AC/DC - Mick Wall - E-Book

AC/DC E-Book

Mick Wall

0,0

Beschreibung

Als AC/DC 1976 von Sydney nach England gingen, waren sie in ihrer australischen Heimat bereits Stars. In Europa schafften sie mit einer Reihe legendärer Auftritte im Londoner Marquee Club den Durchbruch. Auch wenn sie hart und laut waren und Angus Young in seiner Schuluniform und Bon Scott mit seinen Tattoos aus der Menge der langhaarigen Rockveteranen herausstachen, hatten sie mit der zeitgleich aufkommenden Punk-Bewegung nichts gemein. Sie waren gestandene Musiker, die einfach nur Rock'n'Roll machten – und von Anfang an ziemlich klare Vorstellungen davon hatten, was sie erreichen wollten. Als Bon Scott, ihr charismatischer Sänger, im Februar 1980 starb, stand die Band dank ihres erfolgreichen Albums Highway to Hell kurz vor dem internationalen Durchbruch. Ihr Aufstieg in den Rockolymp war stets von schweren Krisen begleitet, doch es gelang ihr stets, sich auf ihre Stärken zu besinnen. Heute sind AC/DC populärer denn je. Mick Wall, der Grandseigneur des Rockjournalismus, hat für seine kritische Biografie über die Band der beiden Brüder Malcolm und Angus Young mit zahlreichen Weggefährten gesprochen. Es gelingt ihm, in die Mauer des Schweigens, die die Young-Brüder um AC/DC errichtet haben, zumindest einige Löcher zu reißen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 849

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




AC/DC

HELL AIN’T A BADPLACE TO BE

Die Bandbiografie

MICK WALL

Deutsch von Sonja Kerkhoffsund Bernd Gockel

Edel Books Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2014 Edel Germany GmbH, Hamburgwww.edel.comwww.rockbuch.de

First published by Orion, London

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt Übersetzung: Sonja Kerkhoffs, Bernd Gockel Lektorat: Alexander Kerkhoffs, Print & Screen Productions, Köln Layout und Satz: Print & Screen Productions, Köln | www.print-and-screen.de Umschlagfoto: © Getty Images Umschlaggestaltung: Craig Fraser

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

E-Book-Konvertierung: Datagrafix

ISBN 978-384-190-284-9

Für Malcolm Edwards

INHALT

Anmerkungen des Autors

Danksagung

PrologHighway to Heaven I

Kapitel 1Die Clanbrüder

Kapitel 2Bonnie Boy

Kapitel 3Young Blood

Kapitel 4Groovy Old Man

Kapitel 5Eine ha rte Truppe

Kapitel 6Bon, der Liebenswürdige

Kapitel 7Keine nett e Band

Kapitel 8Auf nach London

Kapitel 9Amerika

Kapitel 10Ein Wolf im Wolfspelz

Kapitel 11Die Blutspur

Kapitel 12Von Down Under nach ganz unten

Kapitel 13What Did You Do For The Money, Honey?

Kapitel 14Allein gegen den Rest der Welt

Kapitel 15Der Weg aus der Krise

Kapitel 16Zum letzten Mal?

EpilogHighway to Heaven II

Anmerkungen und Quellennachweise

ANMERKUNGEN DES AUTORS

Wer sich vornimmt, eine Biografie zu schreiben – und sei es auch eine Bandbiografie wie diese –, muss bestrebt sein, die Wahrheit herauszufinden, ganz gleich, wie diese aussehen mag. Zugleich muss er sich um eine ausgewogene Darstellung bemühen und dem Leser ermöglichen, die verschiedenen Sichtweisen auf das Geschilderte kennenzulernen – zumindest soweit es dem Autor möglich ist, diese in Erfahrung zu bringen –, sodass der Leser sich eine eigene Meinung zu den Personen und Begebenheiten bilden kann, um die es hier geht. Aus diesem Grund habe ich während meiner Arbeit an diesem Buch versucht, mit AC/DC und ihrem Management Kontakt aufzunehmen. Zum einen, um sie generell über mein Vorhaben in Kenntnis zu setzen, zum anderen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Sicht der Dinge beizusteuern.

Allerdings ist es so – das wird in diesem Buch sehr deutlich –, dass sich AC/DC, wenn überhaupt, nur widerwillig auf Menschen einlassen, die sie als Außenstehende betrachten. Im Verlauf diverser Interviews mit ehemaligen Managern, Plattenbossen, Musikern, Produzenten und Freunden, die in den letzten vierzig Jahren mit der Band zusammengearbeitet haben, erfuhr ich ein ums andere Mal, dass man in den Augen der Young-Brüder, die allein in der Band das Sagen haben, entweder als Mitglied des AC/DC-Clans dazugehört oder schlichtweg nicht existiert. Da ich als Musikjournalist und Rundfunkredakteur im Verlauf der Jahre häufiger selbst mit der Band und ihren Mitarbeitern zu tun hatte, war mir das nicht neu. Daher hat es mich letzten Endes auch nicht überrascht, dass keine meiner Anfragen an das neue Management der Band in Zusammenhang mit diesem Buch beantwortet wurde. Ein paar meiner Quellen erklärten mir im Vertrauen: »Die interessiert es nicht im Geringsten, was du vorhast oder von ihnen willst.«

Aus diesem Grund kann ich in einigen Fällen keine Gegendarstellung bieten zu den Schilderungen einiger Vertrauter der Band, die in diesem Buch zu Wort kommen. Da ich seit den späten 70ern einige Bandmitglieder – darunter Malcolm Young, Brian Johnson, Angus Young und Bon Scott – immer wieder mal interviewt habe und zudem extra für dieses Buch Dutzende von Gesprächen mit Personen führte, die der Band nahestanden, und Interviews, die die Band im Laufe ihrer Karriere anderen Journalisten gab, gewissenhaft ausgewertet habe, glaube ich aber, dass der Standpunkt der Band dennoch so gut wie möglich wiedergegeben wird. Da keines der maßgeblichen Bandmitglieder, also insbesondere keiner der Youngs, etwas zu diesem Buch direkt beigetragen hat, war ich auch niemandem gegenüber verpflichtet. Was einiges für sich hat, denn in den letzten fünfunddreißig Jahren habe ich während meiner Arbeit mit vielen Rockstars die bittere Erfahrung gemacht, dass im Gegenzug für eine bedingungslose Kooperation fast immer auch bedingungslose Kompromissbereitschaft erwartet wird. Doch von letztlich unkritischen Fanbüchern gibt es schon mehr als genug. Daher dürfte dieses Buch der wahren Geschichte von AC/DC von allen bisherigen Veröffentlichungen wohl am nächsten kommen. Und sie wird ohne Angst erzählt, aus ihrer Gemeinschaft verbannt zu werden.

Ich hoffe, dass ihr – ebenso wie die Band – meine aufrichtigen, schweißtreibenden Bemühungen schätzen werdet.

DANKSAGUNG

Der Autor ist den folgenden Personen zu höchstem Dank verpflichtet:

Linda, Evie, Mollie und Michael Wall, Malcolm Edwards, Robert Kirby und Vanessa McMinn, Charlotte Knee, Ian Preece, Jane Sturrock, Jillian Young, Nicola Crossley, Craig Fraser, Dave Everley, Mary Hooton, Joe Bonamassa, Roy Weisman, Dee Hembury-Eaton, Nicola Musgrove, Peter Makowski, Ross Halfin, Joel McIver, Ian Clark, Colin Gilbey, Diana and Colin Cartwright, Anna Dorogi, Mark Handsley, Duncan Calow und Elizabeth Beier.

PROLOG

HIGHWAY TO HEAVEN I

Queen Elizabeth Hospital, Südaustralien, Februar 1974. Es ist der Morgen nach dem Abend davor. Als Bon aufwacht, wird ihm schnell klar, dass dies nicht das übliche Sonntagmorgengefühl ist. Sicher, er hat einen Kater, aber das ist normal. Eine Beule am Kopf und hier und da ein paar schmerzhafte Blessuren sind auch nichts Ungewöhnliches. Bon ist ein Säufer und ein Schläger. Na und?

Aber diesmal ist es anders. Er sieht nur verschwommen. Er kann sich nicht bewegen, er kann nicht richtig atmen. Immer wieder verliert er das Bewusstsein. Irgendwann beugt sich ein Gesicht, das er nicht erkennt, über ihn und erklärt ihm, was Sache ist. »Sie hatten einen Unfall«, sagt die Stimme. »Sie sind sehr schwer verletzt.« Das sind Ärztefloskeln für: »Du bist am Arsch, Junge. Sieht aus, als wärst du erledigt.«

Der Quacksalber faselt noch weiter, aber Bon ist schon wieder weggetreten. Erledigt, wieder einmal …

Irgendwann später – am nächsten Tag, im nächsten Augenblick – hört er Irene mit Vince sprechen. Hört sie weinen. Gebrochenes Bein, gebrochener Arm, gebrochene Nase, abgebrochene Zähne, gebrochener Kiefer – das klingt, als sei wirklich alles scheißgebrochen. Warum spricht sie nicht einfach laut aus, was sie denkt? Zerbrochene Träume waren der wahre Grund für all die Schmerzen. Achtundzwanzig Jahre alt, verheiratet, völlig ziellos, planlos. Er hatte seine Chance gehabt. Er wusste es, jeder wusste es. Keiner sprach darüber, aber man konnte es in ihren Augen lesen, in der Art, wie sie versuchten, ihn nicht anzugucken, es aber einfach nicht lassen konnten.

