Ab ins Netz?! - Katja Reim - E-Book

Ab ins Netz?! E-Book

Katja Reim

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Digitale Kompetenz schlägt digitale Demenz!

Hilfe: Mein Kind will vor den Bildschirm! Irgendwann ist es so weit, der Nachwuchs soll einen Einstieg in die digitale Welt finden. Eltern fürchten dort allerhand Gefahren – reale und weniger reale. Sich-Heraushalten oder Kontrolle scheinen oft die einzigen Alternativen. Katja Reim weiß, dass es auch anders geht. Sie erzählt mit viel Know-How und Selbstironie, wie man Kinder schon im Kindergartenalter auf virtuelle Spielplätze begleiten kann. Dann sind sie nämlich sicher unterwegs, wenn sie später nichts mehr auf den Rat der Eltern geben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 204

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Digitale Kompetenz schlägt digitale Demenz Früher oder später ist es so weit: Ihr Kind will vor den Bildschirm. Und dann? Ist die digitale Welt nicht voller Gefahren? Computersucht, Datenklau, WhatsApp-Terror und manches, was Sie als Eltern noch gar nicht kennen? Das alles gibt es. Doch Internet, Smartphone & Co können auch faszinierende Orte sein, um Nützliches und Wertvolles zu lernen oder Spaß zu haben. Und Ihr Kind wird zu diesen Orten aufbrechen. Ganz sicher. Die Medienexpertin Katja Reim zeigt mit viel Know-How und Selbstironie, was Sie tun können: Ihr Kind frühzeitig fit machen, damit es sich selbst schützen kann.

»Mit vielen Erfahrungen der Autorin gibt dieses Buch Eltern mit jüngeren Kindern praktische Hilfestellungen, wie der Einstieg in die digitale Welt gelingen kann.«

Martin Heine, Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt

»Vielfältige Anregungen für eine moderne Medienerziehung. Prädikat: empfehlenswert!«

Stefanie Rack, Medienpädagogin bei klicksafe

Katja Reim, geboren 1974, ist Journalistin, Mutter einer Tochter im Grundschulalter und von Natur aus neugierig. Seit Jahren bloggt sie über die gemeinsamen Aha-Erlebnisse in der virtuellen Welt. Sie ist vertreten auf zahlreichen Diskussionsrunden, Tagungen und Kongressen zum Thema Medienkompetenz.

www.meincomputerkind.de

Diana Meier-Soriat, 1976 geboren, ist Illustratorin und Mutter von vier Kindern. Sie lebt mit ihrer Familie in Bremen. Mithilfe ihrer »Sketchnotes« genannten Illustrationen können komplexe Prozesse und Ideen leicht verständlich visualisiert werden. Sie zeichnet live auf Konferenzen, gibt Workshops und bloggt regelmäßig unter www.sketchnotes-by-diana.com

Seit meine Tochter laufen kann, mache ich mir auch Gedanken über ihre ersten Schritte im Internet.

Für die Zeitung schreibe ich über jugendliche Opfer im Netz, über Cybermobbing, Spielsucht und fehlgeleitete Nacktfotos. Aber auch über Jugendliche, die im Internet ihre Ideen umsetzen und die Welt ein bisschen menschlicher machen.

Bald wird auch meine Tochter mit dem Smartphone im Kokon der Pubertät verschwinden. Wie kann ich sie darauf vorbereiten? Da die tragbare digitale Verlockung relativ neu ist, fehlen den Eltern Vorbilder. Die meisten Ratgeber zeichnen das Internet entweder als leuchtendes Paradies in Bitform oder als düstere Hölle in Pixeln, die die Kinder verdummt und krank macht.

Doch jedes Kind wird irgendwann mit dem Internet in der Hosentasche herumspazieren. Und spätestens in der Pubertät werden elterliche Ratschläge gern in den Wind geschossen … Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich meiner Tochter lieber frühzeitig das Meer zeigen sollte, das hinter den Buchstaben www anschwillt. Noch kann ich sie nämlich an die Hand nehmen und ihr die ersten Schwimmbewegungen beibringen. Ich will mein Kind stark machen, bevor es sich allein in die Wellen wirft. Ich will ihm beibringen, die digitalen Werkzeuge kreativ zu nutzen. Und ihm zeigen, wie es sich schützen kann, wenn ich es nicht mehr begleite.

