Abraham - Klaus-Günter Pache - E-Book

Abraham E-Book

Klaus-Günter Pache

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Beschreibung

Glauben bedeutet: Veränderung wagen, ausziehen, sich in Bewegung setzen, im Vertrauen Risiken eingehen. Es bedeutet, ein Land suchen, von dem man viel gehört hat, das man aber noch nicht kennt. So wie Abraham. Seine Geschichte steckt voller Inspiration für unseren eigenen Weg der Nachfolge. Von ihm können wir neu lernen, Gott zu glauben, dass er alles zum Guten wirkt, wirklich alles.

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»Auf den Spuren Abrahams entdeckt man: Glaube ist Antwort auf das Handeln Gottes in unserem Leben, ist ein Wagnis, fordert zu einer Entscheidung heraus, die den Kern unseres Christseins ausmacht. Vertrauen wir Gott oder lassen wir es? Dieses Buch ist eine berührende Lektüre, ein lohnendes Abenteuer!«

Dr. Dankwart Seidel, Diplombiologe

KLAUS – GÜNTER PACHE

ABRAHAM

Wie Vertrauen auf Gott unser Leben formt

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-4172-7014-3 (E-Book)

ISBN 978-3-417-00001-6 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2021 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41 ・ 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Des Weiteren wurde verwendet:

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.R.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel

Neues Leben. Die Bibel, c der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen

NeÜ bibel.heute © 2010 Karl-Heinz Vanheiden, www.derbibelvertrauen.de

und Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, www.cv-dillenburg.de

Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung c 2011 Genfer Bibelgesellschaft;

Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Christina Bachmann

Umschlaggestaltung: Sybille Koschera, Stuttgart

Titelbild: Santi Nunez (Stocksy)

Autorenfoto: privat

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhaslach

Für Esther, die mir ein Vorbild im Glauben ist.

INHALT

Über den Autor

Vorwort

Kapitel 1: AUFBRUCH

Kapitel 2: RÜCKSCHRITT

Kapitel 3: GRÖSSE

Kapitel 4: BERÜHRUNG

Kapitel 5: GLAUBE

Kapitel 6: ZEICHEN

Kapitel 7: SACKGASSE

Kapitel 8: ERMUTIGUNG

Kapitel 9: BESUCH

Kapitel 10: GERICHT

Kapitel 11: DER SOHN

Kapitel 12: FINALE

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ÜBER DEN AUTOR

KLAUS-GÜNTER PACHE war lange der leitende Pastor der Paulus-Gemeinde in Bremen und einige Jahre davon auch Präses des Mülheimer Verband Freikirchlich Evangelischer Gemeinden. Mit seiner Frau Esther hat er fünf erwachsene Kinder und vierzehn Enkelkinder.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

VORWORT

Es könnte so einfach sein, wenn Gott sichtbar wäre, nachvollziehbar unter uns. Zweifel wären genauso unangebracht wie gottloses Handeln. Vieles könnte so einfach sein, das meinen wir zumindest, doch schon die ersten Seiten der Bibel belegen, dass der Glaube und das daraus folgende angemessene Verhalten alles andere als selbstverständlich sind. Adam und Eva haben es verhängnisvoll bewiesen.

In den ersten Jahren meiner Jesusnachfolge habe ich oft gedacht: »Ja, wenn ich damals dabei gewesen wäre, gesehen hätte, wie Jesus Kranke heilt, Wunder tut, dann, ja dann wäre es leicht gewesen zu glauben.« Doch auch damals war es offensichtlich nicht einfach zu glauben. Nachdem viele Anhänger Jesus verlassen hatten, musste er seinen engsten Jüngerkreis fragen: Wollt ihr auch weggehen? (Johannes 6,67).

Es bleibt also nur der eine Weg: Durch die Bibel offenbart uns Gott alle nötigen Informationen, um eine Entscheidung treffen zu können, die im günstigsten Fall in den Entschluss mündet: Ich glaube an Gott, ich glaube ihm aufs Wort. Ich vertraue ihm und will nach seinen Vorgaben und Geboten leben.

Glaube ist der Schlüssel, das aber macht es so schwierig. Vertrauen ohne empirische Beweise, Nachfolge ohne sichtbare Vorteile? Zweifel suchen uns heim, Argumente gegen den Schöpfer und für den Zufall feiern besonders in unserem Kulturkreis Triumphe. Die Kirche ist in die Defensive gedrängt, der Glaube hat keine Lobby mehr. Den Zweifeln folgt eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber den biblischen Wahrheiten. War’s das?

Die Ordensschwester Teresa Zukic hat ein Buch geschrieben, es heißt Zwölfmal Segen für dich1. Was ich da lese, scheint fast zu schön, um wahr zu sein, aber beschämt falte ich die Hände und bete: »Vater im Himmel, bitte lass mich dir wieder ein wenig mehr vertrauen, weniger grübeln, mehr danken und nicht aufhören, fröhlich von dir zu erzählen.«

Kennen Sie Charles Fisher, über den Billy Graham im Vorwort zu seiner Biografie einst schrieb: Nur einmal im Leben begegnet einem ein Mensch ohne List und Tücke. Aufrichtigkeit, Glaube und Begeisterung sind seine einzigartigen Charakterzüge. Charles Fisher ist solch ein Mensch. Leben wie seins sind die unwiderlegbare Antwort auf eine »Gott-ist-tot-Theologie«.2

Oder kennen Sie George MacDonald, den gläubigen Schotten aus dem Geschlecht von Barden und Dudelsackpfeifern? Kennen Sie seine Bücher Lady Forimel und der Fischer oder Das Lied des Baronets oder einen anderen seiner vielen Romane? C. S. Lewis sagte einmal, er habe kein Buch geschrieben, in dem er nicht George MacDonald zitiert hätte. Für mich ist einzigartig, wie dieser Mann aus Erlebtem Geschichten gemacht hat, getragen von dem unerschütterlichen Glauben, dass Gott real ist und dass sich die Echtheit unserer Nachfolge im Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes zeigt.

Immer wieder waren für mich diese und viele andere Frauen und Männer Vorbild für meine Jesusnachfolge. Ihr Verhalten, ihr Vertrauen, ihre konsequente Nachfolge haben mich motiviert, meinen Weg mit diesem Gott zu gehen, den ich im Laufe meines Lebens immer besser kennenlernen durfte. Sie haben mich gelehrt, die Bibel ernst zu nehmen und aus dem, wie Menschen dort ihren Glauben gelebt haben, Inspiration und Motivation zu schöpfen.