Was blieb ihm jetzt noch übrig? Popstar werden? Abgehakt. Rockstar werden? Hatte nicht ganz geklappt. In den Knast wandern? Ha, ha, ha. Frauen? Frauen gab es überall. Man musste kein verdammter Tramp sein, um Frauen aufzureißen. Knete? Wozu? Alles, was er je hatte, hatten sie ihm genommen. Sie wollten es sich nicht mal geben lassen, sondern einfach nur wegnehmen und einen dann dabei beobachten, wie man sich fragt, warum.

Da taucht Irene über dem Bett auf: »Stirb nicht, Bon. Stirb nicht.«

Dann Vince: »Komm schon, Kumpel, du packst das.«

Dann das hohe Fiepen des EKG-Geräts, das den Herzstillstand signalisiert, und Gott, der auf ihn hinabschaut und sagt: »Es ist Zeit, Bon …«

Ach Scheiße, was soll’s? Ich war schon tot, bevor sie mich hierhergebracht haben, sagt Bon zu sich selbst.

Gott schüttelt traurig den Kopf. Bon starrt ihn wütend an, als ob er ihm gleich eine scheuern wolle, doch dann besinnt er sich. Zum ersten Mal im Leben hat er … Angst. Nein, keine Angst. Angst ist was für Schwuchteln. Er ist vielmehr … besorgt. Erkennt seine Fehler. Hat Mitleid mit Irene und Vince, seiner armen Mutter und seinem Vater.

Bon erklärt Gott: »Mir ist egal, ob ich abkratze. Du weißt das. Das Einzige, was mir wirklich wichtig ist … du weißt schon.«

»Ich weiß«, sagt Gott mit unendlicher Geduld, aber ohne erkennbare Absicht, es hinauszuzögern. »

Doch eine Bitte hab ich noch: Gib mir noch fünf Jahre, um meine Angelegenheiten zu regeln. Okay, Gott?«

Gott hatte das alles schon oft genug gehört, er schaltete auf Durchzug.

»Hey, hör mir zu, du alter Sack. Fünf Jahre, mehr verlang ich gar nicht. Dir können die paar Jährchen doch wirklich egal sein, verdammt noch mal.«

Gott hielt inne. Er war allmächtig, er konnte tun, was immer er wollte.

»Fünf Jahre, okay? Um alles ins Reine zu bringen. Dann kannst du mich haben. Einverstanden, Gott?«

Stille. Tiefe, ewige Stille.

»Fünf Jahre, du Sackgesicht! Um es diesmal richtig zu machen. Um zu lernen, meine große Klappe zu halten und Ärger aus dem Weg zu gehen. Fünf Jahre, das ist alles, verdammt. Danach bin ich dein Mann. Was meinst du, Alter?«

KAPITEL 1

DIE CLANBRÜDER

Wir werden noch mal groß rauskommen, Mann. Richtig groß …« Das erzählten die Young-Brüder überall in Sydney herum. Doch ernst nahm sie keiner. Für wen, zum Teufel, hielten sich diese verschissenen kleinen Rowdys eigentlich, diese Versager? Der hübsche Malcolm mit seiner Hooligan-Matte und Angus, sein völlig durchgeknallter kleiner Skinhead-Bruder. Die beiden waren gerade mal über einsfünfzig groß, zwei aggressive kleine Arschlöcher, die dir schneller eine reinschlugen, als du gucken konntest.

Sie sahen nicht mal aus wie Australier – und sie sprachen auch nicht so. Wenn man sie sah und reden hörte, war sofort klar, wo sie herkamen: vom Arsch der Welt. Aus Schottland im rauen Norden, dort, wo niemals die Sonne schien und dich der ständige Regen, der dir ins Gesicht schlug, zwang, mit zusammengekniffenen Augen herumzulaufen.

Geboren und aufgewachsen sind die Youngs in Cranhill, einer Hochhaussiedlung am Stadtrand von Glasgow. Cranhill war kleiner und überschaubarer als die sogenannten »Big Four« Easterhouse, Pollok, Castlemilk und Drumchapel, die anstelle der alten, baufälligen Mietskasernen nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Boden gestampft wurden. Die Young-Brüder waren wilde Rabauken, die zusammen mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft, die sich auf der Straße herumtrieben, am Wasserturm von Cranhill abhingen. Die Youngs waren Protestanten, die sich nach außen hin zwar zur Regierung in England bekannten, tatsächlich aber einem großen Clan angehörten, dessen Mitglieder niemanden respektierten, der nicht dazugehörte. Es gibt Leute, die sehen in dem Blei in den Wasserrohren eine plausible Erklärung dafür, dass die Young-Brüder nicht sonderlich groß wurden. Andere hingegen führen ihre Körpergröße auf puren Eigensinn zurück: Sie wollten partout nicht wachsen und sich in einer anderen Welt als der ihren arrangieren müssen. Sie waren einfach restlos glücklich in ihrer Gosse.

Der ebenfalls in Glasgow geborene Derek Shulman, der ursprünglich selbst Musiker war, bevor er als Mitarbeiter einer amerikanischen Plattenfirma ins Musikbusiness wechselte und AC/DC bei ihrem Comeback in den frühen 90ern unterstützte, sagt: »Ein Clan, genau das sind sie. Trotz all ihrer Erfolge läuft für sie im Leben immer noch alles nach dem Prinzip ›Wir gegen Sie‹. Familie, Blutsverwandtschaft, das zählt für sie. Und entweder man gehört zu hundert Prozent zu ihrem unglaublich engen Zirkel, oder man gehört eben nicht dazu. So einfach ist das.«

Cranhill ist auch heute noch ein trostloser Ort. Drei Hochhausblöcke beherrschen die im Osten Glasgows direkt an der M8 gelegene Siedlung. Armut, Massenarbeitslosigkeit und Entbehrungen bestimmen das Leben der Menschen dort. Zerschlagen haben sich alle Hoffnungen, die die Architekten einst in diese Siedlung steckten, damals, kurz nach dem Krieg, als all die neu angelegten Straßen nach bekannten schottischen Leuchttürmen wie Gantrock und Bellrock benannt wurden. Nur eine, die Longstone Road, wurde nach einem englischen Leuchtturm benannt. Und genau dort – da sind sich die Leute aus Cranhill einig – lebten vor fünfzig Jahren die Youngs. Einer der Anwohner, Malcolm Robertson, meint, dass es das Haus immer noch geben würde, dass es einer der typischen Nachkriegsbauten in dieser Straße sei. An die Hausnummer kann sich allerdings niemand mehr erinnern.

Das Erscheinungsbild von Cranhill ist geprägt von kleinen, zweistöckigen Wohnhäusern und Sozialbauten, das nächste Einkaufszentrum ist rund fünf Kilometer entfernt. In den Vorgärten türmen sich Sperrmüll und Abfälle, und die großen Grünflächen ringsum, die typisch sind für solche am Reißbrett entworfenen Siedlungen, scheinen – anders als von den Planern beabsichtigt – zur Isolierung des Stadtteils beizutragen. Billy Sleath, der früher einmal in einer solchen Siedlung gewohnt hat, meint, dass sich vieles verbessert habe, seit die Youngs hier aufgewachsen sind. »Leute, die heute herkommen und meinen, Cranhill und andere solche Orte seien ziemlich trostlos, hätten sie erst mal in den 50er- oder 60er-Jahren sehen sollen. Überall qualmte es, aus den Fabriken, den Werften und den Kohleöfen. Und dann rauchte auch noch fast jeder. Die Luft war dick und schwarz. Der Ruß färbte alles ein. Die Wände waren schwarz, auch die Fenster waren mit einer Rußschicht überzogen. Man konnte dies schon ein bisschen für die Vorhölle halten.«

William Young und seine Frau Margaret hatten schon sechs Kinder, bevor Malcolm am 6. Januar 1953 und Angus am 31. März 1955 auf die Welt kamen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte William als Mechaniker beim Bodenpersonal der Royal Air Force gearbeitet. Danach fand er eine Stelle als Lackierer und war damit eines von abertausend kleinen Rädchen im Getriebe der prosperierenden schottischen Stahl- und Schiffbauindustrie, bis er irgendwann in seinen Vierzigern arbeitslos wurde und mit einem Schlag zum alten Eisen gehörte – ein Mann mittleren Alters, der in einer Stadt, die immer mehr unter Arbeitslosigkeit und Armut litt, keine Stelle mehr fand.

Glücklicherweise konnten die ersten fünf Young-Kinder – Steven (geb. 1933), Margaret (geb. 1936), John (geb. 1938), Alex (geb. 1939) und William (geb. 1941) – inzwischen für sich selbst sorgen, auch wenn sie immer noch in der Longstone Road lebten. Am liebsten vertrieben sie sich die Zeit damit, in den Pub zu gehen, Musik zu hören oder Fußball zu gucken. Margaret, das einzige Mädchen unter den Geschwistern, die bereits siebzehn war, als Malcolm geboren wurde, besaß eine Plattenkiste mit etlichen Schätzchen, darunter Scheiben von Fats Domino, Little Richard und Chuck Berry. Die Jungs konnten alle ein bisschen musizieren. Steven verstand es, dem Akkordeon die eine oder andere Melodie zu entlocken, und John erwies sich als guter Gitarrist. Als Talentiertester von allen galt damals allerdings Alex, der als wahres Multitalent sowohl Gitarre als später auch Saxofon, Klarinette und Bass spielte. Während der kleine Malcolm und der noch kleinere Angus noch die Milncroft Grundschule besuchten – in deren offiziellem Schullied es hieß: »School that is set on a hill, we salute you!« –, war Alex schon auf dem besten Weg, Berufsmusiker zu werden – zumindest schien es so. Er arbeitete auf einem Stützpunkt der US Air Force in Westdeutschland und trat mit Tony Sheridan auf, der 1962 mit »My Bonnie« in Schottland einen großen Hit landete (inzwischen allerdings vor allem dafür bekannt ist, dass er einst die Beatles, als sie noch im Hamburger Star Club auftraten, für sich als Begleitband engagierte).