Katja Reim

KATJA REIM

Ab ins Netz?!

Wie Kinder sicher in der

digitalen Welt ankommen und Eltern

dabei entspannt bleiben

Mit Sketchnotes von

Diana Meier-Soriat

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Copyright © 2017 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: Getty Images / Geber86;

Icons nach Illustrationen aus dem Innenteil

Lektorat: Imke Oldenburg

Satz: Leingärtner, Nabburg

Herstellung: Heidi Nübling

Illustrationen: Diana Meier-Soriat

e-ISBN 978-3-641-19793-3V001

www.koesel.de

lnhalt

Eltern, traut euch! Folgt eurem Bauchgefühl!

1   Erziehung ist Glückssache und Zeit relativ

2   Warum Werbung unglücklich machen kann

3   Alles nur gespielt: Hänsel setzt keinen Notruf ab

4   Datenleck im Kaufmannsladen

5   Es geht eine Puppe auf Reisen

6   Digitales Taschengeld

7   Mit Vertrauen und Vertrag zum eigenen Smartphone

8   Schick deinem Kind eine Spam

9   Bild dir (k)eine Meinung

10   Drum prüfe, was sich Quelle nennt

11   Wie privat ist die digitale Sphäre?

12   Von Herzen und Schmerzen

13   Spiele, die virtuellen Vergnügungsparks

14   Mädchen sind anders, Jungs auch?

15   Die kurze Geschichte des lnternets

16   Wem gehört das lnternet?

Danksagung

Anmerkungen

Eltern, traut euch! Folgt eurem Bauchgefühl!

Zum Abitur schenkte ich mir – nicht unbedingt zur Freude meiner Eltern – drei Jahre Zeit, das Leben zu erobern. Ich zog nach Berlin und liebte die Nacht. Später wurde ich Journalistin, arbeitete als Polizeireporterin und saß auch bei Müttern auf dem Sofa, die gerade ihre Kinder verloren hatten. Ich sah Angst, Verlust und Trauer. Ich spürte, wie schnell Alltag zerbrechen kann. Ich wollte leben, schnell und unbändig. Aus dem Vollen schöpfen. Und wenn ich einen sicheren Hafen brauchte, wusste ich, meine Eltern sind für mich da. Ich hatte keine Angst, etwas falsch zu machen. Ich folgte meinem Bauchgefühl von Abenteuer zu Abenteuer. Neue Jobs, neue Länder, neue Sprachen. Ich ging nach Peru, Ecuador, Mexiko, berichtete auch von Demonstrationen, Erdbeben und einem Militärputsch. Ich zog aus Liebe nach Barcelona, studierte und gab das gerade aufgebaute Leben für einen neuen Job in der alten Heimat Berlin auf. Ich fühlte mich mutig und unverwundbar.

Und dann änderte sich alles.

2007 wurde ich Mutter.

Plötzlich war ich verantwortlich für dieses kleine Lebewesen. Ich erinnerte mich an all die Mütter, bei denen ich auf dem Sofa gesessen hatte. Zum ersten Mal hatte ich wirklich Angst, etwas falsch zu machen. Zum ersten Mal verließ ich mich nicht auf mein Gespür. Ich war verunsichert. In den ersten Kindergartenjahren durfte Maria weder Ketten noch Kapuzenpullis tragen, weil die in seltenen Einzelfällen zur tödlichen Gefahr werden konnten. Ich saß nachts in der Notaufnahme, weil meine Kleine putzmunter, aber mit Flecken übersät war. Die übrigens kaum noch zu sehen waren, als wir dann endlich drankamen.

Trotzdem wuchs mein Baby zu einem aufgeweckten, kontaktfreudigen und glücklichen Kleinkind heran. So viel machte ich als Mutter also nicht falsch. Ich begann wieder auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Nur graute mir vor der Pubertät. Für die Zeitung schrieb ich über jugendliche Opfer des Internets. Da ging es um Cybermobbing, Spielsucht, fehlgeleitete Nacktfotos, unbedachte Worte, die aus der Virtualität zu tödlichen Tragödien führten. Aber auch um Jugendliche, die im Internet ihre Ideen umsetzten, ihre Talente auslebten oder die Welt ein bisschen menschlicher machten.

