Abwicklungs- und Verteilungsprobleme bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren - Mathias Gellert - E-Book

Abwicklungs- und Verteilungsprobleme bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren E-Book

Mathias Gellert

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Beschreibung

Massenhaft streitige Insolvenzforderungen bringen im Insolvenzverfahren erhebliche Probleme mit sich. Eine vorhandene Insolvenzmasse kann aufgrund der rechtlich schwierigen und individuell zu bestimmenden Ansprüche der Gläubiger nicht zeitnah verteilt werden. Die Möglichkeiten des Regelinsolvenzverfahrens sind in diesen Fällen nur begrenzt nutzbar. Mathias Gellert befasst sich mit Gestaltungsvarianten im Planverfahren. Nach der Rechtsprechung des BGH können jedoch die Vorschriften über die Forderungsfeststellung (§§ 174 ff. InsO) nicht Gegenstand der Regelungen in einem Insolvenzplan sein. In Anlehnung an das US-amerikanische Insolvenzrecht werden alternative Lösungsmechanismen erörtert, die bei massenhaft streitigen Forderungen eine rechtssichere und zügige Verteilung an die Gläubiger erlauben. Neben der Erörterung von Verfahrensfragen werden Ideen entwickelt, wie auch das Mitbestimmungsrecht über den Insolvenzplan in solchen besonderen Fällen gewährleistet werden kann.

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Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag

Reihe Rechtswissenschaften

Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag

Reihe: Rechtswissenschaften

Band 87

MathiasGellert

Abwicklungs- und Verteilungsprobleme bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren

Tectum Verlag

MathiasGellert

Abwicklungs- und Verteilungsprobleme bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren

Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag Reihe:Rechtswissenschaften; Bd.87

© Tectum Verlag Marburg,2017

Zugl. Diss. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2016

ISBN:978-3-8288-6620-1

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter

der ISBN978-3-8288-3878-9 im Tectum Verlag erschienen.)

Umschlagabbildung:fotolia.com © Marco2811

Satz, Layout, Umschlaggestaltung: Mareike Gill | Tectum Verlag

Alle Rechte vorbehalten

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet überhttp://dnb.ddb.deabrufbar.

Übersicht

Abkürzungsverzeichnis

Einführung

A.Themenaufriss und Rechtfertigung

B.Gang der Untersuchung; Ziele der Arbeit

Kapitel 1:Die Rechtsprobleme am praktischen Fall

A.Der Fall Phoenix: Geschäftsmodell und Ursachen der Insolvenz

B.Konflikte

Kapitel 2:Abwicklungs- und Verteilungshindernisse bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Regelverfahren

A.Die Forderung als Schlüssel der Gläubigerrechte: Ein Überblick

B.Abwicklungshindernisse

C.Verteilungshindernisse bei unbestimmbarer Passivmasse

D.Problemexkurs: Sanierungshindernis

E.Zwischenergebnis

Kapitel 3:Neue Ansätze? Ein Blick über den insolvenzrechtlichen „Tellerrand“

A.Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG)

B.Allgemeines Verfahrensrecht

Kapitel 4:Der Phoenix-Plan: Begrenzte Autonomie im Planverfahren

A.Der gescheiterte verfahrensbegleitende Phoenix-Insolvenzplan

B.Der Phoenix-Plan auf dem Prüfstand der Gerichte

Kapitel 5:Untersuchung der Planfestigkeit der §§ 174 ff.InsO

A.Ziel

B.Prüfungsreihenfolge

C.Keine Spezialvorschrift

D.§ 217 InsO: Das Schlüsselbrett und Tür zur Privatautonomie

E.Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse

Kapitel 6:Die Suche geht weiter! Grundlagen alternativer Plangestaltungen – das Problem der Stimmrechte

A.Notwendigkeit einer gesicherten Stimmrechtsregelung

B.Verfahren (§ 235 InsO)

C.Bestimmung von Stimmrechten im Planverfahren

D.Ergebnis

Kapitel 7:Gestaltungsversuche über Options- und Verteilungspläne: Die zulässige „Bestimmung“ von Gläubigerforderungen für Sanierungs- und Verteilungszwecke

A.Vorüberlegungen: Das „Phoenix-Erbe“

B.Vorschlag 1: Der Optionsplan

C.Vorschlag 2: Der tabellenunabhängige Verteilungsplan

Fazit:Erinnerungen an die wichtigsten Erkenntnisse und Ausblick

Anlagen

A.Anlage 1: Rechenbeispiel für Rückstellungen

B.Anlage 2: Rechenbeispiel für Verteilungsungerechtigkeit

C.Anlage 3: Rechenbeispiel für mögliche Schlechterstellung

Literaturverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einführung

A.Themenaufriss und Rechtfertigung

B.Gang der Untersuchung; Ziele der Arbeit

Kapitel 1:Die Rechtsprobleme am praktischen Fall

A.Der Fall Phoenix: Geschäftsmodell und Ursachen der Insolvenz

B.Konflikte

I.Zusammenspiel von Insolvenzrecht und Zwangsvollstreckungsrecht

1.Insolvenzrecht als besondere Form der Zwangsvollstreckung

2.Unterschiede zum Zwangsvollstreckungsrecht

II.Klassifizierung und Bestimmung der Gläubigerforderungen

1.Aussonderung durch Treuhandabrede?

2.Eine Forderung, mehrere Berechnungsmethoden

Kapitel 2:Abwicklungs- und Verteilungshindernisse bei massenhaft streitigen Insolvenzforderungen im Regelverfahren

A.Die Forderung als Schlüssel der Gläubigerrechte: Ein Überblick

I.Antragsrecht aufgrund des persönlichen Leistungsanspruchs

II.Die spezifischen (Insolvenz-)Gläubigerrechte

1.Teilnahmerecht

2.Informations- und Anwesenheitsrecht

3.Mitbestimmungsrecht

4.Teilhaberecht

5.Prüfungsrecht

6.Vollstreckungsrecht aus der Tabelle

III.Zwischenergebnis

B.Abwicklungshindernisse

I.Tabellenführung

II.Stimmrechte in Gläubigerversammlungen

1.Grundsätze für Abstimmungen

2.Gefährdung der Gläubigerautonomie bei massenhaft streitigen Forderungen

C.Verteilungshindernisse bei unbestimmbarer Passivmasse

I.Das „Phoenix-Szenario“ – Der Wunsch einer frühzeitigen Vermögensverteilung

II.Grundsätze für Verteilungen im Regelverfahren

1.Überblick über Verteilungswege

2.Berücksichtigung festgestellter und bestrittener Forderungen

3.Blick in die Praxis und auf den Ausgangsfall

III.(Unzureichende) Korrektur- und Einflussnahmemöglichkeiten

1.Möglichkeiten des Gerichts

2.Möglichkeiten der Gläubiger

a)Einigung nach Widerspruch

b)Die Gläubigerversammlung: geeignetes Forum zur Vergemeinschaftung der Gläubigerinteressen?

c)Reichweite der Befugnisse

3.Möglichkeiten des Insolvenzverwalters

a)Einflussmöglichkeiten auf das Anmeldeverfahren

aa)Pool- oder Sammelanmeldungen

bb)Automatisierter Anmeldeprozess

b)Einflussmöglichkeiten im Feststellungsverfahren durch individuelle Vergleiche

4.Doch eine Abschlagsverteilung?

a)Problem: Rückstellungen als unkalkulierbarer Unsicherheitsfaktor

b)Problem: Haftungsrisiko durch ungerechte Verteilung

c)Problem: Verteilungen (nur) im Ermessen des Insolvenzverwalters

D.Problemexkurs: Sanierungshindernis

E.Zwischenergebnis

Kapitel 3:Neue Ansätze? Ein Blick über den insolvenzrechtlichen „Tellerrand“

A.Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG)

I.Anwendungsbereich

II.Schranke des § 240 ZPO

III.Unbrauchbarkeit des Rechtsgedankens

B.Allgemeines Verfahrensrecht

Kapitel 4:Der Phoenix-Plan: Begrenzte Autonomie im Planverfahren

A.Der gescheiterte verfahrensbegleitende Phoenix-Insolvenzplan

I.Einführung

II.Ziel, Motiv und Regelungsgehalt

III.Insolvenzspezifische Einordnung

1.Plantypen

2.Zulässigkeit der verfahrensbegleitenden Wirkung

3.Anwendungsbereich, einheitlicher Terminus technicus?

B.Der Phoenix-Plan auf dem Prüfstand der Gerichte

I.Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.10.2007

II.BGH, Beschluss vom 5.2.2009

III.Zwischenergebnis

Kapitel 5:Untersuchung der Planfestigkeit der §§ 174 ff.InsO

A.Ziel

B.Prüfungsreihenfolge

C.Keine Spezialvorschrift

D.§ 217 InsO: Das Schlüsselbrett und Tür zur Privatautonomie

I.Ausgangspunkt und Maßstab der Überlegungen

II.Wortsinn und systematische Interpretation

1.Das Anmelde- und Feststellungsverfahren als Teil der Befriedigung?

2.Das Anmelde- und Feststellungsverfahren als Teil der Verteilung?

3.Das Anmelde- und Feststellungsverfahren als Teil der Verfahrensabwicklung?

III.Historische Ansätze

1.Der Insolvenzplan im Reformprozess

2.Reformbemühungen und ökonomisch geprägte Einflüsse und Gesichtspunkte

3.Gläubigerautonomie im Spannungsfeld von zwingenden Vorschriften

4.Die Entwicklungsgeschichte: das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)

IV.Der Sinn und Zweck

1.Die „konturenlose“ Gläubigerautonomie und die Macht der Mehrheit

2.Keine Gefahr einer fehlerhaften Bewertung

3.Bedeutung der Tabelle im Regel- und Planverfahren

4.Ein Blick zu den USA – Das Vorbildargument?

