Idee. Wie willst du das schaffen?«, fragte Prue über den Schlachtenlärm hinweg.

Arina bemerkte, dass nun auch die einfachen Krieger der El’Shirenara hinzukamen, und sie glaubte sogar Königin Wihana und ihre Tochter Finnis am Rand des Platzes auszumachen. Schnell deutete sie auf die Felswand. »Wir lassen den Zugang nach Karashin einstürzen.«

Mit großen Augen wurde sie angesehen, ehe Prue schnaubte. »Das könnte sogar funktionieren. Ich bin dabei.«

Iljan stöhnte. »Das dürfen wir nicht einfach machen. Der Durchgang ist seit Jahrtausenden offen.«

»Wenn wir es nicht tun, wird Dekatra untergehen«, erwiderte Arina wirsch und wandte sich an Trinisia. »Schaffst du das?«

Mit einem Grollen nickte das Weibchen und hielt Arina im nächsten Moment eine ihrer gigantischen Pfoten entgegen. Arina stockte, als sie verstand, dass sie eingeladen wurde mit Trinisia zu gehen. Sie zögerte nur einen Moment, bestieg dann den mächtigen Leib des Drachen und stellte sich auf seine Schulter, nah an Trinisias Kopf. Widerstrebend folgte Iljan ihr, während sich Prue zusammen mit Trinisia in die Lüfte schwang.

»Dort vorn«, rief die Dämonin und deutete auf einen bestimmten Punkt der Steilwand. »Da müssen wir hin.«

Der Staub war inzwischen fort, sodass Arina erkannte, dass eine klaffende Wunde im Stein zu sehen war. Wahrscheinlich hatten ihre Gegner den Weg nach Karashin erweitert, um mehr Monster hindurchschicken zu können. Zudem entdeckte Arina an diesem Punkt wie eine Insel der Ruhe mehrere Wesen stehen. Sie ähnelten Belluas, waren jedoch noch größer und zotteliger – und bei ihnen befand sich eine menschliche Person. Sie waren zu hoch, um Details zu erkennen, aber Arina befürchtete, dass es sich um Kaloris handelte. Ihre ehemalige Mentorin …

Schwer schluckte sie, riss dann jedoch entsetzt die Augen auf. Dunkelheit wallte bei der Person auf. Arina erkannte sofort, dass Kaloris etwas Ähnliches vorhatte wie sie vor wenigen Minuten: Sie wollte einen Pfeil voller Göttlichkeit abschießen. Doch im Gegensatz zu Arina bediente Kaloris sich der dunklen Göttlichkeit und da sich Trinisia außerhalb Mederias aufhielt, würde sie sich nicht gegen diesen verheerenden Angriff wehren können. Arina rief voller Grauen eine Warnung, allerdings flog das Geschoss schon auf sie zu, zog einen Schweif aus Finsternis hinter sich her und drohte Trinisia direkt in die Brust zu treffen.

In Panik wob Arina eine Rune des Schutzes und verstand nicht, wieso das Weibchen nicht einmal Anstalten machte auszuweichen. Aber bevor der Pfeil auch nur in ihre Nähe kam, schoss König Gray herbei und wehrte ihn mit seinem Schwert ab. Die Klinge musste mit Runen versehen sein, denn goldenes Licht brandete auf und zerriss die Finsternis. Mit schweren Flügelschlägen wartete der beeindruckende Dämon darauf, dass sie bei ihm ankamen, während nicht nur Lady Eleana, sondern auch Nathiel zu ihnen aufholten.

»Braucht ihr zufällig ein wenig Schutz?«, rief der Prinz mit einem kämpferischen Grinsen.

Arina nickte verkniffen. »Wir wollen den Zugang zum Einsturz bringen.«

»Das ist eine gute Idee«, meldete sich Eleana zu Wort und deutete auf einen Punkt weit oberhalb der Stelle, wo Arina zugeschlagen hätte. »Die Wand ist durch die Explosion instabil und wenn ihr dort eine Erschütterung verursacht, bricht ein Teil ein, der den Zugang versperrt, aber keine zu große Gefahr für die Stadt bedeutet.« Sie nickte Arina zu. »Wir halten euch den Rücken frei.«

Schon schwenkten die vier Dämonen ab und hielten direkt auf die Person weit unter ihnen zu, die sogleich erneut Dunkelheit um sich ballte. Arina war beeindruckt von dem Mut der Dämonen, wandte sich jedoch dem Punkt zu, auf den Eleana gedeutet hatte. Trinisia befand sich nur noch wenige Flügelschläge entfernt und schien mit ihrem Leib als Rammbock dienen zu wollen.

»Iljan!«, rief sie dem Magier zu, der sich auf der anderen Seite von Trinisias Kopf an deren Schuppen festhielt. »Wir sollten Trinisia unterstützen.«

Die grünen Augen des Magiers wanderten zu ihr und er nickte entschlossen, während sein blondes Haar vom Wind zerzaust wurde. Schon hob er die Hände, gab damit seinen Halt auf und wob einen Zauber. Auch Arina vertraute Trinisia ihren Stand an und zog einen Pfeil aus ihrem Köcher, um ihn mit beinahe allem zu füllen, was sie noch hatte – was leider nicht mehr viel war. Trotzdem legte sie den Pfeil auf, spannte die Sehne und visierte die angestrebte Stelle an. Sie wartete, passte den perfekten Moment ab und schoss genau in der einen Sekunde, bevor Trinisia gegen den Stein rammte. Ihre Rune und Iljans Zauber loderten auf, ehe das Weibchen in vollem Flug gegen die Wand stoßen konnte.

Arina hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich würde halten können, weswegen sie gar nicht wartete, bis die Erschütterung ihr die Füße wegzog. Stattdessen rannte sie über Trinisias mächtigen Leib nach hinten. Iljan folgte ihr und gemeinsam sprangen sie ab. Der Boden lag erschreckend tief unter ihnen und ohne Hilfe würde Arina dort zerschellen. Aber wenn sie auf ihrer Reise etwas gelernt hatte, dann ihren Freunden zu vertrauen. Also reckte sie Iljan die Hand entgegen, die er sogleich ergriff. Der Magier zog sie zu sich, sodass sie aneinandergeklammert zu Boden trudelten. Doch schon wob er einen Zauber, der ihren Sturz abbremste.

