Ab 50 ist man alt … genug, um zu wissen, was man will und kann - Helmut Muthers - E-Book

Ab 50 ist man alt … genug, um zu wissen, was man will und kann E-Book

Helmut Muthers

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Beschreibung

Die älteren Generationen sind die reichsten und einzigen ­wachsenden Kundengruppen. Sie sind die Zukunft und ­entscheiden mit ihrem Kaufverhalten über die Existenz der ­Unternehmen in fast allen Branchen. KUNDENBINDUNG wird zum ent­­scheiden­­den Erfolgsfaktor. Die heute älteren ­Menschen sind fitter, kritischer, anspruchsvoller und wechselbereiter als jede ­Generation vor ihnen. Marketing-, Vertriebs- und Kommunikations-Konzepte müssen angepasst werden – ebenso wie der Umgang mit älteren Mitarbeitern in Unternehmen. Höchste Zeit, sich darauf einzustellen. Dies ist der Fahrplan für den Umgang mit einer mächtigen Bevölkerungsgruppe.

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© Copyright 2017:

Börsenmedien AG, Kulmbach

Cover-Illustration: CSA Images/Archive über Getty Images

Illustrationen im Buch: Rudi Döpper, Bergisch Gladbach

Gestaltung und Satz und Herstellung: Johanna Wack

Lektorat: Karla Seedorf, Hildegard Brendel

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-509-0

eISBN 978-3-86470-510-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: 0 92 21-90 51-0 • Fax: 0 92 21-90 51-44 44

E-Mail: [email protected]

www.plassen-verlag.de

Für meine Familie

Inhalt

Vorwort von Dr. Steffi Burkhart

Einführung

Die Strategie der 99 Kleinigkeiten

Teil 1: Die Alten sind unsere Zukunft

Historisch einzigartige demografische Veränderungen

Alterung ist kein Schnupfen

Die Älteren haben Geld wie Heu

Die Alten emanzipieren sich

Revolution des Altersgefühls

Revolution der Familienstrukturen

Revolution der Kundenstrukturen

Das Alter ist nicht das Problem

Generationen 50plus? Nein, danke!

Dr. Steffi Burkhart interviewt Helmut Muthers

Teil 2: Ältere Kunden sind anders

Die werberelevante Zielgruppe 14 bis 49 hat ausgedient

Ältere Menschen waren schon jung, jüngere aber noch nie alt

Nennt sie bloß nicht Senioren!

Verkaufen an ältere Kunden ist 100 Prozent Emotion

Sieben Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Ansprache und den Umgang mit älteren Kunden

Respekt

Fachwissen kann man googeln – gute Kinderstube nicht

Sprechen Sie Deutsch

Überraschen Sie

Freunde sollt ihr sein

Stammkunden belohnen

Vergessen Sie Ihre Produkte

Zusammenfassung

Helmut Muthers interviewt seinen Sohn Simon zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Generationen

Teil 3: Die Mitarbeiter werden grau – na und?

Ältere Mitarbeiter sind die Zukunft

Leistungsbereitschaft hat nichts mit dem Alter zu tun

Die Unternehmen holen ihre Rentner zurück

Der Aufstand gegen die Zwangspensionierung

Sieben Bausteine der Personalpolitik

Abschied vom Jugendkult

Integration statt Ausgrenzung

Weg vom frühen Schongang

Weiterbildung

Auszubildende 50plus

Die Vermarktung von Talenten

Arbeiten im Rentenalter

Ausblick

99 Kleinigkeiten

Danksagung

Quellen

Vorwort von Dr. Steffi Burkhart

„Alle reden über die digitale Transformation und ihre disruptiven Folgen. Ähnlich radikal wird sich die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft auf unser aller Leben auswirken.“

Dr. Steffi Burkhart, geboren 1985

Ein langes, größtenteils gesundes Leben ist heute für viele die Normalität. Und wer aktuell geboren wird, hat die Chance, 100 Jahre alt zu werden! Eine erfreuliche Nachricht, finden Sie nicht auch? Schon heute fühlen sich Menschen über 60 und 70 Jahren rund 15 Jahre jünger – und sie verhalten sich auch so: Sie sind sportlich aktiv, starten beruflich neu durch, machen sich selbstständig, gehen studieren, tragen die gleichen Klamotten wie ihre Kinder, reisen um die Welt und genießen ihr Leben in vollen Zügen. Das neue Bild der „Alten“ ist also eher cool, fit, selbstbewusst und jugendlich. Ich selbst beobachte das bei meinen Eltern. Die durchleben keine Midlife-Crisis, sondern so was wie eine zweite Pubertät. Der Ruhestand wird zum Un-Ruhestand. Das macht Spaß, mit anzuschauen. Was die Menschen subjektiv bereits leben, erfordert nun auch eine ökonomische Anpassung. Denn im Kontrast zu der beschriebenen Entwicklung bezieht sich unsere Ökonomie sehr einseitig auf die erste Hälfte der Biografie. Der Fokus in der Arbeitswelt und konsumentenseitig ist auf Menschen unter 50 ausgerichtet – alles, was älter ist, befindet sich bei Arbeitgebern, Personalern, Dienstleistern, Produktentwicklern, Marketern und Verkäufern eher am Rand der Wahrnehmung oder wird mit Anti-Aging-Kampagnen „gedown-aged“.