Eine der biblischen Gestalten, deren Geschichten ich unzählige Male gelesen und gehört habe, ist Abraham. Als Jugendlicher habe ich mit den anderen in meiner Gruppe gesungen:

Lass mich an dich glauben,

wie Abraham es tat.

Was kann dem geschehen,

der solchen Glauben hat!3

Als Pastor habe ich über ihn gepredigt, in langen Reihen, und immer wieder und jedes Mal war ich berührt und meine Zuhörer wohl auch – so hoffe ich zumindest!

Abraham – Leben aus Glauben, Leben durch Veränderung. Das biblische Vorbild fordert mich, stellt mich infrage und ermutigt mich, immer wieder zu vertrauen, einfach zu vertrauen und zu lieben und meinem Gott zu dienen. Wenn mir hin und wieder auf dem langen Weg Nachfolge zu schwer wurde, wenn Dinge passierten, die ich nicht verstehen konnte, wenn die Zweifel an mir nagten wie stürmische Wellen an einer karstigen Küste, dann war es immer wieder die einfache Wahrheit, die mein furchtsames Herz veränderte: Abraham glaubte Gott und das ist ihm als Gerechtigkeit angerechnet worden (vgl. Römer 4,3). Ich glaube Gott, glaube, dass er mir in seinem Wort alles offenbart hat, was nötig ist, um das Ziel zu erreichen.

Glauben bedeutet Veränderung wagen, ausziehen, sich in Bewegung setzen, Risiken eingehen, einer Sehnsucht folgen, ein Land suchen, von dem man so viel gehört hat, das man aber noch nicht kennt. In einem letzten Sinn geht es doch um viel mehr als um die Frage, wie wir mit der Hilfe Gottes die Jahre erleben und bewältigen, die wir auf dieser Erde haben. Es geht im Letzten darum, ein ewiges Ziel zu erreichen. Denn hier auf der Erde gibt es keinen Ort, der wirklich unsere Heimat wäre und wo wir für immer bleiben könnten. Unsere ganze Sehnsucht gilt jener zukünftigen Stadt, zu der wir unterwegs sind: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir (Hebräer 13,14).

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1

AUFBRUCH

Der Herr sagte zu Abram: Geh fort aus deinem Land, verlass deine Heimat und deine Verwandtschaft, und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde!

1. Mose 12,1; Hfa

The Lord chose Abram for reasons known only in heaven. Abram did nothing to earn or deserve God’s favor.4

Charles R. Swindoll

Die Geschichte: 1. Mose 12,1-9

Abraham war fünfundsiebzig Jahre alt, als das Abenteuer seines Lebens begann. Der ewige, einzige, wahre Gott begegnete ihm. Mit fünfundsiebzig war er aufgefordert zu vertrauen. Mit fünfundsiebzig begann seine Reise in ein neues Land. Er wählte einen neuen, unbequemen Weg – voller Gefahren, aber auch voller Verheißungen.

Wir kennen diesen Mann unter dem Namen Abraham, aber sein Geburtsname war Abram5 und so hieß er auch bis zu seinem neunundneunzigsten Lebensjahr. Er lebte mit seiner Familie am Ende der frühen Bronzezeit, etwa um 2000 v. Chr. in Ur in Chaldäa, dem heutigen Tell el-Muquejjir im Süd-Irak, am Euphrat gelegen. Die Geschichte dieses Ortes reicht zurück bis zu den Anfängen der menschlichen Zivilisation. Die Bibel berichtet, dass sein Vater Terach mit seiner Familie die Absicht hatte, Mesopotamien zu verlassen und nach Kanaan zu ziehen. Sie kamen aber nur bis Haran, wo sie dann ihr neues Zuhause fanden. Haran lag an der Handelsstraße von Ninive nach Aleppo und liegt heute in der Türkei.

So weit, so gut! Kein Mensch hätte je davon erfahren, wenn mit diesem Mann zu dieser Zeit nicht etwas ganz Besonderes geschehen wäre. Die Berufung Gottes veränderte alles, der Glaube eines Mannes in uralter Zeit qualifizierte ihn zum Vater aller Gläubigen: Darum sollst du nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker (1. Mose 17,5).

GOTT ERWÄHLT UND BERUFT

Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass Abram ein ganz normales Mitglied der damaligen Gesellschaft war, einer unter vielen in seiner Nachbarschaft. Sein Name Abram spiegelt die heidnische Frömmigkeit seiner Familie. Die Menschen in Mesopotamien verehrten eine Vielzahl von geheimnisvollen Göttern, angeführt von dem Mondgott Sin, dem sie als Herr des Himmels und als Schöpfer der Welt huldigten.

Es ist anzunehmen, dass Abram und seine Familie an diese Götter glaubten und sie anbeteten. Josua 24,2 enthält einen entsprechenden Hinweis: So spricht der Herr, der Gott Israels: Eure Väter wohnten vorzeiten jenseits des Stroms, Terach, Abrahams und Nahors Vater, und dienten andern Göttern.

Aber dann geschah das Unerwartete. Aus einem Grund, den wir nicht kennen, fiel der Blick Gottes auf diesen Mann und berief ihn mit einem ewigen Ruf: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will (1. Mose 12,1). Ihm allein galt der Ruf, nicht einem Volk, nicht einer Familie. Abram war der Erwählte Gottes! Warum?

Es ist seltsam und widerspricht unseren Vorstellungen von Berufung und Verdienst. Da ist nicht die Rede von einer besonderen Gottesbeziehung, die Abram in seinem heidnischen Umfeld gepflegt haben könnte. Wahrscheinlich hatte er von dem einen wahren Gott bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört. Doch der erwählte ihn und der Grund war … reine Gnade! Gott hat in die Welt der heidnischen Götter hineingesprochen und Abram berufen.

Den Grund, warum Gott ausgerechnet Abram berufen hat, weiß der Himmel allein. Da war keine Qualifikation, die eine solche Berufung gerechtfertigt hätte, kein Verdienst, keine erwähnenswerte Spiritualität. Gott sprach ihn an und erwählte ihn auf eindrucksvolle Art und Weise.

Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (1. Mose 12,1-3).

Abrams Reaktion auf diese Aufforderung offenbart einen Wesenszug in seinem Charakter, der ihn im Laufe seines Lebens zum Vater aller Gläubigen machen wird. Abram vertraute und gehorchte dem Ruf Gottes. Der Befehl war eindeutig, die Konsequenzen jedoch überhaupt nicht einzuschätzen. Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme (Hebräer 11,8).

Abram hörte hin, glaubte Gott aufs Wort, als dieser ihm und seinen Nachkommen Zukunft und Hoffnung verhieß, und machte sich auf den Weg. Alles Vertraute ließ er hinter sich. Von einem Moment auf den andern veränderte sich sein Leben grundlegend. Er selbst bekam nur so viel Information, wie er sie für den Aufbruch in ein neues Land brauchte. Keine Details, keine Pläne, keine Garantien, aber Gottes Zusage. Er vertraute dem ihm noch so unbekannten Gott und machte sich auf den Weg. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass seine Verwandten, Freunde und Nachbarn irritiert den Kopf geschüttelt haben: »Spinnt der Mann? Wo will er denn hin?«

OFFEN FÜR VERÄNDERUNG

Seit einiger Zeit bin ich Rentner. Meine Kinder sind erwachsen und alle verheiratet. Eine Schar von Enkeln sucht uns regelmäßig heim. Esther und ich sind seit so vielen Jahren miteinander verheiratet und Gott sei Dank haben wir immer noch nicht vor, daran etwas zu ändern.

In der Paulus-Gemeinde in Bremen hatte ich meine erste und einzige Anstellung als Pastor. All die Jahre in einer Gemeinde – nicht unbedingt das Ideal eines freikirchlichen Pastors.

Ich lese gerne spannende Bücher, möglichst mit einem guten, schlüssigen Ende, wähle als Urlaubsziel lieber den Norden als den Süden, und wenn es irgend geht, verbringen wir unseren Sommerurlaub in Schweden.

Ich hasse Unpünktlichkeit, harte Betten und Krümel im Auto. Ich mag keinen Mais und liebe ein gutes Glas Rotwein. Achtundsechzig Jahre bin ich alt und da weiß man, was man will und was nicht. Da ist man ziemlich festgelegt und viele Weichen sind gestellt.

Doch immer, in all den Jahren, hat mich hier und da die Sehnsucht nach Veränderung gepackt. Ich war nie zufrieden mit dem Status quo in der Gemeindeentwicklung. Das Reich Gottes ist vom Wesen her nie statisch, sondern immer in Bewegung. Mit einem Samenkorn, aus dem eine große Pflanze wird, vergleicht es Jesus. Aus Kleinem wird Großes, unaufhaltsam, weil es auf Wachstum angelegt ist. Jesus sagt: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen (Matthäus 13,31-32).

Da sich aber um uns herum sowieso schon so viel verändert, kann ich gut verstehen, wenn viele Christen wenigstens in der Gemeinde ihre Ruhe haben wollen. Da ist der Ruf nach Veränderung eher lästig. Schließlich ist die Kirche zweitausend Jahre alt, die meisten Choräle sind dreihundert Jahre und älter und die Orgel gibt es bereits seit dem 4. Jahrhundert als Bestandteil der Gottesdienste. Also, warum immer dieser Ruf nach Veränderung? Was ist mit einer Tradition, die sich doch bewährt hat?

An dieser Stelle müssen wir um einen wichtigen Unterschied wissen, den wir nicht vergessen sollten. Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Tradition und Traditionalismus. Tradition ist etwas sehr Gutes und Bewahrendes. Tradition ist das Feuer, das wir weitergeben, nicht die Asche, so lautet ein bekanntes Zitat, das bereits mehreren Prominenten zugeschrieben wurde. Ohne Tradition fehlt uns die Orientierung. Wir erfinden nicht in jeder Generation das Christentum neu. Jegliche Tradition zu verleugnen und immer vermeintlich neue Gemeinden zu gründen, führt zu einer Atomisierung des Reiches Gottes und schadet der Kirche! Wir stehen auf dem Boden unserer geistlichen Väter und Mütter, sprechen die uralten Bekenntnisse und singen zu Recht immer noch die alten Choräle mit so tief gehenden Texten. Der Apostel Paulus schreibt an die Thessalonicher: So steht nun fest und haltet euch an die Überlieferungen, in denen ihr durch uns unterwiesen worden seid, es sei durch Wort oder Brief von uns (2. Thessalonicher 2,15).

Unumstößlich gilt für uns der Respekt vor der Bibel als dem geoffenbarten Wort Gottes. Unumstößlich halten wir am Glauben an den dreieinigen Gott fest, am Bekenntnis zu Jesus Christus, der alleine Weg, Wahrheit und Leben ist. Wir halten fest an der Notwendigkeit von Vergebung und Wiedergeburt. In dieser Tradition stehen wir und diese Werte stehen nicht zur Disposition!

Schwierig wird es aber mit dem weniger Wichtigen, mit den Dingen und Umständen, an die wir uns einfach gewöhnt haben, ohne dass sie als unumstößlich gelten könnten. Der bestimmte Ablauf eines Gottesdienstes, die Art der Musik, die Gestaltung der Kirche, die Kleidung der Leute. So schnell wird hier aus dem Gewohnten das Gefängnis alter Verhaltensmuster und ausgetretener Wege. Wenn sich solche lieb gewonnenen Traditionen verselbstständigen, dann wird daraus Geist tötender Traditionalismus. Dann zählen die Formen mehr als das Leben, die Sache mehr als der Mensch, die menschliche Gewohnheit mehr als der lebendige Gott.

Es besteht ein großer Unterschied zwischen Tradition und Traditionalismus. Der amerikanische Theologe Charles Swindoll zitiert in einem seiner Bücher Jarolav Pelikan, der in einem Satz diesen Unterschied definiert hat. Tradition ist der lebendige Glaube derer, die jetzt tot sind, Traditionalismus ist der tote Glaube derer, die noch leben.6

Traditionalismus ist die gesetzliche Fessel für die Freiheit und Frische des Geistes. Man ist permanent damit beschäftigt, starr menschlichen Regeln zu folgen, statt flexibel und offen für kreative Gedanken und Erneuerung zu sein. Verharrt eine Gemeinde in ihren so lieb gewordenen Gewohnheiten, ohne sich den geistlichen Herausforderungen einer neuen Zeit zu stellen, dann hat sie keine Zukunft. Der Beleg dafür bildet sich im Sterben so mancher Ortsgemeinde in unserem Lande ab. Gemeinden, die noch vor Jahren eine wichtige Rolle spielten, kämpfen heute ums Überleben. Neues wagen bedeutet Kurskorrektur. Raus aus dem Gefängnis des Traditionalismus! Im Leben von Abram war Platz für Korrektur und Veränderung, ja, die Veränderung seiner Lebensumstände brachte ihm das Leben, nach dem er sich sehnte.