5.Gläubiger(un-)gleichbehandlung

6.Ordnungsfunktion des Anmelde- und Feststellungsverfahrens

7.Das Argument der Nachrangigkeit

V.Bestätigung durch verfassungskonforme Auslegungskontrolle

E.Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse

Kapitel 6:Die Suche geht weiter! Grundlagen alternativer Plangestaltungen – das Problem der Stimmrechte

A.Notwendigkeit einer gesicherten Stimmrechtsregelung

B.Verfahren (§ 235 InsO)

C.Bestimmung von Stimmrechten im Planverfahren

I.Stimmrechte für unbestrittene Insolvenzforderungen

II.Stimmrechte für bestrittene Insolvenzforderungen

1.Das Einigungsverfahren

2.Die gerichtliche Stimmrechtsentscheidung

a)Zuständigkeit, Kontrolle

b)Maßstäbe und Kriterien der Entscheidung

c)Ansätze bei massenhaft streitigen Forderungen

d)Unterstützung durch den Insolvenzverwalter

3.Vergleichbares Modell nach US amerikanischem Recht: Rule 3018 of the Federal Rules of Bankruptcy Procedure

4.Kritikpunkt – Mögliche Überforderung der deutschen Insolvenzgerichte

a)Sachkunde der Insolvenzrichter

b)Zuständigkeit der Insolvenzgerichte

D.Ergebnis

Kapitel 7:Gestaltungsversuche über Options- und Verteilungspläne: Die zulässige „Bestimmung“ von Gläubigerforderungen für Sanierungs- und Verteilungszwecke

A.Vorüberlegungen: Das „Phoenix-Erbe“

I.Wirkungskreis und Beteiligung der Gläubiger

II.Die Herausforderung: Bindung und Schutz der Gläubiger

B.Vorschlag 1: Der Optionsplan

I.Idee und These: Handlungsoptionen auf Vergleichsangebote

II.Erläuterungen des Gesamtkonzeptes

1.Grundlagen der Überlegungen und Behauptung

2.Der Vergleich mit optionalem Widerspruchsrecht

a)Der Berechnungsmodus (nur) als Vergleichsvorschlag

b)Das Widerspruchsrecht: Inhalt, Ablauf, Zeitpunkt

c)Das Wahlrecht als Opt-Out-Modell

aa)Vorüberlegungen

bb)Konkludenz des Schweigens als zulässiger Planinhalt (§§ 231, 250 InsO)

1)Formelle Zulässigkeit

2)Materielle Zulässigkeit

2a)Exkurs: Schweigen im Vertragsrecht

2b)Wesen des Insolvenzplans als ein dem Vertrag bürgerlichen Rechts ähnliches Rechtsinstitut

2c)Prinzip bei Passivität im Insolvenzverfahren: Eine Abwägungen der Interessen

3)Zwischenergebnis

cc)Ablehnung durch Widerspruch

d)Ermächtigung des Insolvenzverwalters (§ 160 InsO)

e)Gedankenexkurs: Opt-In-Modell für Aussonderungsberechtigte (Phoenix)?

3.Korrektur der Insolvenztabelle

4.Durchführung der Verteilung

a)Rückgriff auf die Insolvenztabelle

b)Berücksichtigung der ablehnenden Gläubiger

c)Berücksichtigung von Nachzüglern

d)Gestaltungsalternative: Plandispositivität des § 192 InsO?

III.Verfahrensfragen

1.Planvorlagerecht (§ 218 InsO)

2.Verfahrensbegleitende Wirkung?

3.Planbestätigung

a)Gerichtliche Überprüfung (§§ 231, 250 InsO)

b)Minderheitenschutz: Die insolvenzrechtliche Wertgarantie (§ 251 InsO)

IV.Zusammenfassung

C.Vorschlag 2: Der tabellenunabhängige Verteilungsplan

I.Kritik am Optionsplan und die Notwendigkeit einer Alternative

II.Idee und These: Forderungsschätzung für Zwecke der Verteilung

1.„claim estimation“ nach amerikanischem Vorbild

2.Übertragbarkeit und Anwendung des Rechtsgedankens

IV.Der Beweis der These: Die Insolvenztabelle im Regel- und Planverfahren

1.Ausgangspunkt der Überlegungen

2.Tabellenfunktionen im Regelverfahren

a)Einfluss und Bedeutung für das Mitbestimmungsrecht

b)Einfluss und Bedeutung für das Teilhaberecht

aa)Anmeldung und Feststellung zur Tabelle

bb)Das Verteilungsverzeichnis als fortgeschriebene Tabelle

cc)Umgang mit bestrittenen Forderungen

dd)Korrektur des Verteilungsverzeichnisses vor Verteilung

ee)Kein unmittelbarer Zahlungsanspruch

c)Einfluss und Bedeutung für das Vollstreckungsrecht

d)Zwischenergebnis

3.Tabellenfunktionen im Planverfahren

a)Einfluss und Bedeutung für das Mitbestimmungsrecht

b)Einfluss und Bedeutung für das Teilhaberecht

aa)Zulässigkeit einer tabellenunabhängigen Verteilungsregel

1)Auslegung des § 217 S. 1 InsO

2)Identische Tabellenquote, jedoch unterschiedliche Gruppenquote

3)Gegenstand und Wirkung der Tabelleneintragung

4)Gerechtigkeit durch Verhandlung im Regel- aber auch im Planverfahren

5)(Un-)berechtigte Zahlungen auf (titulierte) Forderungen

6)Risiko einer fehlerhaften Verteilungsregel hinnehmbar

7)Bekannte Gläubiger (§ 229 S. 3 InsO)

8)Allgemeine Wirkung des Plans (§ 254 Abs. 1 InsO)

bb)Kritik

1)Spezialgesetzliche Regelung des § 256 InsO?

2)Durchführung des allgemeinen Prüfungstermins

3)Vorläufigkeit (k)ein Prinzip des Insolvenzverfahrens?

4)Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG?

cc)Ergebnis

c)Einfluss und Bedeutung für das Vollstreckungsrecht (§ 257 InsO)

4.Fazit

V.Umsetzungs- und Verfahrensfragen

1.Beispielhafte Verteilungsregel durch Schätzung von Verbindlichkeiten

a)Grundsatz I: „Alles“ oder „Nichts“

b)Grundsatz II: Inhaltsoffenheit und Fairnessgebot

c)Die homogene Schuldenmasse

d)Die inhomogene Schuldenmasse

2.Die Festlegung einer Zielverschuldung (§§ 224, 255 f. InsO)

a)Grundlagen

b)Liquidation

c)Sanierung

3.Gruppenbildung

a)Sinn und Zweck im Konflikt zu Manipulationsmöglichkeiten

b)Unzulässigkeit oder Gebotenheit zur Bildung eigener Gruppen der Gläubiger mit streitbefangenen Forderungen?

4.Verfahrensbegleitende Wirkung (§ 258 Abs. 1 InsO)

5.Planbestätigung

a)Gerichtliche Überprüfung (§§ 231, 250 InsO)

aa)Ausgangspunkt und grundlegende Bedeutung des Widerspruchsrechts

bb)Keine Einschränkung der Verfahrensrechte (§ 178 InsO)

b)Minderheitenschutz: Die insolvenzrechtliche Wertgarantie (§ 251 InsO)

aa)Grundlagen

bb)Prognose der Schlechterstellung

cc)Quotenschaden als potenzielle Schlechterstellung

1)„mittelbarer“ und „unmittelbarer“ Quotenschaden

2)Ausgleich durch bereitgestellte Mittel (§ 251 Abs. 3 InsO)

2a)Anspruchsberechtigte

2b)Geltendmachung, Höhe der Ausgleichsmittel

dd)Ergebnis: Wahrung und Schutz der Parteiinteressen

Fazit:Erinnerungen an die wichtigsten Erkenntnisse und Ausblick

Anlagen

A.Anlage 1: Rechenbeispiel für Rückstellungen

B.Anlage 2: Rechenbeispiel für Verteilungsungerechtigkeit

C.Anlage 3: Rechenbeispiel für mögliche Schlechterstellung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abs.Absatz

AGAmtsgericht

Art.Artikel

BBBetriebsberater

BaFinBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAGBundesarbeitsgericht

BGBBürgerliches Gesetzbuch

BGHBundesgerichtshof

BGHZSammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen

BR-Dr.Bundesratsdrucksache

BT-Dr.Bundestagsdrucksache

BVerfGBundesverfassungsgericht

BVerfGESammlung der Entscheidungen des BVerfG

BVerwGBundesverwaltungsgericht

bspw.beispielsweise

DBDer Betrieb

ders./dies.derselbe/dieselbe(n)

d. h.das heißt

DZWIRDeutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EdWEntschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen

EAEGEinlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz

EGInsOEinführungsgesetz zur Insolvenzordnung

EUREuro

GISelektronisches Gläubigerinformationssystem

HGBHandelsgesetzbuch

InsOInsolvenzordnung

f.folgende Seite

ff.folgende Seiten

FSFestschrift

gem.gemäß

GGGrundgesetz

ggfs.gegebenenfalls

InsVVInsolvenzrechtliche Vergütungsverordnung

JuSJuristische Schulung

JZJuristische Zeitung

KOKonkursordnung

LGLandgericht

KapMuGKapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

lit.littera (= Buchstabe)