Es ist an der Zeit, das Potenzial der zweiten Lebenshälfte ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu lenken. Alleine mit der Kraft der Jugend können wir die Herausforderungen und die Komplexität im 21. Jahrhundert nicht bewältigen. Es braucht beides: Die Kraft der Jugend und die Weisheit, die Erfahrung und die Gelassenheit der Alten. Wir als junge Generation schätzen diese Fähigkeiten sehr – wir mögen nur die „Früher-war-alles-besser“-Denker nicht, die sich wie kleine Energievampire durch die Flure unserer Organisationen – ob in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft – saugen und damit das Vorankommen lahmlegen. Wir brauchen keine systematische Problematisierung des Alters, kein Anti-Aging, keine Frühverrentungen, Senioren-Programme und weiteres Alters-Vermeidungs-Vokabular. Was wir brauchen, ist ein Pro-Verständnis der zweiten Lebenshälfte, zumal wir auf eine Gesellschaft zusteuern, in der die Mehrheit aus über 50-Jährigen besteht, die noch weitere 50 Lebensjahre vor sich haben. Lassen Sie uns diese Entwicklung unserer Gesellschaft als First-Mover-Position für neue Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Mitarbeiterentwicklungs- und -bindungsprogramme sehen und ein Vorbild für andere Länder dieser Welt sein, die die gleiche demografische Entwicklung durchlaufen.

Ein Hoch auf das Buch von Helmut, der diesen Weitblick seit Jahren verinnerlicht hat. Auf großen Bühnen und in Diskussionsrunden leistet er Aufklärungsarbeit und unterstützt Unternehmen dabei, die Alterung als Chance statt als Risiko zu verstehen.

Dr. Steffi Burkhart

Dr. Steffi Burkhart(Jahrgang 1985) ist das „Gesicht der Generation Y“ (MDR). Aus der Perspektive ihrer Generation liefert sie fundiertes Wissen zum Wandel der Arbeitswelt und berät Unternehmen zu den Themen Gewinnung und Bindung der jungen Generation, Generationenmanagement, Führungs- und Mitarbeiterkompetenzen der Zukunft. Steffi ist Speakerin, Autorin und Lehrbeauftragte.

Einführung

„Im Vergleich zur demografischen Katastrophe ist der Zusammenbruch des Kommunismus unwichtig.“

Claude Lévi-Strauss, 1908–2009, französischer Ethnologe

Das Zitat stammt aus einem Beitrag des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. Januar 1992. Er beschrieb damit schon sehr früh eine Entwicklung, welche die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten mehr und nachhaltiger beeinflusst als vieles andere, das heute die aktuellen Diskussionen beherrscht. Die Demografie oder Bevölkerungswissenschaft ist eine Wissenschaft, die sich statistisch und theoretisch mit der Entwicklung von Bevölkerungen und ihren Strukturen befasst. Sie untersucht ihre alters- und zahlenmäßige Gliederung, ihre geografische Verteilung sowie die umweltbedingten und sozialen Faktoren, die für Veränderungen verantwortlich sind. Die Erforschung der Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten in Zustand und Entwicklung der Bevölkerung wird vor allem mithilfe der Statistik erfasst und gemessen. Dieses Buch konzentriert sich auf die gesellschaftliche Alterung als einen herausragenden Teil der demografischen Entwicklung.

Wie ist das bei Ihnen? Welche Bedeutung hat die gesellschaftliche Alterung für Sie? Welche Worte fallen Ihnen ein, wenn Sie an Alter, Altern, Älterwerden, ältere Menschen, ältere Kunden und ältere Mitarbeiter denken? Vielleicht Begriffe wie Alterspyramide, Alterspräsident, Alters-Entlastungsbetrag, Altersteilzeit, Altersarmut, Altersdiskriminierung, Alters-Freibetrag, Altersheim, Altersklasse, Altersrente, Altersvorsorge, Altersbeschränkung, Altersabbau, altes Modell, alter Schwede, Alterssturheit, altes Eisen? Und welche Bilder haben Sie bei diesen Themen im Kopf? Die parkbanksitzenden Taubenfütterer, das Kaffeekränzchen der Rollatoren-Fraktion, die gehbehinderte Großmutter auf dem Treppenlift, Stützstrümpfe tragende Altenheimbewohner, Inkontinenzprodukte wie Slipeinlagen und Bettauflagen, Blasentee trinkende Rentner beim Boule, 75-Jährige auf Kaffeefahrt, volle Arzt-Wartezimmer, Seniorenspielplätze und kranke, lustlose, sture, veränderungsfeindliche Mitarbeiter, die möglichst früh und schnell in die Rente wollen?