Trinisias Aufprall erschütterte die Felswand und tatsächlich gab ein großer Teil von ihr nach, um lautstark zu Boden zu rauschen. Von der Druckwelle wurden Arina und Iljan beiseite geschleudert und einen Moment verlor Arina sogar die Orientierung, schrie und vergrub das Gesicht an Iljans Brust. Schützend zog er sie noch fester an sich und sie erwartete bereits einen heftigen Aufprall. Bevor das geschah, griffen Hände nach ihr. Sie wurde Iljan entrissen, aber dafür stoppte ihr Sturz abrupt. Als sie die Augen aufriss, erkannte sie Nathiel, der sie sicher in den Armen trug und ihr zuzwinkerte, während Iljan von König Gray aufgefangen wurde. Gemeinsam mit Trinisia landeten sie.

Das Weibchen verwandelte sich in einem Aufblitzen von orangefarbenem Licht und zurück blieb die zarte junge Frau mit den schwarzen Locken, die Arina inzwischen so vertraut war. Mit einem Keuchen sackte sie auf die Knie, sodass sich Arina schnell aufrappelte und zusammen mit den anderen zu ihr eilte. Sie befanden sich noch im Gefahrenbereich der einstürzenden Wand. Riesige Brocken fielen donnernd herab und drohten das Weibchen und auch sie zu erschlagen, während erneut Staub aufbrandete und ihnen die Sicht zu nehmen versuchte.

»Triss, alles gut?«, fragte Nathiel und kam schlitternd neben ihr an, um sich sogleich in die Hocke sinken zu lassen und seiner Freundin eine Hand auf die Schulter zu legen.

»Ja«, brachte sie atemlos hervor. »Ich bin nur erschöpft.«

»Dann lasst uns von hier verschwinden«, meinte König Gray und sah sich kritisch um. Die Spannung in seinem Körper zeigte deutlich, dass er jederzeit bereit war sie zu schützen. »Wir haben genug getan. Jetzt werden die Verteidiger Dekatras mit dem Rest fertig.«

Damit hob Nathiel Trinisia auf seine Arme und gemeinsam eilten sie davon, immer auf der Hut vor veränderten Tieren und Schatten, während hinter ihnen ein Teil der Felswand grollend zu Boden prasselte. Eleana und Prue wachten in der Luft über sie und Keytha und Kimire tauchten bei ihnen auf, hielten Schatten und Tiere von ihnen fern, bis sie es hinter die Front schafften. Erst dort hielten sie inne und trauten sich Luft zu holen.

Kapitel 2

Kurze Zeit später landete Lana mit schwer schlagendem Herzen neben ihrem Sohn und musterte ihn, Triss und Gray. Obwohl sie nun schon einigen kniffligen Situationen entkommen waren, spürte sie wieder einmal, wie sehr sie Kämpfe verabscheute. Sie waren erbarmungslos, gegen jeden Erhaltungstrieb und vor allem eins: sinnlos. Manchmal musste man zu den Waffen greifen, um sich zu verteidigen – sie selbst hatte nie aus einem anderen Grund gekämpft –, aber auch dann verlosch Leben. Und jedes einzelne davon, egal ob von Mensch oder Tier, war eines zu viel. Aus diesem Grund presste sie bitter die Lippen aufeinander, als sie die unzähligen toten Tiere, die vielen Skelette, die auch irgendwann einmal zu einem Lebewesen gehört hatten, und die vereinzelten El’Shirenara auf dem Boden liegen sah. Ein schneller Blick verriet ihr, dass zumindest ihre Familie nur wenig Schaden abbekommen hatte.

Ihr Sohn blutete aus mehreren kleinen Schrammen an den Armen, Gray hatte gar keine Wunde davongetragen und Prue wischte sich etwas Blut von der Stirn. Auch die anderen schienen glimpflich davongekommen zu sein, selbst wenn sie das mit all dem Dreck, der durch die Staubwolken an ihnen klebte, kaum richtig erkennen konnte. Arina wankte jedoch vor Schwäche und stützte sich auf Iljan, während Triss in Nathiels Armen bereits eingeschlafen zu sein schien. Am liebsten hätte sie sie allesamt ins Bett geschickt, sie von diesem Schlachtfeld fortgeführt, damit sie das Grauen nicht mehr mitbekommen mussten. Doch jeder von ihnen würde sich weigern, wenn sie es so begründete. Das wusste sie. Also machte sie das, was sie inzwischen am besten konnte: Sie übernahm die Führung.

»Kimire, Keytha, Prue und Iljan, unterstützt bitte weiterhin die Einheiten der El’Shirenara und schaut, dass vor allem keines der veränderten Tiere in der Stadt wildert. Wir können es uns nicht leisten, dass sie ihre Krankheit verbreiten. Sucht dafür am besten Gareth. Er müsste hier irgendwo sein und kennt sich mit den Bestien bestens aus.« Sie unterbrach Arina, als diese zu sprechen ansetzte. »Ich ahne, dass du ebenfalls helfen willst, aber du kannst kaum noch stehen. Ich weiß zu genau, wie schlimm es sich anfühlt, einen Funken zu stark zu beanspruchen, und es wäre fahrlässig, dich noch einmal in die Kämpfe zu schicken. Du wirst mit Nathiel gehen. Eure Priorität ist Triss’ Schutz. Sie muss unbedingt zurück über die Grenze, damit sie Kraft schöpfen kann.«

Wie erwartet beschwerte sich ihr Sohn nicht, festigte nur den Griff um Triss’ Körper und wirkte, als wollte er eher die Sonne in ihrem täglichen Lauf über den Himmel aufhalten, bevor ihr auch nur ein Haar gekrümmt wurde. Die Treue zu seinen Freunden war Lanas Meinung nach eine von Nathiels größten Stärken. Arina stöhnte jedoch unwillig, was Lana beinahe ein Lächeln entlockte. Stattdessen hielt sie ihr Gesicht ernst und hob abwartend die Augenbrauen. Die Wächterin der Shaas unterstand an sich nicht ihrem Befehl, trotzdem wäre es für sie als Priesterin undenkbar, einer Königin Mederias zu widersprechen. Schon nickte die junge Frau ergeben und folgte Nathiel, als dieser sich abwandte und Triss von dem Platz trug. Die anderen verneigten sich kurz vor ihr und eilten ebenfalls davon.