Mio.Millionen

NJWNeue Juristische Wochenschrift

NJW-RRNJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

NZINeue Zeitschrift für Insolvenzrecht

Nr.Nummer

OLGOberlandesgericht

RGReichsgericht

RGZSammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.Randnummer

S.Satz

TEURTausend Euro

u. a.unter anderem

u. U.unter Umständen

vgl.vergleiche

VwGOVerwaltungsgerichtsordnung

v. v.von vielen

WMWertpapiermitteilungen

ZInsOZeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

ZIPZeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZPOZivilprozessordnung

Einführung

A.Themenaufriss und Rechtfertigung

Der Gesetzgeber gibt als ein Ziel der InsO die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners vor, indem sein Vermögen verwertet und der Erlös verteilt1 oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung2 getroffen wird (§ 1 S. 1 InsO). Das Insolvenzrecht gilt als rechtlich komplizierte Gemengelage vieler Interessen und kann deshalb hinsichtlich seiner marktwirtschaftlichen Bedeutung nur schwer eindeutig eingeordnet werden, doch am Ende geht es hauptsächlich um den finanziellen Umbau von am Markt versagenden Wirtschaftseinheiten3 oder um die vernünftige rechtliche Ordnung des Marktaustritts, wobei in jedem Fall den Vermögensverteilungen eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Von den Besonderheiten der Eigenverwaltung abgesehen, verteilen im Regelverfahren die Insolvenzverwalter das Vermögen auf angemeldete und in der Insolvenztabelle festgestellte Forderungen und berücksichtigen angemeldete bestrittene Forderungen in Form von Rückstellungen, soweit die Gläubiger die gesetzlich normierten weiteren Voraussetzungen erfüllen (§§ 187 ff. InsO). Die Insolvenzverwalter verwerten deshalb nicht nur das schuldnerische Vermögen, sondern prüfen – neben Schuldner und Insolvenzgläubiger – auch die angemeldeten Forderungen und bestimmen so überhaupt erst die Schuldenmasse, auf die der Erlös gleichmäßig verteilt wird. Doch je komplexer und größer das Unternehmen, desto aufwendiger und komplizierter gestaltet sich das Insolvenzverfahren und angesichts globaler Konkurrenz und demzufolge wohl weiter steigender Zahlen von Unternehmenszusammenschlüssen wird die Wahrscheinlichkeit von „Großinsolvenzen“ in den nächsten Jahren voraussichtlich wachsen. Nicht selten geht es bei solchen Insolvenzverfahren um bedeutende Vermögenswerte in Millionen- oder gar Milliardenhöhe – auf Seiten des Vermögens aber auch der Verbindlichkeiten.

Nach den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes für das Berichtsjahr 2015 meldeten die deutschen Amtsgerichte 116.092 eröffnete Insolvenzen (davon 16.979 Unternehmensinsolvenzen).4 Das voraussichtliche Forderungsvolumen betrug nach Schätzung etwa 24,4 Milliarden EUR. Die durchschnittliche Quote liegt bei etwa 3,6 %5, weshalb rein rechnerisch für das Jahr 2015 etwa 1 Milliarde EUR zu verteilen waren bzw. sind. Für abschließende Zahlen muss man derzeit noch auf belastbare Daten des Insolvenzstatistikgesetzes warten6, doch der Kern der Sache ist ungeachtet dessen bereits erkennbar. Bemerkenswert ist nämlich, dass etwa die Hälfte der Forderungen auf etwa 600 Verfahren entfallen und somit allein in diesen wenigen Verfahren ein Großteil der Erlöse von schätzungsweise 500 Mio. EUR zu verteilen sind.7 In diesen hier als „Großverfahren“ bezeichneten Insolvenzen steigen neben der Gesamtsumme der Forderungen regelmäßig ganz allgemein auch die Anzahl der Gläubiger und damit letztendlich auch der Aufwand, das Verfahren ordnungsgemäß und in einem zeitlich vertretbaren Rahmen abzuwickeln. Insolvenzverwalter, Insolvenzrichter aber auch Berater sehen sich in diesen wenigen Großverfahren einer Vielzahl potenziell konkurrierender Interessen gegenüber. Diese Mammutaufgabe scheint schwer genug, doch der daraus resultierende Widerstreit gipfelt dann in ein Extrem, wenn zusätzlich Streit über die Berechtigung aller oder einer wesentlichen Gruppe von Gläubigern, jedenfalls einer Vielzahl von Gläubigerforderungen, besteht.

Mit der vorliegenden Arbeit untersuche ich die damit im Zusammenhang stehenden Abwicklungs- und Verteilungsprobleme im Regelverfahren und stelle anschließend dar, inwieweit speziell die Vorschriften über das Anmelde- und Feststellungsverfahren von Insolvenzforderungen oder die Verteilungsvorschriften in einem das Regelverfahren gestaltenden Insolvenzplan angepasst bzw. neu geregelt werden können. Ausgangs- und Bezugspunkt der Überlegungen ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der „Phoenix Kapitaldienst GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen“8, eine Kapitalanlagegesellschaft bei der mehr als 30.000 Anleger Verluste durch einen als betrügerisches Schneeballsystem ausgestalteten Einlagenpool erlitten. Vereinzelt wurde das Verfahren als das deutsche Pendant zum weltweit bekannten Madoff-Fall bezeichnet.9 Zwar war das Betrugssystem auch hier nicht neu und konnte strafrechtlich in vergleichsweise überschaubarer Zeit aufgearbeitet werden, jedoch gelang es nicht, das Verfahren aufgrund der massenhaft streitigen Insolvenzforderungen in angemessener Zeit abzuwickeln, denn es war u. a. unklar, wie die Forderungen der Anleger zu bestimmen sind. Verschärft wurde das Problem dadurch, dass der Insolvenzverwalter frühzeitig nennenswerte Gelder in Millionenhöhe sichergestellt hatte, die er an die Gläubiger verteilen wollte, wodurch erwartungsgemäß das Interesse der Gläubiger im Vergleich zu einem „Nullverfahren“ mit wenig bis gar keiner Aussicht auf eine Quotenzahlung erheblich stieg. Jedoch war unklar, ob diese Gelder überhaupt verteilt werden durften und wenn ja, wie eine solche Verteilung bspw. in Form einer Abschlagsverteilung im Regelverfahren hätte durchgeführt werden können.

Der wirtschaftliche Zusammenbruch und die damit einhergehend erforderliche Ordnung der Haftungsverhältnisse haben die Beteiligten vor bislang unbekannte Herausforderungen gestellt, die mithilfe der insolvenzrechtlichen Vorschriften des Regelverfahrens aus damaliger (und auch noch heutigen!) Sicht jedenfalls nicht zeitnah zu lösen waren. Da die Schuldenmasse erst über Jahre andauernde Feststellungsprozesse zu bestimmen gewesen wäre, bestand ein praktisches Interesse daran, eine für alle Beteiligten einheitliche und vor allem verbindliche Regelung zu schaffen, mit der einerseits die Kategorisierung als Insolvenzgläubiger und andererseits die Höhe der Gläubigerforderungen festgelegt wird. In Krisen zwingen Sackgassen zur Neuorientierung. Vor diesem Hintergrund versteht sich, dass der Insolvenzverwalter „Neuland“ betrat und in Abstimmung mit Vertretern der wesentlichen Gläubigergruppen einen verfahrensbegleitenden Insolvenzplan als Instrument der Teilabwicklung des Insolvenzverfahrens vorlegte, mit dem u. a. ein verbindlicher Berechnungsmodus für die Insolvenzforderungen bestimmt werden sollte. Im Übrigen sollte das Insolvenzverfahren nach den Vorschriften des Regelverfahrens weiter abgewickelt werden.

Die verfahrensbegleitende Wirkung sah die InsO zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht ausdrücklich vor, was der Gesetzgeber jedoch mittlerweile klarstellte und die Möglichkeit verfahrensbegleitender Insolvenzpläne in das Gesetz aufnahm.10 Die Einzelheiten waren zu jener Zeit aber umstritten, weshalb der BGH11 zu entscheiden hatte und damit in Bezug auf den zulässigen Inhalt eines Insolvenzplans für Klarheit aber auch für Aufsehen gleichermaßen sorgte. Die Richter ließen die Frage der Zulässigkeit eines verfahrensbegleitenden Insolvenzplans letztendlich offen und begründeten die Unzulässigkeit des Plans damit, dass dieser nicht regeln dürfe, nach welchem Modus die Forderungen der Gläubiger zu bestimmen sind. Die Forderungen sind nach den Vorschriften des Regelverfahrens festzustellen, mit der Folge, dass die Gerichte mit dem Problemkreis – neben den diversen sonstigen insolvenzrechtlichen Fragen, die dieses Verfahren aufwarf – mehr als 9 Jahre befasst waren. Erst im April 2014 entschied der BGH12, wie die Forderung eines klagenden Anlegers zu berechnen sei. Nun mag eine lange Verfahrensdauer für Großverfahren nicht ungewöhnlich sein, jedoch ist sie es dann, wenn bereits frühzeitig ein erheblicher Geldbetrag hätte verteilt werden können, der aber aufgrund von außerhalb der Insolvenz liegenden rechtlichen Problemen dem Markt entzogen wird.

Die Entscheidungsgründe des BGH wurden von der Literatur und Praxis weitestgehend unkritisch übernommen, weshalb das Problem und Untersuchungen von Lösungsmöglichkeiten wohl auch deshalb konturenlos blieben, so dass eine tiefgründige Auseinandersetzung notwendig erscheint. Das Problem taucht zudem immer wieder in einem anderen Gewand auf, nämlich auch bei der Frage des Umgangs mit schwer bestimmbaren Massenschäden in einem Insolvenzverfahren. Die rechtlichen Fragen sind keinesfalls nur akademischer Natur. Kann die Schuldenmasse für die Zwecke der Verteilung nicht bestimmt werden, liegen erhebliche Gelder auf Eis, und eine Sanierung von Unternehmen, die mit bekannten (oder gar unbekannten!) Forderungen konfrontiert werden, sind mangels bestimmbarer Schuldenmasse u. U. nicht sanierungsfähig. Daran anknüpfend werden Schuldner- und Gläubigerrechte in der Insolvenz gefährdet und Vermögen weitgehend entwertet. Gläubiger verlieren bspw. ihren Reinvestitions- und Zinsvorteil, weil Sie Erlöse aus der Insolvenz nicht neu investieren können. Längere Verfahrensdauern als auch die Arbeit mit und an der Insolvenztabelle bedingen höhere Verfahrenskosten, so dass zugleich die verteilungsfähige Masse aufgezehrt wird. Sanierungswürdige Unternehmen können im Einzelfall nicht gerettet werden. Arbeitsplätze gehen verloren.