Oder haben Sie Menschen vor Augen wie Dietrich Mateschitz (Jahrgang 1944)? Er ist einer der Gründer und Anteilseigner von Red Bull und der aktuell reichste Österreicher, der 2016 mit RB Leipzig in die 1. Fußball-Bundesliga aufgestiegen ist und mit Platz 2 für Furore gesorgt hat. Vielleicht denken Sie aber auch den Rockmusiker Udo Lindenberg (Jahrgang 1946), der 2017 wieder mit 20 Konzerten durch die großen Veranstaltungshallen und Stadien getourt ist? Und was ist mit Ingeborg Rapoport (Jahrgang 1912), die in Berlin-Pankow lebt und 2015 – mit 102 Jahren – ihre Doktorarbeit verteidigte? Oder mit Margot Opferkuch (Jahrgang 1931), die 2012 – mit 80 Jahren – als Jungunternehmerin (Start-up) in Salzburg-Itzling ihre Apotheke „Zur Sonne“ eröffnete?1 Möglicherweise sehen Sie aber auch pensionierte Mitarbeiter oder ehemalige Kollegen, die mit viel Leidenschaft ihrem früheren Unternehmen weiterhin als Projektmanager und Mentoren zur Verfügung stehen, die ein Studium an der Universität absolvieren oder selbst ein neues Unternehmen gegründet haben. Sie merken schon, es geht in diesem Buch auch darum, welches Bild vom Alter und Älterwerden wir haben, wie ältere Menschen gesehen werden, was über sie gedacht wird und wie sie beurteilt werden. Denn unser Denken prägt naturgemäß unser Bild von Menschen, unser Verhalten ihnen gegenüber, unsere Ansprache und unseren Umgang mit ihnen. Warum aber wird es immer wichtiger, wie wir über ältere Menschen denken und wie wir sie sehen? Nun, wir alle sind heute Teil und Zeugen radikaler, wirklich radikaler demografischer Umbrüche, deren Konsequenzen überhaupt noch nicht abschließend absehbar sind. Dabei spielt die bis vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbare Verlängerung unserer Lebenserwartung und die rasant wachsende Zahl älterer Menschen eine herausragende Rolle. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass sich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse zwischen den Generationen unaufhaltsam zugunsten der älteren Menschen verschoben haben und sich auch künftig weiter verschieben werden. Die höheren Semester sind die aktuell einzigen zahlenmäßig wachsenden und im Durchschnitt vermögendsten Bevölkerungsgruppen. Das war vor gerade einmal 100 Jahren noch völlig anders. Es gab eine ausreichend große Zahl Neugeborener und dementsprechend viele junge Menschen. Mit zunehmendem Alter reduzierte sich die Zahl der Menschen, die Älteren gingen den Weg alles Irdischen. Das ist letztlich auch heute noch so, aber mit einer deutlichen zeitlichen Verschiebung ins höhere Alter verbunden. Grafisch wird diese Altersverteilung der Bevölkerung – die Altersstruktur – als Alters- oder Bevölkerungspyramide dargestellt. Vor 100 Jahren sah sie auch noch aus wie eine Pyramide. Damals war die demografische Situation einfach, klar, übersichtlich und schien dauerhaft sicher.

Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark verändert und ist am ehesten erkennbar, wenn man sich lange Entwicklungszeiten mit ihren Abweichungen anschaut. Deutlich rückläufige Geburtenzahlen seit Mitte der 1960er-Jahre führten naturgemäß zu immer weniger Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Gleichzeitig wuchs die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland von unter 50 Jahren Ende des 19. Jahrhunderts auf aktuell rund 80 Jahre, was wiederum zu einer permanent steigenden Zahl älterer Menschen führte. Die Bevölkerungspyramide wurde zur -glocke und nimmt immer mehr die Form einer Urne oder eines Dönerspießes an. Obwohl es also schon seit den 1960er-Jahren mit den deutlich abnehmenden Geburtenzahlen gravierende Veränderungen gab, beschäftigten Demografie oder das Älterwerden der Gesellschaft viele Jahrzehnte lang eher die Wissenschaft und Insider, waren aber kaum ein Diskussionsthema in Medien, Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik. Und obwohl das seit einem Jahrzehnt spürbar anders geworden ist, gibt es auch heute noch eine kaum nachvollziehbare Fixierung – insbesondere der Wirtschaft und der Unternehmen – auf die Jugend. Das ist zwar grundsätzlich in Ordnung, aber nur, wenn gleichzeitig der veränderten neuen Wirklichkeit ebenfalls Rechnung getragen wird.

„Man fürchtet das Alter, ohne dass man weiß, ob man alt werden wird.“

Jean de La Bruyère, 1645–1696, französischer Schriftsteller

Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sehen sich heute mit einer neuen, bisher unbekannten Konstellation konfrontiert. Bereits am 10. April 2008 titelte die BILD-Zeitung „Die Alten übernehmen die Macht“ und beschrieb die Rentner-Republik Deutschland. Das Wahlverhalten der Älteren entscheidet heute die politische Richtung. Keine Partei kann mehr ohne die Stimmen der älteren Semester Wahlen gewinnen, wenn jeder zweite Wähler über 50 ist. Und ohne ihre Bereitschaft zum Ehrenamt würden unzählige soziale Einrichtungen scheitern. Auch in den Kunden- und Belegschaftsstrukturen der Unternehmen hat sich der Anteil der älteren Generationen massiv vergrößert und wird weiter wachsen. Wenn die Älteren dann auch noch 25 Jahre länger leben als in der Mitte des letzten Jahrhunderts, verändert das massiv ihre Denk- und Verhaltensweisen wie auch ihr Konsumverhalten. So bestimmen die älteren Kunden heute schon die Existenz der Unternehmen in fast allen Branchen. Die früher gültige Formel „jung, reich und erfolgreich statt alt, arm und in Rente“, ist ein Auslaufmodell, weil sie an den heutigen demografischen Realitäten vollkommen vorbeigeht. Deshalb reicht die Gewinnung junger Kunden und Mitarbeiter für die Zukunftsfähigkeit nicht mehr aus. Gleichzeitig treten neue Bedürfnisse, Wünsche, Ansprüche und Erwartungen, aber auch Probleme, Engpässe und Herausforderungen auf, die es damals nicht gab, weil die Menschen schon gestorben waren. Das heißt aber eben auch, dass sich neue wirtschaftliche Chancen auftun, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat – selbstverständlich nur für denjenigen, der sie sieht. Bei einem Vortrag berichtete der deutsche Zukunftswissenschaftler und Berater für Politik und Wirtschaft, Prof. Dr. Horst Opaschowski, Folgendes:

„Nehmen wir ein aktuelles Beispiel, das mir kürzlich ein Hamburger Makler erzählt hat. Acht Rentner zwischen 62 und 92 zogen genervt aus einem Hamburger Altersheim aus und mieteten, über diesen Makler vermittelt, eine alte Villa am Ratzeburger See. Jetzt sparen sie dabei Geld, haben endlich wieder was zu tun, schmieden gemeinsam Reisepläne. Sie haben sich im Altersheim kennengelernt, schätzen gelernt, respektieren gelernt, das Altersheim ist für sie fast zum Sprungbrett für ein neues Leben geworden.“2

Die beschriebene Geschichte zeigt Chancen für den Makler und Finanzdienstleister, Umzugsunternehmen und Handwerker und viele andere mehr. Eine zentrale Herausforderung für jeden Anbieter besteht allerdings darin, dass die älteren Kunden heute deutlich anders kaufen als früher und vor allem völlig anders als junge Kunden. Deshalb gilt es, eine neue Ansprache und einen anderen Umgang mit selbstbewussten und anspruchsvollen älteren Menschen zu finden, den die meisten Unternehmen, Mitarbeiter und Verkäufer in der Vergangenheit nie lernen mussten. Hier braucht es die Einsicht, dass bei den heutigen Älteren die früher erfolgreichen Beratungs-, Kommunikations-, Marketing- und Vertriebskonzepte keine Wirkung mehr haben. Das folgende Beispiel macht die Herausforderungen im Umgang mit älteren Kunden und die großen wirtschaftlichen Risiken bei Fehlverhalten deutlich: Eine 74-jährige Dame ist seit einigen Wochen Witwe. Ihr Mann starb kurz nach der Goldenen Hochzeit. Er hatte sich in ihrer langen Ehe immer um die gemeinsamen Finanz- und Vermögensangelegenheiten gekümmert. Ein wenig hilflos und verunsichert geht die Dame einige Wochen später zum ersten Mal alleine zu ihrer Hausbank. Sie legt dem jungen Mitarbeiter am Schalter ein Sparbuch mit einem Guthaben von rund 250.000 Euro vor. Es ist auf ihren Namen und den Namen des verstorbenen Ehemannes ausgestellt. Sie legt den Erbschein dazu und bittet den Mitarbeiter, das Sparbuch umzuschreiben bzw. auf nur ihren Namen neu auszustellen. Dann beobachtet sie, wie der Mitarbeiter sich umdreht, an seinem Schreibtisch nach etwas sucht und mit einem dicken schwarzen Filzstift an den Schalter zurückkommt. Sie traut ihren Augen nicht. Der junge Mann streicht mit dem Stift den Namen ihres Mannes im Sparbuch durch, drückt einen Bankstempel daneben und gibt sein Handzeichen dazu. Die Dame ist entrüstet, schockiert und völlig außer sich. Sie ist zutiefst in ihren Gefühlen verletzt. Der Vorgang ist eine Tragödie für sie. Ihre Reaktion entspricht ihrem Empfinden: Sie kündigt, ohne zu zögern, die mehr als 40 Jahre bestehende Geschäftsverbindung, die ein Gesamtvolumen von mehreren Millionen Euro umfasst – wegen eines schwarzen Strichs. Es ist dieses und es sind unzählige andere Beispiele in diesem Buch, mit denen verdeutlicht werden soll, wie der Hase heute läuft. Ältere Menschen sind Konsumprofis, aber sie entscheiden und verhalten sich höchst emotional, wenig rational oder sachbezogen. Das tun Jüngere zwar auch, die Älteren aber aus anderen Gründen. Sie haben schon (fast) alles in ihrem immer längeren Leben erfahren – als Konsument, als Mitarbeiter, als Bürger, als Wähler, als Unternehmer. Sie lassen sich von niemandem mehr etwas vormachen und werden zunehmend radikaler in ihren Entscheidungen, wenn ihre Bedürfnisse und Erwartungen nicht erfüllt werden. Deshalb ist das erste Gebot für den Umgang mit ihnen, sie in allen Lebensphasen zu respektieren und ernst zu nehmen. In einer INSA-Studie beklagen sich allerdings zwei Drittel der über 50-Jährigen, „dass man sich zu wenig um sie kümmert“.3