»Du machst dich gut«, bemerkte Gray und berührte sie sacht am Rücken. Durch ihre Schuppen spürte sie die Wärme seiner Hand nur ungenügend und es fiel ihr schwer, sich nicht an ihn zu lehnen. Sie war so müde.

»Danke«, meinte sie und schenkte ihm ein schwaches Lächeln, während sie in seine warmen braunen Augen aufsah. »Aber ich wünschte, wir hätten diesen Angriff nicht miterleben müssen.«

Ihr Blick schweifte zu den letzten Kämpfen, die hinter ihnen gefochten wurden. Arinas Idee war gut gewesen und hatte die Auseinandersetzung schnellstmöglich beendet. Nun, da keine Feinde mehr in Dekatra eindringen konnten, lebte nur noch eine geringe Anzahl der Monster und die Verteidiger begannen sich zu fangen, nach Überlebenden zu suchen, Wunden zu versorgen und anderen vom Schlachtfeld zu helfen. Nicht wenige von ihnen standen jedoch nur da, starrten auf das viele Chaos, die ganzen Knochen und die toten Leiber von Leuten, die sie vielleicht sogar viele Jahre gekannt hatten. Über allem hing der Geruch nach Erde, Staub und vor allem Blut. Es war eine Übelkeit erregende Nuance, die in der Nase stach und auch Lana schlucken ließ. Wie sehr sie gehofft hatte, so etwas nie mehr wieder erblicken zu müssen.

Gray rieb ihr noch einmal über den Rücken, wollte sie damit trösten und sandte ihr durch ihre Seelenbindung Ruhe, sodass ihr Geist ein wenig Frieden fand. Als Dämon berührte ihn all das weniger, schließlich lebte sein Volk für den Kampf, und Lana wünschte sich das alles ebenfalls an sich abprallen lassen zu können. Was würde sie jetzt dafür geben, in einer der heißen Quellen der Marmorfeste liegen und einfach durchatmen zu können. Doch sie musste ihre Rolle als Königin und Götterbotin spielen, weswegen sie den Blick von dem Schlachtfeld nahm und nach Wihana suchte. Die Führerin der El’Shirenara stand nah bei den ersten Häusern der Stadt und erteilte unentwegt Befehle, die von ihren Assassinen aufgenommen und weitergetragen wurden. Sie war wie eine Bienenkönigin in ihrem Stock, während ihre Tochter Finnis sichtlich mit den Gegebenheiten zu kämpfen hatte. »Wir sollten mit ihr reden.«

»Das kann ich auch allein übernehmen«, erwiderte Gray und hielt sie auf, als sie bereits den ersten Schritt machte. Sacht nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Du hast eben viel von deiner Kraft nutzen müssen. Und das, obwohl du deinen Funken vorhin bereits vollkommen aufgebraucht hast. Bist du nicht müde?«

Schwach lächelte sie und lehnte die Wange gegen seine Finger, sodass er mit dem Daumen über sie strich. »Sicher nicht mehr als du.«

Gray brummte und blieb ernst, was zusammen mit den Resten seines Kampfrausches in den Augen, dem schwarzen Haar und dem dunklen Bart furchterregend sein konnte. In ihr weckte der Anblick nur Sicherheit. »Es ist komisch, dass ich dich noch immer daran erinnern muss, aber ich bin ein Dämon und regeneriere viel schneller als du. Also folge ruhig Nathiel. Wie ich dich kenne, machst du dir sowieso Gedanken um ihn und Triss.«

»Im Moment mache ich mir mehr Gedanken um Mederia … All diese Schatten und veränderten Tiere … Sie haben nicht nur unfassbar viel dunkle Göttlichkeit gekostet …«

»Sondern auch Blutopfer, ja«, beendete Gray ihren Satz, wobei sich sein Blick verfinsterte und das dämonische Rot darin erneut aufflammte. Doch er schloss die Augen, schüttelte kurz den Kopf und als er die Lider hob, erkannte sie das vertraute Braun in ihnen. »Na gut, ich will dich zu nichts überreden. Lass uns gemeinsam mit Wihana sprechen.«

Erfreut nickte sie, reckte sich, um Gray einen flüchtigen Kuss zu geben, ehe sie von ihm zurücktrat und zu der El’Shirenara ging. Als Wihana sie bemerkte, gab sie noch zwei Befehle und schickte dann alle Leute fort, um sie zu empfangen. Ihre Assassinen schlossen einen weiten Kreis um ihre kleine Gruppe, sodass niemand bei ihrem Gespräch lauschen konnte.

Mitleidig betrachtete Gray Finnis, die bemüht war fest neben ihrer Mutter zu stehen, die hellblauen Augen dabei aber weit aufgerissen hatte und das Entsetzen darin nur schwer verbergen konnte. Sie zitterte sogar leicht. Wie alt die Prinzessin der El’Shirenara wohl war? Er schätzte sie auf vielleicht siebzehn Jahre, allerdings konnte das täuschen, denn Elben alterten anders als seine Dämonen oder die Ignis. Einen Kampf hatte das Mädchen definitiv noch nie miterleben müssen. Sie wirkte zudem ungeheuer zart und schutzbedürftig, wie sie mit ihrem kinnlangen Bob und dem schlichten Nachtkleid dastand, sodass er an Kiria erinnert wurde. Doch er legte der Prinzessin nicht beruhigend die Hand auf die Schulter, wie er es bei seiner kleinen Tochter gemacht hätte, sondern wandte sich an ihre Mutter, die bitter die Lippen aufeinanderpresste, ihn jedoch ungebrochen betrachtete. Sie hatte alles im Griff, was ihn beruhigte. »Gray, Lana, es ist schön, Euch unversehrt zu sehen, allerdings wäre es mir lieb gewesen, wenn Ihr Euren Plan, einen Teil des Schutzwalles meiner Stadt einzureißen, vorher mit mir besprochen hättet.«