So wenig ich in meinem Beruf mit dem aktuellen Stand der Gemeindeentwicklung zufrieden war, so wenig zufrieden war ich mit meinem geistlichen Stand. Unendlich dankbar für die Tatsache, ein Kind Gottes zu sein, ja! Immer wieder zutiefst berührt von der Gnade Gottes in meinem Leben, ja! Aber zugleich waren mir immer auch Defizite, blinde Flecke, mangelnder Glaube und fehlender Gehorsam nur zu bewusst. Nach Veränderung habe ich mich gesehnt, ein Leben lang, schon um das zu vermeiden, was Ed Sissman so ausgedrückt hat: Männer über vierzig stehen in der Nacht auf, schauen die Lichter auf der Straße an und wundern sich, warum das Leben so lang ist und wo sie falsch abgebogen sind.7

Der amerikanische Theologe Gordon MacDonald hat ein Buch mit dem Titel Sich verändern heißt Leben geschrieben.8 Der Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. Nicht, weil ich nun anfange, Mais zu mögen, oder Krümel im Auto übersehe, nein, mich hat die in diesem Titel enthaltene Verheißung nachdenklich gestimmt. Also, Klaus, es gibt noch Hoffnung! Gott ist mit dir noch nicht fertig und will dich verändern, allezeit und vielleicht sogar darüber hinaus. Zu keiner Zeit in unserem Leben ist alles vorbei.

Da stellt sich doch die Frage: Wie ist das mit uns, mit Ihnen? Alles schon entschieden, alles schon in trockenen Tüchern? Oder ist da noch Platz für das Handeln Gottes in Ihrem Leben, Platz für neue Wege, zu neuen Orten, zu denen er Sie ruft?

Sie kennen die Geschichte von Apollo 13? Houston – wir haben ein Problem! Der Satz ging um die Welt und steht heute sprichwörtlich für Situationen, in denen es eng wird. Das Abenteuer dieser missglückten Mondlandung wurde eindrucksvoll mit Tom Hanks verfilmt – ein absolut sehenswerter Film!

Was war passiert? Am 11. April 1970, einem Samstag, startete eine Saturn-V-Rakete vom Launch Complex 39A des Kennedy Space Centers in Florida. Rund 56 Stunden später – noch auf dem Weg hin zum Mond – geschah das Unglück. Nach der Explosion an Bord von Apollo 13 waren die Astronauten in höchster Gefahr. Um zu überleben, stiegen die Astronauten in die Mondlandefähre, wo sie die Zeit bis zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verbrachten. Nur eine Kurskorrektur konnte sie retten. Alles wurde genau berechnet und dann zündete man das eine Triebwerk für 39 Sekunden. Achtundachtzig Stunden dauerte der Flug, den sie nur mit mehreren technischen Improvisationen überstanden. Am Freitag, den 17. April 1970, nicht weit vom Bergungsschiff USS Iwo Jima entfernt, landete die Kapsel im Südpazifik.

Eine Kurskorrektur kann Leben retten, unser Leben retten, wenn Gott uns klarmacht, dass wir auf einem falschen Weg in die falsche Richtung unterwegs sind. Ein rechtzeitiges Innehalten, Nachdenken und Um-guten-Rat-Fragen kann weitreichende persönliche Katastrophen verhindern.

Ich denke dabei an ein junges Ehepaar, mit dem ich vor Jahren ein schwieriges Gespräch hatte. Die beiden waren seit einiger Zeit verheiratet, die erste Liebe schien verbraucht und nun dachten sie an Trennung. »Wir lieben uns nicht mehr, wir lassen uns scheiden!« Der naheliegende, scheinbar einfache Weg, eine Beziehung zu beenden, die mal mit dem Versprechen begonnen hatte, ein Leben lang einander zu lieben und zu ehren. Ohne große Hoffnung für die beiden verabschiedete ich mich nach dem Gespräch von ihnen. Aber dann, einige Zeit später, begegnete Jesus dem Ehemann auf eine neue Weise und er musste erkennen, dass es an ihm lag. Als ich ihn danach mit seiner Frau in der Gemeinde sah, sagte er mit strahlendem Gesicht zu mir: »Ich freue mich wieder, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme. Ich liebe meine Frau – ganz neu. Ich musste mich verändern. Das war der Schlüssel.«

VON ABRAHAM LERNEN

Beim Lesen der ersten Verse dieser uralten Geschichte fallen mir einige Punkte auf, die uns weiterhelfen können, wenn es um unseren Glauben geht, um unsere Bereitschaft, uns von Gott verändern zu lassen.

Da gilt es zunächst einmal festzuhalten: Immer ergreift Gott die Initiative.

Manchmal scheint es so, als wäre Glaube etwas, was wir machen müssen. Etwas, das man durch Anstrengung und Disziplin erreichen kann. Aber das ist ein Irrtum! Glaube ist immer die Reaktion auf Gottes Initiative! John Stott drückt es so aus: Die Bibel zeigt uns einen Gott, der schon lange die Initiative ergriffen hatte, bevor die Menschen überhaupt nur daran dachten, sich ihm zuzuwenden.9

Wenn wir auf diese Initiative reagieren, beginnt das Abenteuer des Glaubens. Das Leben als Christ beginnt in dem Augenblick, wo wir auf die Initiative Gottes reagieren, schreibt David Prior. Weil Glaube niemals gemacht, manipuliert oder angeordnet werden kann. Glaube kann immer nur die Bereitschaftshaltung eines Menschen sein, der Gott erkennt und sagt: »Herr, hier bin ich.«10 So begann die Veränderung im Leben des Abram: Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will (1. Mose 12,1).

