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Schon immer interessierten sich die Menschen für das, was die Zukunft bringen wird. Das war in der Vergangenheit und ist auch in der Gegenwart des Jahres 2019 noch so, in der Markus, Magdalena und Paulo von Visionen verunsichert sind. Doch was haben diese Visionen zu bedeuten? »Der Mix der verschiedenen Visionen halten den Leser in einer ständig anhaltenden Spannung und lassen eine mystische Geschichte entstehen, die Kultstatus erlangen könnte!« Doreen Douglas »Pflichtlektüre für Jeden, der am Leben interessiert ist!« David Vandeven Zitiert aus dem e-Book: »Wünsche«, sagte Magicus, als er mit meiner Einweihung in die Geheimnisse der Abakkaner fort fuhr, »sind positive Gedanken, die wir uns machen, wenn wir uns nach etwas sehnen, das wir im Moment nicht besitzen! Und Ängste sind negative Gedanken, die wir haben, wenn wir wollen, dass etwas nicht geschieht. Der Gedanke ist immer der Vater aller Dinge. Die meisten Imbarer kennen diesen Satz, aber kaum einer kennt die wahre Bedeutung, geschweige denn die gewaltige Tragweite dieses Satzes, denn mit einem Gedanken fängt Alles an!« »Alles! Jeder Gedanke, den Du je gedacht hast, jede Phantasie, die Du Dir erlaubt hast, alle Worte, die Du je gesprochen hast, sind entweder schon wirklich eingetreten oder warten noch in Deinem Unterbewusstsein darauf, Deine Wirklichkeit zu werden. Gedanken sind die wahren Lebensspender, denn sie sterben niemals und können nie zerstört werden. Du hast sie benutzt, um jeden Augenblick Deines Lebens zu erschaffen…«
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Seitenzahl: 317
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Er blickte in die Nacht und sah die dunklen Wolken, die am Horizont aufzogen. In weiter Ferne hörte er ein leises Donnergrollen. Blitze erhellten den tiefschwarzen Nachthimmel. Der Wind zerzauste seine lange schwarze Lockenpracht, die bereits von grauen Strähnen durchzogen war. Er hob den Kopf und blickte über das Tal seiner Jugend, das unter der dunklen Wolkendecke verschwunden war. Er sah wieder helle Blitze, denen weiteres Donnergrollen folgte. Immer stärker wurden die Windböen und über dem Tal braute sich ein heftiges Gewitter zusammen. »Vater, hilf mir. Vater, vergib mir!« schrie das einsame, männliche Wesen in den schwarzen Wind.
»Warum hast Du mich in diese Welt verbannt? Hast Du mich vergessen? Ich bin einsam! Wie lange willst Du Dich denn noch vor mir verbergen? Wie lange sollen mich die Sorgen quälen, der Kummer Tag für Tag an meinem Herzen nagen? Mach es wieder hell vor meinen Augen, damit ich nicht weiter in diesen endlosen Todesnächten versinke. Vergib mir, denn ich wusste nicht, was ich tat!« Ein unbeschreiblicher Schmerz sprach aus diesen verzweifelten Rufen. Der Einsame verstummte, lauschte in den Wind und hoffte inständig, eine Antwort zu bekommen. In seinen Augen brannte das dunkle Feuer seiner Qualen. Nichts. Keine Antwort. Und plötzlich diese Stille. Dieses gnadenlose, dröhnende Schweigen tief in ihm, das selbst das Heulen des Windes und das Grollen der Donner nicht übertönen konnte.
»Du warst der Erster Sohn!« hörte er auf einmal eine drohende und doch vertraute Stimme in seinem Kopf. Sie war so plötzlich da. Er zuckte zusammen und erschrak. »Aber Du hast Dich gegen uns gestellt. Nicht ich war es. Du hast deinen Bruder und Deine Schwester verraten. Hast Du vergessen, was geschehen ist?«
Während sich diese Worte in seinen Kopf hämmerten und einen stechenden Schmerz hervorriefen, musste er für wenige Sekunden die Augen schließen. Er presste beide Hände gegen seine Schläfen und versuchte so den schmerzlichen Druck zu mindern, der seinen Schädel fast zu zersprengen drohte. Als er seine Augen wieder aufschlug, sah er ein Bild, das ihm der Vater in seine Erinnerung rief und nie mehr vergessen sollte: »Sein Bruder wurde von Barbaren gefoltert und ausgepeitscht, bis die Wunden so tief waren, dass man bis auf die Knochen sehen konnte. Seine Schwester wurde von denselben über mehrere Stunden gequält und entwürdigt, bis ihre lautlosen, schmerzvollen Schreie verstummten.« Zeitlich konnte er diese schrecklichen und grausamen Bilder nicht mehr zuordnen. Zulange war es her, dass er dieses Szenario aus seinen Gedanken verbannte.
»Sieh genau hin oder kannst Du es nicht ertragen, dass Dein Bruder bei lebendigem Leibe entmannt und deiner Schwester der Unterleib aufgeschnitten und ihrer Weiblichkeit beraubt wurde. Diese Barbaren haben Deinem Bruder und Deiner Schwester ihrer Bestimmung beraubt. Sie sollten unsere Blutlinie auf Imbara fortführen und Du warst es, der beide verraten hat!«
»Ich... ich will es nicht sehen!« stammelte er und schlug jetzt beide Hände vors Gesicht. Aber die Erinnerung, die ihm sein Vater ins Gehirn implantierte, verschlang ihn und zog seinen Geist unerbittlich in ihren Sog. Er hatte dies verursacht! Er war Schuld an dem Verderben, das über seinen Bruder und seine Schwester hereingebrochen war.
»Was ist mit Deinen Geschwistern?« bohrte die Stimme des Vaters weiter. »Ist Dir bewusst, dass sie seit Jahrhunderten immer wieder Inkarnieren, sich dann durchs Leben schlagen, um zu Sterben und aufs Neue zu Inkarnieren. Beide wurden ihrer wahren Bestimmung die Welt zu retten, indem sie fried- und liebevolle Nachkommen zeugen, beraubt und Du hast das alles zu verantworten. Dir habe ich die Zeugungsfähigkeit genommen, weil tief in Dir das imbarisch Böse schlummert. Ich konnte nicht wissen, dass Du das Böse auf Imbara bringen würdest, in dem Du die Imbarer mit Deinen Gedanken verseuchst und sie dadurch immer mehr ihren Glauben an das Gute, an die Wahrheit, an die Einheit und an die Schöpfung verloren haben. Ich sollte Dich deshalb bis in alle Ewigkeit verfluchen und von Imbara verdammen!«
»Neeeeeein!« Sein entsetzter Schrei kam aus der Tiefe seines Herzens. Er zitterte vor Angst. Ihm war, als zerrissen Schmerz und Furcht sein Inneres. »Tu mir das nicht an, Vater! Es muss doch einen Weg geben meinen Bruder und meine Schwester zu retten. Sie sind auch mein Fleisch und mein Blut, sie sind auch ein Teil meiner Seele!«
»Du hast Recht. Es muss ein Ende haben! Ich muss die Antwortlose Zeit beenden! Es ist an der Zeit die imbarische Welt vom Bösen zu befreien und deshalb sollte ich diese Welt als aller Erstes von Dir befreien!« drohte die Stimme.