Das wahre musikalische Talent war allerdings George – auch wenn das damals noch niemand ahnte. George war sieben Jahre älter als Malcolm. Als großes Fußballtalent träumte er zunächst von einer Kickerkarriere. Er hatte es sogar geschafft, dass seine heißgeliebten Glasgow Rangers auf ihn aufmerksam geworden waren. Doch aus diesem Traum wurde nichts, weil die Youngs nach Australien auswanderten. Dem Vorbild seines Bruders Alex nacheifernd begann der damals sechzehnjährige George stattdessen, Gitarre spielen zu lernen.

Die sturen Querköpfe Malcolm und Angus zeigten zunächst keinerlei Interesse, in die Fußstapfen ihrer Brüder zu treten. Ihre frühesten Erinnerungen drehen sich in der Hauptsache um Prügeleien, eine Freizeitbeschäftigung, der sie sich auch als Erwachsene hingebungsvoll widmeten. Keine Frage: Auch George konnte gut austeilen, aber Malcolm und Angus waren richtige Killer. »Aufgrund ihrer Größe schätzten die Leute sie falsch ein und legten sich mit ihnen an«, erinnert sich der ehemalige AC/DC-Tourmanager Ian Jeffery. »Aber glaub mir, sie haben nie bei einer Prügelei verloren. Ganz gleich wie groß die anderen waren, die Brüder jagten jedem gehörig Angst ein, wenn sie loslegten. Sie machten kurzen Prozess und in null Komma nichts lagen die anderen auf dem Boden.« Ihr Cranhill-Temperament ging mit ihnen auch in Australien durch, sobald sie mit jemandem aneinander gerieten. Angus machte später Witze darüber und sagte, dass er zurückgehen und seine Heimat in Angusland umbenennen wolle. »Vielleicht fahr ich einfach zum Wasserturm rauf und hisse meine Flagge« – mit dem inzwischen berühmt gewordenen AC/DC-Logo. »Das wäre dann so was in der Art wie der Hollywood-Schriftzug.« Man beachte den als Ironie getarnten Sarkasmus. Tatsache ist, dass man tough sein musste, um in Cranhill nicht unterzugehen. Und laut Ian Jeffrey waren Malcolm und Angus »nicht einfach nur tough – sie waren verdammt tough.«

Nichtsdestotrotz war das Leben in Cranhill hart und unerbittlich. Von ihrer Zukunft konnten sie sich höchsten einen Job auf der Werft oder in einer Fabrik erhoffen, im Zweifel drohte auch ihnen Arbeitslosigkeit. Als Angus eines Tages nach der Schule auf dem Heimweg von einem Auto angefahren wurde, hatte sein Vater endgültig genug von dem elenden Leben. Er begann sich über das sogenannte Ten-Pound-Pom-Programm der australischen Regierung zu informieren. Dank dieser Einwanderungssubvention kostete jeden Erwachsenen, der nach Australien einwandern wollte, die Überfahrt lediglich zehn Pfund, für Kinder musste gar nichts gezahlt werden. Es war Winter, und der Winter 1963 (der auch unter dem Namen The Big Freeze in die Geschichte einging) war der strengste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Großbritannien. Der Schnee lag so hoch, dass das Haus bis zur Oberkante der Tür eingeschneit war, und wegen des gefrorenen Wassers in den Leitungen waren zahllose Rohre geplatzt. Die Vorstellung, diese Widrigkeiten gegen ein Leben am Strand einzutauschen – denn so malten es sich die Youngs im verheißungsvollen Australien aus –, war schon sehr verlockend. Der Einzige, der sich dafür nicht begeistern konnte und lieber in Schottland blieb, war der dreiundzwanzigjährige Alex. Er war fest davon überzeugt, schon bald Karriere als Popstar zu machen. Der Rest der Familie hatte keine Ahnung, was ihnen die Zukunft bieten würde, als sie am Flughafen von Sydney zum ersten Mal australischen Boden betraten. Der achtjährige Angus hinterließ bei seinen Mitreisenden allerdings gleich bei seiner Ankunft einen bleibenden Eindruck, als er sich in der Halle mit den Gepäckbändern auf besonders denkwürdige Art und Weise übergeben musste.

In Australien begann zu der Zeit, als die Youngs ankamen, das, was für dortige Verhältnisse ein typischer Winter ist. Welche sonnigen Vorstellungen auch immer sich die Familie von ihrer neuen Heimat gemacht haben mag, von der Realität wurden sie in Windeseile eingeholt. In Sydney regnete es nach ihrer Ankunft sechs Wochen ununterbrochen, weshalb die Familie zu scherzen begann, dass das Wetter wohl zusammen mit ihnen ausgewandert sei. Richtig lachen konnte darüber allerdings niemand. In den ersten Monaten lebte die Familie zusammen mit anderen Auswanderern auf engstem Raum im Villawood Migrant Hostel, einem Übergangswohnheim (das heute Villawood Detention Centre heißt), das in einem ärmlicheren Vorort im Westen von Sydney lag. Jeden Morgen stießen sie auf Schlangen und Eidechsen, die bei ihnen ein warmes, trockenes Plätzchen gesucht hatten. Daneben beherbergten sie riesige schwarze Spinnen, die sich ebenfalls auf ihre Art eingerichtet hatten. »Sie setzten uns in diese Blechhütten und es regnete ununterbrochen«, sagte Malcolm. »Wenn man morgens aufwachte, stand fünf Zentimeter hoch das Wasser in der Bude und dann schwammen da auch noch lauter schwarze Würmer drin rum.«

Je länger sie darauf warteten, dass der Regen aufhörte und das neue Leben, von dem sie geträumt hatten, endlich begann, desto mehr fürchteten William und Margaret, dass ihre Auswanderung ein Fehler war. Eine Ende ihrer Misere war nicht in Sicht, und eines Abends wurden sie von Hoffnungslosigkeit übermannt und klammerten sich weinend vor Verzweiflung aneinander. Was hatten sie nur getan? Wie hatten sie es nur zulassen können, dass die Familie von einem Drecksloch ins nächste geriet? Doch schon am nächsten Morgen kehrte der alte Clangeist zurück. Was geschehen war, war geschehen. Zurückkehren könnten sie eh nicht mehr, sagte die ältere Schwester Margaret, die fest entschlossen war, die Familie zusammenzuhalten und mit allen gemeinsam einen erfolgreichen Neuanfang zu schaffen.

Während die älteren Familienmitglieder anfangs unsicher waren und einige Zeit brauchten, um sich in die neuen Verhältnisse einzuleben, fand sich George ziemlich schnell zurecht. Er war fast achtzehn und konnte es gar nicht erwarten, seine neue Heimat zu erkunden, was ihm umso leichter fiel, als er im Speisesaal des Wohnheims schnell Gleichaltrige fand, mit denen er sich anfreundete. Doch die Freunde, die seine Zukunft – und später auch die seiner jüngeren Brüder – nachhaltig beeinflussen sollten, lernte er in dem im Keller gelegenen Waschraum kennen: Es waren die beiden holländischen Einwanderer Dingeman van der Sluys und Johannes van den Berg. Wie George spielten sie beide Gitarre, wobei Johannes der Versiertere von ihnen war und schon mit ein paar einfachen Soli glänzen konnte. Dingeman, der sehr taktfest war, schlug dazu die Basssaiten an. Da es George schwerfiel, die Namen der beiden Holländer auszusprechen, nannte er sie kurzerhand Dick und Harry. Und als sich herausstellte, dass George nicht der Einzige war, der dieses Problem hatte, entschlossen sich die beiden, sich fortan Dick Diamonde (sic!) und Harry Vanda zu nennen.

George fühlte sich in einer Clique, wie er sie aus Cranhill kannte, einfach am wohlsten, und so nahm er Dick und Harry bald überall hin mit. Gemeinsam erkundeten sie die die nähere Umgebung von Villawood bis hin zum nahegelegenen Bahnhof Leightonfield, wo sie die ein- und ausfahrenden Züge beobachteten und sich vorstellten, bald selbst irgendwohin aufzubrechen. Als sie anfingen, ihre Gitarren auf ihre Streifzüge mitzunehmen, zogen sie immer schnell einige Schaulustige an, vor allem Mädchen. Stevie Wright, einem jungen, raubeinigen Kerl aus der Nachbarschaft, der erst vor Kurzem selbst von England nach Australien ausgewandert war, ging das ganze Aufheben, das um diese fremden Typen mit ihrem komischen Akzent gemacht wurde, schwer auf die Nerven. Er hielt mit seiner Meinung auch nicht lange hinterm Berg und bezichtigte George, der Bruder irgendeines Idioten zu sein, mit dem er kürzlich aneinandergeraten war. Statt ihm eine reinzuhauen – seine typische Reaktion auf Leute, die sich unbedingt mit ihm anlegen wollten – blieb George völlig ruhig und lachte nur über diesen Unfug. Er war zwar ebenso temperamentvoll wie seine beiden kleinen Brüder, aber wenn es darauf ankam, war er durchaus in der Lage, einen kühlen Kopf zu bewahren und vorausschauend zu handeln. Weil er nicht zuletzt auch davon beeindruckt war, schloss sich Stevie kurz darauf George, Dick und Harry als Sänger an.