»Verzeiht, Wihana«, sagte Gray umsichtig, legte die rechte Faust an sein Herz und verneigte sich kurz. »In der Hitze des Gefechtes war uns das leider nicht möglich. Wenn wir den nördlichen Zugang nicht verschlossen hätten, wären vielleicht noch unendlich viele dieser Wesen eingedrungen. Schon so haben sie mehr Unheil über uns und vor allem Eure Leute gebracht, als mir lieb ist.«

Wihanas Wangenknochen traten deutlich hervor, so fest biss sie die Zähne aufeinander. Doch es war Lana, die auf seine Worte antwortete. »Und vor allem ist es noch nicht vorbei.«

Kritisch betrachtete Wihana sie. »Ihr meint die Krankheit, die die Tiere mit sich tragen.« Knapp nickte die El’Shirenara. »Ich habe bereits einen Trupp in die Stadt geschickt, der nach verirrten Tieren sucht. Er wird zudem jedem Passanten sagen, dass sie mit ihren Verletzungen zu den Tempeln gehen sollen – egal wie gering sie sind. Mein Volk ist diszipliniert. Die Seuche wird keine Chance haben.«

Das beruhigte Gray und er verschränkte die Arme vor der Brust, während er über die Schulter zu dem Einsturz sah. Dort waren die Erdmassen zur Ruhe gekommen und langsam legte sich der restliche Staub. »Selbst wenn der Zugang nach Karashin nun verschüttet und damit das Freundschaftszeichen der Götter vergangen ist, ist dieser Einsturz das Beste, was uns passieren konnte. So viele Schatten und Wesen der Dunkelheit … Ich will gar nicht wissen, welche Massen von ihnen noch eingedrungen wären. So ist die akute Gefahr gebannt.«

»Wir können nur leider noch nicht aufatmen«, sprach jemand anderes seine Gedanken aus. Gareth, Iljan und Keytha traten durch den Ring der Assassinen und Grays alter Freund stützte sich überraschenderweise an dem jüngeren Magier ab. Gray hob eine Augenbraue, als er das Humpeln bemerkte, obwohl Gareth unverletzt schien. Er kam jedoch auch langsam in ein Alter, in dem man ihm wünschte, dass er entspannt in einem Sessel Bücher las, statt auf Schlachtfeldern Angreifer abzuwehren.

»Du meinst, dass wir nur den Kampf, doch nicht den Krieg gewonnen haben?«, fragte Lana und musterte Gareth ebenfalls kritisch.

Der schien seine Konstitution aber nicht ansprechen zu wollen und nickte ernst. »Da, wo diese Wesen herkamen, wird es noch viele weitere geben. Anderes kann ich mir nicht vorstellen. Kaloris hat selbst gesagt, dass sie bereits ein Land eingenommen haben. Ihre Ressourcen müssen also gewaltig sein. Wenn wir uns nun ausruhen, weil wir den Zugang nach Mederia verschlossen haben, werden wir sehr bald ein böses Erwachen erleben.«

Nachdenklich strich sich Gray über den Bart. »Schon wegen der Asche, die unentwegt über die Berge kommt und die Natur und Lebewesen krank macht.« Sein Blick suchte Wihanas. »Ich hatte noch keine Zeit, Euch das zu fragen: Taucht diese Asche auch hier auf?«

Es war Keytha, der antwortete. Der junge Mann hatte inzwischen einen Umhang aufgetrieben, sodass er eher wie der Assassine aussah, der er auch war, und nicht nur in Unterhosen dastand. »Nein, Asche ist hier nie gefallen.«

»Sicher?«, hakte Lana nach. »Vielleicht waren die Spuren von ihr zu gering, um sie zu bemerken.«

Doch Finnis schüttelte überzeugt den Kopf. »Unsere Sicherheitsvorrichtungen hätten uns gewarnt. Alles, was aus Magie oder Göttlichkeit geboren wird, kann nicht daran vorbei.«

»Das ist gut«, mischte sich Iljan ein und Gray betrachtete ihn genauer. Noch hatte er nicht viel Zeit gehabt, den Magier näher kennenzulernen, den sein Sohn in Hamesta getroffen hatte. Iljan musste ein paar Jahre älter als Nathiel sein, allein weil er andernfalls seine Ausbildung in Tetra noch nicht beendet haben konnte. Schon jetzt spielte ein ernster Zug um seinen Mund, aber seine dunkelgrünen Augen zeugten von einem wachen Geist, der das Leben zu schätzen wusste. Seine blonden Locken waren durcheinandergeraten und Staub hatte sich darin festgesetzt, der aufflog, als er sich hindurch strich. »Denn dann können wir in etwa abschätzen, von wo er kommt.«

Lana merkte auf. »Du hast recht. Irgendwo zwischen Dekatra und Er-yen muss er entstehen.«

»Nur wahrscheinlich auf der Karashin-Seite der Berge«, gab Gray zu bedenken, was seine Frau dazu verleitete, den Mund zu verziehen.

»Es gibt eine weitere gute Sache durch den Felssturz«, ergriff erneut Gareth das Wort, als sie in nachdenkliches Schweigen verfielen. »Der Abzug der Göttlichkeit wird nun aufhören.«

Gray tauschte einen Blick mit Lana. »Stimmt, dies hier war ja der einzige Übergang von den Tunneln aus, oder?«

»Das ist wahr, aber nachdem der Bann auf uns gebrochen wurde, hätten wir den Abzug sowieso unterbrochen«, warf Wihana ein.