Abram war, wie beschrieben, mit seinem Vater und der ganzen Großfamilie nach Haran gezogen. Die Vermutung liegt nahe, dass das aus wirtschaftlichen Gründen geschah. Zu allen Zeiten verließen Menschen ihre Heimat, weil notvolle Zeiten sie dazu zwangen. Sie lebten also jetzt in Haran und es bestand kein Grund, daran etwas zu ändern. Doch dann redete Gott hinein in das Leben dieses Mannes und nichts blieb mehr so, wie es war.

So ist das immer und so wird das Leben Abrahams zu einem Vorbild für das Handeln Gottes in unserem Leben. Kein Mensch, so sagt das Wort Gottes, kommt aufgrund eigener Anstrengungen in den Himmel. Gott ergreift die Initiative! Er liebt diese Welt! Er liebt die Menschen und macht ihnen das auf seine Art und Weise immer wieder klar. Er lädt ein, wir sind aufgefordert zu reagieren. Glaube entzündet sich an seiner Initiative.

Was für den Anfang unseres Christseins gilt, das gilt unser ganzes Leben lang. Glaube ist immer und immer wieder die Antwort auf das Handeln Gottes. Wenn er nicht redet, nicht handelt, dann gibt es im Grunde nichts zu glauben und nichts zu beten. Hermann Bezzel schrieb einst: Die größte Klage, die ein Christenherz hat, ist, wenn der Himmel ehern ist […]. Ich wenigstens kenne keine größere Not auf dieser notreichen Erde, als wenn das Gebet wirkungslos zurückgeht und der Herr sein Antlitz verhüllt […]. Dazu sind wir nicht teuer erkauft und darum ist er nicht auf Erden gekommen, dass unser Sehnen auf Erden ungehört verhalle.11

Glaube ist die Antwort auf das Handeln Gottes. Zwei beispielhafte Geschichten aus dem Neuen Testament stehen für diese Wahrheit.

Da war diese arme verkrüppelte Frau. Seit achtzehn Jahren lebte sie so, ohne sich aufrichten zu können. Doch dann begegnete ihr Jesus und er berührte sie, sprach zu ihr und ein Wunder geschah: Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, du bist erlöst von deiner Krankheit! Und legte die Hände auf sie; und sogleich richtete sie sich auf und pries Gott (Lukas 13,12-13). Die Menschen, die das mitbekommen hatten, freuten sich über den großen Gott, der solche Wunder tat.

Und da war der Zollbeamte Zachäus, der auf einen Baum stieg, um Jesus zu sehen. Er hatte ein körperliches – er war zu klein – und ein gesellschaftliches Handicap – niemand mochte ihn. Doch dann kam Jesus in die Stadt und fast scheint es, dass er nur seinetwegen dorthin gekommen war. Als er Zachäus im Baum sitzen sah, sagte er zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren (Lukas 19,5b). Mit diesem Tag veränderte sich das Leben des Zöllners. Er wurde ein Kind Gottes. Jesus hatte zu ihm gesprochen. Sein Glaube entzündete sich an der Initiative Gottes.

Für meinen Dienst als Prediger des Evangeliums hat diese Wahrheit eine weitreichende Konsequenz. Ich habe es schon lange aufgegeben, Menschen zum Glauben überreden zu wollen. Das bringt nichts. Menschen können nur glauben, wenn Gott ihnen begegnet. Meine Aufgabe ist es hingegen, immer und immer wieder all die, die mir am Herzen liegen und für die ich einen Auftrag habe, auf Gott hinzuweisen, und zu hoffen, dass sie das sensibilisiert für den Moment, wo Gott ihnen begegnet. Dabei teile ich wohl mit so vielen Predigern eine Erfahrung, die mit zu den schönsten in unserer Verantwortung gehört: wenn aus Menschenwort Gotteswort wird, wenn die Predigt Zuhörer verändert, gar rettet – das ist unbeschreiblich und so gut!

Vor einigen Jahren stand über viele Wochen eine Litfaßsäule in unserer Kirche, beklebt mit Hunderten kleiner Zettel, auf denen Vornamen standen. Mitglieder und Freunde aus der Gemeinde hatten sie aufgeschrieben mit dem inneren Versprechen, für diese Menschen zu beten. Dahinter stand der Wunsch, dass sie Gott finden, dass Gott so in ihr Leben hineinspricht, dass sie ihn kennenlernen. Uns war und ist bewusst: Glaube geschieht, wenn Gott die Initiative ergreift.

Abraham, der vorerst noch Abram hieß, hörte die Stimme Gottes und nahm diese Stimme ernst. Er war fünfundsiebzig Jahre alt! Er hatte ein Recht darauf, nach dem Auszug auf Ur in Chaldäa hier in Haran anzukommen und sein Zuhause zu genießen. Dass er es nicht tat, war eine Sache zwischen ihm und Gott, nicht das Ergebnis irgendwelcher Überredungskünste von lieben Freunden. Im Leben von Abram war Platz für Veränderung, ja, die Veränderung seiner Lebensumstände leitete die alles entscheidende Wende in seinem Leben ein.

EIN WAGNIS EINGEHEN

Ein Zweites fällt in diesen ersten Versen der Abraham-Geschichte auf: Es ist nicht einfach, sich auf Gottes Aufforderung einzulassen.

Was Gott diesem Mann zumutet, ist schon der Hammer! Geh in ein Land, das ich dir zeigen will – wie, einfach so? Wohin, Herr? Ohne Karte, ohne Navi, ohne Google Earth? So plane ich ja nicht einmal meinen Urlaub! Den muss ich schon ein halbes Jahr vorher buchen! Da schaue ich mir die Reiseroute genau an und weiß jetzt schon, wo ich in Jönköping abbiegen muss, nämlich auf die E4 in Richtung Karlsborg. Geh in ein Land, das ich dir zeigen will – wo ist das? Wo werden wir leben? Wo bekommen wir Wasser und Nahrung her? Wer schützt uns vor Überfällen? Also, geht’s noch? Da kommt doch Angst auf!

Manchmal denke ich, dass so mancher, der immer mal wieder einen Gottesdienst besucht und doch noch immer keine klare Entscheidung für Jesus getroffen hat, einfach auch Angst hat. Ich verstehe das. Da soll ich mich entscheiden, aber was kommt dann? Ein neues Leben mit Jesus – wie sieht das, bitte schön, aus? Welche Garantien gibt es dann gegen die Unsäglichkeiten meines Lebens? Verdiene ich mehr, wenn ich Christ werde? Finde ich die richtige Frau, wenn ich an Gott glaube? Muss ich mich nun nicht gegen Diebstahl versichern? Habe ich dann keine Angst mehr? Auf was lasse ich mich da eigentlich ein?