Die vier mauserten sich zu einer Band, die ziemlich gut einfache Versionen von Beatles-Songs und einige andere Top-40-Nummern spielte. Mag sein, dass der Rest der Welt Australien damals noch als kulturelle Einöde betrachtete, aber es gab dort Radio und Fernsehen wie in jedem anderen zivilisierten Land der Erde, und die Rock’n’Roller der 50er- und 60er-Jahre hatten für die dortige Jugend genau dieselbe Bedeutung wie in England und Amerika. Als in dem Übergangswohnheim der Youngs die ersten »Wogs and Rockers«-Abende ausgerichtet wurden – der Titel (wogs, dt.: Kanaken) spielte darauf an, dass die Bewohner des Villawood Hostels alle Ausländer waren, die verschiedenen Ethnien angehörten –, hatten George und seine neuen Freunde große Lust, in diesem Rahmen als Band aufzutreten. Das Problem war nur: Sie hatten keinen Drummer. Und genau an dieser Stelle kommt ein weiterer Ten-Pound-Pom-Einwanderer ins Spiel: Gordon »Snowy« Fleet. Der gut aussehende Mittzwanziger konnte gut den Takt halten und vor allem verdammt hart auf die Felle eindreschen.

Als sich die Youngs endlich ein eigenes kleines Haus leisten konnten, und zwar in Burwood, einem der besseren Vororte von Sydney, zog Stevie Wright mit bei ihnen in der 4 Burleigh Street ein. »Ich fand es toll, in den Young-Clan aufgenommen zu werden«, erinnerte er sich später. »Sie hatten mich in ihr Herz geschlossen.«

Inzwischen hatte die Band auch einen Namen: The Easybeats. The Merseybeats hatten dafür als Inspiration gedient, wobei sie ihrer Schöpfung durchaus eine eigene, heitere Note verliehen hatten. In der gerade aufkeimenden Musikszene Sydneys hatte sich die Gruppe schon einen Namen gemacht. 1964 unterzeichneten sie einen Managementvertrag. Ihr Entdecker, Mike Vaughan, war ein ehrgeiziger junger Mann. Der ehemalige Immobilienmakler war mit dem Produzenten Ted Albert bekannt und verfügte damit über einen äußerst wichtigen Kontakt zur Musikbranche.

Der siebenundzwanzigjährige Ted war der Sohn von Alexis Albert, dem Chef von J. Albert and Son, einem der ältesten und einflussreichsten Unternehmen im australischen Musikbusiness.

Es passte zur beeindruckenden Erfolgsgeschichte seiner Familie, dass Ted gleich mit der ersten Band, die er unter Vertrag nahm, einen Volltreffer landete. Billy Thorpe & The Aztecs sorgten mit ihrer Cover-version der Leiber-und-Stoller-Nummer »Poison Ivy« im Sommer 64 für den ersten bei J. Albert and Son herausgebrachten nationalen Single-Hit. Den Beatles, die zu jener Zeit zum ersten und einzigen Mal durch Australien tourten, versperrten sie damit den Weg an die Spitze der Charts. Weil Thorpe dieses Kunststück fertiggebracht hatte, avancierte er kurzzeitig zu einem australischen Nationalhelden vom Format eines Ned Kelly. In den folgenden Jahren hatten Billy Thorpe & The Aztecs noch einige weitere Hits – bis sie schließlich von Teds nächster großer Entdeckung in den Schatten gestellt wurden: The Easybeats.

Ted Albert war gerne bereit, die neue Band seines Freundes Mike Vaughan zum Vorspielen ins 2UW Theatre einzuladen, das zum Firmenimperium seiner Familie gehörte. Begeistert von ihrer überzeugenden Darbietung bot er der Band gleich an, eine Single zu produzieren. Man einigte sich auf einen von George und Stevie gemeinsam geschriebenen Song mit dem Titel »For My Woman«. Die geradlinige Bluesnummer mit Stones-Anklängen zeichnet sich vor allem durch Georges messerscharfe Gitarre und Harrys proto-psychedelisches Gitarrensolo aus; die Gitarren drängten dabei den eher unausgegorenen Schlagzeugsound in den Hintergrund. Überlagert wird das Ganze von einem nervenaufreibend oft wiederholten Dreizeiler, der als Strophe und Refrain zugleich fungiert. Veröffentlicht wurde »For My Woman« im März 65, doch statt des Hits, von dem George und seine Familie geträumt hatten, wurde die Single ein Flop.

Es widersprach dem typischen Cranhill-Kampfgeist, dieser »Wir gegen den Rest«-Mentalität, den Kopf in den Sand zu stecken, und so stellten George und Stevie Ted einfach einen weiteren Song vor: »She’s So Fine«. In gewisser Hinsicht war er seinem Vorgänger nicht unähnlich: ein Minimum an Text und eine nur zum Teil einprägsame Melodie. Allerdings hatte das Ganze mehr Drive und bestach durch ein staccatoartiges Intro in der Art von denen, die AC/DC später zu Monsterriffs wie dem von »Whole Lotta Rosie« weiterentwickelten. Ted, der von seiner Familie, die sich ihr Vermögen selbst erarbeitet hatte, Durchhaltevermögen geerbt hatte, gab der Band eine zweite Chance und nahm den Song mit ihnen auf. Im Mai 65 kam »She’s So Fine« heraus. Drei Wochen später stand die Nummer in ganz Australien auf Platz eins. Und einen Monat darauf immer noch – der Easybeats-Mythos war geboren.

In den nächsten zwei Jahre waren die Easybeats für Australien das, was die Beatles für England waren: die ersten nationalen Stars, die es mit dem Erfolg und der Popularität von ausländischen Musikern wie Elvis – und im Fall der Easybeats natürlich auch der Beatles – aufnehmen konnten. Auch wenn Ted als Produzent nicht an George Martin heranreichte, hatte er doch ein sehr gutes Ohr und ein sagenhaftes Talent dafür, Songs mit kommerziellem Potenzial zu erkennen und ihnen den letzten Schliff zu verleihen. Es lag nicht zuletzt daran, dass die Easybeats von Anfang ein klares eigenes musikalisches Profil besaßen, dass sie binnen relativ kurzer Zeit eine feste Fangemeinde hatten. Wie bei den Beatles waren all ihre großen Hits Eigenkompositionen, die anfangs ausschließlich von George und Stevie, später aber auch von Harry geschrieben wurden. Zwischen 1965 und 66 zeichneten George und Stevie für vier Nummer-eins-Hits der Easybeats, drei Top-Ten-Singles und diverse andere erfolgreiche Songs mit Chartplatzierung verantwortlich. Sie waren so populär, dass die australische Presse bald vom »Easyfieber« sprach und Wright und Young als die »australischen Lennon und McCartney« bezeichnete. Ebenso wie Lennon / McCartney waren sie unglaublich produktiv, sodass sie auch noch andere Künstler mit Hits versorgen konnten. Wie zum Beispiel Johnny Young (weder verwandt noch verschwägert), der 1966 mit dem aus ihrer Feder stammenden »Step Back« einen Nummer-eins-Hit landete.

Trotz seines Erfolgs blieb George ein echter Glasgower Raufbold. Als die Easybeats eines Nachmittags im Rahmen einer Radioshow mitten in Sydney auf einer Bühne standen und einige Arbeiter, die dort herumstanden, sie als Schwuchteln beschimpften, blieb er zunächst ganz ruhig. Er war entschlossen, die Krawallmacher, die auf Streit aus waren, zu ignorieren. Allerdings verlor er seine Beherrschung, als einer von ihnen Stevie von hinten einen Stoß versetzte. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung beobachtete Stevie, wie George dem Wortführer der Störenfriede einen Tritt in die Weichteile versetzte und dessen Kameraden, der ihm am nächsten stand, mit einem Faustschlag zu Boden streckte.

Das Easyfieber hatte dieselben besorgniserregenden Nebenwirkungen wie sein britisches Pendant, der Merseybeat. Im Dezember 65 musste ein Konzert vor fünftausend hauptsächlich weiblichen Fans in der Festival Hall in Brisbane nach einer Viertelstunde abgebrochen werden, weil die Polizei angesichts der hysterischen Fans in Panik geriet und sich nicht anders zu helfen wusste. Zahlreiche vom Easyfieber befallene junge Leute begannen daraufhin, das Taxi zu demolieren, in das man die Band gepfercht hatte. Die Jungs hatten einige Mühe, sich in dem Wagen vor ihren Fans und den Glasscherben zu schützen.