Blicken wir zurück auf den Ausgangspunkt. Die Phoenix-Entscheidung mag verwundern, sollte den Gläubigern, die über einen Insolvenzplan zu entscheiden haben, doch mit dem vor etwa 16 Jahren eingeführten Planverfahren ein weitgehend flexibles Handlungsinstrument in die Hand gegeben werden, ihre Interessen eigenverantwortlich zu regeln und eine pragmatische und zugleich wirtschaftlich sinnvolle Abwicklung zu finden, zu beschließen und letztendlich auch durchführen zu können. Doch auch nach Jahren der Praxiserfahrung mit der „neuen“ InsO ist der Insolvenzplan eine Ausnahmeerscheinung und führt weiterhin ein Schattendasein.13 Sicher nicht zuletzt auch deshalb, da sich Rechtsfragen bei komplexen Plangestaltungen vermehrt auftun. Flexibilität bedarf Kreativität und Mut – insbesondere zu individueller Gestaltung – bedingt jedoch zugleich mehr Umsetzungsrisiken. So haftet seine schwere Handhabbarkeit dem Planverfahren insgesamt nach wie vor an.14 Gesetzesnovellierungen, die alte Probleme lösen, aber stets auch Neue aufwerfen, tun ihr übriges. Zwar konnten in ausgewählten Großinsolvenzen Planverfahren durchaus erfolgreich durchgeführt werden, doch konnten diese nicht die Tiefen- und Breitenwirkung entfalten, die man ihnen wohl wünschenswerter Weise zugetraut hätte.15 Die ganz allgemein geringe Zahl an Planverfahren führt weiterhin dazu, dass in der Praxis auch nur auf eine überschaubare Anzahl an Gerichtsentscheidungen zurückgegriffen werden kann. Damit wächst für Berater und Insolvenzverwalter das (Haftungs-)Risiko, bei der Regelung von „Spezialfragen“ die Bestätigung des Insolvenzplans zu gefährden und zum Nachteil der Gläubiger viel Zeit und Geld zu investieren. Auf der anderen Seite dürfte für Insolvenzrichter der sichere Umgang mit dieser Spezialmaterie der Beweis für eine qualitativ hochwertige Arbeit eines Insolvenzverwalters und seiner Kanzlei darstellen.

Die praktische Bedeutung des Insolvenzplans bleibt insgesamt noch hinter dem theoretischen Gestaltungsfacettenreichtum zurück und wie auch auf dem Gebiet der Bewältigung von Massenschäden haben wir gerade erst begonnen, die Möglichkeiten zu entdecken, die das Insolvenzrecht auf diesem Gebiet offeriert.16 Inwieweit in diesem Zusammenhang auch verfahrensbegleitende Pläne Hilfe leisten können, wurde bislang in der Wissenschaft und Praxis noch nicht hinreichend thematisiert. Zwar konnte das Planverfahren allgemein bereits über diverse Reformen effektiver gestaltet werden, jedoch muss das Insolvenzrecht nach wie vor im Einzelfall korrigiert und weiterentwickelt werden, und sich mit bislang unbekannten Fallkonstellationen der Praxis auseinandersetzen, die der Gesetzgeber so nicht sehen konnte.

Zwar ist die Phoenix-Entscheidung des BGH nahezu unbestritten, aber in welchem Umfang Alternativen bestehen könnten, im Grunde genommen ungeklärt und wurde nicht zur Diskussion gestellt, weshalb neben einer kritischen Betrachtung und Würdigung der Entscheidungsgründe darüber hinaus ein Beitrag zu der Frage geleistet werden soll, ob unter Berücksichtigung der – so viel sei vorweggenommen – im Ergebnis zuzustimmenden Rechtsprechung des BGH mithilfe eines Insolvenzplans jedenfalls Verteilungsmechanismen für alle Beteiligten bindend festgelegt werden können. Das praktische Bedürfnis an solch verbindlichen Planverteilungsregeln, veranschaulicht am Beispiel Phoenix, und die stiefmütterliche Diskussion über Gestaltungsalternativen im Planverfahren erscheinen als ausreichende Rechtfertigung für diese Arbeit.

B.Gang der Untersuchung; Ziele der Arbeit

Im ersten Kapitel dieser Arbeit erläutere ich die der Arbeit zu Grunde liegenden insolvenzrechtlichen Konflikte am praktischen Fall der Phoenix Insolvenz. Nach ersten Informationen über das Geschäftsmodell und Ursachen der Insolvenz stelle ich die Unsicherheiten bei der Bestimmung der Ansprüche der mehr als 30.000 Anleger dar.

Mit dem zweiten Kapitel möchte ich das Bewusstsein für das Problem schärfen, das entsteht, wenn die Schuldenmasse in einem Insolvenzverfahren nicht in überschaubarer Zeit bestimmt werden kann, wobei zunächst einführende Worte zu den Gläubigerrechten im Insolvenzverfahren den Wert und die Bedeutung der Forderung im Insolvenzverfahren veranschaulichen sollen. Es wird sich zeigen, dass neben den Problemen bei der Tabellenführung und der Ermittlung von Stimmrechten auch die Voraussetzungen für eine Ausschüttung der Insolvenzmasse im Regelverfahren jedenfalls nicht kurzfristig geschaffen werden können. Die Befugnisse der Gläubigerversammlung sind begrenzt, wie auch die Einflussmöglichkeiten des Gerichts oder des Insolvenzverwalters bspw. auf das Anmelde- und Feststellungsverfahren. Eine Abschlagsverteilung mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Bildung von Rückstellungen ist nicht zielführend, auch weil Gläubiger mangels gesicherter Informationen ihre Handlungsoptionen nicht ausloten können. Darüber hinaus bestehen Haftungsrisiken für den „vorschnell“ verteilenden Insolvenzverwalter. Das Kapitel endet in einem Problemexkurs, in dem deutlich gemacht wird, dass Verteilungsprobleme bedingt durch eine unbestimmte Schuldenmasse nicht nur in Liquidationsszenarien auftauchen, sondern im Einzelfall auch eine Sanierung erschweren. Schwerpunkt des drittenKapitels ist ein Blick über den insolvenzrechtlichen Tellerrand hinaus, um Ideen und Ansätze, insbesondere aus dem Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz zu finden und es auf seine insolvenzrechtliche Tauglichkeit hin zu überprüfen.

Dem vierten Kapitel widme ich den Zielen und dem Regelungsgehalt des in 2005 vorgelegten Phoenix Insolvenzplans, den der Insolvenzverwalter in Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss erarbeitete, und versuche, das Planmodell den bereits bekannten Plantypen zuzuordnen. Die Bestätigung des Insolvenzplans wurde – wie bereits angedeutet –aufgehoben. Für die Suche nach zulässigen Planinhalten und Gestaltungsmöglichkeiten sind daher die Entscheidungsgründe der Rechtsprechung zu analysieren.

Dies zum Anlass nehmend beleuchte und beurteile ich die bislang weitestgehend unkritisch dargestellte Rechtsprechung zur Planfestigkeit der §§ 174 ff. InsO und widme der Diskussion das fünfte Kapitel. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Suche nach einer Spezialvorschrift und die Frage, ob die Existenz des § 224 InsO insbesondere mit Blick auf den Anwendungsbereich und den Sinn und Zweck unzureichend gewürdigt wurde, also nicht nur ein Schuldenschnitt oder eine Zielverschuldung vereinbart, sondern unmittelbar gerade auch die Vorschriften über das Anmelde- und Feststellungsverfahren modifiziert werden können. Die Antwort lautet nein. Das Kapitel mündet in einer umfassenden Auslegung des § 217 InsO als streitentscheidende Norm und die Diskussion endet mit der im Ergebnis die Rechtsprechung bestätigenden Feststellung, dass die Vorschrift als Schlüsselbrett und Tür zur Privatautonomie einen Zugriff auf die §§ 174 ff. InsO nicht ermöglicht.

Sind mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH nun auch alternative Plangestaltungen unzulässig? Die Antwort lautet erneut nein. Doch bevor ich mich im letzten Kapitel auf die Suche nach zulässigen Planinhalten begebe, stelle ich im vorletzten sechsten Kapitel dar, wie die Gläubiger bestrittener Forderungen im Abstimmungsverfahren beteiligt werden können, um nicht nur die Gläubigerautonomie bei massenhaft streitigen Forderungen praxistauglich zu sichern, sondern insbesondere auch eine hinreichende Legitimationsgrundlage für eine Planregelung zu schaffen. Dabei wird die bereits in der InsO vorgesehene Möglichkeit, das Stimmrecht bestrittener Forderungen gerichtlich feststellen zu lassen, auf das zu Grunde liegende Problem ausgerichtet und konkretisiert.