Auch in den Belegschaftsstrukturen der Unternehmen hinterlassen die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen ihre Spuren: Das Arbeitskräfte-Potenzial schrumpft und die Alterskurve der Mitarbeiter weist deutlich nach oben. Diese Entwicklungen sind seit Jahren bekannt und lassen kaum Raum für Interpretationen oder Beschönigungen. Unternehmer und Führungskräfte sollten zur Kenntnis nehmen, dass eine noch relativ ausgewogene Altersstruktur ihrer Belegschaften der Vergangenheit angehört. Angesichts der knapper werdenden Ressource „Nachwuchskräfte“ und „Qualifizierte Mitarbeiter“ ist es wenig sinnvoll, die Sicherung der Beschäftigtenzahlen nur über den Wettbewerb auszutragen. Aufgabe der Personalverantwortlichen ist es, frühzeitig die Chancen der Alterung zu nutzen und neben anderen kreativen Lösungen auch für einen langfristig angemessenen Generationenmix zu sorgen. Alle neuen Studien und Forschungsergebnisse zeigen, dass es zwischen der Leistungskraft und der Motivation älterer Mitarbeiter sowie ihrem biologischen Alter keinen direkten Zusammenhang gibt. Beides hat aber umso mehr damit zu tun, ob erstens die Mitarbeiter in ihrer beruflichen Umgebung gefördert oder blockiert werden. Und ob zweitens die Betriebe bereit sind, die besonderen Fähigkeiten ihrer älteren Mitarbeiter zu identifizieren und aktiv zu nutzen. Denn statt die Potenziale einzusetzen und sie möglichst lange in den Unternehmen zu halten, stehen oft immer noch Jugendkult und frühzeitige Pensionierungen auf der personalpolitischen Agenda. Zu berücksichtigen ist die deutliche Verschiebung der Machtverhältnisse, weg von den Arbeitgebern hin zu den jungen und zunehmend auch zu den älteren Arbeitnehmern. Wer qualifizierte Mitarbeiter auch künftig unbedingt braucht, muss sich jetzt schon attraktiv für sie machen. Für die Beschäftigten selbst gilt, dass die früheren Lebens- und Arbeitsbiografien endgültig ausgedient haben. Sie werden nicht mehr dem starren Rhythmus von Lernen, Erwerbsarbeit und Ruhestand unterliegen, sondern deutlich mehr Brüche haben.

Im Buch halte ich am Begriff „50plus“ aus zwei Gründen fest: Erstens hat er sich etabliert in der Umgangssprache, ist aber letztlich nur eine statistische Größe. Zweitens, weil wohl jeder Mensch ein tiefes instinktives Bewusstsein und Erleben seiner sogenannten Lebensmitte hat. Keine Veränderung im Laufe des Lebens ist an einem Jahr bzw. Datum festzumachen, aber Geist und Körper senden Signale, und auch die Begrenztheit des eigenen Lebens tritt stärker ins Bewusstsein. Älterwerden ist nicht auf das Alter beschränkt. Von Geburt an, sagt der Heilige Augustinus, altern wir, es ist ein lebenslanger Prozess. Leben heißt, alt zu werden, nicht jung zu bleiben, es ist nichts Fixiertes oder ein für alle Mal Abgeschlossenes. Jeder Mensch kann, wenn er will, sich in jedem Alter noch verändern.

Seit der Jahrtausendwende fokussiere ich mich mit Leidenschaft und Herzblut auf die Chancen der gesellschaftlichen Alterung und den Erfolg bei und mit älteren Kunden und Mitarbeitern. Ich gebe Unternehmen Sicherheit in der Ansprache und im Umgang mit älteren Menschen. Ich gehöre selbst zur älteren Generation und kenne die Folgen des Älterwerdens aus exakt dieser Perspektive und Erfahrung sowie aus vielen Gesprächen mit älter werdenden Menschen. Im Laufe der Zeit habe ich ein tiefes Verständnis dafür entwickelt, wie Ältere denken und fühlen und warum Mitarbeiter sich so verhalten, wie sie sich verhalten, warum Kunden kaufen oder nicht kaufen. Mit diesem Buch will ich für ein neues Altersbild werben. Ich will Sie für eine Kunden- und Mitarbeitergruppe gewinnen, die wie keine andere unser aller Zukunft beeinflusst. Stellen Sie sich aktiv auf das Älterwerden ein. Aber tun Sie bitte alles, was Sie – für und mit älteren Menschen – tun, von Herzen und mit Herzlichkeit, mit Leidenschaft, Herzblut und Respekt.

Ihr Helmut Muthers

Die Strategie der 99 Kleinigkeiten

„Wenn ich manchmal bedenke, welch gewaltige Konsequenzen aus Kleinigkeiten resultieren – aus einer zufälligen Bemerkung, einem Schulterklopfen oder ein paar hingeworfenen Münzen an einem Zeitungsstand –, bin ich versucht zu glauben, dass es gar keine Kleinigkeiten gibt.“

Bruce Fairchild Barton, 1886–1967, US-amerikanischer Politiker und Schriftsteller