Es war absehbar, dass sich auch meine Tochter bald mit dem Smartphone im Kokon der Pubertät verpuppen würde. Wie konnte ich sie auf dieses Abenteuer vorbereiten? Da das Phänomen der tragbaren und permanenten Verlockung des digitalen Abenteuerlandes relativ neu ist, fehlen Vorbilder, an denen Eltern sich orientieren können.

Dazu kommt, dass die Digitalisierung die analoge Welt immer mehr verändert. Im Leben unserer Kinder wird sie eine immens wichtige Rolle spielen. Was das für Eltern bedeutet? »Wir bereiten Kinder auf Berufe vor, die es noch gar nicht gibt; Technologien nutzend, die noch nicht erfunden sind; um Probleme zu lösen, die wir heute noch nicht kennen«, meint der amerikanische Pädagoge Karl Fisch.

Doch die Ratgeber, die ich in den Händen hielt, zeichneten das Internet – je nach Autor – entweder als leuchtendes Paradies in Bitform oder als düstere Hölle in Pixeln. So wie Manfred Spitzer, der meint, Bytes & Co. sollten aus der Kindheit verbannt werden, weil sie Gift seien und verdummen und es wichtiger sei, Erfahrungen in der realen Welt zu sammeln, draußen zu spielen, sich mit Freunden zu treffen oder sich einfach mal zu langweilen.

Für meinen Geschmack ist dieser Ansatz zu kurz gedacht. Nicht, weil ich draußen spielen, basteln oder Freunde treffen unwichtig finde. Im Gegenteil.

Aber jedes Kind wird spätestens als Teenager mit dem Internet in der Hosentasche herumspazieren. Und die Pubertät – in diesem Punkt sind sich wohl alle einig – ist ein schwieriges Alter. Für Kinder und Eltern. Elterliche Ratschläge werden dann vom Nachwuchs in den Wind geschossen, was für dessen Entwicklung sogar ein gutes Zeichen sein soll.

Ich selbst hatte mich im Alter von elf Jahren zur Adoption freigegeben, weil meine Mutter auf die absurde Idee kam, ich müsse eine Mütze tragen. Im Winter! Das mit der Adoption klappte nicht, und ich musste die blöde Mütze aufsetzen – bis zur nächsten Straßenecke. Dann riss ich mir das Ding vom Kopf und steckte es in den Ranzen. Damals ging es nur um ein paar Mittelohrentzündungen. Heute steht mehr auf dem Spiel.

Deshalb halte ich es für mehr als gewagt, digitale Welt und Pubertierende zur gleichen Zeit erstmals aufeinander loszulassen.

Meine Intuition sagte mir, dass ich meinem Kind schon frühzeitig das Meer zeigen sollte, das hinter den Buchstaben www anschwillt. Noch kann ich es nämlich an die Hand nehmen und ihm die ersten Schwimmbewegungen beibringen. Ich will meine Tochter stark machen, bevor sie sich allein in die Wellen wirft. Ich will ihr beibringen, sich zu schützen, wenn ich sie nicht mehr beschützen kann.

Deshalb haben wir unserer Tochter von klein auf Medienkompetenz mit auf den Weg gegeben. Mit einer Frisuren-App lernte sie, dass Fotos manipuliert werden können. Seit der virtuellen Reise ihrer Puppe versteht sie, dass Fotos sich im Internet wie von Zauberhand vermehren. Sie bekommt digitales Taschengeld, um auch im Internet den Wert des Geldes zu verstehen. Zur Einschulung schenkten wir ihr ein eigenes Tablet und ein kleines Stück Verantwortung für dessen zeitliche Nutzung.

Von anderen Eltern bekam ich deshalb zu hören, dass wir verantwortungslos seien und die Kindheit zerstören würden. Um meine Beweggründe nicht dauernd aufs Neue erklären zu müssen, schrieb ich sie auf und stellte sie unter meincomputerkind.de ins Internet.