»Neeeeeein!« schrie der Einsame voll tiefster Furcht. »Ich bin bereit, alles wieder gut zu machen. Vergib mir, Vater, bitte vergib mir!«
»Was bist Du bereit zu tun?« Für einen sich endlos ausdehnenden Augenblick herrschte gespannte Stille. Seine Gedanken suchten fieberhaft nach einer Lösung. Nichts! In seinem Kopf war nur diese gedankenlose Leere. Dieses tiefe, schwarze Loch in seinem Kopf, das er immer hatte, wenn er nicht mehr wusste, wie es weiter gehen sollte.
»Was bist Du bereit zu tun?« bohrte sich die Stimme des Vaters erneut in seinen Schädel.
»Alles, Vater!« antwortete er. »Ich bin bereit alles zu tun. Nur sag mit bitte, was ich tun kann? Hilf mir, Vater. Vergib mir, Vater und zeige mir den Weg zur Befreiung meines Bruders und meiner Schwester!« Während die letzten Worte über seine Lippen kamen, hob er den Kopf und suchte mit beschwörenden, flehenden Blicken den wolkenverhangenen Himmel ab. Plötzlich zuckte ein gewaltiger Blitz auf, dem direkt ein heftiger Donnerschlag folgte. Geblendet schloss der Erste Sohn die Augen und erbebte innerlich vor Freude, denn er spürte, dass der Vater ihm noch eine Chance geben würde.
»So soll es geschehen, Markus. Zuerst wirst Du allerdings nur noch durch die Nächte wandern und das Sonnenlicht nicht erblicken! Ich werde Dir auch die Gabe nehmen, die Imbarer weiter mit Deinen grausamen und unmenschlichen Gedanken zu infizieren. Du hast Genug Leid über sie gebracht. Damit ist jetzt Schluss. Außerdem wirst Du einsam und allein sein wie »Der Graue Wolf« durch die Nächte wandern und ich werde Dich von Zeit zu Zeit daran erinnern, welche schrecklichen Taten Du vollbracht hast, immer wenn Du den Geist und den Körper eines Imbarers besetzt hattest! Zuerst sollst Du leiden, wie aber Millionen Imbarer, die wegen Dir gelitten haben und zu gegebener Zeit, werde ich die Antwortlose Zeit beenden!«
Ein tonnenschwerer Stein fiel Markus vom Herzen. Auch er hatte so lange gewartet, war im Unklaren über die Zukunft seiner Familie und endlich war die ersehnte Stunde gekommen.
»Ich warte so lange es dauert, Vater!« rief er. »Der Kreis unserer Familie wird sich endlich wieder schließen! Ich warte und werde geduldig sein, solange es dauert!« Er erhielt keine Antwort mehr, aber er wusste, dass der Vater da war und ihn beobachtete. Die Zeit würde kommen, in der er wieder mit seinem Bruder und seiner Schwester vereint sein würde. Er breitete seine Schwingen aus, hob vom Felsen ab und ließ sich vom Wind hinauf in den grauen Wolkenhimmel tragen. Im nächsten Moment teilten sich die Gewitterwolken und die ersten hellen Mondstrahlen traten hervor. Sie überzogen das Tal seiner Jugend mit einem intensiven, brillantweißen Licht. Die Würfel waren gefallen und »Die Epoche der Antwortlosen Zeit« sollte beginnen. Eine Epoche, die den Beginn von etwas Neuem einläuten sollte…
Die Geschichte, die ich heute zu erzählen weiß, beginnt in Abakkana, das uns irdischen Wesen von Imbara heute nicht mehr bekannt ist. In einer Zeit, die lange vor der unseren liegt, als die Götter noch mit uns sprachen und als die Oberfläche der Erde, also die bewusste Welt Imbara, noch von Helden besiedelt war, hatten wir ungehinderten Zugang zu dieser einzigartigen und mystischen Welt. Abakkana wurde zum Zentrum eines idealen Ganzen, einer Göttlichkeit, umgeben von Wärme inmitten der unendlichen, arktischen Eiswüsten.
Der Weg dort hin ist sehr beschwerlich und führt uns über die Alba Montis – die weißen Berge – des Polarplatos, über den Montana de Fortuna – der Glücksberg – welcher sich in der Region um das Terra de Regina in der Antarktis befindet. Immer wieder waren Imbarer auf der Suche nach dem geheimen Zugang von Abakkana und glaubten den Pol erreicht zu haben, wurden aber durch das eigenartige Verhalten ihrer Kompasse getäuscht, die in diesem Gebiet anfingen durchzudrehen. Vom 70. bis 75. Breitengrad Nord und Süd ab wölbt sich die Erde nach innen. Auf Imbara wäre der Pol also gleichbedeutend mit dem magnetischen Kreis rund um die Polaröffnung.
Ein imbarischer Forscher, namens Richardo, unternahm vor einigen Jahrzehnten eine Reise zum Pol und zum ersten Male konnten die Imbarer nun wirklich »Pol« sagen, denn es steht fest, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch kein anderer Imbarer in der Lage war, die Pole, die ja keine auf Imbara genau festliegenden geographischen Punkte sind, zu erreichen, da diese ja nicht außen, sondern innerhalb der Erde liegen. Richardo stellte fest, dass beim Überschreiten der angegebenen Breitengrade, der Kompass dazu neigte, nach oben zu zeigen. Das kommt daher, weil er ins Erdinnere eingetreten war und dass die Kompassnadel weiterhin versuchte den magnetischen Pol anzuzeigen.