Feiern ist angesagt: Am 40. Hochzeitstag führt der Ehemann seine Frau in ein Sterne-Restaurant in die nahe gelegene Großstadt aus. Die beiden freuen sich schon lange auf diesen gemeinsamen Abend. Beim Betreten des Restaurants geben sie bei der Garderobenfrau ihre Mäntel ab. Weil der Restaurantbesitzer den Anlass kennt, bekommen sie den schönsten Tisch. Der Abend ist kurzweilig. Sie unterhalten sich bestens, genießen ein vorzügliches Menü, trinken einen edlen Tropfen Wein und erleben einen unbeschwerten, gelungenen Abend. Die gute Laune wird auch durch die Rechnung von über 150 Euro nicht getrübt, im Gegenteil, der bestens aufgelegte Kellner bekommt ein großzügiges Trinkgeld. Am Ausgang holt der Mann an der Garderobe die beiden Mäntel ab. Und dann der Schock: Die Garderobenfrau verlangt zwei Euro Garderobengebühr von ihm. Er zahlt wortlos und die beiden gehen. Er hätte der Dame sowieso ein Trinkgeld gegeben, aber dass der Preis vorgeschrieben ist, ist für ihn nicht akzeptabel. So war es das erste, aber auch das letzte Mal, dass das Ehepaar dieses Restaurant besucht hat. Sie erzählen vielen Freunden und Bekannten von ihrem Erlebnis. Wenige Jahre später liest der Mann in der Tageszeitung, dass das Restaurant wegen Insolvenz schließen musste. Viele Unternehmer hinterfragen ihre Geschäftsmodelle, ihren Service, die Verhältnismäßigkeit von Preis und Leistung nicht mehr. Über die Wirkung ihres Handelns auf Kunden denken nur die wenigsten nach. Diese fehlende Selbstreflexion ist oft der Grund dafür, dass die im Beispiel beschriebene Garderobengebühr als Grund für Ärger und das Fernbleiben von Gästen nicht wahrgenommen wird. Eine Statistik oder Erhebung über derartige „Kleinigkeiten“, die zu nicht abgeschlossenen Geschäften und fehlenden Umsätzen führen können, macht wahrscheinlich kein Unternehmen. Ob die Garderobenfrau eine beobachtete Reaktion der Gäste an die Geschäftsführung weitergibt, ist fraglich. Zu oft wird der Überbringer schlechter Nachrichten für die Nachricht verantwortlich gemacht. Ob der Restaurantbesitzer die künftig fehlenden Besuche dieser Gäste überhaupt bemerkt, ist genauso zweifelhaft. Viele ziehen sich häufig lieber auf die betriebswirtschaftliche Betrachtung zurück und führen entsprechende Argumente ins Feld: Zwei Euro für zwei aufbewahrte Mäntel, das sind aus der Innensicht oft „Peanuts“ und kein Grund, sich aufzuregen. Service kostet eben. Schließlich muss die Garderobenfrau ja auch bezahlt werden. Dass der Gast die Situation völlig anders einschätzt, wird oft nicht einmal erkannt, geschweige denn in Erwägung gezogen. Er sieht den Restaurantbesuch im Gesamtzusammenhang und im Beispiel wahrscheinlich die Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Sicht des Kunden ist entscheidend. Es ist seine Befindlichkeit, auf die es letztlich ankommt, nicht die betriebswirtschaftliche Sicht des Restaurantbesitzers. Die Emotionen des Kunden und sein Verhalten sind für den Besuch, die Umsätze und Erträge verantwortlich – nicht umgekehrt. Das ist knallharte Betriebswirtschaft. Wie sagte Jack Welch, der ehemalige CEO von General Electric, so treffend:

„Der Kunde vergleicht uns mit der Konkurrenz und stuft uns entweder als besser oder schlechter ein. Das geht nicht sehr wissenschaftlich vor sich, ist jedoch verheerend für den, der dabei schlechter abschneidet.“

Im Zweifel weiß eben niemand so genau, dass vielleicht die flapsige Antwort eines Mitarbeiters dazu geführt hat, dass potenzielle Kunden wieder gegangen sind und interessierte Personen, die davon gehört haben, abgeschreckt wurden. Der Koch eines Restaurants kann das beste Essen zubereiten – wenn nicht auffällt, dass der Kellner die Gäste unfreundlich behandelt, wird der Betrieb auf Dauer nicht lebensfähig sein. Wer die Loyalität seiner Kunden, aber auch seiner Mitarbeiter dauerhaft sichern will, muss sich die Sensibilität aneignen, sich selbst und alles, was sich in seinem Unternehmen und darum herum abspielt, immer wieder kritisch zu hinterfragen: Augenzwinkernde Zwischentöne der Kunden hören, Beschwerden ernst nehmen, mit den Mitarbeitern Erlebnisse austauschen und die berühmten Kleinigkeiten diskutieren, sind wichtige Schlüssel zum Erfolg. Es geht also darum, alles zu tun, was dazu beiträgt, dass sich Kunden und Mitarbeiter – aus ihrer Sicht – bestens aufgehoben fühlen und wohlfühlen. Entscheidend sind die leidenschaftliche Leistungs- und Servicebereitschaft, der wertschätzende Umgang mit Kunden und Mitarbeitern auf Augenhöhe, die verständliche Sprache und gute Umgangsformen. 78-seitige gebundene Hochglanz-Strategiepapiere der Geschäftsführung, ständig neue Vertriebskonzepte, neueste Technik und modernste Geschäftsausstattung sind vielleicht notwendiges Beiwerk, mit nachhaltigem Erfolg haben sie wenig zu tun. Haben Sie sich bei einer Übernachtung im Hotel auch schon über die sogenannten Sicherheits-Kleiderbügel geärgert? Warum verwenden Hotels diese Bügel, die für den Gast eine Zumutung darstellen? Weil alle Gäste offenbar unter Generalverdacht stehen, die normalen Kleiderbügel zu stehlen. Die versteckte Botschaft lautet: „Lieber Gast, wir freuen uns, dass du da bist, aber wir trauen dir nicht.“ Das ist fatal. Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen misstraut wird? Ältere Menschen hassen Misstrauen – viele buchen ein Hotel auch wegen solcher Kleinigkeiten kein zweites Mal. Warum bieten Hotels ihren Gästen die Kleiderbügel nicht als Werbegeschenke an? Ältere Kunden kaufen nur da, wo sie Respekt spüren, wo ihnen vertraut wird, wo sie sich wohlfühlen, wo sie begeistert werden durch die Art und Weise, wie sie empfangen werden, durch die Aufmerksamkeit, die sie spüren, die Bereitschaft zur Kulanz und vieles andere mehr. Ein streng reglementiertes Beziehungs- und/oder Beschwerdemanagement mit standardisierten Abläufen bietet hier keine hinreichende Sicherheit für beste Beziehungen. Eine entscheidende Rolle spielt eine empathische, individualisierte, auf die hohen Ansprüche Älterer gerichtete Ansprache. Auch Kleinigkeiten aus der guten alten Kinderstube wie ein Lächeln, die aufgehaltene Türe oder der Gruß am Samstagmorgen in der Fußgängerzone gehören dazu. Damit die Sensibilität in Ihrem Unternehmen erhalten bleibt und die Rahmenbedingungen konsequent weiter verbessert werden, sollten Sie die „Strategie der 99 Kleinigkeiten“ nutzen. Das ist kein kompliziertes Hexenwerk, sondern eine einfache Möglichkeit, sich kunden- und serviceorientiert weiterzuentwickeln. Ältere Kunden fragen sich heute immer öfter:

„Warum sollen wir ausgerechnet in diesem Geschäft kaufen und nicht bei einem Konkurrenzunternehmen oder gleich online im Internet?“

Auf solche gestellte oder gedachte Fragen müssen Sie vorbereitet sein, darauf sollten Sie Antworten haben und Leistungen anbieten, die Ihre Mitbewerber nicht haben. Im Folgenden ein Weg, wie Sie – immer gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern – Ihre 99 Kleinigkeiten finden:

1.Sie identifizieren die bereits vorhandenen Serviceleistungen, die für ältere Kunden kaufentscheidend sein können, zum Beispiel: „Wir liefern Ihre Ware pünktlich zum verabredeten Termin.“

2.Sie suchen und finden Garantien oder Versprechen für Ihre älteren Kunden, zum Beispiel: „Wir sind das Land des Lächelns für Sie.“

3.Sie entwickeln Ideen, die künftig zum Wohlbefinden Ihrer älteren Kunden beitragen sollen, zum Beispiel: „Für den Fall, dass Sie einmal Ihre Lesebrille vergessen haben, halten wir Lesebrillen in verschiedenen Dioptrien-Stärken für Sie bereit.“

Nutzen Sie Flipchart oder Pinnwände und halten Sie immer alle Ergebnisse schriftlich fest. Bieten Sie Ihren älteren Stammkunden 99 Gründe für eine erlebnisreiche und nützliche Zusammenarbeit mit Ihnen, die Weiterempfehlungen auslöst. Geben Sie Ihren Noch-nicht-Kunden 99 Gründe für die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu Ihnen. Beim Lesen des Buches werden Sie viele eigene Ideen entwickeln. Sie werden aber auch unzählige Tipps und Empfehlungen zur altersgerechten Ansprache und zum Umgang mit älteren Kunden und Mitarbeitern sowie zur Gestaltung begeisternder Kleinigkeiten finden. Die Ideen, die Sie umsetzen, haben das Potenzial, Sie zum Service-Weltmeister für Ihre älteren Kunden werden zu lassen. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt. Formulieren Sie später so, dass die Ideen zu Ihrem Geschäft passen. Seien Sie mutig. Nutzen Sie Fragen, die Sie zu neuen Ideen anregen, zum Beispiel:

„Was können wir tun, damit unsere älteren Kunden bei uns immer wieder etwas Besonderes, Begeisterndes, Einzigartiges, Verblüffendes, Überraschendes erleben?“

Hier fünf einfache Beispiele für Sie:

1.Bei uns sitzen Sie in Stühlen mit Armlehnen.

2.Wir sprechen Sie mit Ihrem Namen an.

3.Bei uns finden Sie gut erreichbare, barrierefreie Toiletten im Erdgeschoss.

4.Ab und zu bekommen Sie Post von uns. Lassen Sie sich überraschen.

5.Wir sprechen so mit Ihnen, dass Sie uns verstehen – Deutsch/Dialekt und ohne Fremdwörter.

Stellen Sie sich bitte vor, Sie geben Ihren älteren Kunden einen Katalog mit 99 Service- und Leistungsversprechen. Damit haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal und einen deutlichen Vorsprung gegenüber Ihrer Konkurrenz. Machen Sie es jetzt, bevor es alle tun.

Los geht’s mit Ihren ersten Ideen:

Teil 1

Die Alten sind unsere Zukunft

1. Kapitel

Historisch einzigartige demografische Veränderungen

„Nimm die Erfahrung und die Urteilskraft der Menschen über 50 heraus aus der Welt, und es wird nicht genug übrig bleiben, um ihren Bestand zu sichern.“