Die ganze Familie freute sich über Georges unerwarteten Erfolg. Malcolm und Angus waren damals jedoch noch viel zu jung, um zu begreifen, wie sehr sich das Leben für ihren älteren Bruder dadurch veränderte. Eine erste Ahnung davon bekam Angus, als er eines Tages von der Schule nach Hause kam und Hunderte kreischender Mädchen auf der Straße vor seinem Elternhaus standen. Ein Jugendmagazin hatte Georges Adresse veröffentlicht, und nun hatte die Polizei alle Hände voll zu tun, um die aufgeregte Menge, die wie ein Heuschreckenschwarm über das Grundstück hergefallen war, unter Kontrolle zu bringen. Angus, der so leicht nicht aufsteckte, lief um das Haus herum und sprang von hinten über die Gartenmauer. Allerdings hatte er nicht mit der Hartnäckigkeit der Fans gerechnet. Etliche folgten ihm und kletterten ebenfalls über die Mauer. Mit voller Wucht brachen sie durch die Hintertür und überrannten Georges kleinen Bruder, um – tja, um was eigentlich zu tun? Angus hatte nicht den leisesten Schimmer. Es war seine erste Nahkampferfahrung mit den Nebenwirkungen des Popstarruhms, und er sah fasziniert zu, wie die Polizei sich abmühte, wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Malcom, der inzwischen ein Teenager war, hatte für sich schon die notwendigen Schlüsse aus diesen Erfahrungen gezogen und konzentrierte sich zunehmend aufs Gitarrespielen. Da er George kaum noch zu Gesicht bekam, erhielt er den meisten Zuspruch zunächst von seinem Bruder John. »Das war eine wunderbare Zeit«, sagte er später. »Ich kam gerade in die Pubertät, und da standen all diese kreischenden Mädels vor unserem Haus, es waren Hunderte. Sie standen da einfach, um einen Blick auf die Easybeats zu erhaschen.« Und er fügte hinzu: »Ich und Angus hingen zusammen mit ihnen draußen rum und dachten: ›Genau das wollen wir auch haben!‹ Damit war unser Schicksal besiegelt …«

Wie schon in Cranhill handelten sich Malcolm und Angus in der Schule in Burwood nur Ärger ein. Malcolm machte genau so weiter, wie er in Schottland aufgehört hatte, und prügelte sich mit jedem, der ihm in die Quere kam. Die anderen Schüler hatten eine Heidenangst vor ihm. Die Lehrer hatten ihn irgendwann abgeschrieben. Als Angus ihm 1966 auf die Ashfield Boys High School folgte, hatte er erst gar keine Chance, einen besseren Eindruck als sein Bruder zu machen. »Gleich am ersten Tag bekam ich den Rohrstock zu spüren«, erinnerte er sich. »›Wie heißt du?‹, fragte der Typ. ›Young.‹ ›Komm her, an dir werde ich erst mal ein Exempel statuieren.‹«

Während sein Bruder zumindest gut aussah, wirkte der scheel grinsende, Brille tragende Angus, so wie ihn alte Schulfotos zeigen, ziemlich linkisch. Auch er war kein beliebter Schüler. Jeff Cureton, sein bester Freund aus Burwood, sagte, sie seien »Rowdys« gewesen, die immer irgendwelchen Unfug getrieben hätten. Sie kauften Feuerwerkskörper in einem Laden in Stratfield und ließen sie auf offener Straße hochgehen, während sie sich im Gebüsch versteckten. Einmal kauften sie eine Kiste Zigarren, doch als sie sich die Stumpen ansteckten, wurde ihnen so schlecht, dass sich Angus schwor, nie wieder zu rauchen. Diesem Schwur blieb er einen ganzen Tag lang treu, bis er sich wieder den Zigaretten zuwendete, die man damals noch einzeln kaufen konnte. Doch ganz gleich, welchen Schabernack er trieb, ihm als dem Kleinsten in der Familie konnte man nicht lange böse sein. Seine Mutter verwöhnte ihn gern. Cureton hat sie als »wirklich nette Frau« in Erinnerung, aber wehe man schlug bei ihr die falsche Saite an, dann bekam man ihr aufbrausendes schottisches Temperament zu spüren. Als sich der Schuldirektor einmal über das lange Haar von Angus aufregte und ihn anwies, es kurz schneiden zu lassen, stattete Margaret ihm am nächsten Tag einen Besuch ab und teilte ihm unmissverständlich mit, wohin er sich seine Anweisungen stecken könne. Die Youngs ließen sich von niemandem etwas vorschreiben, und schon gar nicht von irgendeiner aufgeblasenen, glatzköpfigen Intelligenzbestie.

An der Ashfield Boys High lernten Malcolm und Angus Steve Armstrong kennen. Malcolm war »der Hübsche der beiden«, erinnert sich Armstrong. »Ich hatte den Eindruck, dass [Angus] immer in Malcolms Schatten stand, besonders in puncto Mädchen. Keiner von uns machte sich irgendwelche Hoffnungen, eine abzubekommen, wenn Malcolm dabei war. Er bekam alle, und wenn ich alle sage, meine ich auch tatsächlich: alle. [Doch] Angus war immer der unverstellte, ehrliche Typ, und erhatte auch keine Angst, das zu zeigen.«

Irgendwann übertrumpfte Angus Malcolm an der Gitarre. Schon in Cranhill hatte er sich, inspiriert von den Chuck-Berry-Platten seiner Schwester, von seinem älteren Bruder Alex zeigen lassen, wie man einen einfachen 12-taktigen Blues spielt. Das war die Initialzündung für ihn und der einzige Unterricht, den er je hatte. Alles andere brachte er sich selbst bei. In Burwood spielte er zunächst auf einem Banjo, von dem niemand genau wusste, wie es in das Haus an der Burleigh Street gekommen war. Ohne es zu ahnen, legte er damit bereits die Grundlagen für sein typisches Spiel, das später den Stil von AC/DC prägen sollte. Nachdem Angus seine Mutter endlich dazu überredet hatte, ihm eine preiswerte Akustikgitarre zu kaufen, musste er zähneknirschend einwilligen, sie sich mit Malcolm zu teilen. »Als wir noch Kinder waren, flogen zwischen uns immer die Fetzen«, sagte Angus einmal, »und als das mit dem Gitarrespielen losging, wurde es sogar noch schlimmer. Er ließ mich nicht in sein Zimmer mit der Begründung: ›Angus hat ein fotografisches Gedächtnis. Du brauchst nur ein Lick zu spielen, und schon hat er es dir abgeguckt und geklaut.‹ Jedes mal, wenn ich in sein Zimmer wollte, sagte er nur: ›Hau ab!‹«

Anders als sein jüngerer Bruder ließ sich Malcolm (der ebenfalls nie Gitarrenstunden nahm) von den Surfhits inspirieren, die die australischen Charts Mitte der 60er-Jahre beherrschten. Einer seiner Lieblingssongs war »Hangin’ Five« von den Delltones, am einfachsten zu erlernen fand er allerdings das Instrumentalstück »Bombora« von den Atlantics. Diese Nummer motivierte ihn in der ersten Zeit, als er mit seinen kleinen Händen kaum den Gitarrenhals umfassen, geschweige denn die Seiten richtig greifen konnte, regelmäßig zu üben. Malcolm war begeistert von dem primitiven, treibenden Getrommel und der pointierten Art, in der Jim Skiathitis Gitarre spielte. Die Atlantics waren eine Teenagerband aus dem Osten von Sydney, und wenn sie es schaffen konnten …

Die Streitereien um die Gitarre hatten schließlich ein Ende, als Harry Vanda dem damals fünfzehnjährigen Malcolm 1968, als er von der Highschool abging, eine elektrische Gretsch Jet Firebird schenkte, die Vanda bei den Easybeats gespielt hatte. Das Geschenk spornte Malcolm noch mehr an, sich ausgiebig dem Erlernen des Instruments zu widmen. Wegen seiner kurzen Finger konnte er zunächst nur mit einer offenen Stimmung spielen, bis sie lang genug waren, um mehr mit ihnen auf dem Griffbrett anstellen zu können. Seine geringe Körpergröße machte ihm nicht nur in dieser Hinsicht zuschaffen. Während die meisten seiner Freunde bereits die typischen pubertären Wachstumsschübe hinter sich hatten, tat sich diesbezüglich nichts bei Malcolm. Er hatte auch noch keinen Bartwuchs und wurde in den Pubs, in die seine Freunde inzwischen häufig gingen, nicht bedient, weil er immer noch wie ein Kind aussah. Also blieb er abends meistens zu Hause, wo er in seinem Zimmer auf der E-Gitarre übte.

Angus, der damals noch kleiner war als Malcolm, später jedoch mit ihm gleichziehen sollte, hatte einen anderen Zugang zur Gitarre als sein Bruder. Er hasste Surfmusik. »Als ich jung war und zum ersten Mal Harmonien hörte, dachte ich: ›Das ist viel zu lieblich.‹ Die Beach Boys erinnerten mich immer an einen Haufen braver Schulkinder.« In der Schule interessierte er sich sehr für Kunst und Musik, doch für Sport hatte Angus nicht das Geringste übrig und auch ansonsten hatte er mit der Schule nicht viel im Sinn. Es kann daher nicht verwundern, dass er – wie Malcolm zuvor – sofort die Schule verließ, als er selbst darüber entscheiden durfte. »Ich ging ab, als ich fünfzehn wurde, weil Schule nun mal Schule ist und ich sowieso viel geschwänzt habe«, erklärte er später. Die Lehrer »schlugen einem mit dem Stock auf die Finger, weil man nichts wusste, sogar dann, wenn man die Antworten auf ihre Fragen gar nicht kennen konnte. Kunst und Geschichte waren okay, aber der Rest … Na ja, man konnte es eh für nichts gebrauchen.«