Der physische Pol liegt also im Luftraum des Erdinneren. Die Erde ist in ihre beiden Extreme gespalten und nach innen gekrümmt, so dass jemand, der diese nicht sichtbare Grenze überschreitet, sich, ohne es zu bemerken, im Innern des Planeten befindet. Du merkst es nicht, dass Du in die Erde eingetreten bist. Wenn Du dich nämlich in einer der Erdoberfläche entgegengesetzten Lage befindest, hast Du immer noch das Gefühl oben zu sein. Das kommt daher, dass sich das Schwerkraftzentrum in der Mitte der Erdrinde befindet. Die Imbarer selbst haben ja auch nicht den Eindruck, dass sie mit dem Kopf nach unten im All hängen, obwohl das doch tatsächlich der Fall ist. Auch ein Seefahrer merkt nicht, dass er die Erde ringsum umschifft. Es scheint ihm so, als ob er sich immer auf einer geraden Linie bewege.
Dort ist also einer der Eingänge in das mystische und sagenumwobene Abakkana. Er liegt in der Region der Valles de Umbra hinter dem Montana de Fortuna und wird seit Jahrtausenden vom großen, weißen Yeti bewacht. Der Yeti ist ein bärenartiges Wesen. Er ist schneeweiß, über vier Meter groß und ungefähr 300 Kilogramm schwer. Einige imbarische Forscher verneinen die Existenz des legendären Schneemenschen und behaupten, dass es sich bei dieser mythologischen Kreatur um den Tibetanischen Braunbären – »Ursus arctos pruinosus« – handeln muss. Andere wiederum behaupten, es könnte nur der ausgestorbenen »Gigantopithecus« sein, der vor ungefähr einer Million Jahren im Norden Indiens und Süden Chinas lebte und in den Geschichten mancher Imbarer immer noch sein Unwesen treibt.
Ich kann dazu nur sagen, dass der Yeti lebt und sich bei vollen Kräften befindet. Ich sehe ihn regelmäßig, da ich ständig zwischen Abakkana und Imbara wandle, die Geschichte Abakkanas zu erzählen weiß und diese auf Imbara für dich aufschreibe. Seine Aufgabe ist es, den unbefugten Zutritt ins Abakkana zu verweigern.
Die Schwerkraft ruht in der Mitte der Erdrinde, die eine Dicke von 800 Meilen hat. Jenseits davon ist Luft, die innere Erdhöhlung. Auf der Rückseite der Erdrinde gibt es Kontinente und Meere, Wälder, Berge und Flüsse, die von einer in längst vergangenen Zeiten dorthin gelangten, einzigartigen Rasse bewohnt werden, welche die Imbarer als die legendären Abakkaner fast schon vergessen haben. Nur noch wenige »Eingeweihte« sind über deren Existenz informiert und wurden in die Geheimnisse eingeführt. Ihre Zivilisation ist viel weiter fortgeschritten als die auf der Oberfläche der Erde. Dort befindet es sich also: Das mystische Abakkana, von dem die Tibeter und Mongolen als dem Sitz des Königs der Welt und dem Sitz des Königreiches der Priester sprechen. Das ist jenes uneinnehmbare Paradies, das aus dem Wasser der inneren Erde die Eisberge entstehen lässt. Sie bilden sich durch die Gewässer und Flüsse innerhalb der Erde, die beim Erreichen der Polöffnung gefrieren. Dadurch erklärt sich für die Imbarer die Tatsache, dass die Eisberge inmitten dieser Salzwasserweltmeere aus Süßwasser bestehen.
Das ist auch der Grund dafür, dass im Winter die Sonne in der Nähe des am weitesten nördlich oder südlich gelegenen Punktes unsichtbar ist oder das der Polarschnee und die Eisberge zuweilen von Blütenstaub, der aus dem Erdinneren kommt, gefärbt sind, weil die Erde nämlich keine Kugel ist. Und auch die Nordlichter! Sie entstehen als Widerschein der Zentralsonne, die sich im Zentrum der Erde befindet und deren Strahlen quer durch die Polöffnung hindurchscheinen. Sie ist kleiner als die äußere Sonne, welche die Imbarer kennen. Die Erde war ursprünglich eine aus geschmolzenen Metallen bestehende Feuerkugel und so ist von diesem Feuer ein Teil in ihrem Mittelpunkt verblieben, während die infolge der Achsumdrehung auftretenden Zentrifugalkräfte bewirkten, dass die feste Materie nach außen gestoßen und eine feste Rinde gebildet hatte, wobei im Innenhohlraum ein feuriger Körper als Zentralsonne zurückblieb, die den darin befindlichen Pflanzen und Tieren sowie den Abakkanern als Lichtquelle dient.
Die Imbarer müssen sich von ihrer gängigen Anschauung, die Erde sei eine feste Kugel und ihr Mittelpunkt bestünde aus geschmolzenem und glühendem Eisen, freimachen. Wenn die Erdrinde eine Dicke von 800 Meilen hat, dann müßte das geschmolzene Eisen einen Durchmesser von 7.000 Meilen und einen Umfang von 21.000 Meilen haben. Die Erdoberfläche beträgt 197 Millionen Quadratmeilen und ihr Gewicht wird mit sechs Trilliarden Tonnen berechnet. Wäre die Erde eine feste Kugel, so müßte ihr Gewicht weitaus größer sein. Die Imbarer müssen endlich akzeptieren, dass das innere der Erde hohl ist.
Auch von der Anschauung, dass es heißer wird je weiter man ins Erdinnere gelangt, müssen die Imbarer sich verabschieden, denn nur bis zu einer Entfernung von 100 Meilen steigt die Temperatur an, um sich dann wieder zu verringern. Die Wurzeln der Vulkane, die es auf Imbara gibt, entstehen also in der Erdrinde und nicht im Inneren der Erde, denn dort, in Abakkana, herrscht ein gemäßigtes Klima, so wie es auf der äußeren Erde vor der Achsverschiebung und dem Polsprung war. Das heißt, dort herrscht noch das Goldene Zeitalter, das Zeitalter der Sonne vor. Da die Schwerkraft innen geringer ist, entstehen gigantische Körperformen und die Abakkaner verzeichnen eine enorme Langlebigkeit. Wer dorthin kommt, der gewinnt den Eindruck, als ob er in die Ewigkeit gelangt sei, in einen verzauberten Kontinent, in den Himmel.
Richardo hatte es fertig gebracht 1.700 Meilen in den Hohlraum der inneren Erde einzudringen. Er berichtete der Welt auf Imbara, dass in den Tiefen eine dauernde Lichtquelle existiere, eine immer währende Beleuchtung durch ein uns unbekanntes weißes Licht, bei dem es sich jedoch nicht um Elektrizität handle. Außerdem bezeichnete er die unterirdische Welt als bezaubernden Kontinent im Himmel, als eine Erde voller tiefer Geheimnisse. Er entdeckte Ländereien, Meere, Kontinente, unbekannten Pflanzenwuchs und eine auf der Erdoberfläche nicht vorhandene Tierwelt. Ihm war es vergönnt, in das Innere der Erde voranzuschreiten. Ihm war es vergönnt, in ein anderes Universum einzudringen. Für einen kurzen Moment. Nämlich genau so lange, bis er vom großen, weißen Yeti wieder hinaus geworfen wurde.