Wenn es Sie tröstet: Ich denke, Abram ging es nicht anders. Er hörte einmal die Stimme Gottes und musste nun entscheiden: Gehe ich oder gehe ich nicht? Glaube ich oder glaube ich nicht? Dabei ging es nicht nur um die Aufforderung, Haran zu verlassen. Abram hatte ein noch viel tiefer gehendes Problem. Gott sprach zu ihm und mit dem Marschbefehl war eine Verheißung verbunden: Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein (1. Mose 12,2).

Na ja, wenn Gott das zu mir gesagt hätte, hätte ich angefangen zu rechnen. Fünf Kinder habe ich und schon dreizehn Enkelkinder. »Herr, gib uns ein paar Generationen Zeit und dann klappt das.« Aber Abram hatte keine Kinder. Seine Frau Sarai konnte keine bekommen. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt! Zugegeben, die Leute wurden damals ein bisschen älter, als sie es heute werden, aber fünfundsiebzig ist fünfundsiebzig! Da sind andere schon Opa! Was für ein Schwachsinn, hier noch Nachwuchs zu erwarten! Abram sollte ein Land bekommen und hatte keine Erben. Da bleibt man doch lieber in Haran und pflegt den Gemüsegarten.

Denken wir also ja nicht, dass das einfach war. Sein Weg war kein leichter Weg. Er war voller Gefahren und Herausforderungen, aber auch voller Verheißung und erfahrener Nähe Gottes. Wissen Sie, wenn Gott Sie ruft und Ihren Glauben herausfordert, dann ist das kein Selbstläufer. Es ist Ihre Entscheidung und es ist ein Wagnis.

Kennen Sie die Geschichte von Horatio Spafford? Er war Rechtsanwalt in Chicago. 1873 bekam er die Nachricht, dass das Schiff, auf dem seine Frau und seine vier Kinder auf der Rückkehr von Frankreich nach Amerika waren, untergegangen war. Es war mit einem anderen Schiff zusammengestoßen und innerhalb weniger Minuten gesunken. Seine Frau war mit den vier Kindern noch an Deck gekommen und hatte gebetet: »Wenn es möglich ist, dann rette uns, Herr. Aber wenn es dein Wille ist, dass wir sterben, dann mach uns dazu bereit.« Die vier Kinder ertranken, Matrosen fischten Frau Spafford aus der See. Von Cardiff aus telegrafierte sie ihrem Mann zehn Tage später: »Allein gerettet.« Kurz danach schrieb Spafford ein Lied, das viele von uns gut kennen und Unzähligen schon Trost und Zuversicht vermittelt hat:

Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,

ob Stürme auch drohen von fern,

mein Herze im Glauben doch allezeit singt:

Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn.12

Glauben lernen mit Abraham, Glauben gegen alle Zweifel, Schwierigkeiten und Ängste? Glauben bedeutet: Ich mache mich auf, trotzdem. Ich habe keinen Plan B!

AUF GOTT SEHEN

Noch ein dritter Punkt findet sich in diesem ersten Kapitel, eine dritte Voraussetzung, die nötig ist, um anstehende Veränderungen zu erleben: Nicht das Maß des Glaubens ist entscheidend, sondern das Objekt.

Wie viel Glauben brauche ich? Wie viel Glauben hatte eigentlich Abraham? Lässt sich das messen oder vergleichen? Ich erinnere noch einmal an den ersten Punkt: Glaube ist immer die Antwort auf Gottes Initiative!

Es gibt da eine Geschichte im Neuen Testament, die uns helfen kann, dieses Prinzip besser zu verstehen. Petrus, einer der Jünger Jesu, macht die Erfahrung seines Lebens. Er kann über das Wasser laufen. Petrus ist ein Wasserläufer. Als Jesus den Jüngern mitten auf dem See entgegenkommt, als der Wind heult und die Wellen ins Boot schlagen, da ist es wieder einmal Petrus, der das Besondere wagt. Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen! (Matthäus 14,28; NGÜ). Jesus fordert ihn daraufhin auf, das Boot zu verlassen, und Petrus macht die ersten tastenden Schritte auf dem Wasser. Was für ein Moment!

In dem Film Die Hütte darf Mack gegen Ende seiner besonderen Reise mit Jesus über das Wasser eines Bergsees gehen.13 Erstaunlich, was moderne Filmtechnik heute zustande bringt. Wirklich scheint, was unmöglich ist. Doch genau das ist real die Erfahrung, die Petrus macht. Er verlässt das Boot und läuft über das Wasser. Dieses Erlebnis ist einmalig. Nur Jesus teilt es mit ihm. Aber so besonders, wie sein Abenteuer beginnt, so beklemmend endet es dann auch. Als Petrus sich der besonderen Situation bewusst wird, als er in die Wellen des aufgewühlten Sees Genezareth blickt, da packt ihn die Angst und er beginnt zu sinken.

Schauen wir uns das genauer an. Wie war das? Wann verlässt Petrus das Boot? Als Jesus ihn dazu aufforderte! Und wann sinkt er? Als er auf seine Möglichkeiten schaut! Es hilft mir überhaupt nicht weiter, wenn mir jemand sagt, dass ich mehr Glauben brauche. Das weiß ich sowieso! Das wussten die Jünger auch, denn sie bitten Jesus an einem anderen Tag direkt: Stärke uns den Glauben! (Lukas 17,5). Wie lautet die Antwort, die Jesus ihnen an anderer Stelle gibt? Er empfiehlt ihnen nicht, mehr Glauben aufzubringen. Er spricht nicht von Stärke und Kraft, sondern von der richtigen Art zu glauben. Er sagt: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Johannes 14,1). Mehr nicht! Auf die Bitte der Jünger, ihren Glauben zu stärken, antwortet er: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein (Lukas 17,6).

Wie viel Glauben brauchen wir? Nicht die Menge ist entscheidend – wie sollte man sie auch messen – sondern einfacher Gehorsam. Jesus sagt »Komm!« und Petrus kommt. Gott sagt: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will (1. Mose 12,1) und Abram geht. Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog (1. Mose 12,4).