Vielleicht stimmte das ja. Obwohl sich George und Alex (der mittlerweile in London lebte und für das gerade neu gegründete Beatles-Label Apple arbeitete) bestens in der Musikbranche etabliert hatten, war ihr Vater William ausgesprochen skeptisch, was die Zukunftspläne seiner beiden jüngsten Sprösslinge anging, die ebenfalls diesen Weg einschlagen wollten. Er verlangte von ihnen, dass sie sich eine ehrliche Arbeit suchten. Und so nahmen Malcolm und Angus eine Reihe von Gelegenheitsjobs an, damit ihr »alter Herr« zufrieden war. Malcolm fand unter anderem eine Stelle in einer Fabrik, in der Büstenhalter hergestellt wurden, während Angus kurzzeitig mal in einer Druckerei arbeitete. Wirklich ausgebeutet fühlten sie sich dabei allerdings nicht. Sie fanden es toll, eigenes Geld zu verdienen, auch wenn es nicht viel war, und waren glücklich, dass sie nicht mehr in die ungeliebte Schule gehen mussten. Als Jungs, die aus Cranhill stammten, schätzten sie den Wert harter Arbeit, wobei sich an ihrer Einstellung trotz des Erfolgs von AC/DC bis heute nichts geändert hat. »Ich habe mich nie wie ein Popstar gefühlt«, erklärte Malcolm noch 2008. »So ein Job ist eine Art Nine-to-five-Gig. Alles in der Welt hängt am Ende doch von der Arbeit in den Fabriken ab. Das darf man nie vergessen.«

Natürlich hörten sie wegen ihrer Arbeit nicht auf, Musik zu machen. Unter der Woche blieben sie abends zu Hause, spielten Gitarre und hingen ihren Träumen nach. Ihr Bruder George, das große Vorbild, bestärkte sie darin. Dave Evans, ein weiterer aufstrebender Musiker aus Sydney, der sich als Sänger profilieren wollte, sagt: »Dass Leute wie Stevie Wright und all die anderen Jungs von den Easybeats bei ihnen ein- und ausgingen, war für sie völlig normal.« Und er fügt hinzu: »Sich viel vorzunehmen und große Ziele zu haben, dürfte für sie nichts Ungewöhnliches gewesen sein, da George ihnen ja vorgelebt hatte, wie man es schaffen kann.«

Überdies sorgte George dafür, dass das Interesse seiner Brüder an der Musik nicht nachließ, indem er regelmäßig Pakete voller Platten und Musikzeitschriften, die er auf seinen Reisen entdeckte, nach Hause schickte. Die Easybeats waren inzwischen nach London übergesiedelt und tourten durch Europa und Amerika. So konnte George seine Brüder mit Musik und Informationen über die neuesten Songs und Künstler versorgen, von denen in Australien bis dahin kaum jemand gehört hatte. Angus und Malcolm beschäftigten sich ausgiebig mit diesen Schätzen und erfuhren auf diese Weise sehr viel über die aktuelle Musik, die sie ansonsten im Radio oder TV verfolgten. Samstagmorgens, wenn die Musiksendungen liefen, versammelte sich die ganze Familie vor dem Fernseher, um zu Unmengen Tee und Zigaretten über die neuesten Hits zu diskutieren. Wenn George zu Besuch war, saß er mit ihnen vor der Mattscheibe. Anschließend nahm er oft seinen Bass zur Hand, begann darauf zu spielen und forderte Malcolm und Angus auf, ihn auf ihren Gitarren zu begleiten. Immer wieder kündigte er dabei auch Akkordwechsel an, um zu sehen, wie schnell seine Brüder umgreifen konnten. Manchmal machten sie allerdings so viel Krach, dass sie ihn gar nicht hörten – oder sie taten einfach nur so, als ob sie ihn nicht gehört hatten, weil sie sich nicht einmal von ihm, dem älteren Bruder und großen Popstar, etwas vorschreiben lassen wollten.

Allerdings hörten sie ganz genau hin, wenn George ihnen Tipps gab und beispielsweise erzählte, welche Gitarrensaiten am besten waren, welche Verstärker etwas taugten, was man aus den verschiedenen Tonabnehmern alles rausholen konnte und wie man die Gitarre bei Bedarf umstimmte. Ganz besonders interessierte die beiden jüngeren Brüder, was George über die neuesten Acts aus England und Amerika berichtete. Dabei fielen Namen, die den meisten Australiern zu jener Zeit überhaupt nichts sagten. George schwärmte zum Beispiel von Eric Clapton, der mit John Mayall & The Bluesbreakers das Album Beano aufgenommen hatte, das der Ältere seinen Brüdern besonders ans Herz legte, oder Peter Green und Jeremy Spencer von Fleetwood Mac, die in Sydney ebenfalls noch völlig unbekannt waren. Von den amerikanischen Musikern empfahl George Mike Bloomfield, den unglaublich begnadeten Gitarristen, der die Paul Butterfield Blues Band zu einer weltweit bekannten Gruppe gemacht hatte und der dann Dylan half, seinen Weg als Rockmusiker einzuschlagen. Außerdem trichterte George seinen Brüdern ein, die Stars der alten amerikanischen Schule wie Chuck Berry und Little Richard nicht aus dem Blick zu verlieren. Auch das nahmen sich die beiden zu Herzen: »Chuck Berry darf nie in Vergessenheit geraten«, sagte Malcolm einmal. »Ich finde fast alles, was er gemacht hat, großartig.«

Bald machten Malcolm und Angus allerdings auch ihre eigenen musikalischen Entdeckungen. »Als ich zum ersten Mal ›My Generation‹ von The Who hörte, war ich völlig geplättet«, erklärte Malcolm dem australischen Journalisten Murray Engleheart. »Die Beatles und die Stones waren damals das Nonplusultra, und plötzlich bekam man diese Nummer um die Ohren geknallt, die noch wesentlich härter war. Für mich änderte das alles. Später kam dann noch ›Jumpin’ Jack Flash‹ und – um noch zwei Songs zu nennen – ›Honky Tonk Women‹ und ›Get Back‹ von den Beatles. Diese Songs stellten in meinen Augen die folgerichtige Weiterentwicklung des Rock’n’Roll dar.«

Der nächste und eigentlich zwangsläufige Schritt war, sich einer Band anzuschließen. Nicht lange, nachdem sich die Brüder die Akkorde von einer Reihe von Songs durch das Abhören verlangsamt abgespielter Platten beigebracht hatten, standen sie damit auch schon auf einer Bühne. Sich mit einer Reihe von Gelegenheitsjobs (u. a. als Feinmechaniker für Nähmaschinen, Maschinenschlosserlehrling und Lagerarbeiter) über Wasser haltend, begann Malcolm seine Karriere bei einer Band, die – je nachdem, wo sie spielten – unter dem Namen Beelzebub Blues, Red House oder Rubberband auftrat. Die fünfköpfige Gruppe, deren Kopf und Sänger Malcolms Freund Ed Golab war, entsprach mit Schlagzeuger, Bassist, zwei Gitarristen und Sänger damals schon demselben Besetzungsschema, das später für AC/DC kennzeichnend sein sollte, mit der einzigen Ausnahme, dass Malcolm die Leadgitarre spielte.

»Malcolm war ein hervorragender Leadgitarrist«, erinnert sich Ian Jeffrey heute, »damals war er vielleicht sogar noch besser als Angus. Als ich anfing, für sie zu arbeiten, bekam man von ihm manchmal noch ein brillantes Solo oder ein Break zu hören. Aber als Rhythmusgitarrist war er noch besser – vielleicht einer der Besten überhaupt. Was ihn auszeichnet ist, dass er das erkannt hat – ebenso wie die Tatsache, dass sich Angus als Gitarrist weitaus besser als er zum Front-man eignete.«

Doch so weit waren sie noch gar nicht. Zunächst machte sich Malcolm binnen Kurzem einen Namen als kleinwüchsiger Gitarrenheld, der alle möglichen Songs draufhatte – von waschechten Bluesrockern wie Blodwyn Pig, Savoy Brown und dem Bluesbreaker-Clapton bis hin zu den neuen Progressive-Bluesrock-Göttern wie Black Sabbath, dem psychedelischen Cream-Clapton oder auch dem Are You Experienced-Jimi Hendrix. Selbst in dieser Frühphase, als Teenager, der gerade erst die Schule hinter sich gebracht hatte, machte Malcolm keine Zugeständnisse an den Top-40-Geschmack. Wen scherte es, wenn sein Publikum noch nie von Blodwyn Pig oder Savoy Brown gehört hatte? Ihr Pech! Die einzige Mainstream-Musik, die man von ihm zu hören bekam, war eine harte, rockige Version des Beatles-Songs »Come Together«. Spätestens danach, so erinnert sich Golab, galt Malcolm Young in der Szene als der Gitarrist.

Die Band probte in einem ehemaligen Pfadfinderheim, in dem sie auch übernachteten, wenn sie zu betrunken waren, um sich zu Hause blicken lassen zu können. Und so viel Spaß ihnen das Spielen von Coverversionen auch bereitete, Malcolm hatte ehrgeizigere Ziele. Mit Golab sprach er oft bis in die frühen Morgenstunden darüber, eigene Songs zu schreiben, aber nicht solche, wie sie die Easybeats oder so manche australische Trittbrettfahrer komponierten. Es sollte etwas Eigenes sein, etwas ganz anderes. Und so kam es dann auch. Malcolm war achtzehn, als sie begannen, ihre eigenen Stücke zu schreiben. Inspiriert wurden sie dabei von den neuen Songs von Stevie Wonder und dem Sound junger amerikanischer Bands wie Santana. Malcolm fand, dass dieser von lateinamerikanischer Folklore beeinflussten Musik dieselben R&B-Grooves zugrunde lagen, die er so liebte. Der Rock’n’Roll wurde allmählich anspruchsvoll. Bands wie Led Zeppelin und Deep Purple setzten auf musikalische Virtuosität statt auf einen simplen Groove. Bei Stevie Wonder und Santana war es genauso, nur dass sie einen auch noch dazu brachten, erst mit dem Fuß mitzuwippen und dann aufspringen und lostanzen zu wollen. Eine Zeit lang hat sich Malcolm sogar intensiv mit Jazzakkorden beschäftigt und bestimmte Songs auf einem Klavier nachgespielt, um zu analysieren, wie sie komponiert waren. Für jemanden, der später geradezu eine Tugend daraus machte, komplett auf anspruchsvollere musikalische Strukturen in seinen Songs zu verzichten, war Malcolm in jungen Jahren außerordentlich wissbegierig und hat sich mit allen möglichen Spielarten von Musik intensiv auseinandergesetzt. Die Leute dachten immer, er spiele Rock’n’Roll, weil er nichts anderes kannte. Dabei war er ungeheuer aufgeschlossen, er lehnte Bands oder Songs niemals kategorisch ab, bevor er nicht ganz genau analysiert hatte, was sie machten bzw. wie sie funktionierten.