Dort lebt sie also, die allwissende Rasse, die legendären Abakkaner. Sie sind ein fröhliches und sehr soziales Volk. Jeder kümmert sich um jeden und alle sind zu jeder Zeit füreinander da. Die männlichen Abakkaner sind zwischen 250 und 300 cm groß von schlanker und muskulöser Statur. Ihr Mund ist sehr schmal und gleichzeitig aber sehr breit, der, wenn sie lachen, was sehr oft geschieht, bis zu ihren Ohren reicht. Mitten in ihrem Gesicht thront ihre Nase und direkt darüber befinden sich zwei große, runde Kulleraugen.
Die weiblichen Abakkaner haben eine zierlich, schlanke Figur und sind zwischen 200 und 250 cm groß. Ihre Gesichter sind feiner und hübscher als die der Männer. Ihre Nase ist etwas zarter und ihr Lachen ist noch ansteckender, als das der männlichen Abakkaner.
Die Größe der Abakkaner ist auch einer der Gründe, warum in verschiedenen Mythen und Legenden auf Imbara immer wieder von riesenhaften, menschenähnlichen Wesen berichtet wird, die unter der Erde leben. So singen die imbarischen Eskimos beispielsweise heute noch in einem Volkslied:
»Sie sind groß und Furcht einflößend, die menschenähnlichen Wesen im Erdinneren!«
Die Vorfahren der Abakkaner haben in grauer Vorzeit die Gefahren und Anstrengungen auf sich genommen, um vor den Imbarern des Römischen Reichs zu fliehen, da sie von diesen verfolgt wurden. Sie wollten sie vernichten! Es war ein junges Paar, dem die Flucht in grauer Vorzeit gelang: Dem Imbarer Trebas und der Imbarerin Amares. Sie bewältigten diesen beschwerlichen, fast unmöglichen Weg durch die dunklen Wälder des Valles de Umbra und über den vereisten und kalten Montana de Fortuna, am Yeti vorbei schleichend, bis sie eines Tages das Abakkana im Inneren der Erde erreichten. Dort ließen sie sich nieder. Zu Ehren ihrer Vorfahren bekommen deshalb die ersten Kinder der Abakkaner deren Namen. Der erste Sohn wird Trebas und die erste Tochter Amares getauft.
Viele hundert Jahre später beginnt eine der Geschichten, die ich, Argon Avedias, von Abakkana zu erzählen weiß, am Tag der Sonnenwende, in einer Zeit, in der auf der Oberseite der Erde zwischen den Imbarern des Westens und des Ostens Unruhen und Feindseeligkeiten herrschten, die allerdings das im Verborgenen liegende Abakkana nicht erreichen konnten.
Die Abakkaner leben in kleinen Dorfgemeinschaften, die sich vollkommen harmonisch in die Landschaft einfügen – fast wie Perlen. Alles grünt und blüht, Bienen summen über die Wiesen und sind eifrig bemüht, die Abakkaner mit köstlichem Honig zu versorgen.
Da gibt es kristallklare Quellen, Bäche und Seen, die vor Lebensenergie nur so strotzen. Phantastisch angelegte Gemüse-, Kräuter- und Obstplantagen, die anmutig, fast schon künstlerisch ineinander verwoben sind – alles ist gesund und kräftig. Die Obstbäume lächeln förmlich und können es gar nicht erwarten, den Abakkanern ihre Früchte zu schenken. Die weiten Ebenen sind äußerst fruchtbar, exakt parzelliert und werden durch künstlich angelegte Kanäle mit ausreichend Wasser versorgt. Dadurch sind sogar zwei Ernten jährlich möglich.
Die Abakkaner leben in schnuckeligen, flachen Hütten. Geschwungene, verspielte und individuelle Formen, wohin Du nur blickst. Keine Mauer und kein Zaun stört das Gesamtbild, alles fließt und wogt ineinander über. Seltsame kleine Apparate, die mit Hilfe der Auftriebsenergie von Wasser, seltsamen, kleinen, mit einem Gas gefüllten Bällchen und mechanischen Elementen Strom erzeugen, versorgen alles mit Energie. Andere merkwürdige Maschinen erzeugen mit Hilfe von Druckluft Strom und versorgen ebenfalls alles mit Energie. Natur und ausgefeilteste Technik sind aufs Genialste miteinander verbunden und harmonieren perfekt.
Überall lachen die Abakkaner, machen Musik, singen, säen, ernten, bereiten die köstlichsten Speisen füreinander und treffen sich allabendlich in der Dorfmitte. Dort werden Feuerzauber von Magicus entfacht, Cantus, der Musiker, lässt traumhafte schöne Melodien erklingen, überall Leckereien und Köstlichkeiten, und die Kinder lauschen mit großen, glänzenden Augen dem Geschichtenerzähler, der von Sternenwesen, Engeln, Kometengeistern und Sonnenkönigen zu berichten weiß. Auch spielen Jung und Alt viel miteinander, wobei es sich hier um wirkliches Spielen handelt. Spiele, bei denen es keine Verlierer gibt, sondern alle, die am Spiel teilnehmen, gewinnen. Sie lachen und amüsieren sich göttlich.
Die Natur wird rege bewandert und die Abakkaner besuchen mystische Orte, wo es vor Spannung und Geheimnissen förmlich knistert. Kristallgrotten, die beim Betreten das Bewusstsein zu höheren Sphären aufschwingen lassen und unterirdische Labyrinthe, die mit den seltsamsten Wesen und Lichterscheinungen ihre Aufwartung machen. Auch haben die Abakkaner sehr engen Kontakt zur Tierwelt, die keinerlei Scheu zeigt, denn die Tiere wissen, dass die Abakkaner sie als Seelengefährten begreifen und dementsprechend achten.