Das ist das Geheimnis. Nicht das Maß unseres Glaubens ist entscheidend, sondern der Gott, der uns auffordert, ihm zu vertrauen. Gott lässt sich überhaupt nicht beeindrucken von unseren steilen Aussagen und großartigen Beteuerungen. Er freut sich, wenn wir ihm vertrauen – und wenn es auch nur den Anschein einer senfkornartigen, so scheinbar geringen Geste des Vertrauens hat. Mit unserem Glauben ehren wir Gott, denn ohne Glauben ist’s unmöglich, Gott zu gefallen (Hebräer 11,6a).

Ich lese, was Jakobus im Neuen Testament über Abraham schreibt, und es berührt mich. So ist die Schrift erfüllt, die da spricht »Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden«, und er wurde »ein Freund Gottes« genannt (Jakobus 2,23). Ein Freund Gottes! Wie dankbar bin ich für Wertschätzung und Freundschaft, die ich im Kreis meiner Familie, meiner Gemeinde und meiner Freunde erlebe. Es macht etwas mit mir, wenn ein lieber Mensch mir einen Brief schreibt und ihn abschließt mit der persönlichen Anrede Dein Freund. Was für eine Auszeichnung, Freund Gottes genannt zu werden!

Und Gott setzt noch eins drauf. Als er durch den Propheten Jesaja so einzigartige Worte des Trostes an sein geschundenes Volk Israel richtet, da wird Abraham zum Kronzeugen mit besonderer Benennung: Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, du Same Abrahams, meines Geliebten (Jesaja 41,8). Abraham war der Geliebte Gottes! Unglaublich! Warum? Wie wir im Folgenden noch sehen werden, gibt es auch Zeiten in seinem Leben, da hat er richtig Mist gebaut und versagt, Schlimmes angerichtet und verantwortet. Warum also? Warum wird er Freund Gottes und Geliebter genannt?

Paulus gibt in seinem Brief an die Römer eine Antwort auf diese Frage, wenn er schreibt: In der Heiligen Schrift heißt es: »Abraham setzte sein ganzes Vertrauen auf Gott, und so fand er Gottes Anerkennung« (Römer 4,3; Hfa). Abraham glaubte Gott. Das ist alles! Nicht mehr und nicht weniger. Nichts ehrt unseren himmlischen Vater mehr als unser Vertrauen. Wenn Gott in unser Leben hinein redet, dann sollten wir es also wagen, ihm zu vertrauen und aufs Wort zu glauben.

Aber woher weiß ich, ob es wirklich Gottes Stimme ist? Wir alle kennen doch Menschen, die zuerst von Gottes Reden gesprochen haben, und nachher war es nur ihr eigenes Wunschdenken. Manche Menschen gebrauchen die Aussagen »Gott hat zu mir gesagt« oder »Gott hat mir gezeigt« geradezu inflationär. Zu oft müsste sich Gott im weiteren Verlauf der Geschichte mächtig geirrt haben. Oder haben sie nicht richtig hingehört?

Ich habe kein Rezept, aber mir kommt es so vor, dass wir eher zu wenig als zu viel wagen. Abram machte sich auf den Weg und hatte keine Sicherheiten außer einer schier unglaublichen Verheißung: Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein (1. Mose 12,2). Ich glaube, wir brauchen, wenn wir glauben sollen, alle eine Verheißung Gottes, ein Versprechen Gottes. Ohne solch ein Versprechen mache ich mich nicht auf den Weg.

Grundsätzlich gilt mir und jedem Kind Gottes auf dieser Erde, zu allen Zeiten der Weltgeschichte und an jedem Ort diese Zusage: Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Johannes 3,16). Doch darüber hinaus leben wir in unserer Nachfolge immer und immer wieder von Gottes Reden in unser alltägliches Leben hinein. Ohne seine Offenbarung, ohne die aktuelle Führung durch den Geist Gottes, ist geistliches Leben nicht möglich.

Sechshundert Jahre nach Abraham forderte ein anderer Mann mit einer großen Verantwortung genau das von Gott. Mose sollte die Israeliten aus Ägypten, aus der Gefangenschaft, in das verheißene Land Kanaan führen und Mose betete: Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf (2. Mose 33,15). Ich finde, das entspannt ungemein. Ich muss mich nicht zu einem Glauben zwingen, der sich im Blau des Himmels gründet. Ich breche nur auf, ich verlasse nur Vertrautes und Bewährtes, wenn ich eine Verheißung habe. Ich höre auf, Leute zu drängen und zu überreden. Glaube gründet sich im Reden Gottes, nicht in meinen Motivierungskünsten.

VON ABRAHAM ZU UNS HEUTE

Wir lesen die ersten Verse dieser alten Geschichte und vielleicht fragen Sie sich: Schön, Gott beruft diesen Mann. Beeindruckend, aber streckenweise auch frustrierend ist seine Geschichte. Doch warum ist diese Geschichte so wichtig? Menschen haben zu allen Zeiten ihre Heimat verlassen und ihre Zukunft in anderen Ländern gefunden. Völkerwanderungen hat es zu allen Zeiten gegeben, Wirtschaftsflüchtlinge auch, Verfolgte ebenso. Also, was macht diese Geschichte so besonders?

Als Gott diese Erde schuf und sie in die Hände der Menschen gab, da war alles gut, sehr gut. Gott wollte in enger Zusammenarbeit mit den Menschen über die Erde herrschen. Seine Schöpfung hatte er der Krone der Schöpfung, dem Menschen, anvertraut. Adam und Eva waren aufgefordert, den Garten Gottes zu bebauen und zu bewahren. Die ganze Vielfalt in Fauna und Flora war den beiden geschenkt. Alles, bis auf das eine, durften sie genießen: Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben (1. Mose 2,16-17).

Es kam, wie es nie hätte kommen dürfen. Das erste Paar wählte den Ungehorsam und rebellierte gegen Gott. Sie trafen ihre Wahl gegen den Willen Gottes, vertrauten dem Bösen mehr als dem Schöpfer. Damit verloren sie alles. Sie tauschten eine vollkommene Welt gegen ein Leben voll Leid, Krankheit, Schmerzen, Gewalt, Selbstsucht und Tod ein. Die Menschen hatten das Paradies verlassen, sie hatten Gott verloren.