Henry Ford, 1863–1947, Gründer des Automobilherstellers Ford Motor Company

Seit wann sterben in Deutschland mehr Menschen, als im gleichen Jahr geboren werden? Eigentlich ist diese Tatsache in der jüngeren Vergangenheit Deutschlands eine wirkliche Zeitenwende, aber nur wenige haben sie auf dem Schirm. Wenn ich diese Frage bei meinen Vorträgen oder in Seminaren stelle, herrscht zunächst Schweigen und danach fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus: Seit den 1990er-Jahren, seit 2000 oder seit zehn Jahren. Die richtige Antwort weiß interessanterweise selten jemand und man kann es wirklich kaum glauben: seit 1972, dem Jahr der Olympischen Spiele in München, wobei ein Zusammenhang meines Wissens nie geprüft wurde. Einen Geburtenüberschuss gab es also zuletzt 1971. Damals wurden gut eine Million Kinder geboren, während im gleichen Jahr rund 965.000 Menschen gestorben sind. Den höchsten Geburtenüberschuss nach dem zweiten Weltkrieg gab es 1964 mit rund 487.000.1 Seit mehr als 45 Jahren existiert also in Deutschland ein Defizit zwischen Geburten und Todesfällen – ohne Unterbrechung, jedes Jahr. Das Jahr 1972 war ein demografischer Meilenstein. Der bis dahin vorhandene Geburtenüberschuss verwandelte sich zum ersten Mal in einen Sterbeüberhang. Sie fragen sich jetzt vielleicht, wieso diese Entwicklung nicht viel früher aufgefallen ist und nur unzureichend ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gelangte. Eine einfache Antwort könnte sein, dass es schon seit Jahrzehnten einen ausreichenden Wanderungssaldo, eine positive Differenz zwischen Zuwanderung und Abwanderung, gab. Das Geburtendefizit wurde dadurch immer wieder ausgeglichen, außer in den Jahren 2003 bis 2009.2 In diesem Zeitraum schrumpfte die Bevölkerungszahl. Über die quantitativen Veränderungen der Gesellschaft sind schon viele Statistiken und Berichte veröffentlicht worden. Ich will deshalb hier nur einige Zahlen, Daten und Fakten nennen, denke aber, dass sie zum Verständnis der massiven demografischen Veränderungen und vor allem der damit verbundenen Konsequenzen für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik beitragen können.

Die historisch höchste Geburtenzahl in Deutschland wurde 1964 mit 1.357.304 erreicht. Danach ging die Zahl bis Mitte der 1970er-Jahre auf knapp unter 800.000 sehr deutlich zurück. Sie erholte sich nur nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten noch einmal kurz auf gut 900.000 Geburten. Danach sank sie bis 2011 auf den bisher niedrigsten Stand von 662.685 weiter ab und stabilisierte sich zuletzt auf dem heutigen Niveau von über 700.000 Geburten pro Jahr. 2015 wurden 737.575 Kinder geboren.3 Seit ihrem Höchststand 1964 hat sich also die Geburtenzahl fast halbiert. Besonders interessant ist, dass in mehr als zwei Drittel der privaten deutschen Haushalte überhaupt keine minderjährigen Kinder mehr leben. Hätten Sie gedacht, dass es zum Beispiel in Berlin in 83 Prozent der Haushalte keine Kinder unter 18 Jahren mehr gibt? In München sind es ebenfalls 83 Prozent und in Leverkusen 75 Prozent (2015).4„Es ist dreißig Jahre nach zwölf.“ Darauf weist der Bevölkerungswissenschaftler Professor Dr. Herwig Birg in seinem bemerkenswerten Buch „Die ausgefallene Generation“5 schon 2006 hin, als er über die Veränderungen der Geburtenzahlen schreibt:

„Der wichtigste und schwerwiegendste Irrtum über die Natur der demographischen Veränderungen ist der Glaube, dass uns ein rascher Wiederanstieg der Geburtenrate auf 1,6, oder 1,8 oder zwei Kinder pro Frau vor dem Schlimmsten bewahren könnte. Aber es ist dreißig Jahre nach zwölf, heute kann selbst ein Anstieg der Geburtenrate auf die ideale Zahl von zwei Kindern je Frau die Alterung für Jahrzehnte nicht mehr abwenden. (…) Dass es ein demographisches Momentum mit irreversiblen Folgen gibt, ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis der Demographie. Wenn ein demographischer Prozess ein Vierteljahrhundert in die falsche Richtung läuft, dauert es ein Dreivierteljahrhundert, um ihn zu stoppen.“

Jugendliche unter 20 Jahre

Eine Folge der stark zurückgegangenen Geburtenzahlen ist dann natürlich auch ein Rückgang der Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. So reduzierte sich zum Beispiel die Zahl der unter 20-Jährigen von 1980 bis 2015 um mehr als sechs Millionen oder rund 30 Prozent. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung sank von 27 Prozent auf 18 Prozent.

Hat das Konsequenzen? Natürlich. Fragen Sie die Hersteller von Baby-(erst-)ausstattung, Kinder- und Jugendmoden, die Produzenten von Spielwaren, Möbeln, Schulranzen und Bobby-Cars. Die Kinder und Jugendlichen fehlen als Fahrschüler und Konsumenten von Nahrungsmitteln, Kleidung, Finanzdienstleistungen, Reisen, Autos oder Elektrogeräten. Dies hat naturgemäß auch gesellschaftspolitische Auswirkungen: Als Folge der beschriebenen Entwicklung ist die Zahl der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland deutlich gesunken: Im Schuljahr 2015/2016 gab es insgesamt 33.547 Schulen, das waren rund 7.000 oder 17 Prozent weniger als 15 Jahre zuvor.6 Und mehr als 370 Bäder sind in Deutschland seit 2007 geschlossen worden, weitere 670 sind von der Schließung bedroht. Darauf weist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am 21.10.2015 auf seiner Internetseite hin.7