»Dann haben wir zumindest dieses Problem gelöst.« Lana atmete hörbar auf, runzelte aber sogleich die Stirn. »Regulieren sich nun auch die Magieströme?«

»Das werden wir sehen müssen.«

»Na gut«, meinte Gray auf Gareths Worte. »Ich fasse die Erkenntnisse der letzten Stunden zusammen. Die El’Shirenara sind nun frei, jedoch muss der Bann noch gebrochen werden.« Gareth nickte bestätigend. »Dekatra ist zudem sicher, weil wir den einzigen Zugang von Karashin aus zerstört haben. Kaloris kann ihre Schattenwesen nicht ohne Probleme erneut auf uns hetzen.« Nun nickte Wihana, doch ihm fiel der Blick auf, den Finnis und Keytha tauschten. Da gab es also noch mehr und Gray nahm sich vor später nachzuhaken. »Zumindest kurzzeitig haben wir also Zeit, uns zu sortieren. Vor allem da auch die Gefahr für unsere Götter vorerst gebannt ist. Wir müssen unbedingt einen Plan erdenken, wie wir Kaloris und Urrok aufhalten, bevor sie Mederia noch mehr Schaden zufügen. Wie mächtig sie sind, haben sie in dieser Nacht mehrmals anschaulich demonstriert und ich befürchte, dass wir sie mit dem Einsturz nicht lang aufhalten werden. Zudem wäre es gut, wenn wir wüssten, wie es in Karashin aussieht. Leben die dortigen Götter noch, wurden sie vielleicht nur verdrängt, wie viele Anhänger und Ressourcen besitzt Urrok und was genau plant er für Mederia?«

»Wichtig wäre es zudem herauszufinden, wie er es über die Grenze schaffen konnte«, warf Wihana ein und wirkte ungehalten. »Ich kann noch immer nicht glauben, dass es ein fremder Gott gewesen sein soll, dem ich gegenüberstand.«

»Was das angeht, haben wir vielleicht jemanden, der uns eine Antwort geben kann.« Lana warf Gray einen bezeichnenden Blick zu. »Bei den Tunneln Richtung Er-yen wartet schließlich noch jemand auf uns.«

Gray grinste schwach, gerade als Prue bei ihnen landete und auch Kimire wie aus dem Nichts auftauchte. »Da hast du recht. Sie könnten uns dahingehend eine Hilfe sein.«

»Wen meint ihr?«, wollte Wihana wissen.

Lana schmunzelte. »Drei von Mederias Göttern.«

Die El’Shirenara blinzelten ungläubig und waren für Sekunden sprachlos. Das nutzte Gray, um weiterzusprechen. »Es sollte kein Problem sein, jemanden zu ihnen zu schicken. Schwieriger ist die Frage, was wir wegen Urrok und seinem Volk, den Suha, machen.«

»Diese Überlegungen sollten wir vertagen«, fiel ihm Wihana ins Wort. Sie lächelte milde. »Der Tag ist bereits angebrochen, ihr seht erschöpft aus und vorerst haben wir ein wenig Ruhe. Nutzt das für etwas Schlaf, ich kümmere mich um den Rest hier. Ihr habt schon genug für uns getan und mit einem ausgeruhten Kopf denkt es sich besser.«

Zuerst wollte Gray widersprechen, viel zu viel konnte von jetzt auf gleich passieren. Doch es war Wihanas Reich und er hatte kein Recht, ihre Entscheidungen anzuzweifeln. Außerdem sprach sie die Wahrheit. Gerade Lana, Gareth und Iljan mussten erschöpft sein. Gar nicht zu sprechen von Arina und Triss. Und auch er war müde. Das Schicksal Mederias würde nicht heute fallen. So schnell geschahen derartig weitreichende Dinge nie. Von daher sollten sie Wihanas Worten nachkommen. Trotzdem hatte er das Gefühl, wichtige Zeit zu verschwenden. Daher legte er sich nur langsam erneut die Faust an sein Herz und neigte den Kopf. Zu seiner Überraschung entspannte sich Wihana bei dieser Geste und auch die anderen wirkten beruhigt. Vielleicht hatten sie ein Ende dieser langen Nacht erhofft. Das festigte ihn in seiner Entscheidung.

»Ihr habt recht, Wihana, wir alle sind müde und Ihr benötigt Zeit, um wieder für Ordnung zu sorgen. Wir werden uns ausruhen. Solltet Ihr Hilfe benötigen, zögert nicht uns zu wecken.« Mit einem Lächeln nickte die Königin. Das gefror allerdings, als er weitersprach. »Ich erwarte jedoch, dass wir uns spätestens heute Abend erneut zusammensetzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Bis dahin sollte unser Drachenweibchen stark genug sein, um uns beizuwohnen.«

Er wählte seine Worte mit Bedacht, ließ aber auch keine Zweifel übrig, dass er die Zügel in dieser Angelegenheit nicht vollständig an Wihana abgab. Dafür lag ihm Mederias Wohl zu sehr am Herzen und noch standen die El’Shirenara unter einem Bann. Das sollte die Königin nicht vergessen.

Kapitel 3

»Hör bitte auf dir solche Gedanken zu machen«, sagte Talien milde, während er Triss zudeckte. Sie befanden sich in dem Krankenzimmer, in dem Nathiels Freundin bereits geschlafen hatte, nachdem sie vor der Dunkelheit gerettet worden war.

Bisher war Nathiel unruhig auf und ab gelaufen, den Blick fest auf Triss’ friedliches Gesicht gerichtet, das von den schwarzen Locken eingerahmt wurde. Immer wieder blitzten die vereinzelten orangefarbenen Schuppen, die über ihren Hals bis zur Schläfe verliefen, im Licht der magischen Lampe auf. Nun hielt er inne und verzog den Mund. »Du weißt, wie schwer mir das bei Triss fällt.«

Talien lächelte sanft, wobei seine Augen wie immer besorgt wirkten. Wenn Nathiel den Barden nicht schon so lang kennen würde, hätte das seine Unruhe erneut angefacht, so rüttelte ihn nur die Belustigung des Mannes auf. »Ja, das wissen wir zu gut. Aber sie ist keine zerbrechliche Puppe, Nat. Das predigst du ihr selbst oft genug.«

Famir, der auf dem zweiten Bett im Raum saß, lachte leise, verzog daraufhin allerdings das Gesicht und presste sich die Hand auf seine gebrochenen Rippen. Trotz der offensichtlichen Schmerzen verkniff er sich seinen Kommentar nicht. »Sie hat gerade einen kleinen Berg zum Einsturz gebracht. Das sollte zeigen, wie unverwüstlich sie ist.«