Im siebten und damit letzten Kapitel beginnt die Suche nach alternativen – jeweils nur im Sinne von Vermögensverteilungen ermöglichenden – Plangestaltungen. Ich erläutere insgesamt zwei Planvorschläge und stelle mit der ersten Lösung fest, dass das Gestaltungspotenzial von (verfahrensbegleitenden) Insolvenzplänen jedenfalls eine mittelbare Problemlösung möglich macht, im Kern die Schuldenmasse aber unbestimmt lässt. Eine zweite Planverteilungslösung konnte schließlich in einem Gestaltungsvorschlag gefunden werden, der die „Zielverschuldung“ bestimmt und zwar mit Hilfe einer Schätzung. Hiermit korrespondiert eine modifizierte Verteilungsregel mit der die quotenberechtigten Forderungen bestimmt werden. Dabei wird ein Blick auf das amerikanische Sanierungsrecht helfen, wo einzelne Forderungen oder Forderungsgruppen auf Antrag durch das Insolvenzgericht geschätzt werden können (11 U. S. C. § 502 (c)). Die Idee der Schätzung übertrage ich auf das deutsche Planverfahren und stelle fest, dass eine Verteilung auf eine geschätzte Passivmasse auch im deutschen Insolvenzrecht, auch wenn die einzelnen Forderungen bestritten sind, zulässig ist. Die Vorgaben der Rechtsprechung in Bezug auf zwingendes Verfahrensrecht und zu gewährleistenden Rechtsschutz bleiben gewahrt. Durch eine Kombination weiterer Regelungen, insbesondere dem Zugriff auf Insolvenzforderungen über § 224 InsO, wäre selbst eine Sanierung bei einer unbestimmten Passivmasse möglich.

Diese Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in Bezug auf die Dogmatik, der Rechtsnatur und Gestaltungsmöglichkeiten von Insolvenzplänen, soll aber neue Denkanstöße geben, die auf der bisherigen Anwendung von Insolvenzplänen aufbauen. Darüber hinaus soll die Arbeit dazu beitragen, eine weitergehende wissenschaftliche Diskussion über das Potenzial, die Gestaltungsmöglichkeiten, das Facettenreichtum und Chancen (verfahrensbegleitender) Insolvenzpläne anzuregen, die derzeit nur am Rande und allenfalls einzelfallbezogen stattfindet.

1Nachfolgend auch Regelverfahren.

2Nachfolgend auch Planverfahren.

3Uhlenbruck ZInsO 2001, 1129 (1133).

4Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe 4.1, erschienen am 11.3.2016, Seite 11; abgerufen unter www.destatis.de am 21.8.2016.

5Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, IfM-Materialien Nr. 186, „Die Quoten der Insolvenzgläubiger in Regel- und Insolvenzplanverfahren“ vorgelegt von Peter Kranzusch unter Mitarbeit von Annette Icks im Juni 2009, Seite 34; abgerufen unter http://www.ifm-bonn.org am 19.12.2014.

6Die voraussichtlichen Forderungen werden von den Amtsgerichten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Insolvenzantrag ermittelt und gemeldet. Erfasst sind deshalb lediglich Forderungen, von denen die Gerichte Kenntnis haben. Statistiken zu den tatsächlich zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Insolvenzforderungen werden seit dem zum 1.1.2013 in Kraft getretenen Insolvenzstatistikgesetz gesammelt. Ergebnisse waren erst nach Ablauf eines Jahres zu erwarten, somit erstmals für das Jahr 2014 geplant, liegen aber noch nicht vor (Stand 09/2016).

7Gemeint sind Verfahren, in denen voraussichtlich 5 Mio. EUR und mehr angemeldet werden.

8Nachfolgend auch nur „Phoenix“ oder „Schuldnerin“. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1.7.2005 durch das AG Frankfurt am Main das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ: 810 IN 300/05 P-13 – 4). Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Frank Schmitt bestellt, Fachanwalt für Insolvenzrecht von der Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH.

9Dahl/Thomas GWR 2011, 179 (179).

10BGBl. I 2011, 2582: Klarstellung im Wortlaut des § 217 InsO und Folgeänderung in § 258 Abs. 1 InsO.

11BGH NJW-RR 2009, 839.

12BGH ZInsO 2014, 1051.

13Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, IfM-Materialien Nr. 186, „Die Quoten der Insolvenzgläubiger in Regel- und Insolvenzplanverfahren“ vorgelegt von Peter Kranzusch unter Mitarbeit von Annette Icks im Juni 2009, Seite 22; abgerufen unter http://www.ifm-bonn.org am 19.12.2014. Von den 15.140 Regelverfahren der Eröffnungsjahrgänge 2002 bis 2007 in NRW wurden nur 211 nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben, entspricht etwa 1,4 % der ausgewerteten Verfahren.

14Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, 2012, Seite V, Vorwort.

15Rostocker Schrift zum Bankrecht, 2013, Bornemann, S. 12.

16Madaus ZIP 2014, 160 (163).

Kapitel 1:Die Rechtsprobleme am praktischen Fall

A.Der Fall Phoenix: Geschäftsmodell und Ursachen der Insolvenz

Der Insolvenzfall Phoenix stellt u. a.17 einen der größten Fälle von Kapitalanlagebetrug dar.18 Das Verfahren machte nicht zuletzt auch deshalb Schlagzeilen, weil erhebliche Vermögenswerte sichergestellt werden konnten, was bei Kriminalinsolvenzen eher die Ausnahme darstellt. Die Schuldnerin war ein Wertpapierhandelsunternehmen. Seit 1976 vermittelte sie Options- und Termingeschäfte an verschiedenen Waren- und Devisenmärkten im sogenannten grauen Kapitalmarkt. Der Gesetzgeber beschreibt den grauen Kapitalmarkt als einen nicht bzw. nicht spezialgesetzlich geregelten Teil des Kapitalmarktrechts.19 1992 erweiterte die Schuldnerin ihr Geschäftsfeld in jenem Graubereich und bot Beteiligungen an einem von ihr selbst verwalteten Kapitalanlagepool an, dem so genannten „Phoenix Managed Account“ (PMA). Dabei handelte es sich um eine Kollektivanlage, an der sich die Anleger gemeinschaftlich beteiligen konnten. Das Geschäftsmodell war klar auf ein Massengeschäft ausgerichtet. Die Wertpapiergeschäfte wurden über verschiedene Brokerhäuser20 ausgeführt, bei denen Gemeinschaftstreuhandkonten eröffnet wurden, so genannte Sammelkonten oder Omnibuskonten21. Wer sich am PMA beteiligen wollte, zahlte den zuvor vereinbarten Anlagebetrag auf diese Einzahlungskonten. Das Treuhandmodell sah vor, dass nicht jedem Anleger ein eigenes Konto zugewiesen wurde. Nur das eigene Vermögen der Schuldnerin sollte auf sogenannten Nostro-Konten22 bei Korrespondenzbanken verwahrt werden. Die zu jener Zeit gesetzlich vorgeschriebene Vermögenstrennung von Kundengeldern wurde nicht eingehalten. Darüber hinaus nahm die Schuldnerin Querüberweisungen vor, so dass auch eigene Gelder mit Geldern der Anlegergemeinschaft vermischt wurden. Hiervon hatten die Anleger keine Kenntnis.

Das Ziel der gutgläubigen Anleger, die der scheinbaren Legalität und Kompetenz vertrauten, war es, mit ihrem investierten Kapital am Handelserfolg der betriebenen Derivategeschäfte teilzunehmen. Die Schuldnerin führte die Geschäfte im eigenen Namen und auf Rechnung der Anlegergemeinschaft durch. Gegenstand des Vertrages war somit die Chance, an den fremden Wertpapiergeschäften zu partizipieren und Gewinne zu erzielen. Das Gemeinschaftstreuhandmodell bedeutete dabei, dass sämtliche Einlagen der Anleger zur Erhöhung der Gewinnchancen „gepoolt“, also zusammengelegt und gemeinschaftlich verwaltet werden. Alle Anleger sollten im Verhältnis zur jeweils erbrachten Einlage gleichermaßen am Gewinn und Verlust der verwalteten Vermögensmassen partizipieren. Um diese Chance sind die Anleger jedoch gebracht worden, weil die versprochenen Geschäfte (jedenfalls in den letzten Jahren vor der Insolvenz) überwiegend gar nicht erst getätigt worden sind, nachdem ein Großteil der Kundengelder durch die Termingeschäfte verloren ging. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters erlitt die Schuldnerin allein in den Anfangsjahren einen realen Handelsverlust von knapp 55 Mio. EUR, den sie jedoch verschwieg.23

Die Chance auf eine höhere Rendite ist mit einem erhöhten Verlustrisiko verbunden. Doch die Anleger hatten keine Kenntnis davon, dass bereits erhebliche Verluste eingetreten sind. Denn die Schuldnerin verschleierte nicht nur die negativen Marktwerte und die erwirtschafteten Verluste, sondern baute eine Scheinwelt auf und kommunizierte einen tatsächlich nicht vorhandenen positiven Handelsverlauf. Die an die Kunden übermittelten Konto- und Depotauszüge wiesen also nicht nur keine Verluste aus, sondern nicht erwirtschaftete Gewinne. Nebeneffekt oder eventuell auch das Ziel dieser ausgewiesenen Gewinne war es, die vertraglich vereinbarten Provisionen für die Verwaltung des angelegten Geldes zu manipulieren. Diese wurden anhand der fiktiven Gewinne berechnet und so verbrauchte die Schuldnerin Stück für Stück die investierten Kundengelder, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Durch den vorgetäuschten Anlageerfolg und um das Betrugsmodell nicht kollabieren zu lassen gewann die Schuldnerin stets neue Anleger dazu, weitere Gelder zu investieren. Tatsächlich wurde seit 1997 nur noch ein geringer Teil der Kundengelder vertragsgemäß in Termingeschäften angelegt. Im Wesentlichen verwandte die Schuldnerin die investierten Gelder dazu, Scheingewinne an schon vorhandene Anleger auszuzahlen sowie die eigenen Geschäftskosten zu decken.24 Die Anleger konnten das betrügerische System, das Elemente eines Schneeballsystems oder allgemein eines Pyramidenbetrugs aufwies, nicht erkennen.