Inzwischen ist mein Blog eine Art Tagebuch, das erzählt, wie wir Maria Stück für Stück Medienkompetenz in ihren Rucksack legen, damit wir sie eines vermutlich nicht mehr allzu fernen Tages beruhigt in ihre Pubertät aufbrechen lassen können. Medienkompetenz nicht als Wissenschaft, sondern als Übertragung klassischer Fähigkeiten und Werte wie Urteilsvermögen, Respekt oder Empathie auf die virtuelle Welt.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Sie Ihr Kind richtig an die neuen Medien heranführen. Denn es gibt nicht den einen, den einzigen Weg. Jedes Kind ist anders, jedes Kind ist einzigartig. Jedes Kind hat eigene Bedürfnisse, eigene Fragen. Jedes Kind braucht eigene Leitplanken.

Mein Buch soll ein Kompass für digitale Exkursionen sein, mit dessen Hilfe Sie und Ihr Kind einen gemeinsamen Pfad entdecken. Ich möchte Ihnen helfen, auch in der digitalen Welt Ihrem Bauchgefühl zu vertrauen – und nicht Ihren Ängsten. Ich möchte Ihnen einige Anregungen geben, wie Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter spielerisch sowohl die Untiefen als auch die Möglichkeiten des Internets zeigen können.

Und ich verspreche Ihnen, dass der Weg vom analogen auf den digitalen Spielplatz ein aufregendes Abenteuer sein kann. Wenn Sie sich darauf einlassen, werden Sie viel Neues entdecken können. Gemeinsam mit Ihrem Kind.

1   Erziehung ist Glückssache und Zeit relativ

Als Maria noch so klein war, dass wir morgens zu den ersten Spielplatzbesuchern gehörten, saß ich mit meinem Kaffeebecher im Sandkasten und unterhielt mich mit einer anderen Kleinkindmutter. Das Gespräch in der Morgensonne plätscherte freundlich dahin, bis sie fragte: »Wie erziehst du denn deine Tochter? Nach der AP- oder der Gina-Ford-Methode?« Fast hätte ich mich am Kaffee verschluckt, so unvorbereitet traf mich die Frage. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach! Dabei war ich schon seit über einem Jahr Mutter! »Wie machst du es denn?«, fragte ich zurück, um meine Unwissenheit zu kaschieren. Während meine Gesprächspartnerin vom bedürfnisorientierten Attachment Parenting schwärmte und die feste Tagesplanung der britischen Krankenschwester Ford verdammte, pulsierte in meinem Kopf das Wort »Erziehungsmethode«. Es klang nach einem Gerüst, nach klaren Mustern, einem Masterplan. Und was hatte ich? Keine Struktur, geschweige denn einen Methode-Namen. Ich verließ mich nur auf mein Bauchgefühl, das oft genug gegen meine Ängste kämpfen musste.

Ich hatte es plötzlich sehr eilig und verließ mit Maria den Spielplatz. Auf dem Heimweg stieß ich an einem Straßenbaum auch noch auf einen Flyer, der für einen Kurs zum Erlernen einer Babyzeichensprache warb, »um die Sprachlosigkeit zwischen Kleinkindern und Eltern zu überwinden«. Obwohl meine Tochter zufrieden im Kinderwagen saß, war der Tag für mich gelaufen.

»Den Eltern wird heute ein Maß an Verantwortung und Mitsprache für ihre Kinder zugewiesen, das es in früheren Elterngenerationen so nicht gab«, beschrieb es in jener Zeit die Studie Eltern unter Druck. »Eltern stellen heute hohe Anforderungen an ihre Mutter- und Vaterrolle, sie haben das Bedürfnis und Pflichtgefühl, in der Erziehung alles richtig machen zu wollen.«1

Tatsächlich begegneten mir täglich so viele Fragen, Entscheidungen, Unsicherheiten, durch die ich mich schaufeln musste und die nicht weniger wurden. Im Job wie in der Erziehung. Da schien ein Gerüst, eine Methode verlockend.