Malcolm wollte unbedingt ernst genommen werden und konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn immer noch für einen Schüler hielt. Ed Golab erinnert sich, dass er selbst als älterer Teenager »immer noch wie zwölf oder dreizehn aussah, nur wegen seiner Größe. Ich glaube, das hat ihm immer zu schaffen gemacht, denn seine Freundinnen waren immer relativ jung, weil auch sie ihn für jünger hielten, als er war. Damit hatte er ein Riesenproblem.«

Dem jüngsten Spross der Familie schien indes offenbar nichts Probleme zu bereiten. Anders als Malcolm war Angus völlig egal, was andere über ihn dachten. Während Malcolm die Haare lang wachsen ließ, enge Schlaghosen trug und stolzer Besitzer eines kleinen Bötchens war, verwandelte sich Angus in einen veritablen Skinhead mit Glatze, Springerstiefeln und überzeugend vermittelter Scheißegal-Haltung. Malcolm scherzte einmal, dass Angus nur deshalb seltener in Prügeleien verwickelt war als er, weil sich mit ihm niemand prügeln wollte. Er muss zweifellos einschüchternd gewirkt haben. Nicht ganz ins Bild passte, dass er im Gegensatz zu Malcolm nichts Stärkeres als Tee trank, und wenn es gerade keinen gab, begnügte er sich auch mit einem Milchshake. Und natürlich rauchte er. Alle Youngs waren starke Raucher, ohne Ausnahme, und sie kannten eigentlich niemanden, der es nicht auch war.

Als er nach dem Abgang von der Schule in seinen ersten Bands spielte, war Angus dank der Kontakte seines Bruders George in den Besitz einer neue E-Gitarre gekommen: eine Gibson SG. Dieses Modell hatte von Chuck Berry bis Jeff Beck jeder schon mal gespielt. (Angus liebte Becks Hit »Hi Ho Silver Lining«, den der eher auf anspruchsvollere Musik stehende Beck selbst überhaupt nicht ausstehen konnte.) Anders als Malcolm, der am liebsten alleine übte, ließ Angus sich gerne von seinen Kumpeln beim Abrocken auf seinem Zimmer zusehen. Unermüdlich Akkordfolgen zu üben, war nicht sein Ding. Er schrammelte einfach drauflos. Einer seiner verdutzen Besucher, Herm Kovac, erinnert sich: »Er stand auf der Kommode, riss das Bein hoch, sprang aufs Bett – er wirbelte durchs ganze Zimmer.« Anschließend grinste Angus seinen Freund an und fragte: »Na, was sagst du?« Herm starrte ihn nur entgeistert an und meinte: »Hast du auch irgendwelche Akkorde drauf?«

Angus besaß auch eine ziemlich mitgenommen aussehende alte Höfner-Gitarre. Er schloss sie an einen Sechzig-Watt-Verstärker an, drehte die Lautstärke voll auf und drosch auf das Instrument ein, bis seine Eltern ihm alle erdenklichen körperlichen Züchtigungen androhten, wenn er nicht sofort damit aufhöre. Mit elf konnte Angus Soli von Jimi Hendrix ebenso nachspielen wie den Riff aus dem Yardbirds-Song »I’m a Man«. Er machte sich nichts daraus, wenn er die Akkorde nicht ganz sauber spielte. Hauptsache es war laut und er konnte beim Spielen herumspringen. Er war nicht gerade wählerisch, er spielte zu Songs von australischen Bands wie The Missing Links und The Loved Ones und auch zu Nummern von The Animals und Chuck Berry. Ganz besonders hatte es ihm Little Richards Klassiker »Keep A Knockin’« von 1957 angetan. Er ahmte dessen wilden Saxofonriff auf der Gitarre nach und wiederholte das Ganze so lange, bis seine Mutter ihm wieder einmal Prügel androhte. Diverse Abwandlungen dieses Riffs lieferten später die Grundlage zu einigen der besten AC/DC-Songs. (Interessanterweise inspirierte »Keep A Knockin’« auch Led Zeppelin zu ihrem Song »Rock And Roll«.) Was Angus als Musiker mit seinem Bruder gemein hatte (abgesehen vielleicht von dem Eindruck, den sie später bei AC/DC hinterließen, dass sie nur ein paar ungehobelte Rock’n’Roller seien, die musikalisch nicht wirklich was draufhaben), war, dass beide gegenüber Musik in allen möglichen Spielarten sehr aufgeschlossen waren und sie auf eine für ihr Alter ungemein reife Art und Weise verstehen und würdigen konnten. So schwärmte er etwa noch tagelang von einem Louis-Armstrong-Konzert im Sydney Stadium, zu dem ihn seine Schwester Margaret mitgenommen hatte.

Trotz seines Spitznamens »The Banker«, der ihm verliehen wurde, weil er sein Geld sparte, wo er nur konnte, hatte Angus nicht die geringsten Bedenken, sein Taschengeld für Platten auszugeben. Er fuhr mit dem Bus in die Stadt um Importscheiben zu kaufen. Zudem ging er regelmäßig in die Stadtbibliothek, wo ihm eine nette Bibliothekarin half, Musikbücher und Magazine aus Übersee zu bestellen. Stundenlang saß er im Lesesaal und blätterte in vergilbten Ausgaben des Magazins Downbeat, das neben Artikeln über Muddy Waters oder Buddy Guy auch Fotos der großen Bluesgitarristen enthielt. Ein Einzelgänger war er dennoch nicht. Ein damaliger Kumpel, der aus Amerika stammende Larry Van Kriedt, der ein Jahr älter war als Angus und ebenfalls beeindruckend E-Gitarre spielte, erinnert sich, dass Angus immer »eine Horde Freunde« um sich herum hatte. Das waren »harte Jungs«, und obschon er der Kleinste von ihnen war, war Angus ihr Anführer.

Wenn Van Kriedt, der selbst ein eher ruhigerer Typ war, von den anderen mal schikaniert wurde, drohte ihnen Angus, der nur halb so groß war wie sie: »Lasst ihn in Ruhe, sonst bekommt ihr es mit mir zu tun.« Seinem neuen Freund war schnell klar geworden, dass Angus »ziemlich durchsetzungsfähig war. Er geriet recht oft in Schwierigkeiten und hatte nach und nach eine Art Gang um sich herum versammelt … Ich hatte immer den Eindruck, dass ihm Ehre und Loyalität außerordentlich wichtig waren.«

Ehre. Loyalität. Härte. Die Fähigkeit, Dinge im Vorbeigehen wahrzunehmen und sich an keinerlei Regeln zu halten, außer den eigenen. Cranhill mag für Malcolm, Angus und George Young nur noch eine dunkle Erinnerung gewesen sein, als sie in den 60er-Jahren unter der Sonne von Sydney ihren Weg machten, doch tief in ihrem Innersten war ihre Heimat, die sie geprägt hatte, fest verankert und begleitete sie wie ein Schatten auf Schritt und Tritt.

KAPITEL 2

BONNIE BOY

In der Anfangszeit von AC/DC kam es gelegentlich vor, dass Bon Scott in einem Pub in Sydney blöd angequatscht und gefragt wurde, ob er nun AC oder DC sei. Statt dem vermeintlichen Witzbold eine reinzuhauen, wie er es früher ohne Zweifel getan hätte – und wohl auch jetzt noch täte, falls der Scherzkecks nicht aufhören sollte, ihn mit solchem Schwachsinn zu nerven –, legte er sein strahlendstes Zahnlückengrinsen auf und antwortete: »Weder noch. Ich bin der Blitz in der Mitte.«

Und das war er tatsächlich. Man kann die Rolle, die Bon Scott bei AC/DC spielte, nachdem die Band ihn endlich aufgenommen hatte, wohl kaum treffender beschreiben. Er war der Fleischbelag auf dem Riff-Sandwich der Young-Brüder. Er steuerte nicht nur den perfekten dreckigen Gesang zu Malcolms und Angus’ Vollgasrhythmen und dem rohen, wilden Sound bei, er schrieb auch die Songtexte, gab den mitreißenden Frontman und verhalf der Band zu einem etwas frecheren, anrüchigeren Image. Dazu trugen nicht zuletzt auch all seine Tattoos bei und die Unmengen Schweiß, die auf der Bühne aus seinen Poren strömten. »Das hält fit«, tönte Bon später einmal, »der Alkohol, die Weiber, die Schwitzerei, das schlechte Essen – das tut mir richtig gut!« Natürlich tat es das nicht. Dem Ego mag es geschmeichelt haben, doch Körper und Seele gingen daran zugrunde – Bon sollte das als Erster aus der Band herausfinden. Dennoch, wenn er nicht gewesen wäre, gab Angus später zu, »hätte es AC/DC in der Form vermutlich nicht gegeben… Bon hat AC/DC geprägt, der Band die richtige Würze verliehen. Er war einer der größten Dreckskerle, die mir je begegnet sind. Als ich ihm zum ersten Mal über den Weg lief, konnte man sich nicht mal gescheit mit ihm unterhalten – mehr als ›Fuck‹, ›Fotze‹, ›Piss‹ und ›Scheiße‹ kam nicht aus ihm raus. Später wurde er ein bisschen ruhiger und normaler.« Bon Scott war ein echter Kerl im wahrsten Sinne des Wortes, er hatte nichts Aufgesetztes an sich, er war absolut authentisch. Er konnte tatsächlich saufen, prügeln und ficken wie ein Weltmeister. Außerdem hatte er viel Humor. Man konnte also jede Menge Spaß mit ihm haben. Bon war allen freundlich gesinnt – bis seine Laune ganz plötzlich kippte. Dann kam seine andere, seine düstere, depressive Seite zum Vorschein, der Bon, der allen sagte, sie sollten sich verpissen und ihn in Ruhe lassen. Und wehe, das taten sie nicht!