Doch auch das dem PMA zu Grunde liegende Treuhandmodell, wäre es ordnungsgemäß umgesetzt worden, entsprach zu jener Zeit nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die Kundengelder nicht für jeden Kunden getrennt, sondern miteinander vermischt und für verschiedene Kunden gemeinsam auf einem (Gemeinschaftstreuhand-)Konto verwahrt wurden. Die Verwahrung von Kundengeldern hätte für Wertpapierdienstleistungsunternehmen ohne Vollbankstatus getrennt von anderen Kundengeldern erfolgen müssen (§ 34a Abs. 1 S. 1 WpHG in der Fassung vom 22.4.2002). Das PMA genügte dem Gebot der Trennung der Kundengelder nicht, da die Schuldnerin kein Einlagenkreditinstitut war.25 Damit waren die Anleger den Gefahren ausgesetzt, denen das Gebot der Trennung der Kundengelder gerade begegnen soll.26

Nachdem Phoenix als Wertpapierhandelsbank eingestuft und so der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstellt wurde, untersagte die Behörde Anfang 2005 nach einem Kontenabgleich im Rahmen einer Buchprüfung den weiteren Geschäftsbetrieb (§ 46 Abs. 1 KWG), stellte einen Insolvenzantrag27 (§ 46b Abs. 1 KWG) und zugleich den Entschädigungsfall fest (§ 5 Abs. 1 EAEG). Das Insolvenzverfahren wurde kurz darauf am 1.7.2005 eröffnet.

Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden erhebliche (streitbefangene) Gläubigerforderungen, deren tatsächliche Höhe zunächst nur geschätzt werden konnte. Der Insolvenzverwalter bezifferte das realwirtschaftliche Volumen der 930 Mio. EUR angemeldeten Forderungen zwischen 511 Mio. EUR und 674 Mio. EUR.28 Die Kontoguthaben bei Banken und Sparkassen im In- und Ausland, die bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung den Gläubigerforderungen zu entsprechen hätte, betrugen demgegenüber nur etwa 228 Mio. EUR.29 Damit konnten nur etwa 25 – 45 % der Forderungen erfüllt werden, während die Anleger bis dato gar von Handelserfolgen ausgingen.

Eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens war aufgrund der kriminellen Hintergründe undenkbar. Es verblieb allein die ordnungsgemäße Liquidation des Vermögens im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens unter dem bestmöglichen Schutz der einzelnen Vermögensinteressen der Insolvenzgläubiger. Die Gläubiger mussten sich aber mit der Tatsache abfinden, einen erheblichen Teil ihres investierten Geldes verloren zu haben und sahen sich nun mit den Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens konfrontiert, nämlich am Insolvenzverfahren teilnehmen und insbesondere das Anmelde- und Feststellungsverfahren durchlaufen zu müssen, um an Vermögensverteilungen partizipieren zu können.

B.Konflikte

Die Anleger, sofern bzw. weil sie Insolvenzgläubiger waren, konnten ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO). Der Grundstein der hier diskutierten Probleme war gelegt.

I.Zusammenspiel von Insolvenzrecht und Zwangsvollstreckungsrecht

Das heutige Insolvenzrecht hat zwar auch eine Sanierungsaufgabe, ist und bleibt aber im Kern Haftungsrecht.30 Das Insolvenzverfahren dient deshalb insbesondere dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen (§ 1 S. 1 InsO). Dazu wird das Vermögen zu einem bestimmten Stichtag haftungsrechtlich der Gesamtheit der Gläubiger zugewiesen (§ 38 InsO). Um die Vermögensverhältnisse des Unternehmens oder der natürlichen Person geordnet abwickeln zu können, bedarf es eines vernünftigen Rechtsgüterschutzes. Dieser Schutz bedingt wiederum, dass das einzelne Gläubigerrecht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeschränkt wird. Gläubiger, die mit einer Insolvenz eines ihrer Schuldner konfrontiert werden, können sich deshalb nicht selten der mehr oder weniger richtigen Erkenntnis verschließen, nur wenig Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können.

1.Insolvenzrecht als besondere Form der Zwangsvollstreckung

Will man diese Erkenntnis, insbesondere die Reichweite des Zwangs für Gläubiger verstehen, bietet sich ein kurzer Exkurs auf die nahezu schrankenlose Haftungsverwirklichung außerhalb eines Insolvenzverfahrens an. Erfüllt ein Schuldner die ihm obliegende Leistungspflicht (die Schuld) nicht, kann der Gläubiger die Durchsetzung der Forderung durch Klage und daran anschließender Zwangsvollstreckung erzwingen – der Schuldner schuldet und haftet.31 Da dem Gläubiger (von wenigen Ausnahmen abgesehen) im Interesse des Rechtsfriedens die Selbsthilfe verboten ist, und dem Staat das Zwangsmonopol zusteht, ist die Zwangsvollstreckung ein geordnetes staatliches Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung oder Sicherung von privatrechtlichen Leistungsansprüchen des Gläubigers gegen den Schuldner.32

Ausgehend hiervon bestehen zwischen dem Insolvenz- und dem Vollstreckungsverfahren auf rechtstheoretischer Ebene Gemeinsamkeiten. Das Insolvenzverfahren ist gleichfalls kein Erkenntnisverfahren, sondern trotz des Vollstreckungsverbots der einzelnen Gläubiger (§ 89 InsO) jedenfalls seinem Wesen nach Vollstreckung (im Einzelnen umstritten33) mit dem Ziel der Gläubigerbefriedigung.34 Doch auch auf der rechtspraktischen Ebene gibt es Überschneidungen. Ungeachtet der Feinheiten ist es jeweils dem Gläubiger überlassen, die Initiative zur Durchsetzung seines Rechts zu ergreifen (Dispositionsmaxime), indem der Gläubiger – nachdem er die Voraussetzungen der Vollstreckung (Titel, Klausel und Zustellung) geschaffen hat – vollstreckt oder im Falle der Insolvenz das Anmelde- und Feststellungsverfahren durchläuft35, um insbesondere an Verteilungen partizipieren zu können. Es geht hier wie dort im Kern jeweils um die Haftung des Schuldners und nicht um die zu Grunde liegende Schuld (Forderung) des Einzelnen. Die Schuld war außerhalb der Insolvenz Gegenstand eines vorgeschalteten Erkenntnisverfahrens, über die im Insolvenzverfahren, soweit die Schuld streitig ist, im ordentlichen Verfahren entschieden werden kann (§ 179 Abs. 1 InsO), wobei besondere Zuständigkeiten zu berücksichtigen sind (§ 185 InsO).36

2.Unterschiede zum Zwangsvollstreckungsrecht

Wesentlicher sind jedoch die Unterschiede in Bezug auf die Gläubigerrechte wie sie mit Eröffnung und durch die Beendigung des Insolvenzverfahrens beeinflusst werden. Die Einzelzwangsvollstreckung ist geprägt vom Prioritätsprinzip37, getreu dem Motto folgend: „der frühe Vogel fängt den Wurm“. Deshalb entsteht ein Wettlauf der Gläubiger, der wiederum eine Konkurrenzsituation unter allen Gläubigern begründet. Doch bricht einmal das System eigenverantwortlicher Schuldenregulierung zusammen, ist ein besonderer Rechtsrahmen erforderlich, um alle – aber immer noch individuellen – Rechte gleichermaßen im Sinne von gleichmäßig berücksichtigen und durchsetzen zu können. Das Insolvenzverfahren beendet deshalb zunächst den Wettlauf der Gläubiger38 und setzt das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung aus. Neben dem Gläubigerwettlauf wird im Grundsatz so auch das marktübliche Konkurrenzverhalten der Gläubiger untereinander beendet.39 Doch all dies geschieht nicht von Amts wegen, sondern nur auf Initiative eines Gläubigers oder des Schuldners selbst. Den zuvor notwendigen Schritt bildet der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzverfahren schränkt so die ohnehin bereits durch das Verbot der Selbsthilfe eingeschränkten Individualrechte weiter ein. Auf Schnelligkeit kommt es nicht mehr an, weshalb insbesondere „schwächere“ Gläubiger geschützt werden.

Zwar schützt und begrenzt das Verfahrensrecht die Gläubigerrechte, bewahrt demgegenüber aber auch den Schuldner vor weiteren Vollstreckungsmaßnahmen, und setzt dafür seine Privatautonomie zum Teil außer Kraft und verlagert sie auf den Insolvenzverwalter. Denn um die Ziele des Insolvenzverfahrens erreichen zu können, müssen sowohl Zwangszugriffe einzelner Gläubiger wie auch Entscheidungen des Schuldners (bspw. die Befriedigung von einzelnen Insolvenzforderung oder die Verwertung von Vermögensgegenständen) unterbunden werden, sofern es die vom Insolvenzbeschlag betroffene Masse tangiert. Deshalb geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Diese doch erheblichen Einschränkungen erfolgen im Interesse der Beteiligten vor Fehlentscheidungen des Schuldners wie auch zum Schutz des Schuldners vor willkürlichen Übergriffen.