Andererseits birgt jeder noch so durchdachte Plan potenzielle Enttäuschungen. Mit Kindern erst recht.

Als ich einmal versuchte, Marias Trotzphasen-Wutanfall mit »Wenn du nicht aufhörst, gehe ich« zu beenden und mich demonstrativ ein paar Schritte entfernte, blieb sie einfach auf dem Bürgersteig liegen. Da hatte dann ich das Problem und nicht sie. Immerhin lernte ich auf diese Weise ziemlich schnell, nicht mit etwas zu drohen, was ich nicht durchhalten kann – oder will.

Und das war bei Weitem nicht das einzige Mal, dass meine Tochter die gängigen Erziehungs-Konzepte ad absurdum führte. So zog ich ihr als Kleinkind bewusst keine typischen Mädchensachen an. Trotzdem war Maria schon früh sehr Mädchen, liebte die Farbe Rosa, Einhörner, lange Haare und fand Barbie toll, für mich ein in Plastik gepresstes sexistisches Frauenbild.

Um eine Blondinen-Invasion aufs Kinderzimmer zu vermeiden, hatte ich eine spontane Idee, als mir Maria im Spielzeugladen eine Barbie-Puppe zeigte. Statt ihr die Puppe zu verbieten, sagte ich: »Oh Gott, die Arme. Die ist ja so furchtbar dünn. Da krieg’ ich gleich Hunger.« Mein Kind fand das sehr lustig und legte die Puppe zurück ins Regal. Seitdem spürte ich in Barbies Gegenwart immer riesigen Hunger.

Trotzdem wünschte sich Maria sehnlichst einen gemeinsamen Ausflug zur »Dreamhouse Experience«, die 2013 in Berlin gastierte – eine Ausstellung, die ein lebensgroßes Barbie-Haus mit einem rosa Stöckelschuh-Brunnen davor präsentierte. Ich erfüllte ihr diesen Wunsch, auch wenn er eigentlich gegen meine Prinzipien verstieß. Es wurde ein schöner gemeinsamer Nachmittag, mit viel rosa, aber auch mit leuchtenden Kinderaugen (und leckeren Hotdogs).

Ich bin mir sicher, dass Kompromisse ein wichtiger Schlüssel zur Gelassenheit und zum zufriedenen Elterndasein sind. Der Kompromiss birgt die Chance, miteinander zu wachsen statt aneinander zu scheitern.

Auch Zeitempfehlungen von Medienpädagogen sehe ich deshalb nicht als starres Gerüst, das sklavisch angewendet werden muss, sondern als Vorgaben, die ich flexibel an unser Leben anlegen kann.

Die Zeitspanne, die kleine Kinder am Tag vor dem Bildschirm verbringen – dazu zählen neben TV-Geräten auch Computer, Smartphones und Konsolen – sollte eine halbe Stunde nicht überschreiten. Die Broschüre Mit Medien leben lernen – Tipps für Eltern von Vorschulkindern2 fasst die aktuellen Empfehlungen so zusammen:

→ Beim Thema Fernsehen wird geraten, dass Zwei- bis Vierjährige nur kurze Sendungen sehen sollen, nicht länger als eine halbe Stunde und vor allem nicht täglich.

→ Auch Hörspiele sollten für die Kleinen nicht länger als 20 Minuten sein und für die Vier- bis Sechsjährigen höchstens 40 Minuten dauern.

→ Zur Computernutzung heißt es, Kinder im Vorschulalter sollten nicht täglich spielen und nicht länger als 30 Minuten.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt, bei den Sechs- bis Zehnjährigen die Mediennutzungszeit auf täglich maximal 45 Minuten zu begrenzen. Und auch die Elf- bis Dreizehnjährigen sollten nicht länger als eine Stunde vor den verschiedenen Bildschirmen verbringen.3