Damit hatten die beiden recht, das wusste Nathiel selbst am besten. Und doch … Er schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Diese Angewohnheit belustigte die anderen Männer schon wieder und Nathiel war kurz davor, die Arme wieder sinken zu lassen. Denn diese Geste hatte er von seinem Vater übernommen. Seine Mutter wurde auch nicht müde, ihn darauf hinzuweisen, wie ähnlich sie sich doch waren, wenn er so dastand. Aber wenn er es tat, hatte er immer das Gefühl, mit mehr Ruhe nachdenken zu können. Deswegen löste er die Verschränkung nicht, sondern fragte: »Ihre vorherigen Wunden machen trotz des Kampfes keine Probleme?«

Talien zog umsichtig den Kragen von Triss’ Talar hinab, bis sie die Stelle ausmachen konnten, wo sie von dem Schattendrachen getroffen wurden. Dunkelheit war dort keine mehr zu sehen und Nathiel wollte schon den Blick abwenden, als die Rundungen ihrer Brüste zu erahnen waren. Aber da richtete Talien ihre Kleidung bereits und schüttelte den Kopf. »Die Salbe hat die Reste der Finsternis aus ihr gesogen und ich bin mir sehr sicher, dass sie keine Nachwirkungen zurückbehalten wird. Triss ist einfach nur erschöpft. Gib ihr Zeit.«

Dankbar nickte Nathiel, während Famir bestätigend brummte. Kritisch betrachtete dieser ihn. »Du solltest dich ebenfalls hinlegen. Ich erkenne die Müdigkeit deutlich in deinen Augen.«

Nun grinste Nathiel seinen Onkel breit an. »Keine Sorge, ich bin jung und überstehe eine durchgemachte Nacht schon. Im Gegensatz zu dir, wie mir scheint. Seit wann lässt du dich derart überrumpeln, dass dir ein riesiges Monster einfach zwei Rippen brechen kann?«

Wie erwartet lachte Famir laut auf und warf mit seinem Kissen nach ihm. »Pass nur auf, du ungezogener Bengel. Sonst musst du bei deiner Rückkehr zwei Wochen mit deinen Cousins trainieren.«

Nathiels Lächeln geriet ins Wanken. Das war eine Strafe, die er wirklich nicht riskieren wollte. Auch wenn er die beiden liebte wie jeden aus seiner Familie, war ihm Prues Gesellschaft doch tausendmal lieber.

»Na gut, dann gehe ich ins Bett und gönne mir ebenfalls Ruhe«, bog er das Gespräch in eine andere Richtung, sodass Famir schon wieder herzlich lachte – und sich sogleich die Rippen mit einem Stöhnen rieb. Nathiel schätzte die stets gute Laune seines Onkels, die selbst durch Schmerzen nicht getrübt wurde, und war dankbar, dass dieser Xenoph nicht noch mehr Schaden angerichtet hatte.

»Tue das«, bestätigte ihm Talien und legte Triss eine Hand auf die Stirn. »Wir beide wachen derweil über Triss.«

Derart beruhigt verabschiedete Nathiel sich und verließ den Raum mitten im königlichen Trakt Dekatras. Leise schloss er die Tür und dachte an den Kuss, den Triss ihm kurz vor dem Angriff gegeben hatte – seine Bewegungen erlahmten. Ein Bedürfnis, über die Schulter zurückzuschauen, kam in ihm auf. Aber es würde nichts bringen. Durch die Tür konnte er Triss schließlich nicht ausmachen. Außerdem zog eine andere Person seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie lehnte mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand des Flurs, der nun vor ihm lag, hatte die Augen geschlossen und den Kopf an den Stein dahinter gelehnt. Er hob die Augenbrauen. Ihm wäre es niemals möglich gewesen, im Stehen zu schlafen.

»Arina?«, fragte er, zweifelnd, ob sie ihn überhaupt hörte. Doch sie schreckte sogleich auf, was sie beinahe zur Seite kippen ließ.

»Ja?«, fragte sie und blinzelte die Müdigkeit fort, während sie ihren Stand festigte.

Nathiel schnaubte. »Wieso stehst du hier? Dein Körper bettelt ja offensichtlich nach Schlaf.«

»Glaube mir, Nat, das tut er mit Nachdruck«, murrte sie und gähnte ungeniert. Er freute sich darüber, dass sie endlich seinen Spitznamen nutzte. »Aber jemand muss doch aufpassen, dass der werte Dämonenprinz auch zu seinem Zimmer findet.«

Nathiel seufzte unzufrieden – und auch peinlich berührt. »Ich weiß, wo es liegt. Du musst nicht auf mich aufpassen.«

»So?« Sie musterte ihn zweifelnd und hob schließlich die Hände. »Gut, zeig mir den Weg.«

Finster musterte er sie, ehe er nach rechts und dann nach links schaute. In beiden Richtungen lagen Teppiche auf den kühlen Fliesen und eine wunderschöne Konstruktion an magischen Kristallen war in die Decke eingelassen worden, sodass es wirkte, als ginge man unter Tausenden Glühwürmchen her. Pflanzen standen in großen Kübeln in einer Vielzahl an den Wänden, dass diese beinahe grün wirkten und damit dem Stein, aus dem der Komplex gehauen war, eine gewisse Heimeligkeit gaben. Doch sah alles gleich aus, sodass er keinen Anhaltspunkt fand, der ihn in die richtige Richtung gelockt hätte. Er versuchte sich auch zu erinnern, woher er gekommen war, aber beide Male, die er bereits hier gewesen war, hatte er sich zu große Sorgen um Triss gemacht, um sich um den Weg Gedanken zu machen. Wie ungern er das zugeben wollte, merkte er daran, wie sich seine Hände unbewusst zu Fäusten schlossen.

Arina lachte leise und erlöste ihn dadurch. Sie stieß sich von der Wand ab und trat zu ihm. Ihr Blick flackerte über seine Schulter zu der Tür in seinem Rücken. »Ich wollte außerdem wissen, wie es Trinisia geht.«

»So weit gut. Sie braucht nur Ruhe und wird in einigen Stunden wieder auf den Beinen sein.«

Das erleichterte Arina sichtlich und ein Lächeln fand seinen Weg auf ihr Gesicht, was sie umso hübscher machte. Generell gefiel ihm die Gesamtkomposition von Arinas rotblondem Haar, den zarten Augenbrauen, dem sanften Schwung ihrer Lippen und der angenehmen Kinnpartie. Sie zu sehen beruhigte seinen Geist, sodass er etwas machte, was er sonst nie getan hätte: Er trat auf sie zu, löschte die restliche Distanz zwischen ihnen und zog sie in seine Arme. Das war eine schlechte Idee, denn Arina mochte Berührungen nicht sonderlich. Doch sie schien sich langsam daran zu gewöhnen, denn sie zuckte nicht von ihm zurück. Sie gab ein überraschtes Geräusch von sich und spannte sich an, dann sackten ihre Schultern zu seiner Freude hinab und sie legte ihm sacht die Hände auf den Rücken. Für einen Moment konnte Nathiel die Augen schließen und Ruhe finden.