Alle sind beschäftigt, aber niemand muss arbeiten – jeder tut das, was er kann. Gerne, fröhlich und für die anderen. Es gibt weder Müll noch Umweltbelastung, alles ist so organisiert und konzipiert, dass solch negative Dinge nicht in Erscheinung treten. Rohstoffe kommen in einen hundertprozentigen Wiederverwertungskreislauf, der Erde wird nichts genommen, was nicht unbedingt nötig ist. Die Abakkaner wissen alle, dass Mutter Erde ein bewusstes Lebewesen ist, dass sie ihre Kinder versorgt, verwöhnt und liebt. Und dieselbe Liebe bekommt sie auch von allen Abakkanern jeden Tag geschenkt. Es gibt keine Stürme, Dürren oder Überschwemmungen, die Innenseite der Mutter Erde sorgt perfekt bis ins kleinste Detail für ihre Kinder, ihr gehorchen die Kräfte der Natur, sie kann das – denn sie ist mächtig!
Die Kinder werden spielerisch unterrichtet und die Kleinen können gar nicht genug davon bekommen. Jedes Kind wird als einzigartiges Geschöpf betrachtet und nur die individuellen Fähigkeiten werden gefördert. Diese Fähigkeiten sind auch seltsamerweise von Natur aus genau so gestreut, dass immer für alle Bereiche gesorgt ist. So gibt es begeisterte Handwerker und Kunstmaler, Techniker, Landwirtschaftgenies, Komiker, Musiker, Heiler, Kräuterexperten, Geschichtenerzähler, Wunschformulierer- und erfüller, Schauspieler, Architekten, Zauberer und einen Druiden namens Magicus.
Alles ist ein vollkommen natürliches, harmonisches Geben und Nehmen. Ohne Neid, Hektik oder sonstigen negativen Dingen. Zwischen den Abakkanern findet stets ein wohl organisierter, reger Austausch statt und sie sind überall herzlich willkommen. Das Abakkana ist föderalistisch aufgebaut, alle sind für alle da. Regiert wird ohne Hierarchie, lediglich durch Bürgerräte, dessen Sprecher Orares ist.
Auch haben die Abakkaner erstaunliche Fähigkeiten wie Telepathie. Sie können sich über beliebige Distanzen rein per Gedankenkraft verständigen. Auch mit dem Tier-, Mineral- und Pflanzenreich wird in einer besonderen telepathischen Art und Weise rege kommuniziert. Es gibt keine Krankheiten, ja sogar Knochenbrüche werden mit Hilfe der bloßen Hände blitzschnell durch magnetische Striche wieder zusammengefügt.
Und das Unglaublichste ist, wenn ein Körper nach einem langen, glücklichen und erfüllten Leben seinen Dienst erfüllt hat, dann kann die Seele des Abakkaners, der ihn bewohnt, selbst den Zeitpunkt bestimmen, wann sie ihn verlässt. Die Abakkaner sind nämlich direkt mit dem Kosmos verbunden und wissen genau, wo sie nun hingehen dürfen. Sie sind in diesem Augenblick von einer Glückseligkeit erfasst, die mit Worten gar nicht zu beschreiben ist. Und ganz kurz nach diesem Ereignis klopft im Herzen einer Mutter eine neue Seele an und bittet um Einlass, denn auch diese Fähigkeit ist für die Abakkaner eine Selbstverständlichkeit. Wenn die Seele eines Abakkaners seinen Körper verlässt, wird dies mit einer großen Feierlichkeit verbunden und das ganze Dorf wohnt diesem Ereignis bei…
An diesem Tag war Unruhe in und um die Hütten der Abakkaner zu spüren, da alle mit den Vorbereitungen des Festes zu Ehren ihrer Vorfahren Trebas und Amares zu tun hatten, das sie alljährlich an diesem Tag feierten. Die Frauen waren damit beschäftigt, ihre Krautspezialitäten zu kochen, denn jede wollte die begehrte Trophäe, die zu Ehren ihrer Vorfahren jedes Jahr verliehen wurde, gewinnen. Sie zauberten einzigartiges Kraut. Im letzten Jahr gewann Maritas, die Frau des Orares, den Pokal, mit einem Gedicht, von Kraut, das auf der Zunge zerschmilzt: Dem Rosenkraut.
Wir, die wir auf der Oberseite der Erde in der bewussten Welt Imbara leben, kennen nur noch das Weißkraut, das Rotkraut oder das Blaukraut. All die anderen wundervollen Rezepte der Abakkanerinnen, wie das Orchideenkraut, das Lilienkraut oder auch das Apfelkraut sind leider in Vergessenheit geraten. Sehr schade, denn es waren einzigartige Köstlichkeiten, die jedem, der sie kannte das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Die Männer schmückten den Dorfplatz mit Lampions, stellten die Tische und Bänke auf und zündeten ein großes Lagerfeuer an, um darauf einen Ochsen zu grillen. Ein Ochse, der seinen Abschied aus der bewussten Welt selbst bestimmt und zu Ehren der Festlichkeiten seinen Weg in die göttliche Unendlichkeit angetreten hat.
Nur einer hatte sich nicht daran beteiligt. Es war Aetas, der abseits des Dorfes auf einem Stein am Bächlein saß und immer wieder kleine Steine ins Wasser warf. Er hatte seinen Bauernhof an seinen Schwiegersohn Vagaris übergeben und musste seit dem in einer kleinen Hütte leben. Vagaris war ein Imbarer des Westens. Er und sein kleiner Bruder Hospes waren die ersten, seit den Vorfahren der Abakkaner, die den waghalsigen Weg in das Land Abakkana überwunden hatten. Beide wurden von den Abakkanern herzlichst aufgenommen und in die Gemeinschaft integriert. Zwischenzeitlich hatte Vagaris Filias, die Tochter des Aetas geheiratet. Seit der Hochzeit hatte sich Vagaris nicht mehr um ihn gekümmert. Er lies ihn zwar noch in dem kleinen Häuschen wohnen, doch sonst bekam er nichts von ihm und seiner Tochter. Aetas hatte sein Leben lang hart gearbeitet und das bisschen, was er sich für seinen Ruhestand zurückgelegt hatte, reichte ihm zum Leben kaum aus. Er war sehr traurig darüber, dass er nicht von seinem Schwiegersohn versorgt wurde. Nicht mal mehr seine Tochter hatte sich um ihn gesorgt. Sie hatte kein liebes Wort mehr für ihn übrig und auch bekam er weder Brot noch Milch von ihr.