Soweit die Theorie. Die Praxis sah bei uns schon früh etwas anders aus. Zu Kindergartenzeiten durfte Maria morgens vor dem Losgehen zehn Minuten werbefreie Kindersendungen schauen, damit ich einen Moment für mich hatte und in Ruhe meinen Kaffee trinken konnte. Davon erzählte ich allerdings selbst befreundeten Müttern nur hinter vorgehaltener Hand. Aus Angst, wegen dieser 600 Sekunden den Stempel »Mutter parkt Kind vorm Fernseher« aufgedrückt zu bekommen. Abends durfte sie noch den Sandmann schauen. Trotzdem überschritten wir die empfohlene Höchstzeit von einer halben Stunde regelmäßig. Gerade am Sonntag! Weil Maria keinen Mittagsschlaf mehr brauchte – ich aber schon. Deshalb durfte Maria mit ihrem Papa zum Ausruhen erst alte DEFA-Märchen und später auf KiKa das Sonntagsmärchen sehen, während ich mich zum Mittagsschlaf zurückzog. So setzten wir uns zwar über die gängigen Zeitempfehlungen hinweg, aber wir alle waren dabei glücklich.

Nachdem mein Mann und ich uns 2012 Smartphones zugelegt hatten, durfte Maria damit auch manchmal im Restaurant oder im Zug spielen, wenn sie keine Lust mehr zum Malen hatte oder wir uns in Ruhe unterhalten wollten. Die Blicke, die wir dafür ernteten, konnten einem das Handy in der Hand gefrieren lassen. Doch ich hatte mir lange Gedanken darüber gemacht, welche Apps ich meinem Kind anbot.

Ein mögliches Kriterium waren Auszeichnungen wie der Kindersoftwarepreis Tommi4 oder der pädagogische Interaktiv-Preis Pädi.5 Ein anderes waren die Empfehlungen der Berliner App-Entwicklerinnen Feli und Martina auf ihrer Internetseite ene-mene-mobile.de.6 Und ich informierte mich mittels der vom Ministerium für Bildung und Forschung geförderten Datenbank Apps für Kinder – Recherche7, in der Spiele bewertet und empfohlen werden; dabei werden sie auf Aspekte wie Mindestalter der Kinder, Lernerfahrung, Inhalt, Interaktionsmöglichkeiten und Werbung geprüft. Dort stieß ich auch auf eine App, die lange zu unseren Favoriten zählte: Puppet Pals, ein werbefreies Kreativ-Spiel, mit dem Kinder ganz leicht eigene Trickfilme basteln können.

Und wenn Maria allein oder mit ihren Freunden damit Trickfilme aufnahm, durfte sie auch länger als eine halbe Stunde das Smartphone und später das Tablet nutzen, weil ich fand, dass sie damit etwas kreierte. Beim Basteln kam mir ja auch nicht die Idee, nach einer halben Stunde zu sagen: Du musst jetzt aber die Schere aus der Hand legen, und ihrer Beschäftigung damit ein abruptes Ende zu setzen.

»Starre Zeitregelungen sind bei jüngeren Kindern vielleicht sinnvoll. Im Laufe der Zeit müssen die Eltern dann aber individuell entscheiden, was gut für ihr Kind ist. Dabei ist auch wichtig, ob es sozial gut verortet ist, Freunde und Hobbys hat«, meint der Medienpädagoge Ansgar Sporkmann vom Deutschen Kinderschutzbund im Gespräch. Wenn beispielsweise mal mit einem neuen Spiel stundenlang gezockt wird, sei das kein Weltuntergang. »In solchen Fällen kann man Ausnahmen fürs Wochenende vereinbaren. Meist legt sich die Begeisterung nach ein paar Tagen und die Spielzeit bewegt sich wieder im Rahmen.« Wenn Eltern aber merken, dass ihr Kind vor dem Rechner vereinsamt und kaum Freunde hat, sollten sie auch mit Mediennutzungsvereinbarungen gegensteuern (mehr dazu in Kapitel 7).

Wichtig ist auch, wofür Computer & Co. genutzt werden. »Eltern sollten beobachten und sich erklären lassen, was ihr Kind im Internet macht. Ob es sich berieseln lässt oder kreativ ist. Ob es spielt oder eine PowerPoint-Präsentation für die Schule erstellt. Ob es mit Freunden über das nächste Treffen chattet oder Hausaufgaben bespricht. So bekommen Eltern ein Gefühl dafür, wie ihr Kind die Bildschirmzeit verbringt«, mahnt Medienpädagoge Sporkmann an. Denn digitale Medien sind kein einseitiges Unterhaltungsmedium, sondern auch kreative Werkzeuge.