»Danke«, murmelte er leise und sog dabei ihren Duft ein. Er war nicht so intensiv oder fruchtig wie Triss’, aber das kannte er schon von Kimire. Leute, die die Assassinenfähigkeiten erlernten, waren bedacht darauf, dass nicht einmal ihr Geruch Aufmerksamkeit auf sie zog. Daher nahm er nur eine Nuance wahr, die würzig anmutete und ihn ein wenig an Minze erinnerte.

»Wofür?«, fragte Arina und stützte das Kinn auf seiner Schulter ab.

Dafür, dass sie an seiner Seite war, dass sie ihn schon seit seinem fünften Lebensjahr begleitete, ohne es auch nur zu wissen, dass ihre Anwesenheit seinen Geist beruhigte, dass sie sein Schicksal war und ihm unendlich viel bedeutete. Aber das sagte er ihr lieber nicht. Es war zu früh. Daher lächelte er, schob sie auf Armeslänge von sich und meinte: »Für einfach alles.«

So ganz konnte sie damit offensichtlich nichts anfangen, erwiderte sein Lächeln jedoch. »Gern geschehen.« Sie deutete den Flur nach links. »Wollen wir dann? Ich bin echt müde und will nur noch ins Bett.«

Er nickte und folgte ihr, als sie sich in Bewegung setzte, doch konnte er nicht verhindern noch einmal zu Triss’ Zimmer zu schauen.

***

Als Lana erkannte, wo sie stand, wurden ihre Hände schlagartig klamm. Sie wusste, dass sie träumte, denn den Ort, den sie vor sich sah, gab es nicht mehr. Sie selbst hatte dafür gesorgt, dass er in sich zusammenstürzte und niemals wieder betreten werden konnte. Es war auch nicht das erste Mal, dass sie im Schlaf hierher zurückkehrte, aber niemals hatte ihr das Wissen geholfen, dass es sich um einen Traum handelte. Sie wimmerte, als sie den in einem Meer aus blauen und schwarzen Wolken hängenden Felsen betrachtete, auf dem sie stand. Er war kreisrund und kaum hundert Quadratmeter groß. Bis auf den grauen Stein und die Wolken konnte sie nichts erkennen und es war eine Strafe für sie, hier sein zu müssen. Denn es war ein Gefängnis. Jenes Gefängnis, in dem Sakterkis Jahrhunderte verbrachte – und wo sie ganz allein gegen ihn gekämpft hatte. Noch heute war das Bein, welches er ihr damals gebrochen hatte, nicht so stark wie das andere und an manchen Tagen schmerzten die inneren Narben, die sie von seinen Attacken zurückbehalten hatte. Wieso wurde sie auch zwanzig Jahren später noch zusätzlich von diesen Träumen geplagt?

»Götterbotin«, nahm sie eine tiefe Stimme wahr, die sich zufrieden und gleichzeitig von Vorfreude getränkt anhörte – und unvorstellbar grausam.

Lana presste die Augen zusammen, aber der Traum wollte nicht vergehen, weswegen sie sich umwandte und die Lider hob. »Wieso kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen?«

Hinter ihr stand ein Mann mittleren Alters, hager, weil er ein Magier und kein Krieger war, und mit langem schwarzem Haar, das zu mehreren Zöpfen geflochten bis zu seinen Schultern reichte. Seine Haut war dunkler als ihre und zeigte deutlich, dass er aus Süd-Mederia stammte. Geringschätzig musterte er sie. »Das weißt du ganz genau. Unser Kampf wird nie enden. Ich bin ein Halbgott. Ich werde dich noch bis ans Ende deiner Tage verfolgen.«

»Nein«, widersprach sie entschlossen. »Du bist tot. Es sind nur die Ereignisse, die dich aus meinen Erinnerungen hervorziehen.«

Ein kaltblütiges Grinsen zeigte sich bei ihm. »Bist du dir da sicher?«

Schon hob er eine Hand, in der sich derart schnell ein dunkler Zauber bildete, dass Lana keine Zeit blieb, um ihre Gabe zu nutzen. Mit einem Schrei riss sie die Hände vor das Gesicht, als sie getroffen wurde – und sich mit einem Keuchen aufsetzte. Ihr Herz hämmerte derart, dass sie es durch den ganzen Körper spürte. Sie zitterte, während sie Probleme hatte, sich zu orientieren. Der Raum, in dem sie sich befand, war dunkel, durch ein verhangenes Fenster drang nur wenig Licht und das Mobiliar war zu düster, um es richtig auszumachen. Aber sie saß in einem Bett, was sie aufatmen ließ. In der nächsten Sekunde legten sich Arme um sie, zogen sie in eine sichere Umarmung, während sie neben dem Geruch nach Leder und Wind auch Grays bekannte Nähe in ihrem Inneren spürte. Er sandte ihr durch die Seelenbindung Ruhe und Beständigkeit, während er ihr sacht über den Rücken strich.

»Es ist alles gut, Lana«, versicherte er ihr mit seiner tiefen Stimme, sodass sich die Krallen des Traums, die sich in ihren Geist geschlagen hatten, langsam lösten.