Plötzlich kam Trebas fröhlich, pfeifend des Weges. Er war ein echter Abakkaner: Immer gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt. Trebas erblickte Aetas am Bächlein sitzend, ging zu ihm und fragte: »Was ist los mit dir? Du kannst doch nicht an einem so sonnigen Tag und noch dazu an unserem Festtage ganz alleine und dann auch noch so traurig hier sitzen.«
Aetas klagte ihm sein Leid und Trebas hörte sich seine Klage an, steckte sich einen Grashalm in den Mund, auf dem er herum kaute und sagte dann: »Die alte Holztruhe, die bei dir im Flur steht, hat mir schon immer gefallen. Gib sie mir und ich werde dir helfen.«
Aetas wunderte sich zwar, was Trebas mit der alten Truhe wollte, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber und stimmte zu. Sie gingen darauf hin zur Hütte, in der Aetas lebte, um die alte Truhe abzuholen. Trebas kontrollierte, ob das Schloss – es war ein Spezialschloss für das es in ganz Abakkana nur einen einzigen Schlüssel gab – noch funktionierte, lud die alte Eichentruhe auf einen Leiterwagen und sagte: »Aetas, alter Freund. Mach dir keine Sorgen mehr. Ab heute wird für dich nur noch die Sonne scheinen. Wir sehen uns später beim Fest. Bring gute Laune, viel Hunger und einen großen Durst mit.«
Trebas zog den schweren Leiterwagen, der mit der alten Truhe beladen war, mühsam vom Hof und bemerkte dabei, dass ihn Filias, die Tochter des Aetas vom Küchenfenster aus beobachtete. Er ließ sich aber nichts anmerken, ging nach Hause und versteckte die Truhe in seinem Keller.
Mittlerweile war es Abend geworden und Orares, der Bürgersprecher, hielt zur Feier des Tages seine alljährliche Rede, eröffnete unter tosendem Applaus das Krautbuffet und den Ochsengrill. Die Abakkaner probierten die verschiedenen Krautvariationen der Frauen. Einige schienen ihnen besonders zu schmecken. Das zeigte sich dadurch, dass sie ihren großen Mund spitz zusammen zogen, als ob sie pfeifen wollten, ihre großen Kulleraugen zu glänzen begannen und sie sich wohlig über ihren Bauch rieben. Andere Krautzubereitungen schienen gar nicht zu schmecken und das zeigte sich dadurch, dass ihre Gesichter ganz faltig wurden, weil sie die Mundwinkel bis zu ihren großen, runden Ohren nach hinten zogen, ihre Augen dabei fast aus dem Kopf zu springen drohten und sich am Hals die Adern aufblähten. Sehr sauer!
So gab jeder der Abakkaner seine Stimme ab. Nach einer kurzen Zeit war das Ergebnis dann auch bekannt und wurde sogleich von Orares verkündet: »Gewinnerin der diesjährigen Trophäe zu Ehren unserer Vorfahren ist, mit ihrer neuen Variation des Gänseblümchenkrauts, Maritas, die Frau des Orares!«
Maritas! Wie in den letzten sechs Jahren auch. Sie war einfach eine Künstlerin, wenn es um die Erfindung neuer Krautvariationen ging. So tranken und aßen sie, sangen fröhliche Lieder und tanzten bis tief in die Nacht. Zum Abschluss der Feierlichkeiten entzündete einer der Druiden, noch ein farbenprächtiges Feuerwerk…
Am nächsten Tag hat dann die Familie des Trebas den Aetas besucht und ihm Frühstück, Mittag- und Abendessen und einen großen Krug mit Heidelbeerwein gebracht. Das machten sie nun täglich und so verging die Zeit, bis sich Filias, die Tochter des Aetas, über die täglichen Besuche der Familie des Trebas anfing zu fragen, was das Geheimnis hinter der plötzlichen Fürsorge ihres Vaters war.
Eines Tages machte Aetas sich auf den Weg in den Wald, um Pilze zu sammeln. Als er den Hügel hinter dem Dorf erreichte und überschritten hatte, beobachtete seine Tochter Filias vom Fenster ihrer Küche aus, wie Trebas des Weges ging. Hinter ihm sein kleiner Bruder Parvus, der eine alte Truhe auf einem Leiterwagen mühsam hinter sich herzog.
Als Trebas die Hütte des Aetas erreicht hatte und anklopfen wollte, kam Filias aus dem Haus und sagte zu ihm: »Vater ist nicht da. Er ist in den Wald gegangen, um Pilze zu sammeln!«
»Das ist schade.« antwortete Trebas. »Ich wollte deinem Vater seine Truhe bringen, weil ich für ein paar Tage verreisen muss und er in dieser Zeit selbst darauf aufpassen sollte. Wenn ich zurück bin, wollte ich sie wieder abholen und in meinem Keller verstecken. Weißt Du, wir müssen in diesen unsicheren Zeiten vorsichtig sein! Dann verschiebe ich meine Reise eben, bis dein Vater wieder aus dem Wald zurückgekehrt ist!« Trebas ist daraufhin zusammen mit seinem kleinen Bruder Parvus und der alten Truhe auf dem Leiterwagen wieder nach Hause gegangen und versteckte den kostbaren und einzigartigen Schatz wieder in seinem Keller.
Filias ist dann sofort zu ihrem Mann Vagaris in den Stall gerannt, um ihm alles zu erzählen und er sagte darauf: »Wer hätte das gedacht? Deswegen sorgt sich die Familie des Trebas um deinen Vater!« Und Filias stellte erschrocken fest: »Um Gottes Willen. Dann werden sie wo möglich den Schatz meines Vaters nach dessen Tod behalten dürfen?«
Als Aetas abends mit einem Korb voller prächtiger Pilze aus dem Wald zurückkehrte, konnte er kaum seinen Augen trauen. Vor seiner Hütte war gekehrt, drinnen war aufgeräumt, auf dem Tisch lag eine saubere Tischdecke und stand eine Vase mit frischen Blumen. Kaum hatte er die Tür hinter sich verschlossen, klopfte es und seine Tochter und der Schwiegersohn standen draußen. Sie hatte eine große Schüssel mit frischen, noch dampfenden Knödeln und Rosenkraut unter dem Arm. Vagaris brachte dem Vater eine Dose mit edlem Tabak und fragte ihn: »Vater. Geht es dir gut? Wenn Du etwas brauchst, dann musst Du es nur sagen und wirst es bekommen!« Nach dem Abendessen saßen die drei noch zusammen und unterhielten sich über alte Zeiten. Vagaris hatte sich mit Aetas über den Bauernhof, über die Felder, über die Schweine und Kühe beraten, als ob er immer noch der Herr des Hofes wäre.