Als Ausgleich für den Verlust an Rechtsmacht können die Gläubiger am Verfahren teilnehmen. Die Eintrittskarte zum Insolvenzverfahren für Insolvenzgläubiger ist die vom Ausfall gefährdete Gläubigerforderung.40 Dieser persönliche Anspruch gegen den haftenden Schuldner wird bis zum Verfahrensabschluss eingefroren (§ 87 InsO), wobei das Forderungsrecht des Gläubigers zugleich in verschiedener Hinsicht modifiziert und als Insolvenzgläubigerrecht zugleich einen insolvenzspezifischen Inhalt erlangt.41

Dennoch findet keine „Vergemeinschaftung“ der Ansprüche statt, denn es bleiben individuelle Ansprüche und ein Recht der einzelnen Gläubiger, sie überhaupt geltend zu machen. Entscheiden sich die Gläubiger dafür, können Sie ihre Forderungen jedoch nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO), so dass die Forderung nach den §§ 174 ff. InsO geltend zu machen ist.42 § 87 InsO sichert damit die Gleichstellung aller Insolvenzgläubiger, bindet aber selbst auch den Insolvenzverwalter. Denn nach Verfahrenseröffnung ist es weder einem Insolvenzgläubiger möglich, seine Forderung gerichtlich durchzusetzen, noch ist der Insolvenzverwalter berechtigt, einen unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen, wenn der Gegenstand des Verfahrens eine Insolvenzforderung ist.43 Es stellt daher ein insolvenzrechtliches Dogma dar, dass die Anmeldung zur Insolvenztabelle für alle Insolvenzgläubiger die einzige Möglichkeit eröffnet, ihre persönlichen Vermögensansprüche gegen den Schuldner im Regelverfahren aktiv geltend zu machen. Deshalb erschöpft sich das Gläubigerrecht (vom Antragsrecht abgesehen) zunächst darin, die jeweilige Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Und nur wenige Gläubiger bleiben interessiert „am Ball“ und informieren sich fortlaufend.44 In der Regel warten sie anschließend rat- und tatlos die Verteilung ab.

Das können sie, weil im Gegensatz zur Einzelzwangsvollstreckung die Teilnahme am Insolvenzverfahren wie auch die Befriedigung durch Verteilung der verwerteten Masse keine titulierte Forderung voraussetzt. Mehr noch, die Gläubiger werden mit Verfahrenseröffnung gehindert, die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel und Zustellung) eigenverantwortlich überhaupt erst oder noch zu schaffen, weil das Insolvenzverfahren selbst kein Erkenntnisverfahren ist und auch nicht so ausgestaltet ist. Unter diesem Blickwinkel ist es in einem Insolvenzverfahren nicht erforderlich, dass die geltend gemachte Forderung bereits tituliert ist, da der Sinn und Zweck der Einzelzwangsvollstreckung, nämlich die Haftungsverwirklichung, innerhalb einer Insolvenz alternativ über eine gemeinschaftliche und gleichmäßige Weise verwirklicht werden soll. Denn auch eine Forderung, die noch nicht in einem rechtsstaatlichen Erkenntnisprozess festgestellt wurde, lässt den Gläubiger an Verteilungen partizipieren, sofern die Forderung nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften angemeldet und soweit ihr nicht durch den Insolvenzverwalter oder Gläubiger widersprochen wurde. Denn dann – und darauf kommt es an – wird die Forderung von den Beteiligten des Verfahrens gebilligt und außer Streit gestellt. Diese Erkenntnis, dass also auch eine nicht gerichtlich festgestellte Forderung im Insolvenzverfahren an Verteilungen partizipieren kann, soweit sich nur die Beteiligten einig sind, wird später noch von Bedeutung sein. Denn ohne (bzw. bis zum) Widerspruch ist die Forderungsanmeldung der Prima-facie-Beweis für das Bestehen des Forderungsrechts in der geltend gemachten Höhe.45 Demgegenüber berechtigt selbst eine titulierte Forderung ohne formale Anmeldung nicht automatisch zur Teilnahme an Verteilungen. Damit wird erneut das Prinzip der Dispositionsmaxime und der Haftungsverwirklichung deutlich.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass der Auszug aus der Insolvenztabelle den Insolvenzgläubigern einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel verschafft, sofern die Forderung festgestellt, nicht bestritten oder ein Widerspruch (hier auch des Schuldners) beseitigt wurde. Dieser Vorteil entspringt dem summarischen Charakter des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren.46 Dabei gehört das Insolvenzverfahren als gerichtliches Verfahren zu den Kernbereichen echter Rechtsprechung.47 Jedoch wird man wohl sagen müssen, dass das Insolvenzverfahren ein Verfahren mit wenigen Elementen eines Erkenntnisverfahrens (Forderungsprüfung i. w. S.) ist, mehr Verbindungen zum Recht der Vollstreckung aufweist (insbesondere Haftungsverwirklichung)48 aber auch eine rechtsfürsorgende Bedeutung hat.49 Ungeachtet der exakten Einordnung ist das Insolvenzverfahren jedenfalls ein gerichtliches Verfahren, ersetzt jedoch keinen streitigen Gerichtsprozess, weshalb das Insolvenzgericht aufgrund des Makels im Erkenntnisprozess Forderungstitel nur ausstellen kann, wenn die Rechte zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Besteht zwischen den Beteiligten Streit über die Berechtigung der Insolvenzforderung, verweist § 180 Abs. 1 S. 1 InsO auf den ordentlichen Rechtsweg, wobei besondere Zuständigkeiten erhalten bleiben (§ 185 InsO). Der dem Insolvenzverfahren innewohnende Mangel an Erkenntnis zum rechtlichen Bestand angemeldeter Forderung wird dann durch Auslagerung des Streits in ein gewöhnliches Erkenntnisverfahren ausgeglichen.50 Das geordnete staatliche Verfahren sowie der verfassungsrechtlich statuierte Grundrechtsschutz werden gewährleistet.

Dennoch; unter der Geltung der Dispositionsmaxime bleibt es ein verzichtbares Recht und eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Gläubigers, überhaupt am Verfahren teilzunehmen.51 § 87 InsO postuliert nur die Vorgaben „wie“ eine Forderung geltend gemacht werden muss, wenn der Gläubiger sie verfolgen will, nicht aber hinsichtlich des „ob“. Ein Insolvenzgläubiger muss also nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. So scheuen einige Gläubiger die Teilnahme am Verfahren, weil bspw. aus deren mehr oder weniger richtigen Sicht oder nach den ersten Berichten des Insolvenzverwalters kein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Weitere Gründe können vielfältig sein. In keinem Fall verliert der Gläubiger seine formale Stellung als Insolvenzgläubiger, indem er auf seine verfahrensrechtlichen Befugnisse verzichtet. Er unterliegt deshalb denselben Beschränkungen, die allen teilnehmenden Insolvenzgläubigern durch die insolvenzrechtlichen Vorschriften auferlegt werden.52 Ein Insolvenzgläubiger kann sich deshalb den verfahrensrechtlichen Wirkungen, wie dem Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO, nicht dadurch entziehen, dass er auf eine Forderungsanmeldung verzichtet.

II.Klassifizierung und Bestimmung der Gläubigerforderungen

Weil der Insolvenzverwalter im Ausgangsfall Phoenix erhebliche Kontoguthaben beschlagnahmen konnte, hat sich die Mehrzahl der Gläubiger aus nachvollziehbaren Gründen für die Teilnahme am Insolvenzverfahren entschieden. Fraglich war jedoch, ob die Anleger überhaupt Insolvenzgläubiger und von den Beschränkungen eines Insolvenzverfahrens betroffen waren? Denn durch das mit dem PMA praktizierte Massengeschäft und der zu Grunde liegenden Treuhandidee war es eine bis dato ungeklärte Rechtsfrage, ob die Ansprüche der Anleger überhaupt Insolvenzforderungen darstellten oder die auf den Omnibuskonten beschlagnahmten Gelder auszusondern waren, weil dieser Vermögensteil aufgrund des ursprünglich angestrebten Treuhandmodells ggfs. nicht unter den Insolvenzbeschlag fiel und auszusondern war.

Doch selbst für den Fall, dass die Anleger Insolvenzgläubiger waren, konnte niemand mit Gewissheit die exakte Höhe der Forderung als Maßstab einer quotalen Verteilung der beschlagnahmten Guthaben bestimmen, da sie von der Art und Weise der Berechnung abhing, insbesondere davon, ob bei der Forderungsanmeldung die über die gefälschten Kontoauszüge ausgewiesenen Gewinne zu Grunde gelegt oder/und fiktive Zinssätze für den Anlagezeitraum berücksichtigt wurden.

1.Aussonderung durch Treuhandabrede?

Zunächst bestand Unsicherheit bei der Rechtsfrage, ob das im PMA beschriebene Treuhandmodell zu Gunsten der Anleger ein Aussonderungsrecht an den beschlagnahmten Geldern begründete. Denn wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger (§ 47 S. 1 InsO). Für das grundlegende Thema von Verfahrenshindernissen und Verteilungsregeln entwickelt dieses Problem nur am Rande Relevanz, soll aber der Vollständigkeit halber in gebotener Kürze umrissen werden.

Während also Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können (§ 87 InsO), bestimmt sich der Anspruch auf Aussonderung nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten (§ 47 S. 2 InsO). Die Insolvenzforderung wird in der InsO selbst jedoch nicht definiert. Auf sie wird im Gesetz nur Bezug genommen. Einen Ansatz bietet aber § 38 InsO, der jedenfalls den Begriff des Insolvenzgläubigers legaldefiniert. Danach dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Solche Ansprüche der Insolvenzgläubiger sind also Insolvenzforderungen. Der Rückschluss ist erlaubt, weil die Norm gerade nicht Gläubiger von Nichtgläubigern abgrenzen, sondern vielmehr die Gläubiger positiv bestimmen möchte, die am Insolvenzverfahren teilnehmen können.53 Aus der Norm lassen sich nach dem Wortverständnis drei Elemente ableiten, die eine Insolvenzforderung charakterisieren. Insolvenzforderungen sind von einem personalen („persönlicher Gläubiger“), zeitlichen („zur Zeit der Eröffnung begründet“) sowie einem vermögensrechtlichen Element („Vermögensanspruch“) gekennzeichnet. Auf das Rechtsverhältnis der Gläubigerforderung kommt es also erkennbar nicht an.54 So kann sich der Anspruch bspw. aus Vertrag oder aus dem Gesetz (bspw. aus unerlaubter Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung, etc.) ergeben.