Als wahrhaft schottischer Scott stammte Bon von einer langen Reihe verrückter Haudegen – oder wie die Schotten sagen »heid the ba’s« – ab. Anders als die Youngs, die wie ein Clan auftraten, aber eher eine Art Sept waren – eine kleinere Sippe nichtadeliger Herkunft, die sich die Treue schwört –, waren die Scotts die Nachfahren eines ehemals mächtigen Lowland-Clans, dessen Wurzeln bis zu jenem Clan zurückreichen, der lange vor der Verbreitung des Christentums Argyll von Irland aus erobert hatte. Das Motto der Scotts lautete »Amo« (dt.: ich liebe). Seinerzeit zählten sie zu den unerschrockenen Gefolgsleuten von Robert the Bruce. Sie kämpften an seiner Seite in der legendären Schlacht bei Bannockburn und in vielen anderen während der Schottischen Unabhängigkeitskriege, sie wurden wie er vom Papst exkommuniziert und als seine treuen Mitstreiter zum Tode verurteilt. Nur wenige Clans blicken auf eine derart leidvolle und blutige Vergangenheit zurück wie die Scotts.

Charles Scott – von seinen Freunden »Chick« genannt – wurde 1918 in Kirriemuir geboren, einem kleinen Marktflecken etwa fünf Meilen nordwestlich von Forfar in der Grafschaft Angus, im Osten von Schottland. Man kommt dorthin über die A928, eine enge, einspurige Straße mit ziemlicher Steigung. Der Ort liegt auf einem Hügel inmitten von Feldern; in nördlicher Richtung erheben sich der Glen Clova und der Glen Prosen, Richtung Süden kann man Glamis sehen, wo Queen Elizabeth und die Königinmutter geboren wurden. Das Städtchen ist zweigeteilt: Auf der einen Seite die Altstadt mit ihren schmalen Sträßchen und Durchgängen, die sich durch den alten Stadtkern hindurchwinden und von klassischen roten Sandsteingebäuden gesäumt sind. Hier ist die Vergangenheit immer noch lebendig; man kann sich leicht vorstellen, wie einst Gaslampen die engen Gassen erleuchteten. Auf der anderen Seite gibt es den modernen Teil, in dem die Tourismusindustrie deutliche Spuren hinterlassen hat. Die ehemals holprigen, unebenen Wege sind heute akkurat gepflastert und die Museen und Souvenirgeschäfte zeugen davon, wie wichtig heute der Tourismus für das Städtchen ist, das einst aufblühte, als die hier ansässige Textilindustrie zu florieren begann.

An Kirriemuirs berühmtesten Sohn, J. M. Barrie, erinnern sowohl eine Statue von Peter Pan, seiner bekanntesten Schöpfung, als auch eine Plakette an dem Haus in der Berchin Street, in dem er aufwuchs. Die Statue steht an einem Platz an der Bank Street, schräg gegenüber der Cumberland Close, wo Chick mit seiner Familie lebte, und dem sogenannten tollbooth, einem alten Uhrenturm, der über die Jahrhunderte als Mautstelle, Gericht und Polizeirevier diente und neuerdings als Museum genutzt wird. In einigen der umliegenden älteren Gebäude wurde zwischen den traditionellen roten Sandstein jeweils ein massiver grauer Stein gesetzt, ein sogenannter Hexenstein. Diese Steine sollten einst Hexen abwehren und erinnern noch heute an die Zeit der Hexenverfolgung, der im 16. Jahrhundert auch in dieser Region Frauen zum Opfer fielen.

Die Bank Street ist relativ kurz. Auf der einen Straßenseite gibt es einen Coop-Supermarkt und eine Filiale der Royal Bank of Scotland, auf der gegenüberliegenden das Dreisternehotel The Thrums. Vom Marktplatz mit dem Uhrenturm aus gelangt man über die Bank Street zur Kreuzung Mary Well Brae und School Wynd. An dieser Stelle soll früher die Bäckerei der Scotts gestanden haben. Allerdings weist heute nichts mehr darauf hin, wobei sich auch einige Ältere gar nicht daran erinnern können, dass es hier einmal eine Bäckerei gegeben haben könnte. Sie vermuten, dass sie eher in der Reform Street gleich hinter der Bank Street war. Dort gibt es tatsächlich eine Bäckerei. Allerdings war das Ladenlokal in all den Jahren an alle möglichen Geschäfte vermietet worden, wie ein Anwohner erklärt. Wesentlich mehr Gewissheit hat man bezüglich des Ortes, an dem man die Familie Scott häufig in ihrer Freizeit angetroffen haben dürfte. Das gilt zumindest für die männlichen Familienmitglieder, die wohl einigermaßen regelmäßig in Bellie’s Brae Inn eingekehrt sein dürften. Das Pub an der Ecke Cumberland Close, wo die Scotts wohnten, gibt es immerhin seit 1857. Das ehemalige Wohnhaus der Familie an der 2 Cumberland Close wurde wie die restlichen Gebäude entlang der Straße Anfang der 90er-Jahre abgerissen. Heute stehen hier moderne Wohnhäuser, und es gibt einen Souvenirladen und ein Fremdenverkehrsbüro.

Wo auch immer die Bäckerei der Scotts gewesen sein mag, klar ist, dass sie den Alltag der ganzen Familie bestimmte. Chicks Vater Alexander, der Alec genannt wurde, hat sie 1920 eröffnet. Wie später sein eigener Sohn, trieb sich auch Chick in jungen Jahren mit einem Freund namens Angus rum. Die beiden Teenager träumten davon, zur See zu fahren, bis Alec ihnen diese Flausen austrieb und Chick und seinen älteren Bruder George in der familieneigenen Bäckerei unterbrachte. Für ein Bier und ein kleines Liedchen nach der Arbeit war Chick immer zu haben. Alec sang sehr gerne gemeinsam mit seinen Söhnen, und ihre Mutter Jayne ermunterte George dazu, Klavierstunden zu nehmen. Auch Chick hat Klavierspielen gelernt und sogar mit Geige angefangen, doch am meisten Freude hatte er daran, zu singen und andere mit seinen Späßchen und amüsanten Geschichten zu unterhalten. Mit seinen tätowierten Armen war er ein echtes Original, niemand, der vor anderen katzbuckelte. Dem australischen Journalisten Clinton Walker erklärte er: »Ich ging einfach gern aus, wollte Spaß haben und auch ein bisschen ein ungezogener Bube sein.« Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Chick zweiundzwanzig. Er war bereits Reservist bei den Citizen Military Forces (CMF) gewesen. Jetzt meldete er sich freiwillig zur Armee und freute sich darauf, etwas von der großen weiten Welt zu sehen. Er leistete seinen Dienst als Bäcker und wurde zunächst in Frankreich, dann in Irland, Nordafrika und Italien stationiert.

Während seiner Grundausbildung im Küstenort Kirkcaldy lernte Chick eines Abends auf einer Tanzveranstaltung Isobelle Cunningham Mitchell kennen, die Isa genannt wurde. Die dunkelhaarige, schlanke junge Frau mit dem hübschen Gesicht war außerordentlich intelligent. Sie hatte noch drei Schwestern, mit denen sie zusammen aufgewachsen war. Ihr konnte niemand so leicht etwas vormachen. Auch sie liebte Musik, was kein Wunder war, da auch sie aus einer musikalischen Familie stammte. Ihre Mutter spielte Klavier – ebenso wie ihr Vater – und Orgel. »[Er] hatte eine tolle Stimme und konnte wunderbar singen«, erzählte sie Walker. Als Chick Isa 1941 während eines Fronturlaubs heiratete, war Jayne Scott alles andere als begeistert. Als Bäcker mit einem eigenen Geschäft fühlten sich die Scotts der vergleichsweise gut situierten Mittelschicht zugehörig, und Jayne konnte nicht verstehen, dass ihr Sohn ein Mädchen aus dem »gemeinen Arbeitervolk« zur Frau genommen und damit ihrer Meinung nach weit unter seinem Stand geheiratet hatte. Doch Chick war inzwischen Soldat und dreiundzwanzig Jahre alt; er ließ sich nicht länger vorschreiben, was er tun sollte oder nicht. Zwei Jahre später brachte Isa ihr erstes Kind zur Welt, einen Jungen namens Sandy. Doch das Baby starb tragischerweise bereits mit neun Monaten, ohne dass Chick es jemals zu Gesicht bekommen hatte.