In dieser Nacht hatte er wie im Paradies geschlafen und gleich als die Sonne aufging, machte er sich auf den Weg zu Trebas, um zu erfahren, wie so etwas geschehen konnte. Trebas antwortete ihm mit einem spitzbübischen Lächeln: »Sei dankbar für das was ist und mach dir über die Gründe keine Gedanken. Genieße es und versuche deinen Kindern zu verzeihen!« Zum Abschied gab er ihm noch den Schlüssel der alten Truhe und sagte: »Ich brauche ihn nicht mehr. Nimm ihn an dich und bewahre ihn gut auf!«
Aetas war sich noch nicht sicher, ob das Erlebnis des gestrigen Abends nicht nur ein Traum war. Doch die Jungen haben ihm dann sogar einen Platz an ihrem Tisch angeboten und eine gemütliche Kammer im Bauernhaus eingerichtet. So verging die Zeit in Glück und Harmonie…
Prag, die geschichtsträchtige Metropole im Mittelpunkt des imbarischen Europas, ist seit dem Jahre 2016 die Hauptstadt der »Vereinigten Staaten deutscher Völker«. Im Jahre 2013 fand die letzte Regierungswahl der ehemaligen »Republik Deutschland« statt. Diese Wahl wurde von den »Vereinten Nationen Imbaras«, die die oberste Gerichtsbarkeit für Menschen- und Völkerrecht auf Imbara ausübt, für nicht rechtsgültig erklärt, weil dreiundsiebzig Prozent der abgegebenen Stimmen dieser Wahl für ungültig erklärt wurden.
Die deutschen Imbarer waren mit der jahrzehntelangen, ungerechten und ausbeuterischen Politik ihrer Abgeordneten seit langem nicht mehr zufrieden. Egal wer das Land regierte, vor den Wahlen wurde eine neue Politik mit Reformen, die alles besser machen sollten, versprochen und als die Regierungen dann in Amt und Würden saßen, waren alle Versprechungen von vor der Wahl wieder vergessen.
Sie beschlossen zwar neue Gesetze und brachten Reformen auf den Weg, doch verschlechterten diese die sozialen Systeme zunehmend. Sie erhöhten die Steuern und neue Abgabenverordnungen wurden eingeführt, was zu einer immer größeren Armut in der Bevölkerung der ehemaligen »Republik Deutschland« führte. Andere neue Gesetze, sollten scheinbar der inneren Sicherheit des damaligen Staates dienen. Sie sollten die Bürger angeblich vor terroristischen Angriffen schützen, doch tatsächlich dienten diese Gesetze nur dazu, die eigenen Bürger auszuspionieren und noch mehr unter Kontrolle zu halten. Außerdem steckten immer mehr so genannte »Volksvertreter« Geld in ihre eigenen Taschen und wurden von den damaligen deutschen Gerichten nicht einmal dafür bestraft. Und als dann die finanzielle Förderung der Familien und der Kinder zum größten Teil gestrichen und das Schul- und Ausbildungssystem nicht mehr staatlich gefördert wurde, war die »Republik Deutschland« letztendlich nicht mehr zu retten.
Bürgerkriegsähnliche Zustände spielten sich auf den Straßen der deutschen Städte ab, dabei wollten die meisten Menschen einfach nur friedlich demonstrieren und ihren Unmut kundtun. Die Polizei hingegen behandelt die eigenen Landsleute wie Feinde und Terroristen. Sie setzen Wasserwerfer, Schlagstöcke und ausgebildete Polizeikampfhunde gegen die friedlich, demonstrierenden Imbarer ein und so versanken die Städte immer mehr in Chaos.
Doch ein Imbarer war um eine friedliche Lösung bemüht und so gründete der Völksaufklärer Petro Libertas zum Ende des Jahres 2012 die Bürgerinitiative: »Wähle Dich selbst!« Für seine Verdienste im friedlichen Kampf gegen das Regime der so genannten »Republik Deutschland« wurde ihm im Jahre 2015 dann der Friedensnobelpreis verliehen. So kam es dazu, dass bei der Regierungswahl im Jahre 2013, welches die letzte sein sollte, eine Wahlbeteiligung von über fünfundneunzig Prozent erreicht wurde und dreiundsiebzig Prozent der Wähler sich selbst wählten. Diese dreiundsiebzig Prozent der Stimmen wurden dann von der damaligen Regierung selbstverständlich für ungültig erklärt. Allerdings war dies ein ganz klares Zeichen für die »Vereinten Nationen Imbaras« und die Regierungswahl wurden für nicht rechtsgültig erklärt. Der Notstand wurde ausgerufen und eine von den »Vereinten Nationen Imbaras« eingesetzte Übergangsregierung bereitete den Weg für eine neue, freie und demokratische Verfassung Deutschlands, die dann im Jahre 2014 in freien und geheimen Wahlen, unter Aufsicht und Kontrolle der »Vereinten Nationen der Imbaras«, vom deutschen Volk gewählt wurde. So entstand der neue Staat »Vereinigte Staaten deutscher Völker«.
Ein sehr wichtiger und entscheidender Artikel dieser neuen deutschen Verfassung besagt, dass frühere Gebiete Deutschlands dann in den neuen Staatbund aufgenommen werden können, wenn das Volk des jeweiligen Gebietes oder Landes es ausdrücklich wünscht. Und so kam es dazu, dass in den ehemaligen deutschen Gebieten wie Schlesien, Oberschlesien, Preußen und dem Elsass das Volk von den damaligen zuständigen Regierungen eine Volksabstimmung verlangte, um über den Beitritt zu den »Vereinigten Staaten deutscher Völker« zu entscheiden. In allen vier Gebieten entschied das Volk mit überwältigender Mehrheit den Beitritt zum neuen, freien und demokratischen Staat, in dem alle Gesetze und Gesetzesänderungen nur noch ausschließlich per Volksentscheid gewählt werden. Der Präsident des Landes hat nur noch seine Kontrollpflichten für die inneren Angelegenheiten und seine Repräsentations- und außenpolitischen Pflichten gegenüber anderen Staaten.
Auf Grund dieser Ereignisse wurden die Rufe der Völker in Böhmen und Mähren und in großen Teilen Österreichs sehr laut. Die deutschstämmigen Bürger dieser Länder verlangten ebenfalls eine Volksabstimmung. So kam es, dass die damalige Tschechische Republik und die ehemalige Republik Österreich, nicht nur diese einzelnen Teilregionen, sondern ihr ganzes Volk wählen ließen. Das Ergebnis war, dass in beiden Ländern über siebzig Prozent der Bevölkerung dem neuen deutschen Staat beitreten wollten, was dann auch geschah. Die Tschechische Republik und die Republik Österreich schlossen sich dem neuen Staat »Vereinigte Staaten deutscher Völker« an und wurden als eigenständige Staaten aufgelöst.