Das Gesetz schlägt im Augenblick der Verfahrenseröffnung einen Pfahl ein, der eine Forderungszäsur markiert. Eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, auch wenn sich die Forderung des Gläubigers daraus erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergibt.55 Dabei muss nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden ist und im Falle einer unerlaubten Handlung ist entscheidend, ob diese selbst – unabhängig vom Zeitpunkt des Schadenseintritts – bereits vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen war.56 Begründet im Sinne der Insolvenzordnung ist ein Anspruch also dann, wenn die Grundlagen des Schuldverhältnisses gelegt worden sind. Fällig muss der Anspruch nicht sein (§ 41 InsO). Um eine Forderung auch als Vermögensanspruch einordnen zu können, muss sie auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet sein oder entsprechend umgerechnet werden können (§ 45 InsO). All das war unstreitig möglich.

Im Verfahren Phoenix waren das zeitliche Element der Forderungen sowie die Eigenschaft als Vermögensanspruch unproblematisch. Bereits der Abschluss der zu Grunde liegenden Anlageverträge, auf deren Grundlage die Anleger in das PMA investierten, begründeten geldwerte Rückzahlungsansprüche des jeweiligen Anlegers, weshalb die Forderungen jedenfalls in zeitlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht unproblematisch in die Kategorie der Insolvenzforderung eingeordnet werden konnten, weil die Forderungen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hierüber einen begründeten Vermögensanspruch darstellen. Dies gilt auch für den Fall, dass Gläubiger eine Forderung aus unerlaubter Handlung anmeldeten.

Jedoch war das personale Element der Forderungen der Anleger unklar. Nach allgemeiner Ansicht meint ein persönlicher Anspruch aus Sicht des Schuldners, dass dieser mit seinem ganzen Vermögen oder zumindest mit einem Sondervermögen für die Verbindlichkeiten einzustehen hat.57 Dem steht das dingliche Haftungsrecht gegenüber, welches als die Belastung eines bestimmten Gegenstandes des Vermögens für Forderungen des Schuldners beschrieben wird.58 Jener Gegenstand wäre außerhalb der insolvenzrechtlichen Vorschriften an den Gläubiger herauszugeben bzw. im insolvenzrechtlichen Sinne auszusondern. Inhaber eines Aussonderungsrechts sind damit keine Insolvenzgläubiger, können aber natürlich aus einem anderen Rechtsgrund Insolvenzgläubiger sein (regelmäßig in der Insolvenz des Leasingnehmers der Fall nach Verwertung des ausgesonderten Fahrzeuges und Abrechnung des Vertragsschadens). Diese altwürdige Abgrenzung wird haftungsrechtlich kritisiert.59 Denn entgegen der gesetzlichen Wortwahl („persönlicher Anspruch“) kann es mittlerweile aus Sicht des Gläubigers gerade nicht mehr auf die Unterscheidung zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüchen ankommen. Der Grund liegt darin, dass nicht alle Inhaber „nur“ persönlicher Rechte sich auf die Quote verweisen lassen (siehe bereits § 47 InsO) und nicht alle dinglichen Rechte insolvenzfest sein müssen (siehe bereits § 51 Nr. 1 InsO).60 So war es auch damals bereits unbestritten, dass im Einzelfall auch vertragliche Verschaffungsansprüche wie Treuhand- und Geschäftsbesorgungsverhältnisse zur Aussonderung berechtigen können, soweit sie auf Herausgabe gerichtet sind.61 Somit ist anerkannt, dass Aussonderungsgläubiger und somit kein Insolvenzgläubiger ist, wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört.62 Maßgeblich für die Frage, ob der Anspruch als Forderung im insolvenzrechtlichen Sinne eingeordnet werden kann, ist vielmehr, ob die Forderung gegen den Schuldner das allgemeine Haftungsrecht am Gesamtvermögen des Schuldners tangiert, welches mit den Befriedigungsrechten der anderen Gläubiger konkurriert63 – was dann auch im Ergebnis wieder mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens als gemeinschaftliche Haftungsverwirklichung harmonisiert.

Ob nun ein Fall der vertraglichen Treuhand vorlag, mit der Folge, dass ein wesentlicher Teil des zur Masse gezogenen Vermögens an die Anleger hätte ausgesondert werden müssen, war streitig. Sollten Aussonderungsrechte tatsächlich bestehen, war darüber hinaus ungeklärt, in welcher Höhe das Aussonderungsrecht des einzelnen Anlegers hätte befriedigt werden müssen. Denn es war weder so viel Geld vorhanden, wie durch die Kontoauszüge ausgewiesen wurde, noch überhaupt wie ursprünglich von den Anlegern eingezahlt wurde.

Die korrekte Antwort auf diese Frage war für die zukünftige Abwicklung des Verfahrens und die Haftung der Beteiligten entscheidungserheblich. Der Insolvenzverwalter bestritt die Existenz von Aussonderungsrechten, und war darüber hinaus der Auffassung, dass selbst wenn Aussonderungsrechte bestünden, er nicht in der Lage sei, eine Aussonderung vorzunehmen, weil unterschiedliche Berechnungsmethoden geltend gemacht wurden, so dass er sich gegenüber einer Anlegergruppe stets schadensersatzpflichtig machen könnte.64 Die offenen Fragen waren höchstrichterlich noch nicht entschieden. Und auch wenn eine gerichtliche Entscheidung keine allgemeine Bindung entfaltet, hätte diese aber jedenfalls für alle Beteiligten nachvollziehbare Kriterien aufzeigen können.

Der BGH verneinte erst im Jahr 2011, immerhin 6 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das Vorliegen eines zur Aussonderung berechtigenden Treuhandverhältnisses.65 Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhandenes Restguthaben nicht ausgesondert werden könne, wenn der Treuhänder auf ein Treuhandkonto eingezahlte Fremdgelder als eigenes Vermögen behandelt. Kennzeichen einer Treuhandvereinbarung ist, dass die dem Treuhänder eingeräumte Rechtsmacht im Innenverhältnis zum Treugeber allein durch eine schuldrechtliche Treuhandabrede beschränkt ist.66 Nach der Gerichtsentscheidung liege es allein beim Treuhänder, ob er die Bindung respektiere oder sich über sie hinwegsetze. In den Fällen, in denen Guthaben auf einem Treuhandkonto zweckwidrig verwandt und als eigenes Vermögen behandelt wird, scheidet es aus dem Vermögen des Treugebers aus. Veruntreuende Handlungen des Treuhänders bedingen, dass Guthaben insgesamt nicht mehr dem Vermögen des Treugebers zugerechnet werden. Treuhandkonstruktionen versagen somit immer (bereits!) dann, wenn der Treuhänder von vornherein oder zumindest nachträglich nicht den Willen hat, sich vertragsgerecht zu verhalten. Damit musste die Frage, ob und – wenn ja – wie das vermeintliche Treugut unter den Anlegern zu verteilen wäre, nicht (mehr) beantwortet werden.

2.Eine Forderung, mehrere Berechnungsmethoden

Die inhaltlichen Anforderungen der Forderungsanmeldung normiert § 174 Abs. 2 InsO, wonach bei der Anmeldung u. a. der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sind. Die Angabe des Grundes bedeutet nicht die Angabe des rechtlichen Grundes der Forderung, sondern die Darlegung des Lebenssachverhaltes, aus dem die Forderung resultiert.67 Gibt ein Gläubiger einen nicht nachvollziehbaren Rechtsgrund an, hat dies keinesfalls nur wissenschaftliche Diskussionen zur Folge. Der in der Anmeldung angegebene Grund beeinflusst und begrenzt im Falle des Bestreitens maßgeblich den Feststellungsprozess, denn die Klage dient im Kern nur der Beseitigung des Widerspruchs. Anmeldung und Prüfung der Forderung sind Prozessvoraussetzungen, weshalb die Klage auf Feststellung einer zur Tabelle angemeldeten Forderung unzulässig ist, wenn sie auf einen anderen als den in der Anmeldung angegebenen Anspruchsgrund gestützt wird.68

Nun stand die Frage im Raum, ob ein vertraglicher bzw. bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch besteht oder der Anspruch allein oder jedenfalls auch aus Gesichtspunkten des Schadensersatzes zu berechnen sei.69 Und so wie der Aussonderungsanspruch des Anlegers weder dem Grunde oder der Höhe nach zu bestimmen war, konnte auch der nunmehr als Insolvenzforderung einzuordnende Anspruch des Anlegers der Höhe nach nicht eindeutig beziffert werden. Das Phoenix Management hatte eine Scheinwelt geschaffen, in der den Anlegern Kontoauszüge, die fingierte Handelsgeschäfte und nicht vorhandene Handelsgewinne auswiesen, übermittelten wurden. Es machte also einen erheblichen Unterschied, ob der einzelne Anleger sein ursprünglich investiertes Kapital oder einen Scheingewinn als Forderung anmeldete.

Denkbar war zunächst, die von der Schuldnerin an die Anleger ausgewiesenen und durch die Kontoauszüge belegten Scheingewinne anzumelden, was zum höchsten Forderungsvolumen geführt hätte. Ein vom Insolvenzverwalter in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kam zu dem Ergebnis, dass die ausgestellten und den Anlegern übersandten Kontoauszüge abstrakte Schuldversprechen darstellen könnten (§§ 780 – 781 BGB), jedoch wären diese Schuldversprechen (konkret die ausgewiesenen Scheingewinne) für die letzten vier Jahre vor Antragstellung anfechtbar.70 Dazu entschied der BGH71