Und wie bei Nadel, Hammer oder Messer haben wohl alle Eltern ein mulmiges Gefühl, wenn ihr Kind zum ersten Mal danach verlangt. Jedes Werkzeug kann erschaffen oder zerstören. Trotzdem sollte man Kindern nicht in allen Details ausmalen, wie sie sich damit verstümmeln könnten, und sie so verunsichern. Bei digitalen Medien passiert das häufig, werden vor allem die Gefahren gesehen, das Kind so lange wie möglich vom Werkzeugkasten ferngehalten oder die Bastelzeit eingeschränkt. Ein Grund dafür ist sicher, dass nicht alle Erwachsenen mit ihnen so vertraut sind wie mit analogen Arbeitsgeräten. Wenn sie die in Kinderhände geben, helfen Eltern, werkeln gemeinsam mit dem Nachwuchs. Sie mahnen zwar zur Vorsicht, lassen die Kleinen aber ihre eigenen Erfahrungen machen und bewundern ihre Werke. Sie kleben Heftpflaster auf Wunden und ermuntern die Kinder, auch nach Rückschlägen weiterzumachen. Auf die gleiche Weise wollte ich Maria an den Computer heranführen.

Denn Eltern sind in den Anfangsjahren »beim Erlernen des Umgangs mit digitalen Medien die konkurrenzlos wichtigsten Akteure.«8 Kinder lernen die virtuelle Werkzeugkiste hauptsächlich dadurch verstehen, »dass sie ihre Väter und Mütter im (digitalen) Alltag beobachten oder ihre Eltern ihnen einzelne Anwendungen erklären.«9 Das ändert sich schnell, wenn das Internet als Smartphone in der Tasche steckt. Eltern spielen »als Ratgeber und Ideenlieferant bei Online-Themen ab dem 11. Lebensjahr der Kinder eine deutlich kleinere Rolle«. Dann hat das Wort von Freunden und Gleichaltrigen mehr Gewicht.

Deshalb wollte ich dieses knappe Zeitfenster nutzen, in dem ich für meine Tochter die digitale Autorität bin, Maria vorleben, dass das Internet weit mehr ist als Timelines, Unterhaltung, Nachrichten- und Entertainmentkanal. Ich wollte ihr zeigen, wie sie die neuen Medien für sich nutzen kann, ihre Neugierde wecken, ihre Kreativität und ihre Fantasie anregen.

Tipps dazu fand ich auch in dem großartigen Buch Netzgemüse,10 in dem Tanja und Johnny Haeusler, die Mitinitiatoren der Internetkonferenz »re:publica« und selbst Eltern Heranwachsender, für eine neugierige Erziehung der Generation Internet werben. Dort las ich auch zum ersten Mal von YouTube-Tutorials.

Wenn man beim Videoportal YouTube beispielsweise »Origami Blume« ins Suchfenster eingibt, bekommt man etliche Faltanleitungen. In den Videos wird Knick für Knick gezeigt, wie man ein Blatt zur Blume falten kann. Oft sind diese Lehrfilme von Jugendlichen aufgenommen.

Als Maria im Loom-Fieber war und fisplige Gummiringe zu Armbändern flocht, wollte sie auch ein Gummi-Tier basteln. Ich wusste nicht, wie das funktionieren sollte. Deshalb holten wir uns den Computer dazu, gaben bei YouTube »Hund Loom Deutsch« ein und bekamen von einem jungen Mädchen Gummi für Gummi den Weg zum gebastelten Vierbeiner erklärt. Dabei war die »Lehrerin« nicht im Bild, nur ihre Hände. Gemeinsam mit Maria sahen wir das Video, drückten immer wieder auf Pause und bastelten der Anleitung hinterher, bis sich nach zwei Stunden die Idee materialisiert hatte. In Marias Hand saß ein blaues Gummihündchen.