Generationen später wurde der moralische Verfall der Menschen unerträglich. Eine unvorstellbare Naturkatastrophe vernichtete fast alles Leben auf dieser Erde. Eine Handvoll Menschen, Noah und seine Familie, überlebten und gründeten eine neue Zivilisation. Aber es wurde nicht besser. Wie würde der Allmächtige reagieren? Stand das endgültige Aus für die Menschheit unmittelbar bevor?

Nein, und da sind wir bei Abram. Warum gerade er es war, wissen wir nicht. Aber ihn berief Gott und begann mit ihm einen neuen, ewig gültigen Weg der Wiederherstellung. Fortan würde es in der Verantwortung eines jeden einzelnen Menschen liegen, ob er dem Aufruf des Glaubens folgen würde oder nicht. Mit Abraham begann der Weg des Glaubens.

Das Prinzip des Glaubens gilt deshalb, damit alles auf Gnade beruhe. Nur so bleibt die Zusage für alle Nachkommen gültig, und zwar nicht nur für die, die nach dem Gesetz leben, sondern auch für die, die wie Abraham der Zusage Gottes vertrauen. So ist Abraham der Vater von uns allen, wie es in der Schrift heißt: »Ich habe dich zum Vater vieler Völker gemacht.« (Römer 4,16-17; NeÜ).

Zu diesen vielen Völkern gehören wir als geistliche Kinder Abrahams. Mit ihm hat Gott das begonnen, was für die Ohren eines Christen so selbstverständlich und vertraut klingt: Wir werden gerettet, wenn wir Gott glauben (vgl. Römer 3,28). Gottes Plan zu unserer Errettung begann mit der Berufung eines Mannes, der Abram hieß und aus Ur in Chaldäa stammte. Wunder über Wunder bis auf diesen Tag.

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Kapitel 2

RÜCKSCHRITT

Sag doch, dass du meine Schwester bist, dann werden sie mich deinetwegen gut behandeln und am Leben lassen!

1. Mose 12,13; NeÜ

Gott liebt uns ohne jede Vorbedingung. Was immer wir sind oder nicht sind – was immer wir tun oder nicht tun, er wird uns ungeachtet dessen weiterhin lieben.14

Adrian Plass

Die Geschichte: 1. Mose 12,10-20

Alle drei Monate erscheint diese gute christliche Zeitschrift, deren Lektüre mich in meinem Alltag aufatmen lässt. Meistens, aber dieses eine Mal nicht. Da enthielt die Ausgabe einige Artikel über Männer und Frauen mit hoher Verantwortung im Reich Gottes, die aus unterschiedlichen Gründen gescheitert sind. Sie waren allesamt so gut gestartet, haben Großes im Reich Gottes bewegt und dann ihren Dienst beenden müssen, weil sie Dinge in ihrem Leben zugelassen haben, die sie disqualifizierten.

Das erinnert an einen Dozenten des Dallas Theological Seminary, der vor den Studenten eine Vorlesung über moralische Integrität hielt. Er begann seine Vorlesung mit dem Hinweis, dass er in seiner Westentasche ein kleines Heft mit sich trage, das ihm sehr helfen würde, auf seine persönliche Glaubwürdigkeit zu achten. In diesem Heft hatte er die Namen einer Reihe von christlichen Persönlichkeiten notiert, die ihren Dienst einst gut begonnen, ihn dann aber nicht gut beendet hatten. Niemand, so betonte er, würde je diese Namen von ihm zu hören bekommen, aber für ihn seien sie eine ständige Mahnung, sehr sorgfältig darauf zu achten, dass er selber authentisch und glaubwürdig blieb. Und dann fügte er noch hinzu: »Heute Morgen habe ich den einundvierzigsten Namen aufgeschrieben.«15

Männer und Frauen haben durch ihren geistlichen Dienst wichtige Akzente gesetzt und beeindruckende Dinge im Reich Gottes geleistet. Dann mussten sie ihre Verantwortung abgeben, weil sie versagt haben. Geld, Macht, Sexualität – die drei großen ethischen Herausforderungen für jeden Christen –, irgendetwas davon wurde ihnen zum Fallstrick.

Sosehr uns in unserer Jesusnachfolge geistliche Vorbilder helfen können, sosehr sie uns herausfordern und motivieren – wir sollten vorsichtig damit sein, unseren Glauben und unsere Hingabe vom Vorbild wichtiger Persönlichkeiten im Reich Gottes abhängig zu machen. Wir könnten sonst alles infrage stellen, wenn wir mitansehen müssen, wie auch solche Vorbilder scheitern können, und wir legen ihnen mit unserer heimlichen oder offensichtlichen Verehrung eine kaum zu stemmende Last auf die Schultern.

Viele Mitarbeiter in Kirchen und Gemeinden stehen mit dem, was sie tun, im Licht der Öffentlichkeit. Sie leiten den Lobpreis, spielen ein Instrument, moderieren, predigen und das nicht selten jede Woche vor vielen Menschen. Sie haben ihre Follower bei Facebook und Instagram und ihre Beiträge sind bei YouTube jederzeit abrufbar.

So dankbar wir für all die Wertschätzung und das wohlgemeinte Lob sind, so gefährlich kann es für uns, die wir diesen Dienst tun, werden. Wir verlieren die Bodenhaftung, werden stolz, missbrauchen unsere Autorität und achten nicht mehr auf die Qualität unserer persönlichen Nachfolge. Wir werden gelobt, man bescheinigt uns, wie wertvoll wir sind, und mit der Zeit halten wir uns für unersetzbar.

Ein großer schottischer Prediger aus dem 19. Jahrhundert wurde an einem Sonntag nach dem Gottesdienst von einer Frau mit Komplimenten überschüttet. Ohne Zweifel, die Frau meinte es ernst, aber ihm war nur zu bewusst, wie gefährlich dieses Lob für ihn war. Sie hatte seiner Ansicht nach ein viel zu verklärtes Bild von ihm. Also sagte er zu ihr: »Gnädige Frau, wenn Sie wüssten, wie ich wirklich bin, Sie würden mir ins Gesicht spucken.«16 Und der große Prediger Charles H. Spurgeon soll in einer ähnlichen Situation zu einem wohlmeinenden Kompliment gesagt haben: »Das hat mir der Teufel auch schon gesagt.«