Jetzt war allerdings noch die Frage der Hauptstadt zu klären und in Vorwahlen der einzelnen Länder des neuen Staatenbundes wurden Berlin, Wien und Prag vom Volk in die engere Auswahl bestimmt. Die entscheidende Wahl fand dann am 18. Oktober 2016 statt und Prag wurde mit achtundsechzig Prozent aller Stimmen zur neuen Hauptstadt der »Vereinigten Staaten deutscher Völker« gewählt…
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Carina saß in der Umkleidekabine, um sich auf ihre Show vorzubereiten. Sie saß vor ihrem Schminktisch auf einem kleinen Hocker, hatte die Ellbogen auf Ihre Knie gestützt und beide Hände fest vor ihr Gesicht gepresst. Um sie herum sprangen ein paar aufgeregte, hektische, halbnackte junge Frauen und junge Männer. Jeden Abend geht es hier zu wie in einem Taubenschlag, doch Carina bekam von dem Treiben und der Hektik überhaupt nichts mit, weil sie wieder einmal diese Leere in ihrem Kopf fühlte. Eine tiefe schwarze Leere! Einen schwarzen Traum ohne Bilder und ohne Stimmen. Gleichzeitig spürte sie diesen stechenden Schmerz in ihrem Unterleib, als ob ihr jemand bei vollem Bewusstsein die Bauchdecke mit einem Messer aufschneiden würde. Diese Schmerzen waren so intensiv, dass sie laut schreien könnte. Doch in ihrem Traum ist sie einfach nur stumm. Nicht einmal ein leises Stöhnen kommt über ihre Lippen. Einzig ihr schmerzverzerrtes Gesicht lies von außen erkennen, welche Qualen sie durchleiden musste. Plötzlich hörte sie eine vertraute Stimme: »Carina, es ist Zeit! Du hast noch fünf Minuten!« Diese Stimme war ihr so vertraut, dass sie in ihr ein wohliges Gefühl auslöste, welches gleichzeitig den Schmerz linderte. Plötzlich spürte sie ein Klopfen auf ihrer Schulter und hörte wieder diese bekannte, wohlklingende Stimme. »Carina. Jetzt sind es nur noch vier Minuten!« Sie erwachte aus ihrem schwarzen Traum, drehte sich um und sah Linda, ihre beste Freundin und Inhaberin der »New York Tabledancebar«. Linda war zu diesem Zeitpunkt Ende der Vierziger, aber immer noch sehr attraktiv. Besonders ihre schwarze Lockenpracht, ihre vollen, herzförmigen Lippen, ihre stahlblauen Augen und natürlich ihr knackiges Hinterteil, stachen dem Betrachter direkt ins Auge. »Carina. Du musst gleich auf die Bühne und bist noch nicht einmal angezogen!«
»Ich bin gleich fertig, Linda!« sagte Carina. Sie stand auf und zog währenddessen ihren schwarzen Lederstringtanga hoch. Fast gleichzeitig hatte sie ihre schwarze Ledercoursage übergestreift und war bereits dabei diese zuzumachen. Jetzt fehlten nur die langen schwarzen, übers Knie reichenden Lederstiefel und der dazu passende schwarze Ledermantel. Sehr sexy! Ihre lange, blonde Lockenpracht, ihre rehbraunen Augen mit diesem einzigartig lasziven Blick, ihr süßer Schmollmund und ihre liebe und dennoch sehr erotische Ausstrahlung lassen nicht nur Männer in erotischen Tagträumen schwelgen. Nein. Auch immer mehr Frauen sind von Carina so sehr fasziniert, dass manche keine ihrer erotischen Tanzshows mehr verpassen. Dazu noch ihr wundervoller, perfekter, nicht modifizierter Körper. Nicht modifiziert? An Carina ist alles echt. In ihrem traumhaft schönen Body ist einfach kein Platz für Silikon und Botox. Ihr Körper und ihre samtweiche Haut sind ein von Gott gegebenes Geschenk. Jeder Kunstmaler würde sich die Finger nach einem solchen Aktmodell lecken, weil er mit dieser Vorlage ein Jahrhundertkunstwerk entstehen lassen würde…
Das erste Mal für Carina war vor ungefähr drei Jahren, als sie von Linda angesprochen wurde, als diese sie in einer Diskothek tanzen sah und die Leidenschaft in ihrem Tanz sofort erkannte. Carina sagte damals sofort zu und besuchte Linda gleich am nächsten Abend in der »New York Tabledancebar« am Wenzelplatz in der Prager Neustadt. Sie war sofort infiziert von dem Glamour, der Musik, der Show und wollte ab diesem Zeitpunkt unbedingt selbst auf der Bühne stehen. Außerdem konnte sie zu dieser Zeit das Geld, das sie verdienen würde, sehr gut für ihr neues Projekt, das sie für ihre Kinder ins Leben gerufen hatte, gebrauchen.
Sie hatte dann am gleichen Abend noch ihren ersten Auftritt und das Publikum war sofort begeistert von Carina, die beim Tanzen einfach nur ihren Gefühlen freien Lauf lässt und dadurch absolut authentisch wirkt. In den letzen zwei Jahren hat sie ihre Show perfektioniert und ist mit ihrer aktuellen »Matrixshow« mittlerweile der Star in der »New York Tabledancebar«. In Anlehnung an den gleichnamigen, imbarischen Kultfilm, aus den neunziger Jahren des letzten Jahrtausends, hat Carina auch das Outfit von »Trinity« gewählt. Schwarz!
Durch die schnellen und flashigen Lichteffekte wirkt die Performance sehr geheimnisvoll und noch erotischer. Schnelle Bewegungen, akrobatische Sprünge und das Spiel mit einer brennenden Kerze geben der Show einen zusätzlichen mystischen Eindruck. Hier auf der Bühne fühlte sich Carina zum ersten Mal in ihrem Leben frei. In diesen Minuten vergisst sie ihre schwarzen Träume und Visionen und bewegt sich in einer anderen Welt.
Der Applaus war wieder einmal überwältigend und Carina sammelte, wie nach jedem ihrer Auftritte, mehrere hundert Deutsche Mark vom begeisterten Publikum ein. Sie verließ unter dem Beifall der Gäste in der Bar die Bühne, machte sich auf den Weg in die Umkleidekabine und wurde dabei von Linda angehalten.
»Carina. Ich fühle, dass mit dir etwas nicht stimmt! Quälen dich wieder deine schwarzen Träume? Komm doch nach Feierabend mit zu mir. Dann können wir uns ein bisschen unterhalten und entspannen!« Carina lächelte kurz, stimmte mit einem stummen Nicken zu und ging weiter in Richtung der Umkleidekabine.