Doch wie immer stärkte und schwächte Grays Nähe ihr Selbst, weshalb nun Tränen in ihre Augen traten. Mit zitternden Fingern wandte sie sich ihrem Mann zu, schlang die Arme um ihn und vergrub das Gesicht an seiner Schulter. »Warum lässt mich dieser Traum nicht in Ruhe? Der Kampf gegen Sakterkis liegt nun schon so lang zurück und trotzdem sprudeln die Erinnerungen so leicht hoch.«

Gray hatte bisher nicht gewusst, durch welchen Albtraum Lana derart aufgeschreckt wurde, nun verstand er und verzog mitleidig den Mund. Langsam ließ er sich in die Kissen zurücksinken, zog Lana mit sich, die ein leises Schluchzen hören ließ und sich eng an ihn presste, kaum dass sie lagen. Sacht strich er ihr das blonde Haar zurück und küsste sie gegen die Schläfe, während er ihren ausgekühlten Körper in die Decke hüllte. Für sie versuchte er ruhig zu bleiben, aber gerade wenn es ihr mal wieder wegen der Geschehnisse von damals schlecht ging, konnte er seine Wut kaum bändigen. Nur würde sein Temperament ihr nicht helfen. Daher fuhr er zärtlich über ihren Rücken und raunte ihr ins Ohr: »Schon damals sagte ich es dir und wiederhole es gern noch einmal: Du bist nicht für den Kampf geschaffen. Du liebst die Welt, in ihrer Gesamtheit genauso wie jedes noch so kleine Detail. Das Singen, Musizieren und Geheimnisse Aufdecken liegt dir weit mehr, als mit dem Schwert Feinde zu töten. Der Kampf gegen Sakterkis war ein zu einschneidendes Erlebnis.«

Lana schniefte. »Ich habe es gern für Mederias Schutz getan. Es war zudem nicht so ein bitterer Kampf wie gegen den Schattendrachen, zu dem Zirokfan geworden ist. Wieso kommt diese Erinnerung also immer wieder in meinen Träumen vor?«

»Weil es der einzige Kampf war, den du allein ausfechten musstest. Du hast tiefe körperliche wie seelische Wunden davongetragen, die dich auch heute noch beeinträchtigen. Gib dir mehr Zeit, um alles zu verwinden.«

»Wie viel denn noch?«, fragte sie bitter und rückte noch etwas mehr an ihn heran, legte sogar ein Bein über seine. »Reichen zwanzig Jahre denn nicht?«

»Anscheinend nicht«, meinte er leise und küsste sie noch einmal, als sie sich anspannte. »Die derzeitigen Ereignisse brechen einen Teil der alten Wunden wieder auf. Sei nicht zu streng mit dir selbst.« Als Lana schwieg, fuhr er mit einer seiner Krallen über ihre Haut, sodass sie den Rücken durchstreckte. »Und sei dir sicher, egal wie oft dich deine Träume zu Sakterkis führen, sobald du aufwachst, bin ich bei dir und hole dich aus dem Schrecken heraus. Schließlich habe ich dir ein ruhiges und glückliches Leben versprochen, oder? Dann lass die Toten dich nicht beherrschen.«

Lana hob den Kopf von seiner Brust, wischte sich eine Träne fort und betrachtete Gray. Den Mann, der schon so lang bei ihr war, der mit ihr drei Kinder aufgezogen und unendlich viele Kämpfe ausgefochten hatte. Dessen Schicksal sie war und der den besten Seelengefährten verkörperte, den sie sich nur wünschen konnte. »Womit habe ich dich nur verdient?«

Ein Lächeln zupfte an Grays Lippen und er lockte sie näher, um hauchzart ihre Lippen zu küssen. »Das wirst du wohl die Götter fragen müssen.«

Kapitel 4

Zur gleichen Zeit hatte Nathiel ganz ähnliche Probleme wie seine Mutter. Er schlug die Augen auf und stöhnte genervt, als er nicht das Zimmer sah, in dem er sich hingelegt hatte, sondern sich auf einer steinernen Klippe wiederfand. Er stand an ihrem Rand und blickte hinab in ein Tal, an dessen Grund eine Siedlung lag, die von Bäumen umringt war. Sie war nichts Besonderes, wirkte eher provisorisch und spielte auch nicht den Hauptakt in seinem Webertraum. Stattdessen zog der einzelne gigantische Berggipfel, der über dem Tal aufragte, seine Aufmerksamkeit auf sich. Wie ein Unheilbote nahm er beinahe die Hälfte seines Blickfeldes ein.

Wie oft hatte er diesen Traum in den letzten Wochen bereits gehabt? Dutzende Male auf jeden Fall, doch die Anzahl hatte nachgelassen, nachdem er Arina getroffen hatte – und zu seiner Überraschung gab es nun neue Details, die er ausmachen konnte. Aus dem klaren Himmel, an dem sich die Sonne gerade anschickte unterzugehen, segelten kleine schwarze Punkte herab. Mit einem Stirnrunzeln hob er die Hand und fing einen davon auf. Bitter biss er die Zähne zusammen, als er erkannte, was es war: »Asche …«

Dabei bemerkte er jedoch noch etwas, da er die rechte Hand genutzt hatte, um den Partikel aufzunehmen. Das Irrlichtmal darauf war deutlich sichtbar. Natürlich, er hatte sich nun an Issis gebunden, aber er hätte nicht gedacht, dass seine Gabe auf solche Kleinigkeiten reagieren würde.

Kies knirschte und wie jedes Mal, wenn dieser Traum ihn heimsuchte, trat Arina neben ihn. Entschlossen blickte sie zu dem Berg. »Wir müssen das verhindern.«

So oft hatte er diese Worte bereits gehört … Er machte sich nicht die Mühe, ihr zu antworten, und wollte sich schon der Szenerie zuwenden, um auf das Aufbrechen des Berges zu warten, als etwas geschah, was ihn weit die Augen aufreißen ließ: Triss stellte sich an Arinas Seite und sagte leise: »Ja, um jeden Preis.«

Fassungslos starrte Nathiel seine Freundin an. Dass Arina und er nicht allein auf dieser Klippe standen, wusste er, aber bisher waren all ihre Begleiter dunkle, unerkennbare Schemen gewesen. Schnell sah er sich um, allerdings blieben die restlichen Personen im Schleier des Traums unkenntlich. Wieso wurde Triss nun miteinbezogen? Das Weibchen sah zu ihm, sodass das Silber ihrer Augen im restlichen Tageslicht aufblitzte, lächelte und sagte zuversichtlich: »Wir werden das schaffen, Nat.«