Als meine Tochter wissen wollte, wie Trickfilme entstehen, schlug ich ihr spontan vor, selbst einen zu machen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie das funktionieren sollte, vertraute aber aufs Internet. Zuerst bastelten wir mit Kieselsteinen aus dem Garten zwei Piraten, die sich streiten sollten, und dann fotografierte Maria Bewegung für Bewegung, meist aus der gleichen Perspektive. Als sie abends schon im Bett lag, trieb mich zwar die Beschäftigung mit der Frage, welche Software ich installieren sollte, zum Hyperventilieren, doch auch dazu fand ich bei YouTube wieder Rat. Selbst wenn einige der digitalen Experten – der Stimme nach zu urteilen – noch in keine Ü-18-Disko kommen würden, fühlte ich mich geborgen. Mit ihnen lernte ich, das Programm Windows MovieMaker zu benutzen. Den fertigen Film löschte ich. Dann wiederholte ich das Ganze, bis ich mich sicher genug fühlte, das neue Wissen an meine Tochter weiterzugeben. Viel Schlaf hatte ich in dieser Nacht nicht bekommen. Aber es lohnte sich. Mit meiner tatkräftigen Unterstützung klickte Maria am nächsten Tag ihre Fotos zu einem Trickfilm zusammen und meinte nach einer Stunde: »Ist ja babyeinfach«.

Für junge Filmemacher gibt es übrigens die Internetseite trickino.de, bei der sich Kinder anmelden können, um eigene Trickfilme zu erstellen, diese mit Gleichgesinnten zu teilen und sich von ihnen Tipps zu holen. Junge Fotografen können auf knipsclub.de kreativ werden. Dort lernen sie spielerisch die wichtigsten Regeln der Fotografie, aber auch was Urheberrechte und das Recht am eigenen Bild sind, wird thematisiert. Darüber hinaus können sie in der passwortgeschützten Community eigene Fotos hochladen, liken und kommentieren.

Fotos sind überhaupt eine tolle (und einfache) Möglichkeit, um gemeinsam die digitale Welt zu erkunden, ohne die analoge aus den Augen zu verlieren. Man kann bei Ausflügen die Kinder fotografieren lassen und, wieder nach Hause gekehrt, aus den Bildern eine Collage zusammenstellen. Oder ein kleines Bestimmungsheft basteln, mit Fotos der Bäume und Blumen, neben die die gesammelten und getrockneten Blätter geklebt werden. Man kann mit Licht malen, indem die Kinder im Dunklen die Taschenlampe schwenken und davon ein Bild mit langer Belichtungszeit aufnehmen. Und daraus dann beispielsweise ein Foto-Buch erstellen.

Meine Mutter war die erste in der Familie, die mit Hilfe von Fotobuchsoftware, die sich gratis im Internet herunterladen lässt, aus unseren digitalen Erinnerungen analoge Alben und Kalender herstellte.11 Am längsten dauerte dabei die Vorauswahl der besten Bilder aus den unzähligen Fotos, die wir im Alltag mit Smartphone und Digital-Kamera gemacht hatten. Ich fand das Ergebnis toll und fing an, ebenfalls regelmäßig die besten Fotos virtuell in Alben und Küchenkalender zu sortieren. Maria beobachtete mich dabei, durfte ab und an Sticker oder Fotos auf den Seiten platzieren.

Eines Tages wollte sie selbst ein Fotobuch zusammenstellen. Am Anfang brauchte sie noch etwas Hilfe, doch sie verstand das System schnell und war geschickt im Umgang mit der Computermaus. Sie wählte die Hintergründe, suchte die Fotos aus, ordnete sie an, setzte Sticker-Akzente und schrieb Seitentitel. Zeit spielte in diesem Moment keine Rolle! Maria durfte so lange am Laptop sitzen, bis sie mit ihrem Album fertig war.

Manchmal nehmen wir den Computer – in Form des Smartphones – sogar mit zum Spazierengehen. Als Werkzeug und Schatzkarte. Versteckt in Parks, an Straßenkreuzungen, unter Bänken und in Mauerspalten warten nämlich kleine Schätze auf Handy-Detektive. Die digitale Schnitzeljagd nennt sich Geocaching.